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Nr. 113. Pulsnitzer Wochenblatt. — Donnerstag, den 21. September 1911. Seite 8. 6us aller V-sIt. Boun, 20. September. (Ein Strafgefangener als Millionenerbe.) Der Bonner Privatgelehrte Dr. Großer erschoß sich in Mainz, nachdem seine vor ei nigen Tagen verstorbene Gattin im dortigen Krematorium verbrannt worden war. Seine schöne Villa bei Mehlem und sein nach Millionen zählender Vermögen erbt sei > Bruder Oswald Großer aus Steglitz, der, wie erinnerlich am 16. November 1908 vor dem Reichsgericht in Leipzig während der Verhandlung gegen ihn den Gerichtsschreiber Obersekretär Rudolf Straßburg erschoß und den Präsi denten Mahner verwundete. Der Erbe verbüßt jetzt die ihm wegen des Attentats zudikiierte Freiheitsstrafe von 10 Jahren in der Strafanstalt Hoheneck in Sachsen. Posen, 20. September. (Manöo erunfälle.) Schwere Manöverunfälle ereigneten sich in Reichsmark beim Aus laden von schwerem Geschütz. Einem Kanonier wurde durch einen Lafettenschwanz ein Bein zerschmettert, ein Reservist durch ein zurückgesalleneS Geschütz auf der Stelle getötet. Naumburg, 20 September. (Die Todesanzeige des Selbstmörders.) Hier erschoß sich ein ange sehener Kaufmann in einer Droschke. Zuvor hatte er persönlich auf der Expedition des Naumburger Kreis- blatteS seine Todesanzeige aufgegeben. Westerland, 19. September. (Feuersbrunst auf Westerland.) Heute früh 8»/, Uhr brach ein Feuer in der Ostermann'schen Strandhalle aus, wodurch in kurzer Zett alle nördlich gelegenen Strandhallen ein Raub der Flammen wurden. Der durch den Brand angerichtete große Schaden wird von den beteiligten Hotels auf etwa 120 000 Mark angegeben. Paris, 20. September. (Abgesagter Besuch in Deutschland.) Der Seine-Generalrat und die Pariser Stadtverordnetenversammlung hatten geplant, zwei Ab- ordnungen nach Deutschland zu entsenden, um die städt. Schlachthäuser, namentlich auch in Berlin und Dresden, zu besichtigen und die Wasserversorgungsmethoden der größeren deutschen Städte zu studieren. In einer Der- sammlung des Pariser StadtrateS wurde gestern auf den Antrag Grebauvals beschlossen, im Hinblick auf die schwebenden diplomatischen Verhandlungen diese beiden Studienreisen vorläufig zu Unterlasten, obschon die Stadt räte nicht den geringsten Zweifel an der Höflichkeit haben, mit denen sie von den deutschen Behörden empfangen werden würden. Petersburg, 20. September. (Selbstmord e*nes russischen StatSrateS.) Großes Aufsehen erregt hier der Selbstmord des Staatsrates Grefftn. Man bringt den Verzweiflungsschritt des StaatSrateS mit dem Atten tat auf Stolypin in Zusammenhang und glaubt, daß Grefftn in dieser Angelegenheit stark kompromittiert ist. Catania, 20. September. (Zum Ausbruch des AetnaS.) Der Aschenregen dauert fort. Der Verkehr in den Straßen ist stark beeinträchtigt und teilweise un möglich. Ein starker Gswittersturm hat gestern abend großen Schaden angerichtet. Die Lava fließt erneut und bedroht Wohnungen und Dörfer. ^ann ein Vater über Sparkassenbücksr feiner Mnver verfügen? j. X. Zwischen Vormund und Vater macht das Ge- setz einen Unterschied. Letzteren stellt eS freier; immerhin darf er eine fremde Verbindlichkeit zu Ungunsten seiner Kinder nicht übernehmen. Liegt ein solcher Fall vor, wenn er Sparkassenbücher seiner Kinder in Zahlung gibt? Der Beklagte hatte ein Seifengeschäft gekauft und An zahlung durch Hingabe von 4 Sparkastenbüchern seiner Kinder geleistet. Er verhinderte demnächst die Auszah. lung, woraus ihn Klägerin auf Einwilligung verklagte. Widerklagend beantragte er Herausgabe der Bücher unter der Behauptung, daß diese Eigentum seiner Kinder seien, über die er nicht habe verfügen dürfen. Das Landge richt II Berlin hat ihn verurteilt; Berufung bet dem Kammergericht und Revision beim Reichsgericht hatten keinen Erfolg. Au» den Gründen des reichS- gertchtlichen Urteils: „Sparkastenbücher sind keine Jn- haberpagtere, sondern bloße Legitimationspapiere nach 8 808 BGB. Die Hingabe und die Annahme der Spar- kastenbücher erfolgte zur Befriedigung der Kaufpreisforde- rung, welche die Klägerin gegen den Beklagten hatte. Somit hat nicht etwa eine Verpfändung, sondern eine Abtretung der Forderungen der Kinder des Beklagten an die Klägerin nach 8 398 BGB stattgefunden. Die Ab tretung erfolgte zahlung-halber und nicht etwa an Er- füllungSstatt nach 8 364 BGB. Allerdings verbietet 8 1813 Abs. 1 BGB dem Vormund die Verfügung über eine Mündelforderung ohne die Genehmigung des Gegen- Vormundes und verlangt im Falle des 8 1822 Nr. 10 BGB die Genehmigung des VormundschaftSgertchtS. Der Vater als Inhaber der elterlichen Gewalt dagegen ist freier gestellt. Man nahm an, daß eine Beschränkung der Vertretungsmacht mit der»durch die natürlichen Ver- hältniste angezeigten freieren Stellung des Vaters und mit den Interessen des Kindes nicht wohl zu vereinbaren sei; da» natürliche Verhältnis zwischen Ellern und Kin- dern verbürge, daß mit der elterlichen Verwaltung kein Mißbrauch werde getrieben werden. Der Gesetzgeber überließ deshalb die freie Verfügung über MündelSforde- rungen dem Inhaber der elterlichen Gewalt. Nur eine Uebernahme fremder Verbindlichkeit ist ohne Genehmigung des VormundschaftSgertchtS ungültig; deshalb wüide die Verpfändung der Bücher unzulässig gewesen seinf Die Beschränkung trifft aber nicht zu, wenn eine fremde Verbindlichkeit, sei es auch eine Verbindlichkeit des Vaters selbst, aus dem Mündelvermögen — wenn auch durch Abtretung einer Mündelforderung, wie im vorliegenden Falle — getilgt wird. Die Sachlage und die Wirkung ist dann keine andere, als wenn aus Mitteln des Kindes gezahlt würde. So hätte der Beklagte dieselbe Wirkung auch dadurch herbeiführen können, daß er die Sparkasten, forderungen einzog oder sie an einen Dritten abtrat und das so erlangte Geld zur Zahlung seiner eigenen Schuld verwendete." Der Schwerpunkt bleibt darauf liegen, daß eine Verpfändung, wie da- schon ein früheres R.-Ge- richtSurteil ausspricht, ungültig ist. (Urt. des R -G Il 334/10) ULnou - cme palenlscdau. Vom Patentbureau O. Krueger L Co., Dresden-A., Schlohstraße 2. Abschriften billigst, Auskünfte frei. Wilhelm Wagerengel, Königsbrück: Absatzbefestigung (Gm). — Paul Kuschel, Radeberg: Etikettenhalter für Flaschen jeder Art <Gm). Paul Weser, Gr. Kmehlen b. Ortrand: Kartoffelleg- maschine mit Legtrommel (Ang. Pat). — Fa. I G. Hauffe, Puls nitz : Hosenträger-Schnurenftück mit gewebten Knopflochteilen (Gm). verNnsr provuktenbörse. Auf politische Befürchtungen bezüglich Marokkos hatte an der Vorbörse der Produktenmarkt eine recht feste Tendenz gezeigt. Da jedoch später von der Fondsbörse beruhigtere Auslassungen bezüg lich Marokkos bekannt wurden, so trat eine leichte Abschwächung wieder hervor. Jedoch waren die Kurse immer noch merklich über gestern. Schwächer tendierte nur Rüböl. Wettervorhersage der Kgl. S. Landeswetterwartc z» Dresden. Freitag, den 22. September. Südwestwind, wolkig, etwas kälter, zeitweise Regen. Magdeburger Wettervorhersage. Freitag, den 22. September. Ziemlich kühler, teils heitres, teils wolkiges Wetter ohne erhebliche Niederschläge. Mrcksn-sraÄrrlcdten. Pulsnitz Sonnabend, den 23. September, 1 Uhr Betstunde Pfarrer Schulze. Sonntag, den 24 September, XV. nach TrinitutiS: 8 Uhr Beichte. I Pfarrer >/,9 „ Predigt (Apostelgesch. 16, 9 — 15 ) s Schulze. ' 11 „ Schulkommunion in FriederSdorf, anschließend HauSkommunton Pfarrer Schulze. >/,2 „ Gottesdienst für die konfirmierte männliche Jugend Pastor Resch. V-8 „ Spaziergang des JungfrauenveretnS. 8 „ Jünglings- und Männerverein. Amt» woche: Pastor Resch. zu bringen. Ohnedies habe ich auch noch ein Wörtchenlmit ihm zu reden." „Herr Ban der Loo läßt anfragen, ob den Herrn Baron spttchr» könne/ meldete in diesem Augenblick« ein Diener. „Führen Sie den Herrn hierher!" befahl der «Hausherr, der während dr» letzten Teile» der Unterredung fortwährend ausgeregt im Zimmer auf« und ablief. „ES trifft sich auSge« zeichnet, Herr Van der^Loo, gerade jetzt zu un« zu kommen. Ein sehr energischer Man», Herr Eichfeld, der Ihne» von Her, zea gern bei dieser Angelegenheit zur Seite stehen wird. Ach, guten Abend, mein lieber Van der Loo. Ihr« Ankunft hätte mir nicht erwünschter sein können, al» in diesem Augenblick«. Höre« Sie nur, wa» hier vorgesall«« ist. Doch zurrst muß ich di« Herren mit einander brkaimt machen! Herr Van der Loo, Herr Eichfeld." „Freut mich sehr/ sagte der eben Eingetrelene, der den Fremden prüfend betrachtete, ziemlich kühl. „Sir find wohl «in nah«r Verwandter dr» Herrn Eichfeld, den ich gestern hier zu begrüße» da» Vergnüge» hatte?" „Ganz und gar nicht/ erwiderte statt de» Ungeerdeten der Baron« „und da» ist eben da» Merkwürdige an der ganzen Ge» schichte. Denk«» Sie nur, dieser Herr ist der echte Eichfeld; derjenige dagegen, den Tie gestern sahen, war ein Schwindler, der sich einen falsche» Name» beilegte und mich daraufhin um «ine Summe von 8400 Taler prellte. Vor einer Stunde ist der Hallunke abgerrrst, und Herr Eschfeld macht sich soeben an« hejschig, ihn wieder rinzufangen." „Meine Ahnung hat mich doch nicht betrogen, Herr Baron/ versetzte Van der Loo, „ich kann Ihnen kaum sagen, wie wider wärtig mir jener Mensch schon beim ersten Augenblick« wer. Wenn Ihn«« meine Begleitung nicht unangenehm ist, Herr Eich« selb, so schließe ich mich Ihnen bei Ihrem Vorhaben mit Ver» gnüge» an." „Ihre Gesellschaft wird mir äußerst willkommen sein," laukte di« höfliche Antwort, „ich schlage nun aber vor, daß wir kein« weitere Zeit verlieren, sondern sofort auibrechen. U»terweg» Überlegen wir dann, wie wir die Sache am ficherstrn i» di« Hand nehmen." „Eine» möchte ich noch bemerken, meine Herre»/ sagte jetzt drr varo«, „vermeiden Sie möglichst alle» Aussehen. Ver« liere ich auch da» Geld nicht gern, so möchte ich doch noch lieber auf da» Geld verzichten, al» daß ich mit den Gerichten in Be rührung käme." „Ich vttstehr Sie vollkommen, Herr von Duisdorf," er widerte Eichfeld. „Meine Abficht ist e», ihn unter vier Augen zu sprechen und alsdann da» Geld von ihm herau» verlangen. Er wird sich dessen nicht weigern, den» er kennt mich und hat Respekt vor mir. Finden wir ihn nicht, so wäre alle» Suche» nach ihm durch die Polizri ohnedir» zwecklo». Der Kerl ist viel zu raffiniert, al» baß er nicht seinen Raub sofort irgendwohin in Sicherheit gebracht haben sollt, wo keine Mühe der Polizei ihn «utdeck«» würde. Und nun kommen Sie, Herr Van der Loo." Kei», der Damen hatte bi» jetzt ei» Wort gesprochen. Si« alle hatten staunend und mit de» verschiedenartistrn Gefühlen den Reden der drei Männ«r zugehört. Die Baronin, die r» noch immer nicht begreifen konnte, wie ei« so liebenswürdiger Herr so grundschlecht sein könne, war völlig sprachlo,; Hedwig war sehr blaß, aber sonst verriet nichts an ihr die inner« Be- wegung, Sophi« dag«gi» war immer «nruhigrr gewordrn. Verschikden« Mal« hatt« «» den Augenschein gehabt, als ob si« sich an dem Gespräch beteiligen wolle, und die Abficht führte sie auch endlich aus. „Lieber Papa," sprach sie zögernd und mit zu Boden ge senkten Auge», „ich muß dir bekenn«», daß jener Herr E chfrld auch von mir etwas in Hände» bat, waS er mir in einigen Tagen zurückzugebrn versprach. Er bat mich so dringend, ihm irgend einen Gegenstand zu geben, dir ihm als Tali»man auf Reise dienen sollte, daß ich nicht zu widerstehe» vermocht«. Und da ich nichts andere» zur Hand hatte, so gab ich ihm de» Bril lantring der Großmama mit." „Der schändlich« Bösewicht l" rief Hedwig bei dieser über last enden Mitteilung unwillkürlich au». Einen weit größere» Eindruck mache aber dieselbe auf den Herrn Baron. „Kind, Kind, wa» hast du getan!" sagt« er erregt. „Da» mir überau» teure Andenken meiner Mutter hast du an einem Schurken verschenkt! Eine fünffach so Hoh« Summe wie die er mir abschwmdrlt« wollt« ich liebir vermiffen, al» diesen Ring, und doch kann ich dir kein« Vorwürf« machen, da ich mich selbst auf eine so elend« Weise betrügen ließ. Indessen der Umstand mit dem Ring verändert sich die ganze Lachlag« mit einem Male. J'tzt bitte ich Sie, m:ine Herren, kein« Rücksicht«» m«h, auf mich und einen eventuell«» Skandal zu nehmen, setzen Sie die Polizei und di« Gendarmerie in Bewegung, damit ich nur den Ring zurück erhalte. Ich selbst würde gern mit Ihnen gehe», aber die Gegenwart eine» alten Manne» wär« für de» Eifrr zweier junger Leute wie Sie nur ein sehr über flüssiger Hemmschuh." Die Herren erhoben sich nach diesen Worten, und w'e die beiden jüngeren sitzt dicht »ebeneinandtr standen, konnte man erst so recht den äußeren Unterschied zwischen ihnen erkennen. Beide waren auffallend kräftig« und stattlich« Männer, aber gleichwohl überragte Van drr Loo den anderen fast um Kopfe»» länge. Er trug heute einen eleganten dunklen Rock, der seine wohlproportionierte Gestalt noch mehr hervorhob, und wär« da» Gesicht Nicht gar zu wetterhart gewesen, e» hätte in dem Feuer, welche» in der Aufregung über di« bevorstehenden Eriigniffe au» ihrin Augen strahlt«, fast noch schöner gelten können. Auch Hedwig entging dies« V.ränderung nicht, und einen Moment ruhte thr Bl ck mit offenbarem Wohlgefallrn auf dem Manne, dessen achtung»werten Charakter sie schon längst kennen und schätzen gelernt hatte. Al« sich derselbe zum Abschiede rhrer« bi«tig vor ihr verbeugte, erwiderte fi« seinen G.uß weit freund« kicher al» sonst Hedwig errötete. Al»dann ging sie mit ihrer Freundin nach oben. .Sophie/ sprach sie in deren Z mmer mit der innigen — Herzlichkeit — die sie manchmal in ihre R«de zu legen wußte, .gestern warst du mir böse, al» ich dich zu warnen suchte. — Siehst du jetzt ein, daß ich e» stet» gut meine?" Sophi« schluchzt«. Nun bat Sophi« herzlich um Verzeihung. (Fortsetzung folgt.)