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Pulsnitzer Wochenblatt Donnerstag, LlAugust 1911. Aeitage zu Hlr. 101. 83. Jahrgang. OertNckes und SÜÄdslscdss. — (Ein strenger Winter) war dieser Tage an» gekündigt worden, weil .n Schlesien die Bienen in auf» fälliger Weise plötzlich Mitte Juli die Tracht eingestellt und alle Ritzen und Fugen mit „Pech* verklebt haben. Hierzu schreibt ein thüringischer Imker in der „Dorfztg.": Die Bienen haben in der Hochtracht plötzlich mit Honrg- sammeln aufhören müssen, weil mit einem Schlage alle Blumen verdorrt und somit die Honigquellen versiegt waren. Die Bienen finden aber nur Genuß und Freude in der Arbeit, und da es nun nichts Bessere- mehr für sie zu tun gab, so haben sie sich an eine Arbeit gemacht, die sie sonst bet guter Tracht viel später verrichten; sie haben Vorsorge für den Winter getroffen Dergleichen habe ich während meiner 30»jährigen JmkerpraxiS wiederholt beobachtet, ohne daß strenge Winter gefolgt sind. Wir brauchen uns also wegen de- in Aussicht gestellten strengen Winter- keine grauen Haare wachsen zu lasten und unser Kohlenbudget vorläufig noch nicht zu erhöhen. — (Gestaltung der Vieh preise.) Ueber die voraussichtliche Gestaltung der Viehpreise schreibt der Obermeister der Dresdner Fleischer-Jnnung, Herr Gustav Witzschel, einem Fachblatte: Im Nachstehenden meine Ansichten über die im kommenden Herbst voraussicht lich zu erwartende Gestaltung der Vieh- und Fleischpreise am Dresdner Markt: Der Schweinemarkt wird aller Wahrscheinlichkeit nach Preise zeitigen, deren Höhe als abnorm zu bezeichnen sein wird. Da- untrüglichste Zeichen dafür finde ich in dem gegenwärtig niedrigen Preise für Ferkel; denn es ist noch immer eingetroffen, daß nach dem Fallen der Ferkelpreise die Schlachttiere um so teuerer wurden. Al- Ursache ist die minderwertige Kartoffelernte zu bezeichnen. Der Kälbrrmarkt dagegen wird sich nach meinem Dafürhalten ganz ander- gestatten. Die als sehr mäßig zu bezeichnende Heuernte und die schlechten Aussichten für die Grummet- und Herbstsutter» Ernte werden keinen Landwirt veranlassen, Kälber anzu» binden, und so werden wir den ganzen Herbst hindurch viel Kälber auf den Markt bekommen, wodurch sich der Preis von selbst in mäßigen Grenzen halten wird. Die Viehbesitzer werden aber durch den Verkauf der Kälber nicht allein eine Vermehrung der Viehbestände vermeiden, sondern sie werden von diesen auch sonst noch abzustoßen suchen, was irgend möglich ist, deshalb wird auch der Rindermartt gut beschickt sein, aber nur in geringen Qualitäten. Die Preise für erstklassige Rinder, wie sie am Dresdner Markt verlangt werden, werden abnorm hohe werden, und demzufolge wird Rindfleisch besserer Qualität eine Preissteigerung erfahren müssen. Der Auf» trieb an Hammeln wird keine Aenderung erfahren, denn dazu ist die Zucht zu sehr zurückgegangen. Wie ungenügend diese mit der Zunahme der Bevölkerung Schritt gehalten hat, geht daraus hervor, daß wir schon vor 20 Jahren denselben Auftrieb hatten wie heute, und so gilt Hammel fleisch schon längst als Luxusartikel. — (Hinsichtlich einer Neuuniformierung der sächsichen Polizetbeamten) wird gemeldet, daß der Vorschlag einer einheitlichen Uniformierung der Exekutto-Beamten der Gemeindesicherheit»pol>zei vom Mini sterium gemacht worden ist, daß eS aber, den einzelnen Gemeinden sreisteht, sich diesem Vorschläge zu fügen, das heißt, ihre Beamten nach den aufgestellten Bestimmungen etnzukleiden, oder ihre Einkleidung anzuordnen, oder die bisherigen Uniformen beizubehalten. Die Annahmen der gedachten Bestimmungen darf nur in ihrer Gesamtheit stattfinden. Den Anlaß zu der vorgeschlagenen einheit lichen Uniformierung hat übrigens die Mehrzahl der be troffenen Beamten durch eine Petition, die der Verein der sächsischen KommunastPolizeibeamten an da- Mini- sterium gerichtet hatte und in der um die einheitliche Uniformierung der gedachten Beamten gebeten wurde, selbst gegeben. Die gedachten Beamten erhoffen durch die vorgeschlagene einheitliche Uniformierung eine Erleichterung für sich, weil sie beim Wechsel der Dienststellung ihre Uniform würden betbeyalten können. Da- Ministerium legt auch Wert darauf, daß das Gefühl der Zusammen gehörigkeit unter den Gemeinde-SicherheitSpolizeibeomten gestärkt, sie dem Publikum gegenüber besser als bisher kenntlich gemacht und daß Ungleichheiten in den Titeln und Abzeichen beseitigt werden würden. — (Seesischnahrung al- Fleischers«-.) Bet der Fletschteuerur.g, di« un- ohne Zweifel bevorsteht, dürste wieder mehr die Geefischnahrung al» Fletschersatz in Aufnahme kommen. Da» Fischfleisch wird noch lange nicht al» gesunde und kräftige Meischnahrung gewürdigt, wenn schon sich in dieser Beziehung manche» in letzter Zett gebessert hat. Da» Ftschfletsch populär werden zu lassen, halfen die von vielen Stadtverwaltungen veran stalteten städtischen Ftschmärkte mit, die auch wohl wie der im kommenden Winter in Aufnahme kommen werden. Vielfach wurden ja auch unentgeltliche Fischkochkurse erteilt. — (AuSnahmetarif.) Um der durch die Trockenheit der letzten Monate entstandenen Futtermittel- not zu begegnen und einer Verringerung der Viehbestände vorzubeugen, wird mit Giltigkeit vom 22. August 1S11 bi» 30. Juni 1912 zunächst für den Binnenverkehr zwi schen den sächsischen StaatSbahnen und für den Berkehr zwischen den sächsischen Staat-bahnen und den preußisch, hessischen und oldenburgischen Staat»eisenbahneu und der Militäreisenbahn ein AuSnahmetarif für gewiss« Futter, und Streumittel eingeführt. Er gewährt im allgemeinen eine äOprozentige Ermäßigung der tarif mäßigen Frachtsätze für Wagenladungen. Der Geltung», bereich wird voraussichtlich in nächster Zeit noch erweitert werden. — (Der Geschäftsführer der Deutschen Turnerschaft), Stadtschulrat Professor Or. Rühl, stellt in seiner BestandSerhebung der Deutschen Turner, schast fest, daß die Gesamtzahl der männlichen Vereins angehörigen über 14 Jahre (also ohne Frauen- und Kinderabteilungen) 1OO3 60S beträgt. Die vorjährige Zahl betrug 94611ö; eS ist somit eine Vermehrung um 57 494 Mitglieder, d. h. um 6,1 Prozent eingetreten. — (DieSchwalbenverlassenun-I) Mancher, der den enteilenden Freunden de- Hause- nachsah, hat sich wohl schon die Frage vorgelegt: Welche Zeit hat ein« Schwalbe nötig, um ihre Reise nach dem Süden — sagen wir, nach der Nordgrenze Afrikas — zurückzulegen? Eine Brieftaube soll in der Sekunde 40 Meter zurück, legen; eine Schwalbe dagegen bringt es bis aus 60 m. Da» macht für erstere in der Stunde 144, für letztere aber 216 Kilometer. Nehmen wir nun an, daß eine Schwalbe am Morgen eine» Tages in Deutschland ab- fliegt, so kann sie, selbst bei Hinzufügung von Ruhe- pausen, am nächsten Tage bequem überm Mittelmeer in ihrer neuen Heimat anlangen. Die enorme Geschwindig. kett de» Schwalbenfluges wurde früher sehr unterschätzt. Man nahm an, der blaue Segler der Lüfte brauche mehrere Tage, um die Reise nach dem Süden zurückzu legen, wa» aber wohl nur bei ganz wenigen dieser Tiere der Fall ist. Pirna. (Gemeinsam indenTod.) Ein junges Liebespaar aus Dresden ist am Sonntag unweit der Lochmühle bei Pirna freiwillig aus dem Leben geschieden. Das junge Paar hatte sich, bevor es gemeinsam in den Tod ging, zusammengedunden und an einem Baume aufgehängt. Gegen 1 Uhr nachmittags wurden sie auf gefunden. In dem Mädchen wurde eine 17jährige Haus- tochter und in dem jungen Manne ein 20jähriger Kunst gewerbeschüler aus Dresden festgestellt. In den Abschieds- briefen an seine Angehörigen erklärt da- Liebespaar, daß eS aus dem Leben scheide, weil seiner ehelichen Verbindung von den beiderseitigen Eltern Widerstand entgegengesetzt würde. — (Aufgegriffen.) Die vor einigen Tagen an der BezirkSapstalt zu Leuben entwichenen Gebrüder Siebert au» Radeberg sind in Mügeln bei Dresden auf gegriffen und der Anstalt wieder zugesührt worden. — (Maul- und Klauenseuche.) Wegen der Gefahr der Wetterverbreitung der Maul- und Klauen seuche ist der Auftrieb von Rindvieh aus die Biehmärkte in Ruhland am 26, August und in Wittichenau am 5. September verboten worden. Leipzig. (Verpachtung.) Welch hohe Summen der Staat bet der Verpachtung von BahnhosS-Restaura- tionen erzielt, dafür bietet die Verpachtung de» neuen Leipziger HauptbahnhosS-Restaurant-, die kürzlich erfolgte, ein typische» Beispiel. Da» neue Leipziger Bahnhofs restaurant befindet sich in dem Hauptbahnhofe, der gegen, wärtig in Leipzig gebaut wird und welcher der größte Der stiLLe See. Roman von H. Courths-Mahler, rz (Nachdruck verboten) »u am »Nein. — Ich habt mir Mühe gegeben, dich lieben lernen, al» ich dein Weib wurd«. Aber die Liebe stirbt Zwangs Han» Rochu» begaff von dem allen nur da» ein«: sie wollt« sich von ihm trennen, weil st« ihn nicht liebt«, weil ihr da» Leb«n an seiner Veite ein furchtbarer, verhaßter Zwang gewesen «ar, de» sie abschüttelte, sobald e» in ihre Macht gegeben. « - Gewißheit erfüllte ihn mit heißen Schmerz. Ein Gefühl dumpfer Qual preßte sein Herz zusammen. Er macht« sich Vorwürfe, daß er die Zeit, di« st« ihm angrhörte, nicht ge nügend ausgenutzt hatte, um ihr« Lieb« zu erringen. Nu» er erkannt«, wa» fir ihm geworden, wie sie ihm still und fest in» Her, gewachsen war, wollt« sie von ihm gehen. Ex «kannte aber auch, daß ihre Ehe «ine Qual für sie gewesen war, und daß er fie nicht halten durfte, wenn sie nicht freiwillig blieb. Daß Zusammenleben mit ihm mußte ihr ein stete», still « Mar tyrium gewesen sein, well fie ihn nicht liebte. Und auch er batte fie nicht geliebt — bis ihm vor kurzem die Angen üb« ihren Wert aufgegangen waren. Ach, wnm er fie doch hasten ^'Langsam, wie au, tiefem Sinne» h-rau, sagt, er: Der beutiae Tag bringt mir viel Utberraschungen. Ich kan» L Mo All hin-infind««. ich dir viel abzubitten, Ruth. Ich habe dich vollständig v«kannt. Frei- lich — Du hast e» mir auch seh« schwer semacht, dich zu er- r««nen. Ich hielt dich lange Zeit für »»bedeutens und seelenlo« — bis mir endlich di« Auge» aufginge»- Verzeiht ' "Ä? dich je gekränkt habe durch mein Verhalte». ... d?b. dir nicht« ,u verzeihen — du warst stet, ritt«. für mich. Und du wirst mir doch auch !'* -indem » W" dein. Güt. beweis,».* '§. «<»7 gehr« lass«?* fragte er gepreßt, nach Am.* Gemeinschaft zwischen UN, ist unmöglich * Er sah vor sich hin. W Mi« ni, -.d kk. lerntn f" Sie fühlte, wie ihr Blut in« Erficht trieb. Dr«balb er, widert, fi. doppelt schroff: " Er sah fie trüb« an. .Di« Lieb« stirb am Zwang. — So kagt«st du in «i»«m dtiner Bücher, in dem du unsere Geschichte schriebst. Lorahnend hast du da« Ende erfaßt. Da der Grund, der dich an mich -,- bundm, hinfällig wurde, lösest du dich von mir. Di« Lieb« stirbt am Zwang — du hast recht. Li« muß von f«lb«r komm««, heimlich auf leisen Sohl,». Und wnm wir di« Aug,» aufschla- gr«, um fi« zu nk«»»«», stad wir geblrudN vo» d«m hell«« Licht, w«lche« fi« au»strahlt, und «ög«» fi« nicht glrich z, «fasse». Wir find blind uad tarck — bi» wir fi« «kmnm mit alle» Wund«», di« fi« un, offenbart. Mauchmal ist G da» zu spät.* Ruth hatte sich zurückgelihnt. Sie wünscht« schelichst, daß dies« Unterhaltung zu Lade sei« möchte, damit fie l« der Ein- samkeit de« Schmer, außtob«« lass« kö»«t«, d« ihr di« S«l« fast «drückte. Nach ein« Weil« fuhr Hau, Roch«, au, schmerzlich«« Sinn«« empor und zwang fich zu ein« sachlichen Mi«ne. Al, wenn e, fich «m «in Geschäft handelte, so mußten fie ihr« B«r- bindung lös«». »Deinen Wunsch «ach Befrei»- kan» ich «messe». Wa« ich dabei «mpfiad«, darf »icht in Betracht komme«. Ich will dich nicht halte« gegm deinen willen. Du bist frei, sobald du i« wünschest. Wa« du üb« Roch«b«g sagst — ich weiß nicht, wie ich mich dazu ««halte» soll. Zugegeben, bei« Bat« hat mich übervorteilt; wie soll man fttzt hn»,finde«, i« welch« Weise. Ich soll Roch»b«g al» mei« Ei-r»tum behalte« — so willst du r« — ich kan» da« »icht a»mhmm ohn« weitere«.* Ruth sah mit bange« »ruhige« Auge» zu ihm hinüber. Sie richtete fich auf und beugt« fich vor. »Du mußt — Han» Rochu«, du mußt. Ich appellier« » dein« Ritterlichkeit. Soll mein Opfer ««sonst gewesen sei«? Ich hab« mich «icht b«so»»«n, dei»e Fr« zu ««dm, weil ich e« al« Notwendigkeit empfand, dir dein Ei-mM« zurückzugeb«. Du darfst dich nicht weigern, ,« anzunehmm. We» ich dir, solange wir un« kennm, auch nur ei», Spur vo» Achtung od« Svmpathi, Angeflößt hab«, so laß mich nicht vergeblich bitte». Nimm an, wa« ich dir biet, im i»igm Btftrrbm, mA»G Ba» tn» Schuld zu sühnm. E« soll mir ,i« Zrichrn sri«, daß du mir und ihm großherzig verzeihst.* Sie sagte r« in leidenschaftlich« Erreg»-. Zum «stenmal sah « fie and«» al« ruhig »d beherrscht. Und fie sah schön au« mit diesem belebt«», «rr«gtm «»«druck. Doppelt hart «ar m ihm, st« zu v«rli«rm. Er spra»- auf und Kat an da« Fenstrr. Draußen war dis So»e im Ünter-ehe«. Sie warf di« letzte» glutroten Strahlen durch die Bäume und tauchte de» Himmel in glühlodernde« Licht. Born im Park unter den Bäumen lagerte» schon di« Schatt«« d«r beginnend«» Dämm«»g. Er starrte auf da« herrliche Schauspiel, ohne e« zu sehen. Endlich wandte er sich um. Sei» Besicht war bleich und abgespannt wie nach einem schweren Kampf. Er hielt e« im Schatten und sah nach ihr hfttüb«, di« vom Widnschri« d« goldroten Glut beleuchtet war. Wie schön st« ihm «schir» mit den bang und erwartungtvoll »sgeschlagene» Auge», mit dm bebende», leise geöffnete« Lippe». Gr seufzte tief auf. «Du sollst mich auch dazu bereit finden, Ruth. Umsonst darsft du »icht an meine Ritterlichkeit appellieren,* sagte« fest. Sie erhob fich und reichte ihm di« Hand. .Ich dank« dir. — Uad nun gestatte, daß ich mich zurück- zieh«. Morgen vormittag möchte ich RochSberg vnlaffm sund habe noch allrrl«i zu orderen. Wir scheiden i» Friede», Han« Rochu«, nicht wahr? Und wir wollen un» freundliche» G« denken bewahre». Sobald ich einen feste» Wohnsitz habe, «hälft du Nachricht vo» mit, damit wir brieflich all,» weitere ordnen können.* .Und — verzeih«, daß ich ein« Störung in dein Leben bracht« — w«d« glücklich!' sagt« fi« l«ise. E, richttt« sich empor und Kat zurück von ihr. „Ich hab« dir nicht» zu v«,rih«n. — Hab, Dank — ich werd« nie vergesse», wa« du für mich getan.* Langsam ging fi« hinau«. Wir «in schwarz« Schatten ver schwand di« Schlepp« ihre« «leide«. Er sah ihr nach mit dumps« Trau« und warf fich i» «i- «m Sessel, dm Kopf in de» Händen bergend. Wie »in Lichtschein «ar fie durch sein Leben -eglittm, ihm «inm andere» Begriff von Leben bringend. Nun war d« Licht- stein «loschm. Wie so ost im L«b«n entschied ein Mßverstehe» üb« da« Schicksal pvri« Mensche«. Ihre Herzen strebte» einander mt. -e-m, ab« fi, fanden »icht den Mut, da« «lösend« Wort zu spr«chm, w«il «in« »tidisch« Seel« Mißtrauen gesät hatte, »d «Al «in« dem anderm im schmrn Stolz verbarg, da«, wa« er ««pfänd. Ruth lag auf ihrem Bett wie gebrochen. Zwischen dm -«- schloffmeu L,d«n quollen heiß« Tränen hervor, ohne daß fie ihnen gewehrt hätte. Sie brachtm ihr jedoch kein« Erlricht«»-.