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Pulsnitzer Mckenblatt Sonnabend, 22- Inti 1911. Anlage zu Ar. 87. 63. Jahrgang. OsrtNcdes und Säcksiscdss. — (Der Iulimond.) Der Julimond ist nun in sein letztes Drittel eingetreten. Tag um Tag verstreicht, Woche um Woche vergeht. Schon haben die Tage wieder an Lichtdauer abgenommen. Und mag jetzt auch die Sonne es noch so gut mit uns meinen, wir wissen es doch, daß wir nun näher dem Herbste als dem Frühling stehen. Zwar prangt noch alles in üppigster Fülle, noch grüßt es uns grün von Feldern und Auen, aus Hainen und Wäldern, aber auch schon manches Feld sehen wir abgeerntet. Die sommerlichen Vergnügen und Belustigungen aber sind noch in vollem Gange, denn gerade jetzt ist ja noch eine Lust ein jeder Aufenthalt im Freien. Das letzte Drittel deS Juli ist aber auch die Zett, da man wieder anfängt, das Bedürfnis nach einer anregenden Lektüre zu empfinden. Demgemäß weisen wir auch darauf hin, daß demjenigen, der jetzt für die Monate August und September das Pulsnitzer Wochenblatt abonniert, unsere Expedition gratis das Pulsnitzer Wochenblatt von nun bis Ende Juli liefert. Dieses sollte jeder in Stadt und Land, der noch nicht auf das Pulsnitzer Wochenblatt abonniert ist, auSnützen. — (Radler, fahrt nicht hinter dem Auto her!) Nicht selten fahren leichtsinnige Radfahrer, um gegen den Wind leichter antreten zu können, ganz hart hinter vorau-fahrenden Automobilen, ohne sich der Ge- fahr, die eine solche Fahrt im Gefolge haben kann, be wußt zu sein. Ein solcher Radler, der auf der Dresdner Straße in Meißen hart hinter einem in der Richtung nach Meißen fahrenden Auto herstrampelte, rannte mit seinem Rade in dem Augenblicke heftig an das Automo bil an, als dessen Fahrer den Kraftwagen wegen einer Anzahl Mädchen und Frauen, die um der ungeheuren Staubwolke zu entgehen, kreuz und quer über die Straße flüchteten, plötzlich anhalten mußte Sonderbarerweise war bei dem Zusammenstöße das Rad gebrauchsfähig geblieben, während der Radler am Kopfe eine tüchtige Beule und Hautabschürfungen an der Hand erlitt. — (Ueberschüsse) Gemäß den Ergebnissen des Reichshaushaltes schloß das Rechnungsjahr 1909 mit einem Fehlbetrag von 123 Millionen Mark, das Rech- nungSjahr 1910 hingegen mit einem Ueberschüsse von tast 117 und ein Viertel Millionen Mark. Dieser Ueber- schuß ist ein hocherfreuliches Ergebnis. Den höchsten Uekerschuß brachten dem Reiche mit 57 465 000 Mark die Zölle, Steuern und Gebühren. Die Reichs-Post- und Telegraphenverwaltung lieferte ein Mehr von 19 705 000 Mark und die ReichSeisenbahnoerwaltung ein Mehr von 11 755 000 Mark. Für das Reichsheer sind bei den Kon tingentsverwaltungen von Preußen, Sachsen und Württem berg einschließlich des diese Verwaltungen angehenden und -tit einer Ersparnis von 1 870 000 Mark abschließen den Abschnitts des allgemeinen Pensionatfondr an fort dauernden Ausgaben 3 893 000 Mark weniger, an ein maligen Ausgaben dagegen 1 571 000 Mk. mehr erforderlich gewesen. Diese Mehrausgabe findet indessen in einem entsprechenden Teile der Mehreinnahme der Heeresver waltung von 2 405 000 Mark ihre Deckung. Die bayrische Quote hat eine Aenderung nicht erfahren. Bei der Marineoerwaltung schließen die fortdauernden Ausgaben einschließlich einer Ersparnis von 477 000 Mark beim all gemeinen Pensionsfonds mit einem Weniger von 1 746 000 Mark, die einmaligen Ausgaben dagegen mit einem Mehr E 367 ooo Mark ab. An Einnahmen sind 249 000 M^r mehr aufgekommen. Für den Reichstag waren im Rechnungsjahre 1S1O g genüber 1909 mehr erforderlich 72 000 Mark ' (Wiederholte zeitgemäße Warnung.) Vor dem Fortwerfen von Obstresten auf offener Straße daS schon so manchen Beinbruch verursacht hat, muß im-' mer wieder gewarnt werden. Kirschkerne, Stachelbeer, schalen und Bananenhülsen sind gefährliche Sachen auf dem Trottoir. Hauptsächlich sind es Kinder, die gedanken- lo» die Obstreste fortwerfen. Das Publikum muß sich hier selbst schützen und die kleinen Bösewichter, die aus frischer Tat ertappt werden, darauf aufmerksam machen, was durch gedankenloses Tun entstehen kunn. Das wirkt oft mals bester, als die „theoretische" Ermahnung in der Schule oder im Elternhause. — (Interessenvertretung deutscher Ar beiter durch den evangelischen Arbetterver- ein.) In einer in Chemnitz abgehaltenen Versammlung der Arbeitersekretäre der evangelisch-nationalen Arbeiter- vereine des Königreichs und der Provinz Sachsen wurde folgende hochinterestante Mitteilung gemacht: NeuerdingS besucht ein Amerikaner angeblich im Auftrage deS Tarif- amte« der ^reinigten Stoaten von Amerika deutsche Arbeiter um von ihnen genau spezialisierte Aufstellungen über die Lohnsätze und Her- stellungskosten von Waren zu sammeln, die von Deutsch- land nach den Vereinigten Staaten exportiert werden. Insonderheit legt er Wert auf die Verhältnisse in der terttlen Fertigtndustrie. Angeblich sammelt er diese» Material, um die Lohnverhältniffe der amerikanischen Arbeiter bester beurteilen zu können. Versuche, derartige Aufschlüsse von deutschen Industriellen und deutschen Ar- beitern zu erhalten, sind in den letzten Jahren wieder- holt gemacht worden, aber fast au-nahmSlo» hat e» sich darum gehandelt, Material für Leute zu sammeln, welche für eine Erhöhung der amerikanischen Schutzzölle und damit für eine Schädigung der deutschen Arbeit tätig sind, und fast ohne Ausnahme ist das erlangte Material in einer für Deutschland außerordentlich nachteiligen Weise ausgebeutet worden. Wenn amtliche Stellen in Amerika Wert darauf legen, Aufschlüsse über deutsche Löhne und Produktionskosten zu erlangen, so steht ihnen der Weg an die Regierung offen, die jedenfalls die objek tivste Auskunft zu erteilen imstande ist. ES ist nicht zu verstehen, daß amerikanische offizielle Behörden auf den sonderbaren Weg verfallen sollten, sich authentische Aus künfte durch im Geheimen herumgeschickte AuSfrager zu suchen. Aus diesem Grunde Haden die versammelten nationalen Arbeitersekretäre beschlosten, dringend zu war- nen, irgendwelche Auskünfte nach dieser Richtung hin zu geben. — (Die Zahl der Aerzte in Sachsen) Die Zahl der Aerzte in Sachsen hat sich nach den neuesten statistischen Aufnahmen ganz erheblich vermehrt. Im Jahre 1880 besaß Sachsen 940 Aerzte, und es kam auf 3162 Einwohner ein Arzt; 1910 dagegen war die Zahl der Aerzte auf 2281 gestiegen und auf einen Arzt kamen nur noch 2060 Einwohner. Noch ungünstiger stellt sich das Verhältnis in den großen Städten. Es waren im Jahre 1910 vorhanden: in Dresden 454 Aerzte (9,2 Aerzte auf 10 000 Einwohner), in Leipzig 404 (8,3), Chemnitz 144 (5,6), Plauen 60 (4,8). Großröhrsdorf. (Buschfest.) 30 Jahre vollenden sich in diesem Jahre, daß der Verein „Einigkeit" ins Leben gerufen worden ist Wer sich zu erinnern vermag, unter welch bescheidenen Verhältnisten er anfangs sein Leben fristete, seine Feste oben am Waldrande des nörd lichen Abhanges unseres Tales als sogenanntes „Buschfest" feierte, der freut sich mit ihm über den Um- und Auf- schwung, den im Laufe der Jahre daS Kinderfest genom men. Und doch lebt der alte Geist noch in ihm» der da spricht: Kommt, laßt un- unseren Kinder leben, und e» ist gut, wenn er ^icht über diesen Rahmen hinausgeht. Kaum Jemand dürfte in den Tagen seiner Gründung geahnt haben, zu welch stattlichem Baume sich daS zarte Pflänzchen entwickeln würde, zu einer Vereinigung, die mit wenig Mitteln Großes leistet. DaS Kinderfest wird sich auch in diesem Jahre in der seither üblichen Weise absptelen, auch hat der Verein für die leibliche Berpfle- gung der Besucher auf dem Feftplatze reichlich Sorge ge tragen. Montag abend findet wiederum, wie in den letz ten Jahren, ein Feuerwerk statt, daS abend» l/,10 Uhr seinen Anfang nimmt. (Gr. Änz.) Dresden, 21. Juli. (Rücktritt vom Amte.) Geh. Rat Professor Or. Leopold, der langjährige Direktor der Königl. Frauenklinik zu Dresden, beabsichtigt am 1. Okt. d. I. aus Gesundheitsrücksichten von seinem Amte zurück- zutreten und sich in das Privatleben zurückzuziehen. Geh. Rat Professor vr. Leopold gab u. a. auch die Anregung zur Einrichtung der Königl. Frauenklinik in Dresden und hat weit über 1500 praktische Aerzte und Geburt-^ Helfer in der Gynäkologie unterrichtet und nahezu dieselbe Zahl Hebammenschülerinnen. Nus aller ^-oll. Berlin. (Unfall eines ReichStagSabgeord- neten.) Der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Zubeil stürzte am Donnerstag abend im Tempelhof vom Trittbrett eines Straßenbahnwagen», geriet dabei vor einen Anhängewagen, der ihn eine ganze Strecke mir- schleifte, ehe e? gelang, die Wagen zum Stillstand zu bringen. Zubeil erlitt dabei innere Verletz ngen, die vermutlich nicht leichter Natur sind. Zubeil, der im 63. Lebensjahre steht, wurde in später Abendstunde aus seinen Wunsch im Automobil nach Berlin in seine Woh nung übergeführt. Berlin, 21 Juli. (Explosion»unglück inder Köpenicker Straße.) In der Gummiwarenfabrik T. Herz. Köpenicker Straße 187, ereignete sich heute vor- mittag gegen 11 Uhr ein schwere» ExplostonSunglück. Von den im Parterreraum de» neuerbauten Seitenflügel» beschäftigten fünf Arbeitern wurde durch die Explosion, deren Ursache vorläufig noch nicht bekannt ist, einer ge tötet, drei andere schwer verletzt. BreSlau, 21. Juli. (Beschießung eines Bal. lons.) Nach einer Meldung von der russischen Grenze erstattete der Leutnant Solowjew bet der Militärbehörde in Kowno die Anzeige, daß er mit einem Offizier und einem Gemeinen in einem Ballon ausgestiegen und über die polnische Grenze geflogen sei. Durch Bal lastabgabe sei e» ihm gelungen nach Rußland zurück zukehren. An der russischen Grenze sei er von der russi schen Grenzwache beschosten worden und nur mit Mühe sei es ihm gelungen, ihrem heftigen Feuer zu entgehen. Düffeldorf. (Auszeichnung.) Dem Seniorches der Firma Henkel L Co., Düsseldorf, Fabrikantin de» selbsttätigen Waschmittel Persil und von Henkel'» Bleichsoda, Herrn Fritz Henkel senior, ist der Charakter als Kommerzienrat verliehen worden. Straßburg, 21. Juli, lstraßenbahnerstreik in Straßburg.) Heute vormittag 2 Uhr beschloß das Fahrpersonal der Straßburger Straßenbahn in ge heimer Abstimmung den Ausstand. Der Beschluß ist jedoch nur teilweise ausgeführt worden, doch verkehren aus den Straßen nur vereinzelte Wagen. Die Direktion der Straßenbahn hat sich nach Berlin, Mainz und an deren großen Städten um Hilfspersonal gewandt, daS heute noch in Straßburg erwartet wird. Kiel, 21. Juli. (Unfall bei Schießübungen aus See.) Der Kreuzer v. d. Tann hatte gestern Nacht Schießübungen im Toller-Grund abgehalten Nach deren Beendigung sollte die schwimmende Schießscheibe einge holt werden, wozu drei Dampfbarkassen ausliefen. Bei dieser Arbeit kenterte das Anzieheboot, wahrscheinlich durch Unklarwerden der Schraube. Der Unfall wurde sofort von den Dampfbarkasten durch Signale mit der Dampfpfeife gemeldet, sodaß die Scheinwerfer des Kreu zers von der Tann in Tätigkeit gesetzt werden konnten, wodurch es gelang, sieben Mann der Besatzung trotz de» hohen Seeganges zu retten. Drei ertranken allerdings und zwar der Obermatrose Cook aus Bremen, der Ma- trose Riemann au- Oldenburg und der Matrose Günther aus Köln. Die Leiche Cooks konnte geborgen werden, nach den beiden anderen wird noch gesucht. Karlsruhe, 21. Juli. (Zur Müllheimer Eisen- bahnkatastrophe) Der preußische Gesandte von Eisenbächer hat gestern dem Finanzmtnister im Auftrage der preußischen Regierung sein wärmstes Beileid über die Eisenbahnkatastrophe ausgesprochen. — (Der LokomottoführerPlatten wurde verhafet), weil die Untersuchung des Müllheimer Unglücks grobe Fahrlässigkeit ergeben hat. Mängel im technischen Betriebe wurden nicht festgestellt. — (Eine furchtbare Tat) beging dieser Tage ein Einwohner des Dorfes Stangenwalde bei Rosenberg (Ostpreußen). Derselbe war in plötzlichen Wahnsinn über den Tod seiner Frau verfallen. Gr grub letztere aus dem Friedhose aus, schlug ihr mit einem Beile den Kopf und beide Arme ab und nahm die Körperteile mit nach Hause. Zahlreiche Personen hatten dem grausigen Schauspiel zugesehen, wagten sich indes nicht, gegen den Irren einzuschreiten. — (Ueber 20 Personen an Fleischvergif tung erkrankt.) In Hausen s. d. Zaber und in Brackenheim (Württemberg) sind über 20 Personen an Fleisch- bzw. Wurstvergiftung erkrankt. Einige Personen schwebten in Lebensgefahr und wurden nur durch Ein- greifen deS Stadtarztes gerettet. Gerichtliche Untersu chung wurde eingeleilet. — (Manöoerunfall in Böhmen) In Alt- Bunzlau finden gegenwärtig auf dem Truppenübungs platz militärische Uebungen des 7. Dragoner-Regiment- statt. Am Mittwoch fiel bet einem scharfen Ritt ein Pferd in der ersten Reihe zu Boden und begrub den Reiter unter sich. Die übrigen Dragoner stürzten über das gefallene Pferd hinweg. In wenigen Augenblicken lagen ungefähr 30 Soldaten und 20 Pferde in einem großen Knäuel am Boden. Die übrigen Soldaten ritten über sie hinweg. Ungefähr 20 Soldaten sind verletzt, und soweit diese Verletzungen schwerer Natur sind, wur den sie in das Militärhospital nach Brandeis an der Elbe übergeführt. — (Schweres Brandunglück.) In St. Florian bet Linz in Oesterreich wurden beim nächtlichen Brande eines Bauernhofes drei Personen von dem Sohne des Besitzer» au» den Flammen geholt. Ein 16jähriger Stall bursche starb sofort. Ein 20 jähriger Knecht hat derar- ttge Brandwunden erlitten, daß er vor Schmerzen wahn sinnig wurde und beim Transport in» Krankenhaus fest geschnallt werden mutzte. Ein zugereister Nachtgast, ein Schankkellner, durch besten Fahrlässigkeit der Brand ver ursacht wurde, und die Tochter des Besitzers erlitten schwere Rauchvergiftungen. Kopenhagen. (Unwetternachrichten) Ueber ganz Dänemark vom Norden Jütlands bis zum südlichen Fünen haben schwere Unwetter mit Blitzschlag, Orkan und Regenböen gewütet. Eine große Anzahl von Ge bäuden in Stadt und Land ist durch Blitzschlag einge äschert worden, große Viehbestände wurden ein Opfer der Flammen. Das Unwetter ist eines der verheerendsten seit vielen Jahren, ein allgemeiner Temperatursturz ist in Dänemark eingetreten. Newyork, 21.. Jult (U eberfall auf einen Etsenbahnzug.) Drei Räuber überfielen den North- Pacifice-Zug bet Buffalo in Nord -Dakota, beraubten die Pastagiere und verwundeten den Lokomotivführer, um ihn zum Halten zu zwingen. Die Räuber entflohen im Automobil. — (DieCholera) Im Hafen von Marseille kamen eine Anzahl Cholerasälle vor, von denen fünf tödlich verliefen. Strenge Sanität-maßnahmen wurden verhängt. Die Seuche ist von Italien ein geschleppt worden. — (Schwere» Unglück in einem Marmor bruch.) Wie aus Carrara gemeldet wird, wurden in dem dem Grasen Luzzont gehörenden Marmorbruch durch einen Einsturz 14 Arbeiter begraben. Bis morgens 1 Uhr wurden 8 Tote und 4 Verwundete geborgen. Zwei Ne- gen noch unter den Trümmern; doch besteht keine Hoff- nung, sie zu retten.