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Nr. 86. Pulsnitzer Wochenblatt. — Donnerstag, den 20. Juli 1911. Seite 6. wie man in Schwaben und Franken sagt, heißt natürlich eigentlich nur einer, der Blechslaschen macht. Da wir aber im allgemeinen nur noch an Glasflaschen denken, so kommt uns z. B. der Ausdruck .Bauflaschnerei" — Bauklempnerei recht absonderlich vor. (Aus Wülfings Sprachlichen Plaudereien „Was mancher nicht weiß", 2. Ausl., Jena 1905.) * (DerKampfderneapolitanischen Geist lichkeit gegen den Humpelrock der Damen.) Der Kampf der neapolitanischen Geistlichkeit gegen den Humpelrock der Damen soll durch eine soeben aufgefundene Bulle des Papstes Clemens des Siebenten veranlaßt worden sein. Auch von den Kanzeln wird gegen den engen Rock gepredigt. Eine Folge dieser Bewegung war eS, daß vor einer neapolitanischen Kirche zufällig vorüber gehenden jungen Damen, Töchtern eines ProffefforS, vom Janhagel die Kleider vom Leibe gerissen wurden. Andere Personen befreiten die Damen und befchimpsten ihrerseits die des Weges kommenden Geistlichen. Einer von diesen, der Kaplan der Herzogin von Presenzano, zog seinen Re volver und gab drei Schüsse ab. Ein junger Mann wurde von einer der Kugeln ins Auge getroffen und tödlich verletzt. Nur das Einschreiten der Polizei bewahrte den Kaplan vor einer Lynchjustiz. *(Eine Ehefrau als großes Los.) Der Wettstreit Japans und Amerikas nimmt kein Ende. Hat kürzlich ein findiger japanischer Warenhausbesitzcr eine Lotterie mit einem Ehemann als Hauptgewinn veran staltet, so bieten jetzt die Amerikaner dieser Sensation ein Paroli, indem sie eine andere Lotterie veranstalten, bei der der Hauptgewinn — eine Ehegattin bildet. Zugunsten eines katholischen Waisenhauses in Pittsburg soll dem nächst ein großes ländliches Fest stattftnden, und der Clou der Feier wird die Verlosung einer jungen, hübschen, zwanzigjährigen Dame sein, die sich — vielleicht ein we nig leichtfertig — bereit erklärt hat, dem Gewinner zum Altar zu folgen. Wer das Glück hat, kann diese Braut billig heimsühren, denn das Los kostet nur 50 Cents, und die Hochzeitsfeier, die Hochzeitsreise und die Aus ¬ stattung werden dem Gewinner von der Lotterie aus be zahlt. Der „New-Nork American" berichtet, daß bereits ein wilder Ansturm aus die LoSkaffen herrscht, und (das Komitee wird mit Anfragen von Heiratskandidaten be stürmt, die alle mehr oder minder praktische nähere Aus- künste begehren. „Hat das Fräulein immer gearbeitet, um sich zu ernähren?" „Kann sie Honigtorte machen?" „Lebt ihre Mutter noch oder hat sie eine Stiefmutter?", und wie die Fragen alle lauten. Aber das vorsichtige Komitee beschränkt sich in weiser Zurückhaltung darauf, den eifernden Loskäufern lakonisch zu versichern, daß dar große Los, die künftige Braut, goldblond fei. . . » - „«i "" -i. Jungt Frauen und junge Mädchen. Wenn die Jungfrau rn der Ent- wickeluugsperiode angelangt ist, stellen sich ost Störungen ein, sie Wird bleich und matt, Kopfschmerzen und Schwindelallfälle treten auf. VerdamOgsbeschwerden und Rückenschmerzen treten lästig auf. In dieser Periode verordnen die Aerzte mit Vorliebe Leciferrin, welches das Blut bereichert, die Cirkulation befördert und frisches gesundes Aussehen schafft. Leciferrin enthält Ovo-Lecithin 0.6, Eisen als Eisenorydhydrat an Zucker gebunden 0.75. aromatische Bestandteile in Cognac und Alkohol 40.0, Rest destilliertes Wasser. Preis der großen Flasche Mk. 3., in Apotheken Erhältlich, ganz sicher voll: Mohren-Apotpeke. Dresden.! k l Die Lisenbahnkatastrophe in Müllheim. Auf der badischen Station Müllheim hat sich ein entsetz. licheS Eisenbahnunglück ereignet, bet dem zwölf Personen sofort den Tod sanden, während eine Reihe anderer Personen so schwer verletzt wurde, daß noch einige TodL-fälle zu befürchten sind. Eine bestimmte Ursache des Um glückS konnte bisher noch nicht festgestellt werden, jedenfalls konstatieren verschiedene Passa giere, daß der Zug mit enormer Schnelligkeit in die Station eingefahren sei. Der Schnelltg- keitSmeffer der Lokomotive soll die enorme Schnelligkeit von 130 Kilometer in der Stunde für diesen Eilzug gezeigt haben. Der Lokomotivführer Platten aus Offenburg wurde daher in Haft behalten. Der Schauplatz der Katastrophe bildet ein ent- setzlicheS Bild: umgestürzte, in- Von der Eisenbahnkalasirophe in Müllheim in Baden. Blick auf die Uuglücksstütte. einander geschobene Wagen, verstreute Trümmer, gebrochene Achsen und Räder, tief aufgewühltes Erdreich. Drei Wagen sind vollständig zertrümmert und die übrigen aus dem Gleise geworfen und mehr oder weniger beschädigt. Der Bahnhof selbst gleicht einem Lazarett in Kriegszeiten. Beide Wartesäle lagen voll schwer Verwundeter, deren Stöhnen und Jammern herzzerreißend wirkte. Glücklicherweise war Hilfe sogleich zur Stelle, so daß vorläufig weiteres Unheil verhütet werden konnte. Die amtliche Untersuchung ist eingeleitet und wird hoffentlich die nötige Aufklärung bringen. Dhürn Geöffnet jeden Sonntag vormittag 12 Uhr im Schulgebäud: vsrNnsr provuktdnbSrss. DaS regnerische Wetter, welches als günstig für die Sommergetreideernte bezeichnet wurde, hatte ein Nach lassen der Preise zur Folge, sodaß die Haltung als eine schwache bezeichnet werden mutzre. Die Kauflust war äußerst gering. Die Provinz trat als Verkäuferin auf. Weizen, Roggen stellten sich niedriger, Hafer ziemlich un verändert, ebenso Mais und Meh!, sowie Rüböl. Volksbücherei zu Pulsnitz. Sonntag, den 23. und 30. Juli gefcklossvnk Wettervorhersage der Kgl S. Landcswetterwarte zu Dresden. Freitag, den 21. Juli. Keine Witterungsänderung. Magdeburger Wettervorhersage. Freitag, den 21. Juli. Ziemlich warm, teils heiter, teils wolkig, Regen u. Gewitterneigung. ünAwtn uns dem AnndesM Pulsnitz. Zur Anmeldung gelangten im 2. Vierteljahr 1911 77 Geburten, 28 Aufgebotsverhandlungen, 29 Eheschlie ßungen und 29 Sterbefälle. Dieselben verteilen sich wie folgt: Vom 1. Januar bis Ende Juni in Summa 159 Geburten, 66 Sterbesälle, inkl. 4 Totgeburten, 57 Aufge botsverhandlungen und 51 Eheschließungen. Ortschaften. Geburten. Aufgeb.- verhandl. Ehe- schlißung. Sterbe fälle. Stadt Pulsnitz 22 6 6 8 Pulsnitz M. S 5 8 6 3 Vollung 1 2 3 1 Ohorn 16 S 6 11 Obersteinä 11 3 4 — Niedersteina 8 — 1 4 Fliedersdorf — 2 2 2 Weißbach 4 2 2 — ^rrcden-Nacbrledlsn. Pulsnitz Sonnabend, den 22. Juli, 1 Uhr Betstunde Pfarrer Sonntag, den 23. Juli, 6 nach Trinitatis: (Schulze. 8 ilhr Beichte. i Pfarrer '/,9 „ Predigt (Apostelgesch. 6, 1-6) r/,2 „ Kindergottesdienst (Luc. 5, 1 — 11)1 «m»ize AmtSwoche: Pfarrer «Schulze. »Ich weiß, Han» Rochu», du hast sie auch geliebt. Kracht ist ein beneidenswerter Mensch.* „Wer weiß, Ich glaube nicht, daß fit ihn liebt," erwiderte dieser, um Wendling zu trösten. Dieser sah verträumt vorffrch hin. „Nein, sie liebt ihn nicht, ich weiß e» fit ist ein beklagen»» werte» Opse, d« Verhältnisse. Da» drückt mich sm meisten. Wenn sie wenigsten» glücklich wäre." Han» Rochu» preßte di« Lippen auseinander. Wo nahm Wendling diese Gewißheit her? Hild« hatt« sich mit rinem so sprechenden Blick von ihm verabschiedet — e» war klar, sie hatte auch mit ihm gespielt. Groll und Verachtung wuchsen bei dieser Erkenntni» in seiner Brust. Hlde Sontheim war nicht wert, daß er noch einen schmerz» lichen Gedanken an sie verschwendete . . . Al» Han» Rochu» da» nächste Mal zu Sontheim» ging, beschloß er, den Dame« seine Verlobung mit Ruth Ravenport anzuzeigen. Die offizielle Bekanntmachung sollte ohnedie» in einige» Wochen »folgen, Trotz sein» Erkenntni» von Hilde» Unwert bezauberte sie ihn auch heute wieder. Kracht war »och nicht da, wurde aber erwartet. Die Ge neralin ging i«^ di« Küche, um eine Erfrischung zu bereiten. So war Han» Rochu» seit langer Zeit wieder einmal mit Hilde allein. Sie sah ihn lächelnd an. „Du stehst j'tzt immer so ernst und feierlich au», Han» Rochu». Da» gefällt mir gar nicht an dir.* Du weißt doch, daß ich Veranlassung dazu habe." „Ja doch — ja — aber vom Kopshängen werde» deine Verhältnisse nicht biss». Ich sehe schon — du machst keinen Ernst — ich muß mich wohl nach einer paffenden Partie für dich umsehen.* Er bekam einen roten Kopf. Ihr To» »schien ihm säst frivol. „Dir Mühr kannst du dir sparen, Hilde, ich bin bereit» vrrlobt, in zwei bi» drei Wochen schicke ich dir Anzrigrn a«».* Sir rrckte sich rmpor und kah ihn «staunt an. „Verlobt — du hast dich verlobt ?" — „Ja.* Sie schlug di« Hände zusammen. „Und wer ist die Glückliche?' fragte sie ein wenig mokant und sah ihm rief in die Augen. Ihr Blick blieb dirkmal wirkungSlok. „Rutb Ravenport." sagte er ernst. Sie öffnete di« Augen weit und sah ganz saffungtlo» au». „Ruth Ravenport? Wer ist denn da»? Doch nicht eine Verwandte eure« Bankier» Ravenport?* „Doch. E» ist fein« Tochter." Hilde schüttelte verwundert den Kopf. „Ich bitte dich — ist denn Ravenport so reich, daß seine Tochter überhaupt für dich in Frage kommt?* Wieder rötet« sich s«>n Gesicht unw.llig. „Er ist mehrfacher Millionär.* Hüde sprang auf und blieb vor ihm stehen. „Da bin ich allerdings äußerst erstaunt. DaS sieht man diesem Menschen gar nicht an. Ist denn da» ganz sich», Han» Rochu» ?" „So sich«, al» ihm Roch»b«g verfallen war mit allem, wa» früher dazu gehörte.* Sie legte die Hand auf seine Schult». Er saß ganz still und rührte sich nicht. „Dann wünsche ich dir Glück, Han» Rochu»," sagt« fi« leise. „Ich dank« dir," erwiderte ». Die Generalin kam zurück, und Hilde rief ihr entgegen: „Denke nur, Mama, «in« überraschend« Neuigkeit. Aber setze dich erst Han« Rochu» hat sich verlobt. Mit Peter Ravenport» Toch!».* Di« Generali» war mindesten» ebenso erstaunt wie Hild«. Ravenport» Tochter? Hat er denn eine Tochter?" Ehr Han» Rochu» antworten konnte, tat r» Hilde für ihn. »Ja, ja — Mama. Und Millionär — mehrfach» Mll'vnär ist er außerdem, du darfst Han» Rochu» gratulieren.* Ihre Mutter setzt« rin« müttrrlrch-wohlwollrndr Mien« auf. „Wirklich, Han» Rochu» ? Darf ich dir Glück wünschen?* „Du darfst «», gnädigste Tante." „Mein Gott, da» ist ja eine froh« Nachricht. Nun bist du doch mit einmal au» der scheußliche» Lage. Ich hatt« so große Sorge um dich. Knappe Verhältnisse, wie vir fi« zum Beispiel gewöhnt, find doch unerträglich für dich. Und Ravenport M'llwnär? Nun soll einer sagen — davon ahnt doch kein Mensch «twü». Er lebt doch so still und zarückg«jvg«n in seinem düsteren, grauen Haus«. Und darin ist nun die künftige Gräfin Roch«b-rg ausgewachsen?" „Meine Braut ist lange Jahre in einem französischen Pensionat gewesen." H'lde hatte sich wieder in ihren Sessel geschmiegt. .Ist fi« schön, Han« Rochu»?* fragte sie voll Neugier. Er fühlt« sich unbehaglich. „Schön? Ich weiß nicht, ob ich fi« so nennen darf. Jedensall« eine eigenartig« Erscheinung," «widert« «r. „Also häßlich," dachte Hide befriedigt. Sie gehört« zu den Frauen, die allein schön sem wollen. Laut fuhr sie fort zu fragen: - „Blond oder Brünett?" „Sie hat dunkle» Haar und dunkle Augen." „Groß oder kir n?" „G öß« al» du." „Ich bin schrecklich neugierig, fi« zu sehen. Du mußt sie zu un» bringen, Han» Rochu». und bald — hörst du?' „Vor der offiziellen Verlobung wollten wir natürlich keine Besuche machen." „Aber mit un» machst du eine Au»nahme. Wir find doch deine tinztgen Verwandten," rief die Generalin mit großer, zur Schau getragener Herzlichkeit, der jedoch die echte Wärm« srhlte. »Ich werde Ruth bitten, euch mit mir in den nächsten Tagen einen Besuch zu machen." „Da» «warten wir bestimmt, Han» Rochu», du darfst un» doch nicht wie Fremde behandeln," rief Hilde lebhaft. Han» Rochu» sah mit gemischten Gefühlen in Hilde» Augen, die ihn heute plötzlich wieder mit dem alten Feuer an- strahlten. We»halb tat sie da« ? Weckte r» ihr Jatereffe an ihm, daß «r verlobt war? Wollte fie probieren, ob ihr Zauber trotz sein« Verlobung mit einer and««» noch Macht üb» ihn besaß? „Sie ist ein« Kok«tt« — «in gefallsüchtig«», oberflächliche» Geschöpf,* sagte er sich selbst und mühte sich, ihre Bücke zu meiden. (Fortsetzung folgt!)