Volltext Seite (XML)
Pulsnitzer Wochenblatt Donnerstag, 20. Juli 1911.Beilage zu Ar. 8K. «3. Jahrgang. OertNckes unv SücdsisÄzes. — (Verlust von Reisegepäck.) Während der sommerlichen Reisezeit kommt es nur zu oft vor, daß der Bahn übergebenes Reisegepäck nicht rechtzeitig ein- trifft oder ganz verloren geht. Am häufigsten ereignet es sich, daß Reisegepäck nicht rechtzeitig eintrtfft. Durch nicht rechtzeitiges Eintreffen entsteht recht oft für den Eigentümer eine nicht unerhebliche Schädigung. Daher ist es auch nur empfehlenswert, bei Aufgabe von Reise- gepäck stets das Interesse an der Lieferung anzugeben, denn ist das Interesse an der Lieferung angegeben, so hat die Bahn für je angefangene 24 Stunden der Frist überschreitung, jedoch höchstens für drei Tage, 20 Pfg, für jedes Kilo des auSgebltebenen Gepäckes, jedoch nicht mehr als den angegebenen Betrag zu zahlen. Ist also ein Reisekoffer im Gewicht von 50 Kilo, der mit Interesse an der Lieferung aufgegeben ist, später al« bei Ankunft de« Zuges, 1 bis 24 Stunden später, einqetroffen, so hat die Bahn 10 Mark zu zahlen für die Verspätung. Sind aber als Interesse 50 Mark angegeben, so sind 50 Mark zu zahlen. Ist das Interesse an der Lieferung nicht an gegeben, so hat die Bahn pro Kilo nur 10 Pfennig, also für 50 Kilo nur 5 Mark zu zahlen, vorausgesetzt aber in jedem Falle, daß die Fristüberschreitung von einem Ereignisse herrührt, das die Bahn herbeigeführt hat und abwenden konnte. DaS Interesse an rechtzeitiger Lieferung von Reisegepäck ist stets unter Zahlung der tarifmäßigen Gebühr spätestens eins halbe Stunde vor Abgang deS Zuges anzumelden. Nicht rechtzeitig eingetroffenes Ge- ttt sofort bet dem BahnhofSoorstande anzumelden, denn die Bahn haftet nur, wenn das Gepäck binnen 14 Tagen nach Ankunft des Zuges auf der Bahnstation abgefordert wird. Die Bahn haftet übrigens auch für Gepäck, daß den Gepäckträgern übergeben ist, jedoch nur dann, wenn es amtlich bestellten Gepäckträgern einge- händigt ist. Man übergebe also sein Gepäck nur solchen Gepäckträgern, die durch Dienstabzeichen der Bahn al- amtlich bestellte kenntlich sind. Bautzen. (Eine Anleihe von 2 Millionen Mark) ist von den städtischen Kollegien zum Zwecke den Erbauung einer neuen Volksschule, für die Ausstellung eine? zweit n Gasometers und für Straßenbauten usw. beschlossen morden. Glauchau. (Verbot) Der Bezirk Glauchau und Umgegend im Sächsischen Saaltnhaberverband beschloß den zum Modetanz gewordenen sogenannten „Schiebe tanz", dessen Auswüchse als unsittlich streng verurteilt wurden, einstimmig in sämtlichen Sälen der AmtShaupt- manschaft Glauchau zu verbieten. Diese- Verbot tritt sofort in Kraft. In Chemnitz haben die Saalbesitzer einen gleichen Beschluß gefaßt, während in Dresden ein entsprechendes amtliches Verbot folgte. 9. NerbmdsW der MM-KM-Ammc vnWMs. Braunschweig, 17. Juli. Der Vorsitzende C. A. Nico laus-Bremen begrüßte die 600 Delegierten der einzelnen Vereine und brachte ein Hoch auf den Kaiser und den Herzog-Regenten aus, an die Huldigungstelegramme ge sandt wurden. Hierauf wurde in die Tagesordnung ein- getreten. An erster Stelle erstattete der Vorsitzende Nicolaus den Jahresbericht, besten Hauptzahlen bereits Erwähnung gefunden haben. Nach Erledigung weiterer geschäftlicher Angelegenheiten nahm dann Generalsekretär Beythien- Hannover das Wort, um unter dem Thema: „Viel Ehr', viel Feind" eine Rundschau über daS bisherige Wirken der gemeinnütziger! Rabatt Spar-Vereine zu geben. Er wies Friedrich Naumanns absprechendes Urteil über den Detailhandel als den Tatsachen nicht auf den Grund gehend ab, weil der Vergleich zwischen Ausstellung, Wa- renhauS und Detailgeschäft unzutreffend sei, und suchte ferner dem Vorwurf entgegenzutreten, daß der Rabatt durch Aufschlag auf den Warenpreis wieder hereingebracht werde. Die Rabatt-Spar-Vereine hätten den gemeinschaft lichen Niedergang in den Formen des Wettbewerbes durch lautere Stetigkeit gebessert und daS zerrüttete Borgun- wesen durch Hebung deS Barverkehrs geändert; sie hätten also an die Stelle des Niederganges Gesundung und Auf stieg gesetzt. Darauf nahm Landtagsabgeordneter Hammer das Wort zu seinem Referat über „Die gesetzgeberische Be- Handlung von DetaiihandelSfragen im preußischen Abge- ordnetenhause". Der Redner ging von der Tatsache au-, daß unter den Begrüßungsrednern sowohl ein Vertreter deS Bundes der Landwirte, als auch deS HansabundeS dem Verbände die Sympathien ihrer Körperschaften aus gesprochen hätten, und nahm hierbei Gelegenheit, aus- drücklich zu erklären, daß er treu zum Bunde der Land wirte stehe. Sodann ging der Redner die gesetzgeberischen Arbeiten der letzten Legislaturperiode des preußischen Ab geordnetenhauses durch und nahm für die konservative Partei in Anspruch, zugunsten des Mittelstandes, deS Kleinhandel« und Kleingewerbes neun gesetzgeberische Ar beiten und zugunsten des Handwerkes drei solche durch- gesetzt zu haben. Im wetteren Verlauf der Tagung sprach der Vor sitzende Nicolau- über den Entwurf des VsrstcherungSge- setzeS für Angestellte. Er verlangte dabei, daß unnötige Härten für den Kleinhandel und das Kleingewerbe aus- geschaltet würden. Zum Schluß gab Handelsrichter Walters (Hannover) einen Ueberblick über die Sterbekaste des Verbandes. Der Vorsitzende teilte noch mit, daß dte Zentralstelle de« VolkS- vereinS für das katholische Deutschland ihre Glückwünsche für die Tagung übermittelt habe. Vermischtes. * (Wer sind die reichsten LeutederWelt?) Die märchenhaften Schilderungen von dem Reichtum der amerikanischen Milliardäre können mit der Zeit den Ein druck erwecken, als ob die Kapitalanhäufung der berühmten Dollarkönige Amerikas die europäischen Vermögen längst hinter sich gelasten haben. Daß da- Gegenteil der Fall ist, beweist I. F. Marcosson im Munsey Magazine in einer fesselnden Untersuchung, die sich mit den Kapital anhäufungen in den Händen einzelner Familien beschäftigt Weder Carnegie noch Pierpont Morgan, ja selbst nicht Rockefeller, der Petroleumkönig, können mit dem Reichtum wetteifern, den da- HauS Rothschild sein eigen nennt. Trotz der amerikanischen Mtlliardenvermögen sind die Rothschilds immer noch die reichste Familie der Welt, ja ihr Vermögen beläuft sich auf rund acht Milliarden Mark, ist also viermal so groß als der Reichtum, den man Rocke feller zuschreibt, und sechsmal so groß als daS Vermögen der Familie Astor. Wenn man eine Verzinsung von nur 4 «/, anntmmt, würde die Familie Rothschild eine Jahre«, rente von 320 Millionen Mark beziehen; aber diese Zahlen sind viel zu niedrig gegriffen, weil weitaus der größte Teil des Kapitals arbeitet und eine viel höhere Verzinsung bringt. Keine andere millionengesegnete Familie Europa- kann auch nur entfernt einen Vergleich mit diesen Zahlen aufnchmen. Dabei ist eS ein Irrtum, anzunehmen, daß die Rothschilds nur oder in erster Linie Bankiers sind. In Wirklichkeit zählen sie zu den mächtigsten Großkauf, leuten und Industriellen der Welt. In Lancashire be. sitzen die Rothschilds gewaltige Baumwollspinnereien, in Sheffield Stahlfabriken, die jährlich Millionen von Mestern hervorbringen. In Jamaika verfügen sie über große Plantagen, aus ihren eigenen riesigen Wäldern in Bra- silien gewinnen sie Gummi, in Persien sind große Tapeten, fabriken, Seiden- und Damastwebereien ihr Eigentum, in Spanien gehören ihnen ausgedehnte Bleibergwerke. Aber dte Zahl der industriellen und großen kaufmännischen Unternehmungen ist damit keineswegs erschöpft, denn in dem ausgedehnten Holzhandel Sibiriens spielen dte Roth schilds eine Hauptrolle, in Südafrika betreiben sie Gold minen, in Australien sind sie die Eigentümer ganzer Städte und in einem Dutzend von anderen Großstädten Europas nennen sie eine Menge von Häusern und aus- gedehntem Grundbesitz ihr eigen. * (Klempner, Spengler, Flaschner.) Die Handwerker, die mit Blech, Blei Zink oder Zinn hantieren, nennt man in verschiedenen Gegenden Deutschlands ganz verschieden: Klempner, Spengler, Flaschner. Klempner, eigentlich Klemperer, zu klempern, ist ein ziemlich junge» Wort, das sich aber zu dem mittelhochdeutschen Zeitworte klampkern, verklammern, und besten Hauptwort Iclsmpker, aber auch noch zu anderen stellen läßt Hildebrand sagt im Grimmschen Wörterbuche, eS „sehe aus, als wäre der Name von der Nachbarschaft gegeben, eigentlich als Neck name" ; und warum wohl? Nun, weil „klempern" schließ lich dasselbe ist wie klimpern, klappern, hämmern; und auch klampern bedeutet eben Geräusch machen, wie e» dünnes Metall tut; wie denn auch oberdeutsch der Klemp, ner Klamperer oder noch Klampferer heißt. Da nun aber auch „Klampe" die Klammer oder dte Krempe am Buche bedeutet, so kann man Klempner auch davon abletten: Klampe, Klämpner, Klempner; um somehr, als sich ganz ähnlich der andere weiter verbreitete Ausdruck für die Leute dieser Zunft, Spengler, entwickelt hat, nämlich au» Spange, Spängel (Spänglein) — Spängler, Spengler, so daß sich ebenso wie Spangenverserttger auch Klampen- oder Klammermacher begrifflich erweitert hätte zu Blech schmied überhaupt. Neben Blechschmidt kann man auch hören Blechschläger, Blechler und Blechner; und Flaschner, Der stiLLe See. Roman von H. CourthS-Mahler. (Nachdruck verboten. Nm an ihren Augen fand er aurzusetzen. Sie wa»n zwar schön geschnitten und von langen dunklen Wimpern um« säumt, aber fi« blickten zu starr und au«druck«lo», wir verschleiert. Ausschluß über ihr Seelenleben gaben sie ihm nicht. Ob st- überhaupt intensiv denken und empfinden konnte? Auch beschäftigte er sich mit dem Problem nur, solang« er bei ihr war. Frrn von ihr vergaß er meist, daß eine Ruth Raven« Port jetzt zu feinem Leben gehörte. Han» Rochu« hatte bei dem regierenden Herzog »in« Audieni nachg-fucht, dir ihm freundlichst bewilligt wurde. Er macht, dem hohen Herrn Mitteilung von seiner bevorstehenden hältniffe sprach der Herzog feme d°ß de, ältesten »d-»g«schlecht-r sein«'Lande« be« wahrt blieb. Er erkundigte fich sehr venport und seiner Tochter und sprach den Wunsch au», die lange Gräfin Rochrberg nach ihrer Vermählung in Gesellschaft ihre« Battin recht oft Krim Hofe zu sehen. Hon« ie dem Hoh«« gleich,ritig mit, daß er den Absch ed ,u nehmen könnem"^' um in Zukunst seinen Besitz selbst verwalten ,u . billig., H„„g, „ad Han« Rochu« wurde w § »Et tthr gnädig entlassen. Al« er später n üb« dies. Audien, Bericht er« stattet«, leuchtet, besten Besicht in stolzem Triumph. Han» Rochu« war seinem Schwiegervat« diesen Triumph ,u gönnen. Macht, dws« doch keinen H.hl darau«, da« er von ebrgemgem Streben erfüllt war. Und schließlich hatte sein Charakter ebensoviel Berechtigung al« s«in eigen«. Er gab seinen Namen, um Geld und B-fitz dafür ein,u« tauschen, und Ravrnport gab Geld und Besitz, um sich an dem Glan, de« geäfl chen Namen« ,u sonnen. — Daß sich bei seinem Btticht über die Audienz in Ruth« Gesicht kein Zug veränderte, hatte er bemerkt. Sehr scharf beobachtete rr sie, al« er «,ählt«, daß der Herzog di. künftige Gräfin Roch«b.rg «cht oft beim Hofe zu sehen wünschte. Vie behielt aber imm-- ihre gleich« mäßig« Ruh«. Er könnt, fich nicht «nthaltin zu frag««: „E« ist dir doch nicht unangenehm, Ruth, beim Hofe er« scheinen zu müssen?" Sie nannten fich auf seinen Wunsch schon jetzt du. Ruth hatte ihn mit einem autdruck-losen, verschleitrtrn Blick gestreift und dann ruhig geantwortet: „Wenn e» zu den Pflichten der Gräfin Rochttberg gehört, beim Hofe zu erscheinen, werde ich mich dies« Pflicht nicht '"^*Auch daß der Herzog fich sehr liebtnlwürdig nach ihr er« kündigt hatte, schien ihr gleichgültig zu sei». Anscheinend war e« ihr durchau« nicht so wichtig wie ihrem Vater, daß der hohe Herr von ihr« Ex stenz unterrichtet war. Und wieder kam Han« Rochu« nicht in« klare, ob da« Verstellung war oder Gleichgültigkeit. Bei Semtheiu« war Han« Rochu« in der letzten Zeit sel tener gwesen al« sonst. Die Besuch« ganz zu Unterlasten, wir rr r« am liebsten getan, ging nicht an. E« hätte vor allen Dingen Kracht auffallen müssen. Diesen traf Han» Rochu» fast jedetmal bri den Damen, und « sah dann mit «in« Art dumpf.schmerzlicher Neugier Hilde» Treiben zu. Sie schien nur für Kracht auf der Welt zu sei«. Schmeichelnd und bestrickend war ihr Wesen ihm gegenüber. Ihre Augen strahlten ihn an, al» sei er d« Ein«, Einzige, dem ihre Seele in heißer Sehn« sucht rntg«g«ng,flogrn wäre. Und Han» Rochu» wußte doch, daß e» berechnende Komödie war. So hatte sie auch mit ihm gespielt früher und hatte ihn um Linn und Verstand gebracht. Etwa« wie Verachtung ihre« Wesen» erwacht« in ihm, aber trotzdem empfand er den quälenden Schmer, und ihren Verlust in der gleich»« Stärk«. Er wehrte fich dagegen, wollt, fich zwingen, ruhig und gleichgültig über fi. zu denk.«, ab« d.r Schmerz war noch zu stark und zu n.u, um ihn unterdrücken zu können. Und Kracht strahlt« vor Glück. Sein gutmütige», etwa» breite» Besicht verklärte fich völlig, wenn er Hilde betrachtet«. Wi« «in ungelenk« Bär wirkte er neben seiner schlanken grazi ösen Braut. Wohlig ließ er sich von ihrem Lebrei, umstricken und fühlt« fich glücklich dab«i. Triumphirrrnd blickt« rr Han» Rochu» an, al« wollt« « sagen: „Gibt «I wohl noch einen Menschen, der so zu beneide« ist wi« ich?" Han« Rochu» v«- mocht« e» kaum noch mit anzuseh««. Er beschränkt« srin« Be such«, so viel e» anging, und hielt fich nie lange auf. Einmal traf er mit Herrn Wendling bri Sontheim» zu sammen. Dieser schien in letzter Zeit von irgendeinem schweren Kummer bedrückt zu s«in. Da Hild«» und Kracht» Verlobung inzwischen veröffentlicht worden war, glaubte Han» Rochu» den Grund zu Wendling« verändertem Wesen zu kennen. Da« Ge fühl gemeinsamen Schmerze» ließ ihn fich fest« an Wendling anschließen. Früher, al« fi« beide Rivalen waren nud sich ge meinsam um Hilde» Gunst bemühte«, betrachtete« fi» sich mit eiferfichtigen Augen. Obwohl «in« vom anderen wußte, daß Hilde ihnen beide« Liebe»bewtise geaebe« hatte, genügt« doch schon d« Umstand, daß st« fich al« Rivalen erkannten, um fie gegeneinander einzunehmen. Jetzt schloffen fie fich fest« einand« an, ohne fich den Grund dazu einzugeflehen. Wendling glaubt« noch immer, daß Silbe Sontheim nur ihn allein liebte, und daß fi« nur äußer« Berhältniff« zur Ber- lobung mit Kracht gezwungen hätten. Sie hatte ihm unter Tränen verfichert, daß fie nur auf den dringenden Wunsch ihr« Mutter Kracht ihr Jawort gegeben habe, und wril doch kein« Hoffnung war, daß fi« sich angehören konnte». Da»selbe Spiel wir mit Han» Rochu». Nur daß H:lde für Wendling wirklich etwa» wie Liebe empfand, soviel ihre innerlich kalte Natur empfinden konnte. » Han» Rochu» bemerkte mit Erstaunen, daß Hilde in Gegen wart Wendling» nicht halb so zärtlich und anschmiegrnd zu Kracht war al« sonst. Ek fing auch, al» « mit Wendling sortging, einen Blick auf, den Hilde mit diesem tauschte. Sollte fie auch mit Wendling falsche» Spiel getrieben habe« wi« mit ihm? Halt« fi« «twa auch dirsr« a« ihre Gegenliebe glauben gemacht? Er sah seinen Begleiter forschend an. Der schön« stattlich« Mensch sah au», al» ring« «r vergeblich »ach Fassung. Mitleidig faßt« ihn Han» Rochu» unter den Arm. „Komm — laß un« eine Flasche Wein trinken — wir wollen vergesse«, daß »in and«« mehr Glück hatt« al» wir," sagte er eindringlich. Wendling sah ihn düster a».