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Dienstag. 23. Mai 1911. Beilage zu Ar. 61. 63. Jahrgang. Die Notlage der HmWMWe und der srci- stnnige Londidal pudor. Man schreibt uns: „Der deutsch-schwedische Handelsvertrag hat die Lage der Hartsteinindustrie, welche bekanntlich unter her schwe dischen Konkurrenz um ihre Existenz zu ringen dat, wie der in das Helle Licht der Oefsentlichkeit gerückt und selbst bis weit in das liberale Lager hinein erkennt man die Notlage der Steinindustrie an. Eine Viertelmilliarde deutschen Kapitals ist in den deutschen Steinbrüchen an gelegt und in ca. 8000 Unternehmungen sind etwa 90 000 Vollarbeiter beschäftigt. Die Hartstetnindustrie ist im wirtschaftlichen Leben Deutschland? ein nicht zu unter- schätzender Faktor, sie ist eine durchaus bodenständige Industrie, die hauptsächlich in ländlichen Distrikten wurzelt und in manchen ärmeren Gegenden die Existenzgrundlage der eingesessenen Bevölkerung bildet, welche sich noch neben- bei von der Landwirtschaft ernährt. — Auch in unseren Kreisen nimmt die Steinindustrie eine hervorragende Stel lung ein. In Demitz und Schmölln sind allein etwa 3000 Arbeiter, in Häslich, Kindisch, Obersteina, Ohorn und Reichenbach ca. 2000 Arbeiter beschäftigt, von denen ein großer Teil der eingesessenen Bevölkerung aus den um- liegenden Dörfern angehört. ES ist allgemein bekannt, daß die Steinindustrie gegen die immer mächtiger werdende schwedische Konkur renz den bescheidenen Schutzzoll von 20 Pfg. verlangt, und daß sie, wenn ihr der nicht gewährt wird, allmählich zu Grunde gehen muß. Von allgemeinem Interesse muß es daher sein, darauf hinzuwetsen, welche Stellungnahme der bekannte Herr Pudor aus Kleinstorckwitz, der sich be kanntlich stark für die Reichstagswahlkandidatur in unserem Wahlkreise interessiert, zu dieser Frage einnimmt. Man sollte doch glauben, daß bei dem Vorhaben des Herrn Pudor er bemüht sein werde, sich den Verhältnissen seines Wahlkreise» anzupaffen, daß er darauf auSgehe, Gegensätze zu überbrücken. Er scheint aber in seinen theoretischen Anschauungen so befangen, daß er sich gleich in die erste ihm entgegenstellende Frag« verbeißt. Auf eine Anzapfung über die Lage der Steinindustrte im Be zirke und sein freihändlerische» Programm nahm er Ver- anlaffung, in einer Versammlung zu erklären, daß die Steinbruchsbesitzer keine Berechtigung hätten, nach Schutz zöllen zu rufen, Ihre Industrie rentiere sich glänzend, (!) Nicht genug damit, in langen Zeitungsartikeln der frei- sinnigen „Bischofswerdaer Nachrichten" tritt er hervor und sucht hier die „glänzende Lage" der Steinindustrte nachzuweisen. Ja er wirft den StetnbruchSunternehmern sogar Frivolität vor, und „Begehrlichkeit nach Sonder- vorteilen auf Kosten der Allgemeinheit", weil sie in ihrer Notlage nach dem 20 Pfg.-Zoll rufen. Die Stellungnahme deS freisinnigen Kandidaten in dieser Frage ist geradezu ein Schulbeispiel dafür, waS das deutsche Volk zu erwarten hat, wenn im Reichktag eine liberal-sozialdemokratische Mehrheit einzieht. Die für den Schutz der nationalen Arbeit errichteten Schutz mauern sollen niedergeriffen und das freihändlerische Banner errichtet werden. In unserem Wahlkreise wird aber wohl für freihändlerische Ideen wenig Raum sein. Die Landwirtschaft, welche den wichtigsten Faktor im wirtschaftlichen Leben unseres Kreises bildet, und mit deren Interessen auch diejenigen von Handwerk und Ge werbe in unserem Bezirke abhängig sind, steht und fällt mit den Schutzzöllen. Ein jeder „Abbau" dieser Zölle, was die Freisinnigen bekanntlich al» erste Forderung ihres wirtschaftlichen Programms ausstellen, muß die Landwirt- schäft auf- Tiefste treffen In unserem Wahlkreise wird daher die große Mehrzahl der Wähler auch im gegen- wärtigen Wahlkampfe wieder die Anstrengungen der Freisinnigen und Sozialdemokraten in richtigem Lichte zu würdigen wissen. OsrtNcdss unv Sückslfedes. — (Völkerschlacht-Denkmals-Lotterie.) Letzter ZiehungStag, 20. Mai. 8 M und die Prämie von 75 000 M auf Nr. 48 315, 2000 M auf 11534, 1000 M auf 149 065, 300 M auf 2236, 137 864, 154 800, 166 618, 200 M auf 131 662, 158 505, 100 M auf 171 189, 50 413, 74739, 75150, 75864, 107434, 180738, 188 675,162 329, 170 899, 192 997. — Ohne Gewähr. — (Ueber die Entschuldigung», und Per- sicherungS-Maßnahmen der Ost preußischen Landschaft im Lichte der Betriebslehre und Praxi») wird Herr Rechtsanwalt l)r. jur. Breymann- Leipzig in der von der Oekonomischen Gesellschaft t. K. S. am 26. Mai, nachmittags 4 Uhr, in der Deutschen Schänke zu den „Drei Raben" in Dresden-«., Marienstraße 20 angesetzten Vortragsversammlung einen Vortrag halten. Hierzu haben auch Nichtmitglieder kostenlosen Zutritt, so fern sie bis zum 26. Mai, mittag» 12 Uhr, in der Ge schäftsstelle der Oekonomischen Gesellschaft t. K. S. in DreSden-A., Lüttichaustraße 26, part. Eintrittskarten ent- nehmen. Am Eingänge werden solche gegen Erlegung von 50 Pfg. pro Person verabfolgt. 8. Dresden, 21. Mai. (Ehrung der Presse durch die sächsische Regierung) Anläßlich der Tagung des Landesverbandes sächsischer Redakteure und Berufsschriftsteller wurde die Presse ganz besonder» ge feiert und ihr seitens der sächsischen Regierung da» höchste Lob gezollt. Staat»Minister Graf Vitzthum v. Cckstädt hielt folgende hochbedeutsame Rede: „Meine sehr geehrten Herren! Die freundliche Einladung des Landesverbandes sächsischer Redakteure und Berufsschriftsteller ist mir eine willkommene Gelegenheit, Sie, meine Herren, al» die geistigen Arbeiter und Führer der sächsischen Presse zu begrüßen und Ihnen bei diesem Anlaß meinen Dank und eine Bitte auszusprechen. Der Dank gilt allen den Ver- tretern der Presse, welche in einer durch Parteileidenschaft zerrissenen Zett e» verstanden haben, den Kampf der Mei nungen auf einen sachlichen und vornehmen Ton zu hal ten. Diese sachliche Arbeitsweise hat es auch der Regie rung ermöglicht, mit den Vertretern der verschiedensten Parteirichtung immer auf gutem, freundschaftlichem Fuße zu verkehren. Meine Bitte kann daher nur dahingehen, daß diese sachliche Arbeitsweise auch in Zukunft eine Ei gentümlichkeit der Vertreter der sächsischen Presse bleiben möge. Die Presse wird mit Recht als eir? Vertreterin der öffentlichen Meinung bezeichnet. Sie werden mir aber nicht widersprechen, und es mir nicht verdenken, wenn ich sage, daß es für eine Regierung, die Wert darauf legt, mit der öffentlichen Meinung Fühlung zu halten, manchmal recht schwierig ist, zu wissen, wie denn die wahre, einzig richtige öffentliche Meinung zu finden ist. Verschiedenartig, wie die politischen Richtungen der Blätter sind, die Sie vertreten und einander widerstreiten in die- ser öffentlichen Meinung. Sie tritt bald konservativ, bald reaktionär, bald demokratisch auf, sie ist weder mit der einen noch mit der anderen Richtung identisch, sie ist aber doch wieder ein Gemisch von allen. In der Verzweiflung, die wahre, einzig richtige öffentliche Meinung zu finden, ist man darum wohl manchmal geneigt, an ihrem Da sein zu zweifeln, aber ich möchte doch glauben, daß eS eine öffentliche Meinung gibt, denn es gibt Augenblicke, wo man die wahre echte Stimme der öffentlichen Meinung zu hören glaubt. Sie ist überall da, wo der uns allen eingepflanzte Trieb nach etwas Besserem und Höherem sich Luft macht, und wo das Streben, wo der Drang nach Wahrheit und Recht sich zum Durchbruch verhilft. So lange wir diesen Idealen nachgehen, so lange werden wir auch bei unseren Gegnern selbst in dem heftigsten TageSkampf diese» Ideal wiederftnden und ihm Gerechtig keit zu geben wissen. Wir werden aber auch etwa» wei- tereS erreichen, anstatt bald links, bald rechts herum nach der öffentlichen M inung zu suchen, wird sie selbst uns entgegenkommen, als die Dienerin der Wahrheit In diesem Sinne, glaube ich, haben die Vertreter der sächsi schen Presse auch ihren Dienst jederzeit ausgefaßt. In diesem Sinne glaubt und hofft auch die Regierung sich in Zukunft mit dec sächsischen Presse dahin zu verstehen und sich darin zu begegnen, daß wir der Wahrheit dienen wollen und dadurch einen Einfluß gewinnen werden auf dis öffentliche Meinung und in diesem Sinne bitte ich Sie meine Glückwünsche für Ihre heutige Hauptversamm lung entgegenzunehmen." Dresden. (EinehochherzigeTatdeSKönigS Friedrich August) zum Segen de» kleinen Mittel- und Gewerbestandes wird sicherlich allgemeine Freude Hervorrufen. Der „KleinwohnungSoerein" hat, um ge- sunde, gute, wohleingerichtete und preiswerte Wohnungen für kleine Leute des Gewerbe- und Arbeiterstandes zu schaffen, eine au» 15 Häusern mit zusammen 127 Woh nungen bestehende Baugruppe in Vorstadt Striesen er richtet. Der König hat das gemeinnützige Streben des Vereins, nachdem er sich über dessen Zweck und Verwal tung eingehend Bericht hat erstatten lassen, dadurch ge fördert, daß er da» Bauprojekt mit einer sehr bedeuten den zweiten Hypothek beliehen hat, unverkennbar in der Absicht, die Bestrebungen veS Verein» zur Hebung des Kleinwohnungswesens damit zu fördern. Die jetzt fertig gestellten Wohnungen bestehen aus Stube, Kammer und Küche oder aus Stube, zwei Kammern und Küche; es sind nie mehr als zwei solcher Wohnungen in jedem Geschoß; die Anordnung ist derart, daß die Räume jeder Wohnung an zwei Fronten liegen, sodaß sie bequem durchlüftet werden können. An den Wohnküchenanlagen Der Erbe von Amerm. Roman von B. von der Lancken, s (Nachdruck verboten.) ,Lüb,i», l»,be» Abnchen," rief st« glückselig. „Komm nur, Kindchen, komm, der Koffer ist fertig," küchelte die alt« Dame. „Schöne» Wetter heute, aber ei« scharfer W-nd." Wo konnte j, di« K-ff„stunde gemütlicher sei», al» i» Tuchen, in Großvater, Smb« mit den st«»««, altertümlichen Möbeln und den von der Zett geschwärten Famili.nportrait« über dem Sofa. E'N gelbgrauer Napfkuchen prangt« muten auf dem T-sch und der Teekessel über der blauen Spiritu,flamme summie sein eintönig vergnügliche« Liedchen. ' muß heut- noch »um Pastor hnüber nach Dannen, selb,sagte Herr v W-rthe-n, al« man um den rund.» Tuch V on aenommen - „ich hoffe aber, dtch »och ,u treffen, wen» ich w..d«kowme, Lauchen. Freust dich wohl recht, nun auch deine« Schwager kennen zu lernen, walk' . , . D.« Angrredete schüttelte den zierlichen Kopf und sah in ihr, Taffe. -N cht? Na, wa« hat den» da« wieder auf sich k Soll ja ein bedeutend» Mann sein, klug und liebenswürdig, und du schwatzest doch gern klug, Lott'." „Ja, j«, Großvater, da« mag alle« sein — aber" — fuhr fie nach einer Paus« fort, „aber du weißt, ich habe einen so ausgeprägten Schönheitssinn, und Peter — — der Fuß und die Schulter. Ich denke mir da« schrecklich." Der alte He« hatte schon während dieser Rede «in sehr verdrießliche« Gesicht gemacht und mißbilligend den weißen Kopf »«schüttelt; jetzt schob er mit einer heftigen Bewegung die leere Taffe zurück und sagte ausstehend in strengem Tone: „En für allemal, Lotte, laß mich mcht noch öfter solche herzlosen und unverständigen Reden hören l Bedenke, daß man ' Frau von fünfundzwanzig Jahren dergleichen Au«sprüche " wie e>n«m Kind« von fünfzehn." n b°b trotzig den Kops. , , recht haben, Väterchen; aber ich kann I« NU» einmal nicht ändern," sag,, si, in ihrer bestimmten Weise. W il du nicht willst," eifert« d«r Alt«, „und da« «ben ist kindisch; wir sollen und müssen d«rgl«'chen Schwächen über winden, und du, gerade du kannst r«, Lott», wenn du nur wolltest." Draußen wurde da« Reitpferd vorgesührt, und Herr von Werthern sagt« heut« weniger herzlich Lebewohl, mckle auch nur flüchtig «inen Gruß in« Feuer nnd ritt langsam, sichtlich ver, ftnnmt fort. , Der K ffertisch wurde abgeräum», Frau v Werthern setzte sich, r'n Strickzeug in der Hand, in die Sosaecke, Lott« mit einer Näharbeit an« Fenster; ein Gespräch mochte zunächst nie mand b-ginnen. „Charlotte," begann die alte Dame endlich, „komm her, bring« aber gleich deine» Beichtschemrl mit. So," fuhr st« fort, al« di« Enkelin zu ihren Füßen Platz genommen hatte, „und nun gestehe nur ein ehrlich, wa« hast du gegen Peter Locwett? Sein kaum bemerkbare« Gebreche» kann nicht schuld daran sein." Charlotte schlang di« Arme um die Knie« der Greist» und bl ckie mrt den groß«» grauen Augen, in drnen jetzt nur Lieb« und Zärtlichkeit leuchtet«, ,u ihr auf. „Doch. Großmütterche», doch, gerad« da« ist mir «»heimlich und — er weiß e« auch." setz,« st, stockend hinzu. „Er w«iß e«, Lotte?" „Vor ,«h» Jahren, al» ich mit dem Großvater da« erst«, mal nach NtMtrow fuhr — ich «rinne« mich dessen noch, al« wär« «» heut« geschehen — spielten wir mit anderen Kinder« im Garten. E« sollte Kahn gefahren werden, Paul Ulrich war verreist und Peter, auf Univerfität»frrien gerad« zu Hause, sollte zu unserer veausfichtigung mitfohrrn, „Setz dich neben ihn," sagt« Lilli Dewitz zu mir. „Nein, nein," rief ich heftig, „neben de« mag ich nicht fitze«, der ist so häßlich und hat eine hohe Schulter." — Peter hatte,« gehört — ich sah r« ihm an — er wurde dunkelrot, rief den alten Gärtner und erklärte, er würde nicht mitsahren, da der Gärtner doch besser mit dem Rudern Bescheid müßte. Den Bl ck aber, den «r mir zuwarf, den habe ich heute noch nicht v«g«flm — ich glaube jetzt weiß ich auch, wa« darin lag — Verachtung." Frau von Werthern strich sanft über da« glänzende schwarze Haar der «akrlin. „Aber, Töchterchen, da« ist lange, lang, her," sagt, st, sanft; „da verwischt sich manch« Erinnerung; sollten aber deine Worte dennoch in se nem Gedächtni« halten geblieben sein, wie in dem deinen, so hast du doppelt die Pfl cht, ihm zu beweisen, daß du jetzt ander« denkst al« da» ««erwachsene, unüberlegt redend« Kind; und er, der gereifte Mann, wird der Frau nicht Nachträgen, womit da« Mädchen ihn vor Jahren gekränkt." Der erst« DämmersLAn füllte da« Gemach und hüllte di« Greisin und da» jung« Weib zu ihren Füßen in «in milde» Halbdunkel. Frau von Werthern rollte da» Strickzeug zusam men und faltet« di« welken Hände über dem Scheitel der vor ihr Sitzenden, deren Kopf sich an ihre Knie lehnte — Lotte schloß die Augen. „So saß ich oft al« Kind," flüsterte st« halblaut. Du er zähltest mir dann Märchen, Ahne, und ich war so glückl ch." „Und jetzt fitzest du hie, al» junge«, liebende« und geliebte« Weib," erwiderte die Großmutter zärtlich, „und bist erst recht glücklich — nicht wahr, Lotte, du bist doch glücklich?' „Ja, Ahn«, ich bin e«,* lautet« der ruhige Bescheid und doch schmiegte fi« fich fester in den Schoß der alten Frau, al« müßte fie hier Schutz suchen vor einem unbekannte« Etwa« ... Der Abend verlief nach der Heimkehr de» Großvater« besser und heiterer, al« e« bei seinem Fortgang den Anschein gehabt hatte, nur wunderten fich alle, daß der Wagen, der längst hätte zurück sein müssen, noch nicht da war. — Gege« neun Uhr endltch rollt« ,« über den Hof, der Kettenhund schlug an und Herr von Werthern, der an» Fenster getreten war, machte die Mitteilung, da» Koupee mit den „Schwarzen" halt« vor d«r Tür. Überrascht sprang Charlotte auf und fragte, da» Fenster öffnend, weihalb da» Ponrysuhrw«! nicht gekommen wäre. „Der Herr hat den Herr« Peter schon in Malchin auf dem Bahnhof« getroffen. Brid« find dann gl«ich nach Nemerow ge fahren, und da meinte die Madame, »ch sollte nur mit den Schwarzen herfahren — die kleinen Pferde hätten genug für heute," gab der Kutscher die verlangte Au»kunft. „So ist de, jung, Herr schon da?" fragte Lotte erwar. tunglvoll, gespannt, wie um da» bereit» Mitgeteilte, nochmal» bestätigen zu hören. „Bor eine, Stunde find die Herrschasten angrkommen." — Lotte schloß da» Fenster — ihre und d« Großmutter Blicke begegnete» fich.