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Pulsnitzer Wochenblatt Konnakend, lt- März UM. Meilage zu Ar. 30. 63. Jahrgang. rragssgssckickts. Deutsches Neich. Berlin, 9. März. (Die Lon doner Kaiserreise.) Die Reise des Kaisers nach London anläßlich der Enthüllung des Denkmals der Königin Viktoria und der Besuch beim englischen König wird, wie dies der Anlaß bedingt, einen durchaus pri vaten Charakter tragen und dieser wird auch während des ganzen Aufenthaltes des Kaisers in London gewahrt bleiben. Die Meldung deS „Wiener Allg. Corr.", daß der Reichskanzler od.r der Staatssekretär des Aeußern den Kaiser nach London begleiten wird und es bei dieser Gelegenheit hinsichtlich einer Verständigung zwischen Deutschland und England zu wichtigen Besprechungen kom- menwird,beruht,wiedem „Hirsch'schen Telegraphen-Bureau» an amtlicher Stelle mitgeteilt wird, auf willkürlicher Er- stndung. Berlin, 9. März. (Deutschland und Mexiko.) An amtlicher Stelle liegen wie das „Hirsch'sche Telegraphen- Bureau" erfährt, noch keinerlei Nachrichten vor, die die Zustände in Mexiko bedrohlich erscheinen lassen. Sollten bei der deutschen Regierung Meldungen eingehen, die die Interessen deutscher Staatsangehöriger als bedroht er scheinen lassen, so würde Deutschland unbedingt sofort diejenigen Maßregeln ergreifen, die zum Schutze der deut- schen Landsleute in Mexiko geboten erscheinen. Berlin, 9. März. (Das Aerztekompromitz an genommen.) Die ReichSveistcherungSkommisston nahm heute das bekannte Aerztekompromitz an, ergänzte eS je doch durch die vom Zentrum beantragte Bestimmung, daß, wenn der Versicherte die Mehrkosten selbst übernimmt, ihm die Auswahl unter den von der Kasse bestellten Aerzten freistehi, während im übrigen die Kasse ihren Mitgliedern nur die Auswahl zwischen mindestens zwei Aerzten freilasscn soll, und auch dann nur, wenn es die Kaste nicht erheblich mehr belastet. Die einleitende Be stimmung der Kompromißvorschläge, wonach die jetzt ge trosten Regelung nur ein Provisorium bedeuten soll, wurde gestrichen. Man hielt sie für überflüssig, weil sich ja aus der Praxis ergeben muß, ob sich die neuen Be stimmungen bewähren oder nicht; in diesem Falle würde man dann eben ein neues Gesetz machen. Berlin, 10. März. (Von der französischen Fremdenlegion.) Der Zusiand) daß die französische Regierung sich geweigert hat, junge Leute unter 18 Jahren, die sich in die Fremdenlegion ausnehmen ließen, auf An trag der auswärtigen Staaten wieder herauszugeben, hat tatsächlich bestanden. An hiesiger amtlicher Stelle wird dem „Hirsch'schen Telegraphen-Bureau" versichert, daß bisher seitens Frankreichs noch keine Mitteilung gemacht worden sei, wonach der Erlaß von 1910 über den Ein tritt von Minderjährigen in die Fremdenlegion von dem 'französischen Ministerrat wieder aufgehoben worden ist. Eine Absicht, die ganze Angelegenheit seitens der deutschen Regierung vor den Haager Schtedgerichshof zu bringen, hat, wie dem „Hirsch'schen Telegraphen-Bureau" weiter gemeldet wird, niemals bestanden. München, 9. März. (Geburtstagsfeier des Prinz-Regenten Luitpold.) Im Kronensaale der Residenz fand heute vormittag 11 Uhr anläßlich des 90. Geburtstages des Prinz-Regenten die Huldigung des bayerischen Landes statt. Die Spitzen der gesamten weit- lichen und geistlichen Behörden deS Landes, die Direktorien beider Kammern, des Landtages, die hohe Geistlichkeit, die Armee, die Vertreter der Kreise und der Gemeinden, der Kunst, Wissenschaft und der sämtlichen Berufsstände und kleineren Korporationen des Landes waren vertreten. Fürst Löwenstein, der Präsident der Kammer der ReickS- räte, hielt an den mit dem gesamten königlichen Hause erschienenen Prinzregenten eine Huldtgungsansprache, die mit einem dreifachen Hoch schloß. Der Regent erwiderte in einer Rede, in der er sagte: „ES ist eine gütige Fügung, daß die Zeit meiner Regierung zusammenfällt mit einer Zeit friedlicher Entwicklung Bayerns, wie sie die Geschichte früher kaum gekannt hat. Im deutschen Reiche kommt Bayern eine geachtete Stellung zu und bildet die treue, tapfere Armee einen starken Pfeiler der mächtigen Schutz wehr, welcher den Frieden verbirgt und ine Früchte ruhiger Arbeit reifen läßt. Mögen alle Bayern sich einig fühlen in dem heißen Bestreben, dem Vaterlande zu dienen und zu nützen, mögen Herrscher und Volk in alter Bayerntreue zu allen Zeiten zasammenstchen." — Mit einem aber maligen Hoch auf en Regenten schloß der Huldigungsakt. München, 10. März (Zum 90. Geburtstage deSPrinzregenten.) Die bayerische Landessammlung zum Regententag hat rund anderthalb Millionen Mark ergeben. Von den in Oberbayern gesammelten 448 000 Mark hat München allein 309 000 Mark aufgebracht. Italien. Rom, 9. März. (Preußen und der Vatikan.) „Popolo Romano" stellt fest, daß bei einem Kulturkämpfe die preußischen Minister noch niemals so ernste Erklärungen abgegeben haben, wie dies gelegent lich der Debatte über den Äntimodernisteneid im preußischen Abgeordnetenhause der Fall gewesen ist Die Klage des Ministerpräsidenten v. Bethmann Hollweg wegen mangel hafter Rücksicht gegenüber der preußischen Legation habe zu dem Resultat geführt, daß der Staatssekretär Monsignore Benigni aus dem Amte entfernt habe. Papst PiuS werde im übrigen den preußischen Vorstellungen Rechnung tra- gen und versuchen, daß gewisse Vorschriften, selbst wenn sie zur Aufrechterhaltung der religiösen Disziplin und zur Verteidigung erlassen weiden müssen, sich nicht für alle Völker eignen. DaS Blatt fügt hinzu, nach dem Bruche mit Frankreich und Portugal sowie angesichts der Schwierig keiten mit Spanien habe der Heilige Stuhl eine Interests daran, einen Konflikt mit Preußen oder einem anderen deutschen Staate tunlichst zu vermeiden. England. London, 10. März. (Amerika und Mexiko.) Die englische Regierung stellt offiziell in Ab rede, daß sie die Vereinigten Staaten ersucht habe, bri tische Interessen in Mexiko zu schützen. DaS britische Auswärtige Amt ist jedoch von Washington offiziell von der Mobilisierung in Kenntnis gesetzt worden, was wohl bei gewöhnlichen Manöoern nicht zu geschehen pflegt. Dem hiesigen mexikanischen Gesandten wurde von seiner Regierung telegraphiert: „Mobilisierung amerikanischer Truppen steht in keinem Zusammenbange mit mexikanischer Revolution. Beziehungen zwischen beiden Ländern aus gezeichnet. OsrMcbss unv Sächsisches. — (Die diesjährigen H erb stü b u n g en) des XII. (1. K. S.) Armeekorps werden abgehalten in den Amtshauptmannschaften Pirna — DreSden-Neustadt und dem Teile der AmtSyauptmannschaft Großenhain, der südlich der Linie Frauenteich (bei Moritzburg), Berbisdorf— Medingen (diese Orte einschl.) Uegt. Die Grenze des Manöverbereichs der Divisionen bildet die Linie: Süd grenze der Amtshauptmannschaft DreSden-Neustadt von Leuben bis Zaschendorf—Wünschendorf—Eisenbahn bis Stolpen, Bahnhof Stolpen—Lauterbach (Orte zur nördl. Hälfte). Für die diesjährigen Regiments, und Brigade übungen der Feldartillerte sowie die Brigade- und Divi sionsmanöver wird zugewiesen: der 23. Division der südliche, der 32. Division der nördliche Teil des Manöver bereichs des XII. Armeekorps. Die Divisionen verfügen bis einscyl. DivifionSmanöver über alle ihnen unterstellten Truppenieile. Außerdem werden zugeteilt: der 23 Divi- sion: der Offizier beim Stabe und 1. und 2. Kompanie des Pionierbataillons Nr. 12 mit zusammen 1 Schanz, und Werkzeugwagen, die Unteroffizierschule, 2 Sanitäts abteilungen; der 32. Division: Stab, 3. und 4. Kompa nie des Pionierbataillons Nr 12 mit zusammen 1 Schanz- und Werkzeugwagen, Stab des Trainbataillons Nr. 12 und 2 Sanitätsabteilungen. Freiberg, 10. März. (Die diesjährige Jahres hauptversammlung des Evangel.-lutheri schen SchuloereinS im Königreich Sachsen) findet hier in der Woche nach Ostern statt. Uebersicht über die an den kjauptrnarktorten Deutsch lands in der letzten Woche gezahlten Lettviehpreise. Die Preise sind in Mark für 50 Ke Schlachtgewicht bezw. Lebendgewicht (l bedeutet Lebendgewicht) angegeben. Die erste Zahl bedeutet den niedrigsten, die zweite den höchsten für die betr Mehgattung gezahlten Preis. (Unberechtigter Nachdruck verboten Aufgestellt am 9. März 1911. Mitberücksichtigt sind noch die am 8. März abgehaltenenMärkte. Rindvieh Hammel, Schafen. Großvieh Kälber Lämmer Schweine. Aachen ' . 64-80 80-125 75—90 58—62 Barmen 70-85 85—93 -90 55—59 Bersin 60-79 67-133 60-80 52-60 Bremen 63—82 65-95 70—95 55-62 Breslau 55—80 83—102 64-88 56—63 Chemnitz . Danzig 57-90 45-621 35-421 55-65 27—44 l 30—701 28-331 34-45 l Dortmund. - 62-86 75-96 78-84 58-61 Dresden - 50-96 78—92 76—90 57-64 Elberfeld . - 62-88 70—98 70—80 52—60 Essen 64—87 73—118 -85 48-59 Frankfurt a M. 46-93 81—107 80—89 58—61 Hamburg . 50—95 87—140 72—84 46—571 Hannover . 61—85 90-105 70—88 50—57 Husum . . 76—80 — — 34—411 Kiel . . . 55—82 60—115 66—88 38-461 Köln a. Rh. 64—86 51-851 74—92 50—59 Leipzig. . 65—87 50—65 l 35—421 54—60 Magdeburg 27—44 l 40—821 31-401 44—60 Mainz . . 60—87 95—100 —- 55—65 Mannheim 50—92 85-100 70—78 62—64 Nürnberg . 58—94 53—801 40-85 60—66 Stettin. . — 50-80 — 50—55 Zwickau 48-86 48-611 33-441 57-63 vuttsrprsifs auk Vom kiesigen Wocksnmarkts. Sonnabend, den 11. März. 4 Stück Mk. 2.40. KeHetztes Witd. Roman von E. von Winterfeld-Warnow. 28 (Nachdruck verboten.) „Nan also!" — — „Ja — aber ich kann Ihnen d« feste Versicherung geben, daß wenn ich nicht operiere, j« drei Tagen Gehirnentzündung «intritt, und dann — dann ist alle ärztliche Kunst umsonst." Di« junge Mutter preßte die Hände im Schoß ineinander in Angst und Qual. Dat Wort dkt Arzte« schien ihr hart zu sein und grausam, aber et war nur fest und klar, weil er seinen Weg genau vor sich sah Et handelt sich" — wandt« «r sich an di« Schwester — um "einen schweren Fall von Mittelohrkaiarrh. Der Kopf muß ausgimeiß-lt werden. Da et aber noch nicht so w«t vor- geschritten ist, hoffe ich, da» K.nd retten zu können. Natürlich müssen wir et hier draußen haben." „ _ « _ - »Auch da» noch! Ich kann et nicht selbst pflegen? Herr Doktor, da» halte ich Nicht au».' Lolo von Tessow schlang wieder die Hände krampfhaft ineinander und biß sich auf die Lippen, so daß si, bluteten. Schwester Leonie hatte noch kein Wort bi» j'tzt g«fagt, Sie war blaß geworden, blasser noch, alt die junge Mutter, aber jetzt war ihre Stimme ruhig, al« si« sagt,. .Und wann soll di, Operation sein, Herr Doktor? * Morgen vormittag um neun Uhr, den!« ich. Ich bringe noch einen Kollegen m»t, und Si, sorg,» für eine weiblich« Hilf«." Und welche» Z mmer soll da« K nd nachher bekommen?" »Dat richten Sie ein, wie s„ wollen, liebe Schwester, Sie wiss-n, da« überlasse ich gern Ihnen!- Plötztich stand Lolo von T-ffow neben Leonie. „Also, Sie sollen e« pflegen? O liebe Schwester seien Sie gut zu der Klement Si, glauben nicht, in welcher Angst ich lebe!" Za>«> große Tiänen rollten über ihre Wangen. „Ich werde tun, wat ich vermag, gnädige Frau." Sie drückt« di« jh, von Lolo dargrrrichte Hand. In ihr schrie e» auf: „Sein Knd! Sein Kind!" — „Wird Ihr Gemahl noch kommen, gnädige Frau?' fragte in diesem Augenblick der Arzt. .N«m! Ec ist mit unserem Aeltesten zu Hause geblieben. Ec konnte auch nicht U laub bekommen. Ich bin bei meinen Eltern und hoffre, die klein« könnr dort operirrt werden." „Dat geht nicht, gnädige Frau I Ich sagte e» Ihnen schon. Solche gefährlichen Operationen macht man heutzutage nur noch im Krankenhaus« oder in der Klinik. Und nun also auf morgen, und seien Sie, bitte, pünktlich!" Der sehr beschäftigte Arzt hatte sich erhoben. Seine Zeit war in Anspruch genommen, und er konnte hier nicht länger bleiben. Auch Lconie mußte sitzt wieder fort, nnd doch »özerlen beide Frauen noch einen Augenblick. Et war Lolo, al« könne sie sich nicht trennen. „Schwester!" „Ich kann Ihre seelische Erregung sehr gut verstehen, gnädige Frau! Aoer haben Sie Mut! Unser Doktor ist sehr gesackt und sehr vorsichtig und" — — si, zögerte eine Weile, dann setzte sie mit seltsamen Zittern in der Stimme hinzu: „und Gott wird un« helfen!" Lolo preßte ihre Hände mit kräftigem Druck. Dann ging sie zu dem Wagen, der unten auf sie wartete. Gegen neun Uhr am nächsten Morgen fuhr Lolo vor mit dem Krnderfräulein und dem kleinen Mädchen. E« war e n süße» Kindchen, große, dunkelblaue Augen, ein runde», freundliche» Gesichtchen. Noch einmal untersuchte der Chefarzt die Wunde hinter Lem Ohr mit der Sonde, wobei di« Klein« leise wimmerte. „E» ist absolut nölig, gnädige Frau! Ich muß Sie bitten, so lange in den Anstalt»gart«n hinunter,ugrhen. Si« könn«n bei der Operation selbst nicht zugegen sein I' „Aber, Herr Dokwc," sagt« Lolo entsetzt, „schicken Si« mich doch nicht fort! Ich will auch ganz still srin und ganz gewiß nicht stör«n." „E« tut mir leid, ich kann da» nicht gestatten. Da ist niemand seiner selbst sicher. Si« könnten schreien, und da« Kind würde au« der Narkose erwachen. Gehen Sie, bitte, hin» unter. Sie können auch nicht da« geringste helfe». E« wird etwa fünfzehn Minuten dauern. Wenn wir fertig find, rufe ich au« dem Fenster." So mußte Lolo ihr Kind der Schwester geben. E« kam ihr vor, al« ob sie e» dem Tode selbst überliefere. Die A-rzte mit den großen, weißen Schürzen, mit den auf, gestreiften Aermeln, der Operation»!««!, die Instrumente und der Operation»t«sch, da« alle« machte einen so furchtbaren Ein druck aus sie, daß sie beb'e vom Kopf bi» zu den Füßen. Schwankend schritt sie die Treppe in den Garten hinab, und dann blieb sie stehen und lehnte den Kopf an die Mauer. „Meine alte, liebe Derrn! Meine gute Lolo! Komm, weine dich au»!' E» waren ihre» Vater» Arme, di« sie umschlang«». „Papa, du hi«r! Wie gut von dir!" „Ich bin dir nachgefahren. Ich hatte gleich die Abficht, wußte aber nicht, ob ich irgend etwa« nützen könnte." „Ich soll ja nicht dabei sein, Papa!" k.'agte Lolo. „Da» dachte ich mir, mein Kind! Komm, wir gehen ein bißchen auf und ab." Unv er legte seinen Arm in den ihren und zog sie vom Hause fort in die abgelegeneren Gänge de» Garten». „Sag' 'mal, wie geht e» denn eigentlich Tessow mit seinem Husten? Wir sind gestern noch gar nicht da,»gekommen, davon zu spreche». Und von dem Junge« hast du mir auch noch nicht« erzählt! Er läuft jetzt ganz allein und spricht schon kleine Sätze, schriebst du. Na, da wird Tessow ja stolz auf seinen Junge« sein." So erreichte e« der klug« Senator, daß Lolo« Gedanken ei» wenig vo» den Vorgänge» im Operation«saal abgelenkt wurden. Und da« war e«, wa« er wollte. Heimlich sah er auf die Uhr. Zwölk Minuten! — Nun mußte e« bald soweit sein. Jetzt blickte Lolo suchend nach dem Fenster hinauf. Dreizehn Minuten! War e« nicht, al« ob dort jemand an La« Fenster träte «nd wickelte eine weiße Binde auf? Vierzehn Minute«! Der «rzt erschien am Frnsier und öffnet« e».