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Pulsnitzer Wochenblatt : 04.04.1911
- Erscheinungsdatum
- 1911-04-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Pulsnitz
- Digitalisat
- Stadt Pulsnitz
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1840935979-191104047
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1840935979-19110404
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1840935979-19110404
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadt Pulsnitz
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Pulsnitzer Wochenblatt
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-04
- Tag 1911-04-04
-
Monat
1911-04
-
Jahr
1911
- Titel
- Pulsnitzer Wochenblatt : 04.04.1911
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Pulsnitzer Mckenbiatt Dienstag, 4. April' 1911. Me des UeichstlijMbgmdntteii Gräse M MoAttßeinjoll in der Reichstagssihnng vom 1 April. Vizepräsident vr. Spahn (Bonn): Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gräfe (Sachsen). Gräfe (Sachsen), Abgeordneter: Meine Herren, die Haltung der „freisinnig-fortschrittlich-demokratischen Volkspartei" und zu gleich die der Sozialdemokraten ist ungemein bezeichnend gegenüber der Frage, wer tatsächlich die Interessen des schaffenden Volles und in erster Linie diejenigen des deutschen Arbeiters vertritt. Denn gerade die Frage des Pflastersteinsolls ist nach meiner An sicht ein Schulbeispiel über den Wert oder Unwert des Schutzzolls, wie er auch dem rückständigsten sozialdemokratischen Arbeiter nicht drastischer vor Augen treten kann. (Sehr richtig! rechts.) Eine Illustration für die Haltung der Fortschrittlichen Volks partei ist die Behauptung in der gestrigen Ausführung des Herrn Abgeordneten Fuhrmann, ihm sei nicht bekannt, daß die Fort schrittliche Volkspartei freihändlerisch sei. Das deutsche Volk wird darüber einig sein, datz die Fortschrittliche Volkspartei lediglich frei händlerischen großkapitalistischen Interessen dient, zum Nachteile der deutschen Arbeit. Was nun die Frage des Pflastersteinzolls selbst anlangt, so ist die Notlage der deutschen Steinindustrie längst bekannt, und ihre Klagen sind heute zum berechtigten Notschrei geworden ange sichts der Befürchtung, die in immer weitere Kreise dringt, datz auch bei dem uns nächstens beschäftigenden schwedischen Handels verträge die Pflastersteine wieder leer ausgehen sollen. Wenn das geschieht, so wird die deutsche Steinindustrie in ihrer Existenz tat sächlich in Frage gestellt. Man hat seinerzeit versucht - und auch aus diesem hohen Hause ist die Anregung dazu gegeben worden —, durch Fracht- crmätzigungen unsere Steinindustrie gegenüber der schwedischen Konkurrenz zu stärken. Es erwies sich aber sehr bald, datz di.sein unbrauchbares Abhilfsmittel sei; denn die Absatzverhältnisse wären in den gegebenen Absatzgebieten derartig verschoben und verworren worden, datz durch diese Maßregel mehr Schaden als Nutzen ge stiftet worden wäre. Ich will nicht nochmals auf das statistische Material eingehen, datz bereits von verschiedenen meiner Herren Vorredner beige bracht worden ist. Das eine geht aber jedenfalls unwiderleglich aus all den Ausführungen, die heute hier gemacht worden sind, hervor, datz die deutsche Steinindustrie in dem schwedischen Han delsverträge unter allen Umständen geschützt werden mutz, wenn sie nicht zu Grunde gehen soll. Es werden in der Steinindustrie un gefähr 8600" Vollarbeiter beschäftigt, dazu kommen mindestens ebenso viele Hilfsarbeiter. Diese mit ihren Familien zählen min destens eine halbe Million Menschen, und nicht nur deren Existenz, auch die Existenz vieler anderer steht auf dem Spiele, wenn der Industrie nicht geholfen wird. Es hängt der Wohlstand ganzer Gemeinden von dem erfolgreichen Bestehen der Steinindustrie ab- (Sehr richtig!) Ich selbst habe in meinem Kreise eine Anzahl solcher Gemein- den, die mit der Steinindustrie stehen und fallen. ,, Ocüo unsere Steinindustrie, wenn sie nicht geschützt wird, der schwedischen gegenüber unterliegen muß, ist schon treffend durch die Ausführungen meiner Herren Vorredner bewiesen worden Der leichte Abbau der schwedischen Brüche, das Fehlen jedes Deckstein, gebirges, wodurch das Abräumen der Brüche überflüssig wird, die Lage am Meer, die geringen sozialen Lasten, die in Schweden ver- schwindend sind, und die Wasseroerfrachtung der schwedischen Steine bieten der schwedischen Steinindustrie Vorteile, denen gegenüber die unsrige niemals gewachsen sein kann und sein wird, sodatz sie entschieden unterliegen mutz. Es ist darauf hingewiesen worden, in welchem Matze die Löhne unserer deutschen Steinarbeiter gesunken sind, wie die Stein industrie überhaupt zurückgeht, und ich wiederhole, es mutz meiner Ansicht nach der rückständigste sozialdemokratische Steinarbeiter be greifen, datz sein eigenstes Interesse auf dein Spiele steht, datz es in seinem Interesse liegt, die Betriebe zu erhalten. Es ist heute schon unter den Besitzern der Steinbrüche in Sachsen und auch im Beilage zu Ar. 4«. 83. Jahrgang. Rheinland eine ganz ernst gemeinte Bewegung im Gange, die da hin zielt, die Betriebe im Winter einfach einzustellen, wenn sie nicht geschützt werden. Ich füge hinzu, es ist der deutschen Stein industrie nicht in erster Linie darum zu tun, höhere Preise zu er zielen, sondern geregelte und ständige Absatzverhältnisse für ihre Produkte herbeizuführen. (Sehr richtig!) Es ist heute mit Recht darauf hingewiesen worden, welchen Reichtum unser deutsches Vaterland an bestem Material der ver schiedensten Steinarteil bietet, und es ist klar, datz die deutsche Steininoustrie sich gut verdoppeln, doppelt und dreifach so viele Arbeiter beschäftigen könnte, als sie heute beschäftigt, wenn ihr durch geeignete Zölle geholfen würde. (Sehr richtig!) Nachdem die Ueberzeugung weit in freisinnige Kreise hinein gedrungen ist, datz der Wohlstand, die nationale Zukunft unseres deutschen Volkes mit unserer jetzigen Wirtschaftspolitik steht und fällt, dürfen wir auch nicht einzelne Zweige unserer Industrie der übermächtigen Konkurrenz des Auslandes preisgeben. Wenn, wie ich ausgeführt habe, das direkte Wohl von 800000 Menschen auf dem Spiele steht, so müssen wir auch diesen den Schutz gewähren, den wir der Landwirtschaft und den anderen Industriezweigen ge währt haben. (Sehr richtig! rechts und in der Mitte.) Ich erwidere dem Herrn Abgeordneten Kaempf, der darauf hinwies, daß durch den Rückgang der Einfuhr schwedischer Steine nach Deutschland auch die Landwirtschaft geschädigt werden könnte: wir schützen die Landwirtschaft durch Schutzzölle, wir werden das auch in Zukunft tun; wir schützen die deutsche Industrie, mir wol len aber auch die Steinindustrie schützen und diese nicht allein schädigen und preisgeben. Wir wollen Schutz auf der ganzen Linie. (Beifall in der Mitte und rechts.) Ich wiederhole, nachdem die große Mehrheit dieses Hauses — und, wills Gott, auch des nächsten Reichstags — davon über zeugt ist, datz wir nicht nur an unserer Wirtschaftspolitik unter allen Umständen festhalten müssen, sondern datz wir auch der deut schen Steinindustrie den Schutz unter allen Umständen jetzt er ringen müssen bei dem nächsten schwedischen Handelsvertrag, dessen sie bedarf; und ich erkläre, datz auch ich mit meinen politischen Freunden niemals in der Lage sein werde, für diesen schwedischen Handelsvertrag zu stimmen, wenn nicht die Bedingung des Schutzes der deutschen Steinindustrie erfüllt wird. «Bravo! rechts und in der Mitte.) Was nun die angeblichen Aeutzerungen oder die Aeutzerungen — ich will sie als positiv hinnehmen — von Steinarbeitcrn aus dem Meißener Kreise anlangt, von denen Herr Scheidemann sprach, so ist meiner Ansicht nach der Vorgang ganz erklärlich. Die Bruchbesitzer haben überall versucht — und das ist ebenfalls ganz natürlich, weil ihre Interessen die gleichen sind —, ihre Arbeiter von dem Nutzen des Pflastersteinzolls zu überzeugen, ihnen zu beweisen, daß ihr eigenstes Interesse auf dem Spiele steht, und sie zur Unterschrift ihrer Eingaben zu veranlassen. Wir wissen aber auch auf der anderen Seite wieder: es gibt eine große An zahl von sozialdemokratischen Arbeitern, die derartig von der Presse und durch Reden verballhornisiert sind, (sehr richtig! in der Mitte und Heiterkeit.) daß sie nicht mehr unterscheiden können, wer ihnen das Brot auf den Tisch bringt oder das Brot vom Tisch hinwegnimmt, (sehr richtig! rechts und in der Mitte) und die letzteren sind in diesem Falle unter allen Umständen die Herren Sozialdemokraten und freisinnigen in erster Linie. (Sehr richtig! rechts und in der Mitte.) Wenn Herr Kaempf dann versucht hat, sich um die Erklärung seiner Partei zu dieser Frage eigentlich herum zu drücken — er hat gesagt, er wolle heute noch keine Meinung darüber äußern — so genügen uns bereits seine Ausführungen, die er gemacht hat, um uns den Beweis zu liefern, datz der Freisinn eben nicht, wie der Herr Kollege Fuhrmann gestern sagte, nicht freihändlerisch sei, sondern auf seinem alten, ve<bleich!en, vertrockneten, zerschlissenen, zerfetzten Programm des internationalen Freihandels stehen bleibt dem Nutzen der Schutzzollpolitik gegenüber, auf dem er schon vor 30 und 40 Jahren gestanden hat. Nichts gelernt und nichts vergessen! (Große Heiterkeit rechts und in der Mitte.) Meine Herren, es kann nicht ausbleiben, daß der schwedische Handelsvertrag, der uns nächstens beschäftigen wird, auf die Ver handlungen der großen Handelsverträge, die in wenig Jahren dem Deutschen Reichstag vorliegen werden, unter allen Umständen seine Wirkung ausstrahlen muß und datz Konsequenzen daraus herge leitet werden müssen, die nicht ausbleiben können. Meiner An sicht nach ist es deshalb die Pflicht eines jeden, der von der Not wendigkeit der Schutzzölle überzeugt ist, hier den Beweis zu liefern, hier bei dem Prüfstein seiner wirtschaftlichen Stellung der Regierung offen und ehrlich reinen Wein einzuschenken und zu er klären, daß er nicht in der Lage ist, für diesen Vertrag zu stimmen. Wir durchbrechen das ganze System, wenn wir den Handelsver trag einem kleinen Lande wie Schweden gegenüber mit so großen Nachteilen für unser Volk abschließen wollen, wie das wirklich ge schehen würde, wenn wir denselben ohne einen Pflastersteinzoll bewilligen würden. Ich richte deshalb die dringende und herzliche Bitte nochmals an die verbündeten Regierungen, die Frage des Pflastersteinzolls in ernsteste Erwägung zu ziehen. Es ist nicht Zufall, daß die Klagen über die Gefährdung der Steinindustrie zum allgemeinen Notschrei geworden sind, die beim Abschluß des Zolltarifs erst nur aus einzelnen Teilen des Landes erklangen. Heute kommen die Proteste, der ganzen Steinindustrie aus Ost und West und Süd und Nord. Meine Herren, es steht das Wohl von Hundert ausen- den, die Existenz von >/, Million braver Arbeiter mit ihren Fa milien auf dem Spiele! Ich richte die Bitte an den Reichstag, hier den Beweis zu liefern, daß er tatsächlich auch der Steinin dustrie das zu ihrer Existenz geben will, was wir der Landwirt schaft und der ganzen deutschen Industrie durch die letzten Han delsverträge gegeben haben. Unsere Steinindustrie stellt ein gutes Stück deutschen Bauerntums dar, daß die Schätze der heimischen Erde entringt, das wahrhaftig der Erhaltung wert ist. (Lebhaftes Bravo rechts und in der Mitte.) Reichstags-MnnmngsMer. Sitzung am I. April 1911. Mit einem seltsamen Thema befaßte man sich heute im Reichs tage : mit Pflastersteinen. Zum Glück ging die Debatte recht zahm von statten, sonst hätten vielleicht einige Hitzköpfe zu den auf dem Tische des Hauses liegenden Prachtexemplaren von Steinen ge griffen. Im übrigen war das Interesse dieser Herren aus dem Hause auch weniger auf die Reden gerichtet, als vielmehr auf ein schönes Bild, das sich den Blicken auf der mittleren Zuschauer- trib'üne bot: Dort hatten im Nationalkostüm hier in einem Kunst tempel auftretende Schwedinnen Platz genommen, geführt von den« alren liebenswürdigen Schwerenöter Ludwig Pietsch, der den hübschen Damen trotz seiner 86 Jahre den Hof machte, und auch das Herz der Abgeordneten war die in Frage stehende Materie keineswegs so „versteinert", datz ihre Blicke nicht nach der Tribüne hinaufwanderten, selbst ein Redner schaute hinauf und vergaß darob weiterzureden, es entstand eine mit verständnisinniaem Schmunzeln aufgenommene Kunstpause. Die Debatte über den Etat der Zölle und Steuern brachte nichts Wesentliches, und die vorliegenden Resolutionen zum Schutze der Pflastersteinindustrie beim schlesischen Handelsverträge wurden angenommen. Bei der Branntweinsteuer führte ein Zentrumselsässer Beschwerde über die Höhe der Uebergangsabgabe, worauf sich herausstellte, daß die übrigen Mitglieder der Zentrumsfraktion anderer Ansicht seien. Bei der Reichsstempelabgabe wurde trotz der mit wirtschaftlichen Rücksichten begründeten Ablehnung eine Resolution des Grafen Westarp angenommen, welche eine Talonsteuer von ausländischen Wertpapieren verlangt. Bei den einzelnen Steuertiteln, wie Erb schaftssteuer, Wertzuwachssteuer und dergl mehr, verlor sich die Debatte und Stunde um Stunde verrann. Eine Resolution der Nationalliberalen fordert ausreichende Mittel für die weitere Unterstützung der arbeitslosen Tabakarbeiter. Die Sozialdemo kraten fordern für diesen Zweck eine Million und zur Unterstützung arbeitsloser Zündwarenarbeiter 400000 Mark. Der Schatzsekretär erklärt, das die Regierung für die Tabakarbeiter nicht mehr Mittel flüssig machen könne. Es wird schließlich die Resolution der Na tionalliberalen angenommen und die Anträge der Sozialdemo- aten abgelehnt. Der Etat des Reichsschatzamts ist damit erledigt, ion- tag dritte Lesung des Etaes. Schluß 8 Uhr. Lucke gegen HuLrich. Eine heitere Geschichte von Hedwig Alt 1y (Nachd uck verboten.) Gan, verstört läuft sie herum, de« Mittag» bringt sie kaum einen Biffen über sie Lppen, und immer fieberhafter glüht ihr glicht, sodaß gegen halb drei Annerl, die ihr spitzbübige» Lächeln kaum noch zu verbergen vermag, drängt und turedet: MH doch rm bißchen an die frische Lust, Tanl, I Ich will den Laden schon besorgen.* Sie will und will nicht, will unter keinen Umständen und läßt sich schUthlich doch bereden. Sie eilt au« dem Hau«, den Kopf eingrjogen, den Blick gesenkt, weil sie sich schämt dem An- nrrl dem guten Kind, in die Augen zu sehen. Lie ist nicht die erste auf dem Platze. Fürchtegott Kull, rich gebt schon vor der Gartentür auf und ab, streckt ihr dir Hand entgehen und hält die ihre, die sich lögernd und langsam hebt, schüttelnd fest. , »Na, da« ist schön, daß Sie gekommen find. Ich hab mir gedacht, e« ist am besten, wenn wir un« hier draußen über alle« gründlich «»«sprechen. Zu Ihnen hält ich ja doch nicht gut kommen können, von wegen der Leuterederei, wo« wir ja doch alle beide nicht haben wollen. „Um Golle« willen!' sagt Albertine Lucke nur, und dann trstt sie durch dj« ßj, Fürchtegott Kullrich für sie öffnet, an seiner Seile hinein in den Garten. Bevor er die Tür 2""" stch schUeße, kommt «in anderer dahergekeucht, der gl« chfall« Einlaß begehrt. Moppi, d«r seiner Herrin Spur gefolgt ist. nun aber merkwürdigerweise sich mit seiner Wieder, sehentfreudk Nicht an Albertine Lucke, sondern an Fürchtegott Kullrich wendet, um den er hrrumschwäruelt und an seinen Ueber,ieher he,uuit°ppt- „Aha, r echst du den Bratene Na, da komm mal her, du Rabenveh, und mach schönt Und Moppi macht schön vor Fürchtegott Kullrich und nimmt die Wurst in Empfang, die jener au» seiner Ueberzieher« tasche ,u Tage fördert. . , Aibenin« Luck« ab« flüstert in Mopp'« Seele reuevoll und iefergr'ffen: Da« hat er nicht um Sir verdient." „Nee," lacht Kullrich. »Aber weil wir doch heute General. Versöhnung feiern wollen —* Sie antwortet nicht, aber sie geht an seiner Seite tiefer in den Garten hinein. Die Weinstöck« find abgeerntet, die Reben stehen kahl. Aber die Rosenflämme prangen noch in ihrer letzten Blüte. Stolz deutet Kullrich darauf hin. »Alle selber gezogen. Ist r« nicht ein Staat? Der reine Ftühling — mitten im Herbst ?' Sie nick« nur, folgt ihm zu der Bank hinüber, di« vor drm Rosenrondell steht, und setzt sich, nachdem auch er Platz genommen. Er sieht ein Weilchen schweigend zu seinen Rosen hinüber, dann sieht «r Albertine Lucke an und streckt ihr herzhaft noch einmal die Hand entgegen. „Also — da« End, unserer Feindschaft und — Frieden«- Ichluß I* Doch sie ergreift die dargrbotene Rechte nicht. Ihre dunk. len Braunen ziehen sich zusammen, und fi« sagt herb: .So weit find wir denn doch noch nicht." Da streckt auch er di« andere Hand vor, saßt mit seinen beiden die ihren und fragt: .Sind wir denn wirklich und wahr haftig noch nicht so weit?" Sie schauert leise zusammen. E« ist, al« ob ihr einer einen Mantel heruntrrreißen will, in den sich einzuhtillen sie so lang«, lang« Jahre gewöhnt war. Sie will ihre Hände au« Fürchtegott Kullrich, Händen zurückziehen und tut e« doch nicht. .Ich weiß nicht — e« war — ich bin * Ihr« Stimm« ist kaum vernehmbar, aber wa« für Fürchte, gott Kullrich verständlicher redet, da« sind zwei große Tränen, die ihr langsam über da« Gesicht rollen. „Herrgott", sagt er. läßt ihre Hände fahren und tastet nach dem Hals«, al« würge ihn di« Binde, .Herrgott, halt ich Ihnen denn wirklich so viel angetan?" Sie wischt sich mit einer heftigen Bewegung die Tränen fort und biegt den Kopf weg. „Wir wollen da» begraben sein lassen. Da« ist wirklich schon so lange her, daß e« nicht mehr wahr ist." „Lang ist e« freilich her," murmelt er und fingert noch immer an der Hal«binde herum, „aber wa« einmal wahr ge ¬ wesen ist, und — ja, manchmal hab ich e« so ganz im stillen bei mir gedacht: die beste Wahrheit war e« doch, denn dir Toten soll einer in Frieden ruhen lassen. Aber — glücklich, glücklich gewesen bin ich nicht." E« blitzt in ihren Augen auf und «löscht wieder, rin hellr« Licht, rin Freudenleuchten. Gönnt sie e« ihm, daß er nicht glücklich war. Hastig murmelt sie: .Glücklich — wer kann» wohl von sich sagen, daß er da« war!" Ec antwortet nicht, sieht sie nur an. Und wie er sie so betrachtet, gleichsam Zug um Zug, kommt ihr der innerliche Schauer wieder, sie weiß nicht, wohin sie den Blick wenden soll, biegt den Kopf ein wenig zur Schulter, klemmt ein Stückchen der Lippe zwischen die Zähne, wird ein bißchen rot, zieht di« Stirn krau« und läch«lt dazu verstohlrn in sich hinein. So ein widerwillige«, trotzige«, dumme» Lachen. Ec starrt sie an, und plötzlich springt er auf. .Noch ge- nau da»selbe Lachen und genau datselbe Gesicht, al» wären Sie in all der langen Zeit nicht um ein einzige» Jahr älter grwor« den. Dagegen ich — mich sehen Sie mal an l" .Nun ia," sagt fi« und sieht ihn an, und die Röt« über- ziehi wiedrr wi« «in Feuerband ihr Gefickt. lleber ihn aber kommt« wie Heller Uebermut. Dabei nickt er mit seiner wehleidigsten Miene. Ja, ja, nicht wahr — elend, gebrechlich, beinahe ein Brei«?" Sie macht ein verächtliche« Gesicht. .Ach, reden Sie doch nicht! Ein Mann in den besten Jahren." „Aber die Leber — di« Leber!" flöhnt er, und seine kleinen Aeuglein funkeln. Damit kann einer bei guler Pflege hundert Jahre alt wer- den," tröstet sie. .Bei guter Pflege — ja, aber wenn er die Pflege nicht hat, so die richtige, liebevolle Pflege?" Sir zuckt die Schultern. .Für Geld ist ja alle« zu haben." E« ist wieder ein scharfer Klang in ihrer Stimm«. .Für Geld? Ein« bezahlte Krankenschwester! Nein — eine Frau, da« ist di« richtig« Pfleg« sür einen leidenden Mann. Eine Frau! — Wa« sagten Sie dazu, Albertine, wenn ich mir wieder ein« Frau nähme?'
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