Volltext Seite (XML)
Pulsnitzer Mcbenblatt Sonnabend, 4. Wärz 1911. Rarmoal vor 2VV Jahren in Dresden. 82K. Dresden, 1. März. Der Versuch der Dresdener Studenten, und Künstlerschaft, in Dresden den Karneval einzuführen, kann im großen und ganzen wohl als ge glückt angesehen werden. Vor 200 Jahren stand übrigens der Karneval in Dresden in hoher Blüte. Besonders glänzende, natürlich durch die Anwesenheit des Polen königs August verherrlichte Fastnachtsfeste wurden in Dresden in den Jahren N14, 1718, 1721—1723, 1729 und 1732 gefeiert. Im Jahre 1714, wo während des Februars die Markgrafen vcn Bayreuth und Anspach in Dresden verweilten, wurde am 7. Februar im Zwinger ein achttägiger Markt der Krämer und Bauern abgehalten, während im Reithause sechSzig Buden aufgeschlagen waren, in welchen die Dresdner Kaufleute, Italiener, Zinngietzer, Kupferschmiede, Nadler, Materialisten, Konditoren usw. in der Nacht bei Beleuchtung feil halten mußten. Dann folgten während der nächsten Tage Vogelschießen auf der Reitbahn. Nachtschießen, ein Maintenatoren-Rennen en masque auf der Stallbahn von 31 Rittern, deren Aufzug durch die Hauptstraßen der Stadt ging. Am 13. Februar wurde eine lustige Bauernwirtschaft gehalten. Das Wirts haus war der Redoutensaal, „zum goldenen Fuchsschwanz" genannt und der Zug der acht Bauernbanden bewegte sich zuvor fast durch die ganze Stadt, wobei „von der hohen Compagnie" in echt italienischer Weise die Fenster vieler Häuser gar brav mit Zitronen, Pomeranzen und Apfelsinen bombardiert wurden. Der König machte bei der Bewirtung den Kellner und die Königin befand sich bei der norwegischen Bauernbande. Bei dem Lustjagen im Schloßhofe, das am lö Februar die Festlichkeit schloß, wurden 163 Stück Schweine, Füchse und Dachse erlegt. — Buch der Karneval des Jahres 1718, zu welchem der König am 7. Januar aus Polen rn Dresden angelangt war, und daS sich namentlich durch glänzende Redouten, Schlittenfahrten auSzeichnete, — der König erschien eines Abends in einer so glänzenden MaSke, daß man die Ju welen, womit er geschmückt war, auf eine Million Taler schätzte — schloß mit einer jener lustigen Bauernwirt, schäften, deren Schauplatz der wtederhergestellte Riesensaal im Resi^enzschlosse als Wirtshaus „Zum vollen Maße" war. Die Gäste des Königs bestanden aus vier Banden, deren jede zwölf Bauern und Bäuerinnen zählte. Jede Bande hatte ihr eigenes MuftkkorpS. Die vier Banden 2. Beilage zu Ar. 27. norwegischer, französischer, holländischer und schwarz- wälder Bauernmasken führten Obermarschall von Löwen- dal, der Generalfeldmarschall Graf von Flemming, der Graf von Wotzdorf und der Graf von Manteuffel; der Kronenmarschall Graf von Czembeck war Wirt, der König Schaffner, Graf Vitzthum Kellner, der Graf Moritz von Sachsen Koch, welchen Herren 26 Hausknechte und eben so viele Hausmägde zur Verfügung standen. — Der Mittel punkt des Karnevals von 1723 war eine Redoute auf dem Altmarkt vom 7.—10. Februar, wozu hier die Buden ins Gevierte aufgeschlagen worden waren, die man zu diesem Zwecke bei Hofe brauchte und in welchen die Krämer und Kaufleute feilhalten mußten. Die Tanzlust barkeiten begannen an den ersten beiden Tagen nach- mittags, am neunten aber schon früh 9 Uhr, während am Nachmittage desselben Tages der König auf dem innern Marktplatze zwei unbändige Ochsen an langen Seilen, welche von maskierten Italienern gehalten wurden, von Hunden Hetzen ließ. Abends waren alle Fenster des Alt markte mit schöner Deviser illuminiert und die Karnevals lust dauerte bis Tagesanbruch. Reichstags - AiminWMlder. Sitzung vom 2. März. Gestern Leder, heute Remontpferde! Zahlreiche Redner bei einer Materie, die sonst im Handumdrehen erledigt war. Aus der langen Debatte sei nur bemerkt, daß unter einigem Erstaunen der Fortschrittler Gyßling für höhere Remontekreise eintrat; allerdings spielt die Pferdezucht in seiner ostpreußischen Heimat bekanntlich eine große Rolle. Beim Kapitel Militärerziehungswesen befür wortete Müller-Meiningen eine fortschrittliche Resolution, welche guten Turnern bei Erfüllung ihrer Dienstpflicht Vergünstigungen gewähren will. Der Kriegsminister erkannte die gute Absicht des Antragstellers an, meinte aber, daß ein guter Turner nicht immer ein brauchbarer Soldat sei, weshalb er die Resolution ablehnte. Auch bei der Rechten fand die Resolution wenig Gnade und sie wurde schließlich abgelehnt. Beim Kapitel Artillerie und Waffen wesen gab es die übliche Spandauer Debatte. Von nationallibe raler Seite wünscht man überdies eine Teuerungszulage für Hand werker dieser Betriebe, und eine Zentrumsresolution befürwortet den Ausbau von Arbeiterausschüssen. Der Vertreter des Kriegs ministeriums sprach sich ziemlich ablehnend aus. Darauf behan delte noch der Sozialist Böhle die Verhältnisse in den Straßburger Werkstätten unter der Behauptung, daß dort eine Strafgruppe gebildet worden sei, was jedoch der Kriegsminister unter Hinweis auf seine gestrige Erklärung energisch bestreitet. An der ganzen Geschichte sei nicht ein wahres Wort. Der freisinnige Abgeord nete Potthoff bezeichnete unter dem Beifall der Linken die Zen trumsresolutionen als inhaltslose Agitations- und Reklameanträge. 83. Jahrgang. Nachdem der Redner dann noch einige Veamtenwünsche vorge- bracht hatte, vertagte das Haus die Weiterberatung auf morgen Sitzung vom 3. März. Sähe man nicht die vielen roten Kragen und blauen Uni formen am Bundesratstische, so hätte man im größten Teile der heutigen Sitzung meinen können, es handle sich um die Beratung des Etats des Reichsamts des Innern, bei dem sozialpolitische Fragen zur Erörterung stehen. Man war noch immer beim Ka pitel „Artillerie und Waffenwesen" und erörterte hierbei auf das gründlichste allerlei sozialpolitische Fragen, und nicht mit Unrecht bemerkte der Abgeordnete v. Gamp, daß auf diese Weise die Ver handlungen verzettelt würden. Ein Abgeordneter nach dem an- dern marschierte auf, um Wünsche der Arbeiter der Militärwerk- stätten vorzubringen, lokale Interessen und Parteigegensätze spielten hierbei eine ziemliche Rolle. Die bekannten Arbeiterführer der verschiedenen Lager, so Herr Behrens, Giesberts, Zubeil und Hue traten hierbei in die Arena, um ihre Klinge zu kreuzen, mit dem Militäretat an sich hatte ihr Vorhaben aber herzlich wenig zu tun. Es war in der Hauptsache ein Schaugefecht bestimmt, auf die An gehörigen der betreffenden Arbeiter-Organisationen einzuwirken, wenngleich selbstverständlich die Genannten mit der Seele bei der Sache sind. Endlich, endlich kam man mit diesem Kapitel zum Schluß. Nach der alle 14 Tage eintretenden Erholungspause wird man sich am Dienstag um das Tempelhofer Feld herumstreiten. Marktpreise zu Kamenz am 2. März 1911. höchster niedrigst. Preis. Preis. 50 Kilo M. Pf. M. Pf- M. Pf. Korn Weizen 7 9 20 50 7 9 10 30 Heu 50 Kilo jTd? 3 — Gerste 8 80 7 40 25 — Hafer alter — — — — 20 — „ neuer Heidekorn 7 9 90 7 8 25 50 ButterKo.MM 2 2 50 40 Hirse 17 — 16 Eter 7'/, Kartoffeln 3 — — — Erbsen 50 Kilo 17 50 Futterpreise auk dem bissigen Wocbsnmarkte. Sonnabend, den 4. März. 4 Stück Mk. 2 40. Bericht über die Warenpreise im Großhandel in der städtischen Hauptmarkthalle zu Dresden am 24 Februar 1911 Hochwild still. Geschlachtetes Hausgeflügel mäßiges Geschäft. Pöklinge teuerer, Obst und Südfrüchte angeboten. Spanische Ap felsinen anziehend, Grünwaren zufriedenstellend abgesetzt. Hiesige 4 erst das Legen beginnen, wenn die Hühner aus Frühbruten zu legen aufhören, sodaß man das ganze Jahr frische Eier erhält. Schlempekrankheiten. Neber Schlempekrankheiten schreibt Fehlhaber-Gresse in der „Zeit schrift für Spiritusindustrie" folgende recht bemerkenswerten Fest stellungen: Früher hieß es in meinen Kreisen stets: „Vorsichtig mit dem Beginn der Schlempeverfütterung; mit dem halben Quantum anfangen, damit das Vieh sich allmählich fldaran gewöhnen kann." Dies galt in erhöhtem Maße für solches Vieh, das frisch hinzuge- kommen war und im Vorjahre^noch keine Schlempe erhallen hatte. Es wurde mit dem Brennen einfach begonnen und so dem Vieh die Hälfte des üblichen SchlempequantumsAetwa 8—14 Tage neben tüch tiger Wiesenheubeigabe verabreicht. Eine Verfütterung von Wiesen heu neben der Schlempe galt als fast sicherer Schutz gegen die Mauke. Ferner galt als Universalmittel dagegen das Zubrennen von Mais. Ich bin während meiner 25jährigen selbstständigen Praxis stets für obige Verfahren eingetreten und habe Mauke bei meinem Vieh nie kennen gelernt. Ein wichtiges MomenHist noch, die Schlempe heiß zu erhalten; aber nicht heiß, sondern eventuell mit Häcksel, Kaff usw. vermischt zu verfüttern A Mitte der 80er Jahre trat ich eine Stelle an, woNämtliches !Vieh an Mauke erkrankt war und noch teilweise schwer darniederlag. Auf meinen Rat wurde das Schlempequantum reduziert und mit der Fütterung, wie oben beschrieben, vor allem mit * viel Wiesenheu vorgegangen. In kurzem war die Krankheit verschwun den und hat sich während 2 der nachfolgenden 6 Kampagnen meines Dortseins nicht wieder gezeigt. Die Meinung des llindnmWasWen MmWs im Hure, die auch im deutschen Landwirtschaftsrat betont wurde, wird noch immer von verschiedenen Seiten angezweifelt. Er ist insofern von hoher Bedeutung, als er das beste Mittel ist, um die vom Lande stammenden Soldaten während ihrer Dienstzeit mit ihrem ländlichen Beruf in Verbindung z« halten und ihr Interesse daran noch zu heben. Es ist ja Tatsache, daß die ländliche Bevölkerung freudiger dem Heeresdienst entgegentritt als vielfach die städtische. Wenn nun das Heer den landwirtschaftlichen Unterricht bietet, so wird dadurch das Band zwischen Heer und ländlicher Bevölkerung nur noch fester geknüpft, was zum Segen beider Teile ist. Der bisherige Unterricht dieser Art im Heere hat nur Gutes gestiftet, und der begründete Wunsch, ihn fortzusetzen, hat alle Aussicht auf Erfüllung. Der Landwirt. kür üan-lvii'kciM und Sartenbau. Sonnabend Dummer 4 4. Oans 1911. Hebung der Schweinezucht. Interessante Mitteilungen und Ratschläge machte der Oekonomie- rat Schmarz-Grubschütz bei Bautzen in einer Versammlung des ersten deutschen Schweinezüchtervereins in Saaz (Böhmen) und führte etwa folgendes aus: Die Hauptfaktoren bei der Schweinezucht seien Gesund heit und Abstammung. Zu ersterer sei es erforderlich, daß die Ställe trocken seien und die jungen Ferkel zweckmäßig genährt würden. Hustende Tiere seien abzusondern, überhaupt Ansteckung sorgfältig zu vermeiden. Ferner sei nötig: Reinhaltung der Tiere, genügender Auslauf, Impfung, stets frisches Wasser usw. Was die Abstammung betrifft, ist großer Wert auf den Stammbaum zu legen. Nicht immer ist ein preisgekröntes Tier auch ein gutes Zuchttier. Inzucht sei zu vermeiden, eine kontrollierte Inzucht habe aber ihre Vorteile. Auch sei eine einseitige Höchstleistungszucht nicht zu empfehlen, sondern der Hauptwert auf die Gesundheit der Tiere zu legen. Auch sei es voll kommen unrichtig, daß sich borstenlose Schweine leichter mästen lassen als behaarte. Die Borsten seien zum Schutze gegen die Kälte ganz nützlich. — Ueberaus ausführlich behandelte der Redner den Weide betrieb, zunächst die Grasweiden, dann die Kleeweiden. Bei letzteren sei oft das sogenannte Ringeln der Schweine üblich, d. i. Einziehen von Nasenringen, um den Schweinen das Wühlen zu erschweren. Redner könne sich dazu nur unter dem Zwange der Notwendigkeit entschließen, weil die Tiere dann keine Mineralstoffe zu sich nehmen können. Kleeweiden, fährt Redner fort, seien am besten, wenn sie 10 Zentimeter hoch seien. Ein Hektar ernähre bei 150 Weidetagen 25 Schweine. Weiterhin befaßte sich Redner mit der Fütterung. Er äußerte sich günstig über die Anwendung von Leinkuchen für Mutter schweine und empfahl das Sterilisieren von Molkereirückständen. Er empfahl ferner, den Schweinen einen kleinen Trog in den Stall zu stellen, in welchem sich Sand, Holzkohle, kleine zerbröckelte Ziegelsteine befinden. Redner wandte sich sodann der Mast zu. Auch bei dieser Gelegenheit warnt er vor der Verschleuderung der Ferkel. Weiter sei es ein großer Fehler, wenn einmal kein gutes Geschäftsjahr sei, die Schweine gleich wieder abzuschasfen, so komme man nie zu einer