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Nr. 17. Pulsnitzer Wochenblatt. — Donnerstag, den'9. Februar 1911. Seite S. Artikel sind und daher für die Ausfuhr dorthin herge- richtet werden. Die Leute, die sich mit diesem Gewerbe abgeben, werden als Flintensteinspalter bezeichnet und diese merkwürdige Industrie pflegt sich in der genannten Gegend in denselben Familien zu vererben. UebrigenS ist die Beschäftigung ziemlich ungesund, da bei dem Spalten der Feuersteine die herumspritzenden Steinteilchen leicht in die Lungen geraten. Ungefähr geschieht diese Arbeit noch ebenso, wie sie der vorgeschichtliche Mensch während der Steinzeit ouSgeübt hat, wenn er Messer, Aexte und Hämmer verfertigte. Als Waffen aus Metall eingeführt wurden, wurden die Feuersteine doch noch zum Feuer machen durch Vermittlung von Zunder lange gebraucht, und man findet sie zu diesem Zweck noch heutigen Tags sogar in europäischen Ländern wie in Spanien und Italien. Die Steinschloßflinten oder Feuersteingewehre brachten dann der alten Industrie einen neuen Aufschwung, der erst durch die Erfindung der Perkussionswaffen unter brochen wurde Während des letzten südafrikanischen Krieges sollen nach einer Angabe von English Mechanic auch die englischen Truppen noch mit Erzeugnissen dieser uralten Industrie versehen worden sein, indem ihnen nicht weniger als 14000 Zunderbüchsen als Feuerzeuge mitgegeben wurden — gewiß eins der schlagendsten Beispiele dafür, wie zäh der Mensch an Verrichtungen festhält, die durch Jahrhunderte sich als zuverlässig erwiesen haben, was man von den modernen Feuerzeugen nicht gerade be haupten kann. Nus vsm Ssrlcktssaals. 8 Bautzen, 8. Februar. Schwurgericht. (Nachdruck verlöten.) Die noch unbestrafte, am 8. April 1889 zu lvachau geborene ledige Arbeiterin Ida Anna Müller, zuletzt in Radeberg wohnhaft, hatte sich heute wegen Zeugenmeineides zu verantworten. Die Anklage be gründete Staatsanwalt von Carlowitz, verteidigt wurde die Müller durch Rechtsanwalt Drache-Bautzen. Sie war angeklagt, am 7. Okto ber t9lo vor der t- Strafkmmer des Landgerichts Bautzen in der Strafsache gegen den Bntterhändler Gustav Alwin Körner aus Haus- walde wegen Betrugs wiffentlich'ein falsches Zeugnis mit einem Eide bekräftigt zu haben. Sie legte heute ein offenes Geständnis ah. Seit 2. Mai 19^0 war die Müller Wirtschafterin bei Körner; Körner hatte schwere Zuchthaus- und Gefängnisstrafen erlitten und war deshalb von seiner Frau geschieden worden. Er war erst im Februar?l9lv entlassen worden und hatte Mitte Mai 1940 in Haorwalde einen Butterhandel angefangen, die Müller half ihm dabei und bezog dafür qo M Monatslohn bei freier Station. Am l. Juli 1910 gab aber Körner den Handel wieder auf, der nunmehr auf den Namen der Müller weiterging. Dies geschah, um das Inventar und die Vorräte dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen, denn Körner^hatte es fertig gebracht, vom Mai bis Juli allein von zwei Dresdner Lieferanten für 1700 M Butter auf Kredit zu erhalten, die er schuldig geblieben war. Als ihn die Lieferanten mahnten, besaß Körner die Dreistigkeit, ihnen zu erllären: „Hier bin ich, ich habe nichts, klagt nur gar nicht erst." Wegen Betrugs wurde dann Körner am 7. Oktober 4940 vor der t- Strafkammer in Bautzen zu 1 Jahr L Monaten Gefängnis und s Jahren Ehrverlust verurteilt. Die Müller wurde in dieser verhand- lung als Zeugin unter Lid über ihre Teilnahme am Geschäft, dessen Umfang, >die Handlungsweise Körners und vor allem über ihre Be- Ziehungen zu ihm vernommen.'.Besonders das letztere war sehr wichtig, weil auf das Zeugnis der Müller sehr viel'ankam.' Trotz Verklangen, eindringlichsten Ermahnungen des worsttzenden, ja die Wahrheit zu sagen, beantwortete sie die Frage, ob sie mit Körner intim verkehrt habe, mehrmals entschieden mit nein und beschwor ihre Aussage nach erneutem Vorhalt als richtig, obwohl sie sich damals aus dem ver- kehr mit Körner in anderen Umständen befand. Sofort nach der ver- Handlung erklärte sie aber dem Rechtsanwalt Lehmann, dem vertei- diger Korner, sie habe falsch geschworen, und dieser riet ihr,'' sich so fort selbst anzuzeigen, da dann die Strafe für den Meineid eine bedeutend geringere (die Hälfte bis ein vierteil der normalen Strafe) sein würde. Die Müller erstattete am selben Tage noch schriftlich gegen sich Anzeige. Heute wurde als Normalstrafe z Jahr 8 Monate Zuchthaus ausgesetzt, diese Strafe infolge der Selbstanzeige auf 6 Mo nate Zuchthaus herabgesetzt und diese in 9 Monate Gefängnis »mge- wandelt, außerdem wurde auf 2 Jahre Ehrenrechtsverlust erkannt. K. Fs?/" 7/7 ^-7^ Vie ITeise des Königs von Sacksen nack dem Sudan. König Friedrich August von Sachsen hat am Margen des 30. Januar Dresden verlaffen, um seine Reise nach Aegypten und dem Sudan anzutreten. Der König fuhr über Wiesbaden nach Genua und schiffte sich dort auf dem Dampfer „Großer Kur fürst" des Norddeutschen Lloyd ein. Der Dampfer soll am 8. Februar in Port Sudan ein- getroffen sein; von dort reiste der König mittels SonderzugS nach Chartum weiter, wo er am 9. Februar gegen Mittag erwartet wurde. Unser Bild zeigt den Monarchen in Genua an Bord des stattlichen Lloyd- dampferS, der ihn nach ange- nehmer Fahrt an die sonnigen Gestade Afrikas gebracht hat. /?us aller Welt Petersburg, 8. Febr. (ZarS- koje Sselo in Flammen.) In der Eisenbahnstation ZarS- koje ist der Kaiserpavillon nre- dergebrannt Der Schaden ist, wie die „B. Z." meldet, bedeu- dent. Ueber die EnstehungSur- sache konnnte nichts Bestimmtes sestgestellt werden. GruMiWtMktiten. j. K. Zwei Urteile über Grunddienstbarkeiten und darüber, wie sie auSgeübt werden sollen und dürfen, wer- den ländliche Kreise interessieren. 1. muß der Berechtigte Unrat des Viehes auf einem Wege beseitigen, über den -er kraft eines Wegerechts Vieh treiben darf. Das Ober- landeSgericht Hamm I. 2. 8. bejaht die Frage nnd sagt dazu in den Gründen: Dem Beklagten steht als Haus eigentümer die Grunddienstbarkeit zu, über den Hofraum des Klägers Vieh zu treiben. Dabei hat es wiederholt den Hofraum verunreinigt, ohne daß der Beklagte ihn alsbald hat reinigen lassen. Aus dem Wegerecht des Be klagten folgt jedoch noch nicht die Befugnis, den Hofraum deSKlägerS in derunangenehmstenWeise zu verunreinigen. Eine vorübergehende Verunreinigung läßt sich allerdings nicht vermeiden; ihr kann nicht mit der EigentumSfrei- heitSklage entgegengetreten werden; dagegen ist in dem Umstande, wenn die Verunreinigung richt alsbald beset- tigt wird, eine Beeinträchtigung des Eigentums zu er blicken, deren Unterlassung der Kläger mit Recht begehrt. Die Pflicht des Beklagten zur alsbaldigen Beseitigung der Verunreinigung folgt auch aus 8 1020 BGB. 2. Muß der Berechtigte, der nach 8 1023 BGB. unter Umständen einer Wegverlegung nicht widersprechen darf, auch infol gedessen vermehrte Belästigungen dulden. DaS Oberlan desgericht Kiel l. 8. verneint di-se Frage und führt in den Gründen aus: Der Kläger, der das Recht hat, über das Grundstück des Beklagten zu gehen, hat gestattet, daß der Weg, der zu seinem niedriger gelegenem Grundstück führt, in bestimmter Richtung verlegt wurde. Infolgedes sen fließt das Wasser, das bisher zum Grundstück des Klägers auf einem Umweg in geringerer Menge gelangte, jetzt direkt auf das Grundstück. Die Klage auf Beseitig ung dieser vermehrten Wasserzuführung ist begründet. Erklärte auch der Kläger sein Einverständnis mit der neuen Weganlage, so kann aus dieser Erklärung ein dar über hinausgehender Wille, auch eine vermehrte Belästi gung htnzunehmen, keineswegs hergeleitet werden. Er durfte vielmehr annehmen, daß der Beklagte Vorkehrun gen treffen werde, welche verhindern würden, daß eine stärkere Belästigung gegenüber dem früheren Zustande eintreten könne. Hieran ändert es auch nichts, wenn der Kläger als Eigentümer des leidenden Grundstücks die vermehrte schädliche Einwirkung voraussehen konnte. Wettervorhersage der Kgl. S Laudeswetterwarte zu Dresden. Freitag, den 10. Februar 1911: Wechselnde Winde, teils heiter, teils neblich, kalt, trocken. Magdeburger Wettervorhersage. Freitag, 10. Februar 1911. Meist heiter, trocken, strenger Frost. MrÄdNcks Nackricktsn. Pulsnitz. Sonnabend, den 11. Februar, 1 Uhr Bestünde. Pastor Resch. Sonntag, den 12. Februar, Septuagesima: >/,9 Uhr Beichte. j » ns 9 „ Predigt. (Matth. 5, 1—12). j Pastor Resch. V,2 „ KindergotteSdtenst. (Röm. 12, 17—21). Pfarrer Schulze. 8 „ Jungfrauenverein. Amtswoche: Pfarrer Schulze. Mittwoch, den 16. Februar, abends 8 Uhr, Btbelstunde im Konfirmandenzimmer. (Jak. 6, 12—16.) Pastor Resch. Srotznaundork. Freitag, den 10. Februar, abends 8 Uhr: Bibelstunde im Pfarrhause. eigentlich' sehr hübsch sogar. Bloß so entsetzlich traurig! Sagen Sie, find diese Deutschen alle so melancholisch, Mr. von Reichenbach?* Er lacht«. »Sehr ich vielleicht melancholisch au»?" „Nein, Sie nicht! Ich meinr die deutschen Damen." „I bewahre! E« gibt sogar sehr lustige!" „Warum habe ich denn keine Lustige bekommen? Ich mag diese ernsten Frauen nicht!" „Oh, e» wird aber wahrscheinlich sehr gut sein, daß «ine ernste Natur einmal Ordnung in Ihre krausen Einfälle bringt. Die extremen ergänzen sich immer viel vollständiger als die gleichartigen Naturen. Diese" — Er überlegte einen Augen« blick. Tat er recht, LeonieS Geschichte und Geheimnis zu er« zählen? Nützte er beiden Teilen damit etwa»? Ja, denn er kannte Florky lange genug. Wenn sie Interesse fand an der neuen Erzieherin, wenn sie vielleicht sogar Mitleid mit ihrem Geschick hatte, dann war wjt Rücksicht aus ihren warmherzigen, impulsiven Charakter schon viel gewonnen. So setzte er von neuem an, al» Flony ihn fragend anblick:«: „Di«seMr».B«rg k«nne ich, Miß Florry." »Sie?" Florry fuhr überrascht herum, so daß diesmal die nervöse Laty an der Reihe war, den ersten Seitensprung zu machen. Etwa» wie eine mißtrauische, eifersüchtischr Regung huschte über Florry» Züge. »Ja, ich! Miß Florry. seien Eie gut gegen die Fremde. Sie hat Schwere» erlebt. Sie hat ihren Mann verloren auf schreckliche Weise, und sie hat wahrscheinlich niemand mehr, der mit ihr fühlt." „Und Sie?" fragte Flony noch einmal. „Ich kenne sie persönlich nur sehr wenig, weiß aber, daß ihr Schicksal damal» in St. . ., wo sie lebte und wo ich zuerst von ihr hörte, viel Aufsehen erregte." Nun erzählte er dem aufhorchenden Mädchen von dem Tode de» Hotelbesitzer» Berg, von dem Prozeß und von der Berurtei. lung de» alten Förster», Leonie» Vater. Er fügte hinzu, daß man aber den Mord gar nicht für erwiesen erachte, und daß die ganze Sache damal» ziemlich dunkel geblieben sei. „Also darum ist sie so traurig? koor tfimg! Bi» jetzt war sie bei Reverend Bateman, unserem Freund«. Die Kinder hingen dort sehr an ihr. Ich begriff nie recht, we»halb sie dort überhaupt wieder fortgegangen ist." „V ellricht, weil ihm ihr Geschick bekannt wurde. De», halb, Miß Florry, ist e» auch jetzt da« beste, Sie sprechen mit niemand davon, daß Ihnen Mr». Berg» Geschichte bekannt ist. Wenn Reverend Bateman, den ich ja auch kenne und sehr hoch schätzt, wenn ein solcher Mann sie Ihrem Papa empfohlen hat, dann muß «r den Einfluß, den sie auf di« Kindrr hattr, al» einen guten, dann muß er ihren Charakter al» fest und zuverlässig erkannt haben, denn Mr. Bateman ist rin Menschenkenner." „Dann meinen Sie", fuhr sie schelmisch fort, „muß sie auch die Fähigkeit haben, ein so räudige« Schäflein, wie ich e» bin, auf den rechten Weg zu bringen?" Etwa« verlegen blickte Reichenbach sie an. Sie sah'« und lachte hell auf. „'S ein unangenehme« Gefühl, wenn man durchschaut wird, wie? Lossen wir'« gut sein, Onkel Reichenbach! Erk war ich ja so unartig; Sie find daher vollauf berechtigt, so etwa» zu denke». Und Sir meinen r« gut mit mir, da« weiß ich. Der Mr«. Berg will ich kein Wörtlein sagen von dem, wat Sie mir erzählten, aber ich will versuchen, sie lieb zu gewinnen und mich ihren Erziehungtmitteln zu fügen. Sind Sie nun zufrieden, grausamer Mentor?" Sie streckte ihm mit entzückendem Lächeln di« Hand hin, die er mit kräftigem Druck ergriff. „Und dort ist Schloß Horstmonceux? Auf, machen wir noch einen letzten frischen Galopp! Hepp, Lady, e« gilt! Wer zuerst kommt!" Mit jauchzendem Lachen erreichte sie al» Erste da» Schloß, wo sie, di« Hilse de» wartenden Reitknecht» verschmähend, leicht« süßig au» dem Sattel sprang. Die Jagdgesellschaft verteilt« sich in di« Fremd«»,immer de» großen Schlosse», um Toilette zum Diner zu machen. Flony hatte sich auf Zureden Leonie» entschlossen, „große Gesellschast»toilette" zu machen, d. h„ ein leichte», elegante» Kostüm von weicher, weißer Wolle anzuzirhen. Und auch ihre Haare mußten sich dem Toilettenzwang fügen. Leonie steckte ihr di« wid«rfprnstig«n braun«« Locken selbst zu einem vollen Knoten auf, und nur die kleinen Stirnlöckchen quollen darunter hervor und umgaben da» eigenartig, Gr« fichtchen mit einem Bausch brauner Ringel «ad Schlange». Hübsch war Florry nicht. Der Teint war ziemlich dunkel, da» Nä»chen viel zu klein und zu keck, um schön zu sein. Nur die braunen, lachenden Augen, die doch wieder so trotz'g funkeln und blitzen konnten, und die lockigen Haare waren hübsch, Sie wollte auch, nach ihrem eigenen Geständnis, gar nicht hübsch sein. Sie war und blieb nun einmal „Pa»" Junge und haßt« allen Kleider,wang und alle Umständlichkeiten im Zeremoniell. Beim ersten Wiedersehen mit Leonie hatte sie natürlich gleich in übersprudelnder Siege»laune von der Jagd und ihrem Verlauf erzählt. Dann gedachte sie de» Gespräch« mit Herr» von Reichenbach und verstummte allmählich. Wie schön doch Leonie war! Wa» war sie selbst für ein kleine», braune« Gid«ch»chen dagegen! Sie sah »och viel brauner au« neben dem alabaster weißen Teint, und e» ging ihr nicht, wie unregelmäßig ihre Züge waren neben dem edlen, fetngesAiittenen Antlitz der älteren Frau. Auch Leonie war heute in Weiß; der Lord hatte gewünscht, daß sie täglich abend« nach englisch« Sitte zum Diner Gesellschaft»to:lette mach«, um dadurch Florry daran zu g«. wöhnrn. Sin Kleid von leichter, weißer Seide, da« den Hal» frrilirß, eine weiß« Ros« in d«n Haar«n und al» Gürtel «ine goldene Kette mit breiten Gliedern, da« einzig, wrrtvoll«, sehr alt« Schmuckstück, da« sie von ihrrr Muttrr hatte und da» sie noch trug. All den kostbaren, modernen Schmuck, mit dem ihr Ma»" sie in den ersten Jahren ihr« Ehe überschüttet hatte, den »»g sie nicht. Er gemahnte sie an so manche schwere Stunde, « hätte sie gedrückt wie schwere« Eisen. . - Wenn ihr Mann sie in eifersüchtig« Regung buM b,. handelt, wenn er sie in der Trunkenheit g'1"»« hatte, dann brachte er ihr am anderen Tage zur Versöhnung irgendein kost, bare« Geschenk. Meisten« waren e« Schmucksachen. Anfang« nahm sie dieselben freundlich und dankbar an, al« Zeichen seine« guten Herzen« und seiner Reue. Später, al« diese Szenen sich wiederholten, al« st« die ganze Roheit se,ne» Charakter» kennen lernte, da erschienen ihr dieseDinge, mü denen er sich ihr«Verzeihung gewissermaßen erkaufen wollte, al« eine bitter« Demütigung. (Fortsetzung folgt.)