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Pulsnitzer Mckenblall Dienstag, 3. Januar Ml. Beilage zu Ar. L. 63. Jahrgang. Osrtttckes unv Säcdsisckss. — DaS Jahr 1911, in das wir nun etngetreten sind, ist nach der Zeitrechnung der Septuaginta bereit« das 7645, nach der tnr griechischen Kirche das 7419 , nach der der Julianischen Zeitrechnung das 6624 , nach der der Juden das 5671, Es ist ferner das 1878. seit Christi Tode, daS 1841. seit der Zerstörung Jerusalems, das 1111. seit der Gründung des römischen Kaisertums deutscher Nation, das 531. seit der Erfindung des Schieß pulvers, das 471. seit der Erfindung der Buchdruckerkunst, das 394, seit Luthers Reformation, das 213. seit der Erfindung der Dampfmaschinen, das 40. seit der Be gründung des neuen deutschen Reiches, das 23. seit der Thronbesteigung des Kaisers Wilhelm II. und das 7. seit der des Königs Friedrich August III. von Sachsen. — (Sonne und Mond im Januar.) Die TageSdauer nimmt im Januar bereits wieder um mehr als eine Stunde zu. Am ersten Januar Sonnenaufgang 8 Uhr 17 Minuten, Sonnenuntergang 3 Uhr 53 Minu ten, am 31. Januar aber Sonnenaufgang bereits 7 Uhr 47 Minuten und Sonnenuntergang erst 4 Uhr 40 Minu ten. Am 21. Januar morgens 5 Uhr tritt die Sonne in daS Zeichen deS Wassermanns Der Mond zeigt sich uns am 8. Januar vormittags 7 Uhr als erstes Viertel, am 14. abends 11 Uhr als Vollmond, am 22 vormittags 7 Uhr als letztes Viertel und am 30. Januar vormittags 11 Uhr als Neumond. Am 3. und 13. Januar befindet sich unsere große nächtliche Leuchte in Erdnähe und am 24. Januar in Erdferne. — (DaSWetter im dieSjährigenJanuar.) Der Dezember hat im vergangenen Jahre wieder kein allzustrengeS Gesicht gezeigt. Erst der Januar soll uns kalte Tage bringen. Nach einer uns gewordenen Wetter prognose soll allerdings im ersten Drittel des Januars die Kälte sich noch recht wenig fühlbar machen. Erst mit Eintritt deS Vollmondes soll der Januar seine wahren Eigenschaften uns zeigen. Indessen auch nur kurze Zeit lang, denn mit Eintritt des Mondes in das letzte Viertel soll die Kälte bereits wieder abnehmen, sollen verbreitete Schneefälle erfolgen, die bis Ende Januar anhalten. Nach dieser Prognose wird uns also im diesjährigen Januar der echte rechte Winter nur im bescheidenen Maße zu teil werden. — (ZahlungSeinsteIlungen) Konkurs wurde eröffnet über das Vermögen der „Dresdner Automobil gesellschaft mit beschränkter Haftung" in Dresden, Ostra- allee 32, und über das des Konsumvereins zu Löbau, eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftung. — Die Vereinigung der Stellmacher- und Wagnermeister in der KreiShauptmann- schäft Bautzen hielt dieser Tage im Schützenhause zu Zittau eine Generalversammlung ab, die ziemlich gut be sucht war. Die Tagesordnung wies Besprechungen ver schiedener Berufsangelegenheiten aus, sowie Berichte der Ol männer der einzelnen Bezirke. Eine lange und lebhafte Aussprache brachte die Stellungnahme der Vereinigung gegenüber dem Vorstande des Sächsischen Stellmacher verbandes. Gegen den letzteren wurden schwere Vorwürfe Der Urinz-HemahL Roman von Henriette v. Meerheimb. 35 (Nachdruck verboten.) Sie fiel in den Lehnstuhl und sah mit starr aufgeriflenen Augen nach der Tür. Endlich ging di« Tür auf. Georg kam herein. Der blonde Lockenkopf hing wie leblos, mit geschlossenen Augen, über seiner Schulter. Georg ging gerade auf Anne-Marie zu und legte ihr das Kmd auf dem Schoß. „Er lebt noch", sagte er kaum hörbar. .Er scheint aber schwer verletzt zu sein." Anne-Marie sagte nicht». Der Ausdruck ihre« Gesicht», al» sie sich über da» bewußtlose Kind beugte, erschütterte Georg. Ec kniete neben ihr nieder. »Bleib hier!" bat sie leise. „Hier bei mir. Wenn er un» genommen mrd, ist da» die Straf« für unser Unrecht. Ich trage die Hauptschuld, aber auch da» größte Leid." Sie drückte ihren Mund auf die blosse Stirn de» Kinde». Dann überwältigte sie der Jammer. »Mein Kind!" schrie ,sie auf, „mein einzige», süße» Kind!" Dir Dienstboten kamen mit entsetzten Gesichtern von allen Eliten hereingefiürzt. Voran die in Tränen aufgelöste Wärterin, befürchtete. Niemand dachte indessen daran ihr welch« zu machen, drnn Anne-Marie hatte ja ausdrücklich be fohlen, Jobst soll, allein in Garten spielen. Der Kutscher ritt im Galopp zur Stadt, um den Arzt zu holen. Georg telegraphierte nach Berlin an einen berühmten Spezialisten. Frau v. Stechow überfiel «n so schwere», nervöses Zittern und Weinen bei der Unglückenachricht, daß Nadine sie aui doS Sofa packle, ihr die Stirn und Schläfen mu Kölnischem Wasser »leb und nicht von ihrer Seite wich. Sie selber wagte r« nicht hinunter,»gehen, weil sie fürchtete, sbr Anblick könne Anne-Marie aufregen. Sie bat die Jungfer, Hr sofort Nachricht zu geben, war die Aerzte gesagt hätten. . Der Autspruch lautete übereinstimmend dahin, daß der KltM, «ne Gehirnerschütterung und eine Nückgrat«vrrletzung da erhoben, daß er die Berufsinteresfen nicht derartig fördere, wie es zum Wohle des Standes notwendig wäre. Es wurde ernsthaft erwogen, ob unter solchen Umständen ein Loslösen vom Verbände nicht das beste wäre, doch wurde dem Vorstande der Vereinigung die Entscheidung in die ser Sache in die Hand gegeben. Dann beschäftigte man sich mit der Frage betr. Gründung einer Kranken-Unter- stützungSkasfe. Auf Empfehlung des Herrn Syndikus Dr. Gebhardt wurden bestimmte Beschlüsse noch nicht ge faßt, sondern es soll versucht werden, noch andere Hand werksberufe für dieses gemeinnützige Unternehmen zu ge winnen, um möglichenfalls für den ganzen Kammerbezirk etwas ganzes zu schaffen. Bautzen. (Personalien.) Nach 37-jähriger Wirk samkeit am hiesigen Orte ist jetzt Herr Ktrchenrat Wetzke in den Ruhestand getreten. — Zum Direktor der städti schen Handelsschule ist der Direktor der kaufmännischen Fortbildungsschule in Kassel, Herr Karl von der Aa und zum Direktor der hiesigen Mädchenbürgerschulen Herr Schuldirektor Dr. Kretzschmar in Loschwitz bei Dresden gewählt worden. 8H<. Dresden, 2. Januar. (Die SchifsahrtS- abgaben.) Der nationalliberale deutsche Reichsverein zu Dresden schreibt in seinen parteioffiziellen „Mittei lungen" : „Die Kommission zur Vorberatung des Gesetzes über die Schiffahrtsabgaben hat vor Weihnachten nur eine Sitzung abgehalten. In dieser Sitzung haben die verschiedenen Parteien, namentlich auch die national liberale Partei, weitgehende Anfragen an die Regierung über die Wirkungen der vorgeschlagenen Maßnahmen ge richtet. Zur Beantwortung dieser Fragen braucht die Regierung mehrere Wochen Zeit, sodaß die erste, in die Materie eindringende Sitzung erst im Laufe des Januar stattfinden wird. — Ueber die Aussichten des Gesetzes läßt sich zurzeit noch nichts sagen. Jedenfalls ist die Meinung, der Gesetzentwurf sei nach vielen Richtungen unzulänglich, im Reichstag auch bei Freunden der Schiff- sahrtSabgaben verbreitet. Aus der nationalliberalen Reichstagsfraktion gehören die Abgeordneten HauSmann- Hannover, I)r. Heintze-DreSden, vr. Junck und Wetzel- Eßlingen der Kommission an. l)r. Heintze und I)r. Junck sind ausgesprochene Gegner der Abgaben. kSumoristifckss. * Ein niedlicher Schüleraufsatz wird der Bork. Ztg. zur Verfügung gestellt. Das Thema lautete: „Der Gesangverein". Der Aufsatz hatte nun folgenden Wortlaut: Mein Vater sein' Gesangverein, den hör'n Sie schon von weiten schrein. Mit diesem Gedicht, was von mir selber is, läute ich meinen Aufsatz ein. Singe, wem Gesang gegeben, es singen aber auch andere, die sind dann aus Finsterwalde. Im Verein ist einmal Probe in der Woche, wenn Vater zweimal hat, dann geht er skaten, was Mutter nicht weiß. Das Singen dauert bis früh und iS schwer, denn Vater iS dann immer sehr schwach, und Mutter sagt, das iS deS Sängers Fluch. Dann geht es wieder besser. ES gibt ein Fäßchen, wo geölt, da singen sie dann, ich bin so gern daheim. Es gibt Kra wattentenöre und Steinkohlenbässe; die Mittelstimmen vongetragen habe. Sein Zustand sei sehr ernst, doch nicht hoff- nung«lo». Ob er sich jemal« ganz von den Folgen de» Sturze» erholen würde, könne erst di« Zeit lehren. Jedenfall« müsse «r Tag und Nacht sorgsam gepflegt werden und monatelang auf einem Streckbett liegen, damit da» verletzte Rückgrat sich nicht verkrümme. F-au von Stechow brach in heiße Tränen au», al» Anne- Marie, die einen Augenblick zu ihr heraufkam. ihr den Au«spruch der Aerzte mitteilte. „Hast du schon eine Pflegerin besorgt? Laß mich wachen und auch etwas für unseren armen Liebling tun, Anne-Marie!" bat sie. Diese schüttelte den Kopf. »Nein, Mamachen, ich danke dir sehr, aber du bist selbst angegriffen, und ich verlass« mein Kmd keine Sekunde. Ich trag« die Schuld an seinem Unglück. Da» süße Kind wollte mir ja eine Freud« machen durch sein mutige» Klettern. Und nun — vielleicht wird er nie wieder ausrrcht gehen können, ein armer Krüppel bleiben!" Sie schluchzte laut auf. »Er wird wieder ganz gesund werden, Anne-Marie," ver suchte Frau v. Stechow die Unglückliche zu beruhigen. „Vielleicht I Aber denk« dir, welch« traurige Kindheit er auf jeden Fall haben wird! Immer an sein Bettchen gefesselt, von allen natürlichen Freuden ausgeschlossen — und alle« durch die Schuld der eigenen Mutter. Ist e» da nicht meine Pflicht, von nun an «»»schließlich mit meinem armen Kinde zu leben?" Nadine, die in einer Ecke de» Zimmer» saß, legte die Hände vor« Gesicht und weinte. Anne-Marie stand plötzlich dicht neben ihr. „Ich wollte Sie bitten, meine Wort« vom heutigen Morgen ,u verzeihen," bat sie leise. „Bitte, bleiben Sie bei meiner Schwiegermutter, schla gen Sie mir mein« Bitt« nicht ab! Ich bin ja so ti«f ge« demütigt, so furchtbar bestraft worden für meine ungerechte Härte Ihnen gegenüber. Hätte ich Sie mit Jobst spiel«» lassen, so wäre er frisch und gesund geblieben." Sie streckt« Nadin« di« Hand hin, die, unfähig ,u ant worten, ihre heißen Lippen auf die kühlen Finger drückte. „Ich täte ja alle«, würde olle« hingeben, wenn ich dem süßen Kmd« helfen könnte!" stieß Nadine mit von Tränen er stickter Stimm« hervor. stehen in der Mitte. Wenn einer Hochzeit hat, dann sin gen sie das ist der Tag des Herrn, es ist aber auch der Frau ihrer. Wenn sie fest singen, ist es ein Sängerfest, und wenn sie um een Bufett herumstehen, ist es ein Sänger kreis. Wer keine Runde geben will, ist ein trauriger Mond." Nus aller V^ett. Berlin, 31. Dezember. (Eine neue deutsche Carnegie-Stiftung.) Der bekannte amerikanische Wohltäter der Menschheit, Andrew Carnegie, dessen Stif tungen für Friedenshelden bereits in den Vereinigten Staaten, England, Frankreich im Segen wirken, hat jetzt auch für Deutschland eine solche Stiftung mit einem Kapital von 1'/i Million Dollar (etwa 5 Millionen Mark) begründet. Kaiser Wilhelm hat zur Ehrung des Stifters der Stiftung den Namen „Carnegie-Stiftung für Lebens retter beigelegt und das Protektorrat über sie übernommen. Der Zweck der Stiftung ist die Linderung der finanziellen Notstände, welche sich aus heldenmütigen Anstrengungen zur Rettung von Menschenleben im Gebiete des deutschen Reiches und seiner Gewässer ergeben, sei es für die Lebensretter selbst durch deren vorübergehende oder dauernde Erwerbsunfähigkeit, sei es im Falle ihres Todes für ihre Hinterbliebenen. Berlin, 2. Januar. (Selbstmord eineSBraut- paares.) Während einer fröhlichen Sylvesterfeier ver giftete sich in der Niebuhrstraße zu Charlottenburg in Gegenwart zahlreicher Gäste die Braut des Ingenieurs Richard Fuchs. ES wurde sofort ärztliche Hilfe her^etge- holt. Als sich die ärztlichen Bemühungen als ergebnislos zeigten, stürzte sich aus Verzweiflung der Bräutigam aus dem vierten Stockwerk des Hauses auf die Straße. Er war sofort tot. Der Ingenieur, sowie seine Braut, die -beide aus Rußland stammten, sollen, wie von anderer Seite gemeldet wird, sich bei der politischen Polizei nicht des besten Rufes erfreut haben und ständig überwacht worden sein. Am Nachmittag des 31. Dezember hatte Fuchs einen eingeschriebenen Brief aus Potsdam erhalten und dessen ernster Inhalt soll schließlich den Anlaß zu der Tat gegeben haben. Die Wohnung wurde polizeilich geschlossen. Altenburg, 1. Januar. (Landung des Ballons „Altenburg" bei Warschau.) Die Insassen des Ballons „Altenburg", der am Donnerstag hier aufge stiegen und am Freitag früh in der Nähe Warschaus landete, werden nach einem hier an die Angehörigen ge richteten Telegramm von der russischen Behörde gefangen gehalten. Es wurden sofort die nötigen Schritte einge- leitet, um die Freilassung der vier Herren zu erwirken, die inzwischen ja auch wohl erfolgt sein dürfte. Bremerhaven, 2. Januar (Rettung Schiff brüchiger.) Der englische Dampfer „Bardestan" lan dete heute Vormittag hier die Besatzung des im Atlanti schen Ozean schiffbrüchig gewordenen deutschen Dampfers „Logan". Hamburg, 2. Januar. (Erdbeben.) Die hiesige Hauptstation für Erdbebenforschung registrierte heute vor- Annk-Marie beugte sich zu ihr und küßte sie. „Ich dank« Ihnen, weil Sie da« Kmd so lieb haben! Alle« ändere habe ich vergessen — nicht» kümmert mich mehr außer meinem Kinde." Der kleine Jobst lag mit halbgeschlossenen Augen le-se wimmernd in den K'ssen. Ohne miteinander zu reden saßen Georg und Anne-Marie neben dem kleinen Bett. Georg stützte di« Stirn auf dir zur Faust geballte Hand. Er rührte sich nicht. Anne-Marie beugte den Kopf oft tiefer über die Kissen, um die leisen, unruhigen Atemrüge de» kleinen Kranken zu hören. Bei jedem Wimmern zuckte sie zusammen. „Wie gut ist e» nun, baß du da« Kmd noch gemalt hast, al» es noch frisch und gksund war," sag!« sie endlich halblaut. „Jetzt haben wir doch ein Bild von ihm, wenn —" Sie sprach nicht weiter, sondern sank vor dem Bettchen in die Kni«. Ihre Stirn schlug hart gegen die Holzkante. „Wir haben keinen Grund zum verzweifeln," sagte Georg. „Die A«r,te glauben nicht, daß Jobst sterben wird." „O, nur leben — leben soll er!" stöhnt« fi«. „Wenn er kränklich bleibt, können wir sein Leben doch schön und reich machen. Wir wollen alle» lun, alle« versuchen, um ihm einiger maßen Ersatz ,u schaffen." Ihr« g«rung«nen Hände umklammer ten Georg» Arm. „Du wirst un« nicht verlassen? Da« Kind hängt ja mehr an dir, wie an mir. Er darf nicht auch noch den Vater entbehren. Wenn er größer wird, dann kannst du ibm mehr sein. Du wirst ihn besser erziehen, Ich will ihn nur pflegen. Kein« Hand außer meiner soll ihn heben und legen, denn kein« wär« so vorsichtig, so weich. W e soll ich -'ber diese beständige Pfleg« und Ueberwschung meines kranken Kinde« mit der Bewirtschaftung de« Gute« vereinigen? Da« ist unmöglich. Uebern-mm du Lehmin, Georg. Du wirst dich rasch e>narbetlen, ich will nicht« mehr davon sehen und hören. Um de« K nde« willen schlage mem« Bitte nicht ab!" „Jedenfall« werde ich versuchen, dir soviel al» möglich ab« zunehmen, Anne-Marie," antwortete er ernst. Die schwachen Hände unsere« kranken Kinde« binden un« wieder fest zusammen." „Ich habe ja nie geahnt, Georg, daß du so unglücklich ge« wesen bist! Da« wird jetzt ander« werden. Mach mit mir, wa« du willst, Laß mich meinen Hochmut, meine Herrschst