Hans Joachim Scßfieben: Orchideen in Sanssouci. Unter den Kulturen des Herrn Oberhofgärtner Kunert in Sanssouci findet der Botaniker und besonders der Orchideenliebhaber in den leider sehr zusammengeschrumpften Beständen der ehemaligen kaiserlichen Orchideensammlung manche seltenen Exemplare, die man in Handels= gärtnereien vergeblich suchen kann. Nachstehend soll eine kurze Beschreibung und Kulturanweisung einiger besonders schöner Arten folgen. I. Angraecum sesquipedale Tiouars. (Macroplectrum sesquipedale Pfitz^) Afrika, besonders Madagaskar ist die Heimat dieses herrlichen weißen Sternes. In der Mitte des 19. Jahr hunderts sandte der englische Missio- nar Ellis die ersten Pflanzen in seine Heimat, wo sie wegen ihres stattlichen W uchses allgemeine Bewunderung er= regten. Diese Gattung hat ihren be sonderen Reiz durch den langen Sporn. In den Wintermonaten vom De zember bis Februar leuchten die elfen beinartigen, fleischigen, ca. 8 — 10 cm großen Blumen von dem kräftigen, dicht belaubten starken Stamme. Die Blütenstiele kommen aus den Blatt winkeln hervor. Die spitzlanzettlichen Petalen und Sepalen starren bizarr in die Luft. Das Labeilum ist spitzei berzförmig und verengt sich allmählich an dem Sporneingang. Der charakte ristische Sporn erreicht etwa eine Länge von zo — 25 cm, ist vollkommen hohl und nur an der Spitze mit einer honig artigen Flüssigkeit gefüllt. Schon Charles Darwin, der be= Angraecum sesquipedale. kannte Naturforscher, beschäftigt sich eingehend mit dieser eigenartigen Orchidee, er ist schon damals zu der Hypothese gekommen, daß es auf Madagaskar auch ein Insekt (wahrscheinlich ein Nachtfalter) geben müßte, dessen Rüssel den Honig und also auch die Pollenmassen erreichen kann. Wenn der Nektar leichter zu erreichen wäre, würden die Staubgefäße nicht berührt werden und somit könnte keine Befruchtung erfolgen. Dem Sporn entströmt besonders nachts ein angenehmer süßlicher Duft, durch den die zierlichen Kolibris und Schmetterlinge angelockt werden. Die sich gegenüberliegenden ca. 30 cm langen und ca. 5 cm breiten, immergrünen, leder artigen Blätter umfassen den Stamm. Bei guter Kultur im Warmhause bringt eine einzelne Pflanze etwa 8-—10, gelegentlich aber auch beträchtlich mehr Blumen.