Volltext Seite (XML)
Georg Liebsefo: Zwei Liebhaberorchideen. A. Maxillaria Sanderiana RdjU. f. Schon das erste flüchtige Kennenlernen dieser Orchidee bringt meistens eine freudige Über» raschung mit sich, wenn man die Pflanze in blühendem Zustande antrifft. Auf alles mögliche ist man gefaßt, sobald deren große, eigenartige Blüten von Ferne sichtbar werden, nur nicht darauf, daß sie einem Vertreter der Gattung Maxillaria angehören könnten. Von weitem wird man vielleicht sogar eine eigenartig blühende Stanhopea darin vermuten, oder eine abweichende Form von Lycaste Skinneri, wenigstens soweit die Blüten aufrecht wachsen. Schließlich versteigt sich auch die Phantasie eines Orchideenfreundes dahin, daß er etwa eine Kreuzung zwischen Stanhopea und Lycaste für möglich und hier gegeben hält. Das ist natürlich durchaus nicht der Fall, aber — ein sehr auffallender und schöner Vertreter ihrer Gattung bleibt Maxillaria Sanderiana doch. Die großen, etwa 15X10 cm messenden Blüten sind in der Grundfarbe reinweiß und von ziemlich derbem Bau. Sepalen und Petalen sind kräftig dunkelblutrot gefleckt und besonders am Grunde lebhaft getuscht und gezeichnet. Die verhältnismäßig kleine bewegliche Lippe ist purpur= braun mit gelblichem, gewelltem Rand. Auch das die wertvollsten Blütenorgane enthaltende Säulchen ist schlicht hellbraun gefärbt. Meist erscheinen die Blüten im Laufe der Frühjahrsmonate und halten sich in der Wärme des temperierten Orchideen» oder Gewächshauses 8 Wochen lang an der Pflanze frisch. Allerdings ist diese Art duftlos, auch im abgeschnittenen Zustande dürfte sie kaum großen Wert besitzen. Um so auffallender und dankbarer ist sie als Schaupflanze. Die Blüten, welche an kräftigen, gut etablierten Pflanzen gern und reichlich erscheinen, haben die Eigenschaft, teils aufwärts, teils seitwärts nnd am liebsten abwärts zu wachsen, damit sie sich nach allen Richtungen entfalten können. Die im Botanischen Garten Dahlem gezeichnete Pflanze läßt auch die Anpassung und Änderung der Blütenform je nach der Lage des Blütenstiels erkennen, welche dieser Art eine Blütenwirkung in verschiedener Weise gestattet. Da Maxillaria Sanderiana keine besonderen Ansprüche an die Kultur stellt, sondern mit der Normalbehandlung der im temperierten Hause kultivierten Orchideen vorlieb nimmt, ist deren weitere Verbreitung sehr wünschenswert. Auch gegenüber den wunderschönen und wirkungsvollen Gartenformen und Züchtungen der Orchideen kann sich diese, aus Peru stammende Art getrost behaupten, bringt sie doch einen kräftigen Hauch und plastischen Eindruck urwüchsiger Orchideenschönheit in unsere Kulturräume, ohne besondere Ansprüche zu stellen. B. Oncidium Lanceanum Lindi Obgleich die Orchideengattung Oncidium etwa 300 Arten umfaßt, besitzt sie doch Verhältnis» mäßig wenige für gärtnerische Zwecke und zur Schnittblumengewinnung geeignete Arten und Formen. Fast nur das Oncidium tigrinum splendidum wird in größeren Mengen wegen seiner schönen Blütenstände kultiviert. Eine Reihe der übrigen Oncidien-Arten haben jedoch großen Liebhaberwert. Eine Sammlung in der z. B. Oncidium papilio oder Kramerianum fehlt, entbehrt eines besonderen Reizes. Auch das mexikanische Oncidium ornithorrhynchum ist voller Eigenart und Liebreiz, wenn es nicht mit den Augen eines Schnittblumenverkäufers betrachtet werden muß. In dieselbe Liebhabergruppe gehört das abgebildete Oncidium Lanceanum. Es besitzt manche jener Eigenschaften, welche die tropischen Orchideen so besonders auffallend gestalten, in vollem Maße, z. B. den starken Gegensatz zwischen derben, ungeschlachten, mattfarbenen Blättern und schöngebauten, zarten Blütenständen. Die im Botanischen Garten Dahlem gefertigte Zeichnung läßt wenigstens einen Teil der Kontrastwirkung erkennen. Die Blüten selbst beteiligen sich in ihren gegensätzlich wirkenden Farben noch einmal auf ihre Weise an der Hervorbringung einer echten Orchideenwirkung. So kommt die Pflanze, die im günstigsten Falle etwa 1/2 m hoch wird, vollauf zur Geltung.