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2 k 8' 202 202 amworlcle ebenso. Es >oar >vie ein Eramen, und sic hoffte, mit Ehren u> bestehen. „Gut!" sagle cr und sah sic abermals scharf an. Sic crrctctc untcr icincm Blick. Galt cr auch ibrcr äußcrcn Erscheinung? Hclcnc durfte sich sehen lassen. Eie »rar eine kräftige, gesunde und hübsche Fünf- Äuf der deutsch-türkischen Etappenstraße am Sinai (S. undzwanzigcrin, und weder die Bückcrarbeit noch dar- ärztliche Prak tikum noch die angrcifcndcn Nachtwachen hatten ihr etwas von ihrer Frische geraubt. Im Bett lag ein süßes, kleines neunjähriges Ding mit goldenen Locken und großen blauen Augen, Helenes besonderer Liebling. Klein Susi hielt zärtlich eine große Puppe umfaßt und blickte etwas ängst lich auf den großen, ernsten Mann, so daß -Helene ihr beruhigend zurcdcte. „Oas ist der liebe Herr Doktor, der dich wieder gesund machen will, Susi." Da streckte Klein Susi auch ihm das Händchen bin. „D Fräulein Doktor, was mir geträumt bat? Von Engeln im weißen Kleide und mit wunderschönen großen Flügeln." „Wie schön, mein Kind. Wenn du fein artig bist, kommt auch das Christkind bald zu dir." Das Kind schloß beglückt lächelnd die kleinen Sterne. Es ahnte nicht, wie schwer krank cs war, und daß die bevorstehende Dpcration auf Tod und kleben ging. Es war ja so wunderschön in diesem Hellen Hause; dabeim hatte sic es nicht so nett. Da war kein sanftes Mütterchen wie das Fräulein Doktor, denn Susis Mutter war tot, und der Vater konnte sich nicht viel um sein kleines Mädchen bekümmern. Doktor Habicht hatte die Untersuchung beendet. „Ich stimme Ihrer Diagnose zu," sagte cr. „Es ist Zeit. Latten Sic düs Kind in den Operationssaal schaffen. In zwanzig Minuten werde ich den Schnitt ausfübrcn." Der Eingriff war notwendig, und Senti mentalität nickt am Platze. Helene drängte jede weichliche Regung zurück, sprach im innersten Herzen cin stummes Gebet und traf die Vorbereitungen zur Operation. Mit Bewunderung sah sic auf die sichere Hand des großen Arztes; das medi zinische Intereffe des Falles drängte auf den Augenblick das Mitgefühl für das Elend des kleinen Menschenkindes in den Hintergrund. Mit wunderbarer Rube und Sicherheit vollendete Doktor Habicht das Derk. AlS alles vorüber war, hätte sie am liebsten diesem gottbegnadeten Helfer, die sem Genie in seinem Fache die Hände ge küßt und ihm überschwenglich gedankt. Aber sic wagte nicht einmal, an ihn bcran- zutrctcn und das Wort an ihn zu richten. Stumm, mit kurzem Kopfnicken ent fernte sich Doktor Habicht. — Vier Tage darauf war Weihnachts abend. Susi lag schwer an den Folgen der sonst wunderbar gelungenen Operation darnieder, und -Helene widmete ihrer Pflege alle Zeit, die sie batte. Die Engel, dic das Kind im Traume gesehen, hatten bis her treu an dem kleinen Bettchcn gcstan den. Aber das Christkind konnte Susi nicht sehen; dazu war sie zu matt. Für dic minder schwer Kranken hatte die barm herzige Liebe sorgen können, und ein Schim mer von dem lieblichsten aller Feste fiel auch auf diese Stätte der Not und des Webs. Dic junge Ärztin batte cin kleines Testa ment in der Hand und stand dickt bei dem brennenden Lickterbaum, der seinen Schein in die groß geöffneten Augen der kleinen Patienten warf. Ack, wie gern erfüllte sic diese Pflicht! „Es begab sich aber zu der Zeit, daß cin Gebot vom Kaiser Augustus auSging —" Ihre Stimme klang klar durch den weiten. Raum; dic Kinder saßen mit ge falteten Händchen in den Betten. Helene laS mit eigener Andacht das WcihnachtS- 204). cvangelium und klappte das Buch zu. Dann sprach sic ein schlichtes Gebet, wie cS ibr vom Herzen kam. Als alles beendet war, machte sie sich zum Fortgehen fertig. Daheim, im trauten Familienkreis, erwartete man sic zur Weihnachtsfeier. Am Ausgang des Krankenhauses stand eine Hobe Gestalt im Pelz. Die Lichter des heranfahrcndcn Wagens beleuchteten dic Schnceflächc. Der Herr im Pelz schickte sich an, einzusieigen. Als Helenes leichter Schritt ertönte, wandte cr sich um und crkanntc sic. „Sic wollen auch in die Stadt? Zu Fuß?" End e. oem schwer hängenden Himmel fast versibwimmend, lag in der Ferne dic Sec. Hans Dictricb batte dic Gclicbtc fest an sich gezogen und küßte sic- lange und heiß. Dann sabcn seine Augen sic innig an. „Eva Maric," sagte cr ernst, „wir wollen immer eingedenk sein, daß ein großes Glück auch eine große Verpflichtung ist!" Da klangen belle Rufe, und dann tauchten Meise Paulsen und Doktor Sören sen in der Wegbicgung auf. Seit seiner Rückkehr in die Stadt war der junge Kunst- gelehrte cin häufiger Galt des Saatkampcr Pfarrhauses, und MciscS dunkle Vogcl- augen pflegten den Blick voll werdender Liebe, der sic aus SörcnscnS Augen suchte, warm zurückzulcuchten. Doktor Sörensen schwenkte cin Zci- tungsblatt. „Türkisch-russischer Krieg er öffnet!" rief cr strahlend schon von weitem. Lcbbaft flog, als die Freunde dann bcrangekommcn waren, der Austausch der Meinungen hin und her. Und während dic Freude über die gute und bedeutungs volle Kunde alle Gefickter bellte, klang in Eva Marie plötzlick wieder das Wort Hans Dietricks nach, und sic sagte aus ihren Ge danken heraus: „Gott wird Deutschland nach der Not und dem schweren Leid dieses Krieges durch den Sieg, den wir erringen mästen und erringen werden, cin großes Glück geben — und Deutschland wird sich der Verpflichtung darin bewußt sein!" Ernst, doch, mit warm durchbclltem Blick hatte sie gesprochen. Ein Sonnenstrahl, der das dunkle Ge wölk durchirrte, traf ihr Haar und ließ cS golden aufleucbten. Es war wie ein Za von oben auf ihre Worte. .. i sanft und lieb wie cm Mütterchen , aber das Fraulcm r onoe ballen sie dock alle am liebsten. ... Oie junge Ärztin haue Wren Beruf von der schönsten ^ettc erfapi: sie war zugleich Helferin und Trösterin in den Kivlen der ^cclc. Am Krankenbett traf sie mit dem Chefarzt zusammen. <cmc Klein Susi. Erzählung von W. Harb. Nach einer Originalzcicknung von G. Martin. konnte, und ibr Herz zuckte, wenn sic Ieugc sein mußte von gcknicktcr Hoffnung und bitterherbem Weh. Dafür hatten die Kleinen aber auch das ernste und so zartfühlende, liebreiche junge Mädchen herzlich lieb. Schwester Martha war ja auch prächtig und verstand sich auf den VerkchrSton mit dem kleinen Volk, das so rührend war in seiner Hinfälligkeit, Schwester Dorothea war auch /M«^er mit großer Spannung erwartete ^Chefarzt des neuen städtischen Kran- kenhauscS war nun da. Ihm ging ein für seine jungen Jahre fast beispielloser Ruf voraus. Er war eine hohe, impo sante Erscheinung mit leickt gelichtetem Kopfhaar. Sein Gesicht war eckig und energisch, seine Augcn blickten klug und scharf. Der ganze Eindruck!wirktc nicht unsckön. Fräulein l)r. mocl. Helene Rödel kannte seinen Namen schon lange. Doktor Ha bichts Aufsätze in den wissenschaftlichen Fachzeitschriften waren ibr Genuß und Belehrung gewesen. Sic batte sich aus seinem Stil cin Bild von ibm selber ge macht und im allgemeinen das Richtige getroffen: knapp, entschlossen und von rücksichtsloser Logik. Seine Sätze waren ohne Phrase, Schnörkel, nirgends cin Zu viel oder ein Zuwenig. Manchmal batte seine Art etwas Ätzendes, Verletzendes und Erkältendes. Man vermißte den warmen Hauck freundlicher Nacksickt. Man merkte, der Sinn dieses Mannes war ausgcfüllt bis auf den letzten Rest von seiner Wistcn- sckaft. Helene Rödel stand der Kinderabteilung des Krankenhauses vor. Das Amt war den Gesichtchen darin und machte bei ihr halt. Nack der Vorstellung sah cr sic cincn Augenblick kurz und sckarf an, ein Blick, nickt wärmend und beglückend, sondern prüfend, sezierend. Helene war es eigentümlich beklommen. Es gibt Propheten untcr den Ärzten, die mit fast hell seherischer Kraft des anderen Mcnsckcn Natur im Nu klar erfassen und ergründen. War cr cincr von jenen? Er wandte sich dem kranken Kinde zu. Seine Fragen waren knapp und bestimmt, unk Hclcue traurig, oft herzzerreißend, aber ibr doch so lieb. Sic fühlte eine herzliche Mitfrcudc, wenn sic der bangenden j bobe Gestalt wandelte durch die Rcwcn der Betten mit den stillen fragen- Mutter das neu aufblühende Leben in die zitternden Arme zurücklcgc»