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öttlM flw Hohki-kii kklRhiilkl A«!NM Tageblatt. Freitag, den «t April L»1«. Nr. »». 4». Jahrgang Bo« dm MW« M Veamm, das zehn Kilometer nördlich von Verdun ge legene Dorf, das wir Ende Februar eroberten, gibt der Kriegsberichterstatter der „Voss. Ztg.", Dr. Osborn, anschauliche und ergreifende Bil der. Beaumont erschien unbezwinglich. Es siel dem französischen Generalstab schwer, so hatte der Generalstäbler Bouvier in einem Pa riser Fachblatt geäußert, den Punkt zu entbo ten, von wo die deutsche Offensiv« ihren Aus- gang nehmen sollte. Alle französischen Stel lungen schienen in Gefahr, wer aber Hötte ge- glaubt, daß die nördlichen Stellungen nicht standhalten würden? Man dachte nicht an die Möglichkeit eines deutschen Vorstoßes gegen Beaumont. Gerade dort waren die Franzosen am stärksten. Die Deutschen packten den Stier bei den Hörnern, als sie auf das Ganze gin gen; sie hatten den besten Weg gewählt, wenn es auch der schwerste war. Nach der Bezwin gung der Wwvriüe-Stellung, so erzählt der Be richterstatter, war einer der Flankenweg« nach B«mmont für die Unseren frei. Da die Er- stürmung des Ortes Wavrille erst spät am Nachmittag durchgeführt worden war, konnte der weitere Vorstoß nicht mehr begonnen werden. So suchten sich die hessischen Truppen zunächst im neueroberten Revier festzusetzen. Das war nicht so einfach. Der Feind erkannte die Gefahr und nahm den Wavrille-Wald unter wütendes Feuer. Wenn man die halbzertrümmerten, noch heute mit Wasser gefüllten Gräben gesehen hat, in denen die Unserigen sich gegen diese wilde Be schießung notdürftig zu schützen suchten, be greift man das Grauen ihrer Lage. Wo nur eine Spur von Deckung vorhanden zu sein schien, drängte man sich halb hockend, halb lie gend zusammen. Die Franzosen schickten Gra naten mit Brennzündern, die über den Köpfen der geduckten Häuflein sich entluden. Man wagte nicht, sich zu rühren. Vorsichtig nur konnten die Zusammengepferchten hie und da, nach gemeinsamer Verabredung, mit den Bei nen „Stellungswechsel" vornehmen, daß ihnen die Glieder nicht völlig steif wurden. Ein Offizier lag Kopf an Kopf mit einem Mann, der halb über ihm ruhte. Plötzlich hört er stöhnen: den Aermsten hat ein Granatsplitter am Kopf getroffen, und über dem Offizier verblutet er. Selbst die, die im abfallenden nördlichen Teil des Waldes lagen, in dem ein zigen Winkel, wo man einigermaßen gesichert ist, weil die Geschoss«, über den Rücken der Höhe jagend, nicht hierher treffen können — selbst die waren schwer gefährdet, da es bei dem rasenden Bombardement zahlreiche „Bvum- krepierer" gab: die Granaten, die ihrer natür lichen Flugbahn nach über sie weggesaust wä ren, schlugen gegen die hohen Stämme, platz ten und schickten ihre Ladung nach unten. Die Verluste waren glücklicherweise nicht so schwer, wie man gefürchtet hatte. Aber für die Nacht beschloß man, nördlich des Beryrük- kens „Quartier" zu beziehen, im freien, kahlen Gelände. Man muh sehen, was das bedeu ¬ tet! Muß die Löcher sehen, die sich die Leu te eilig mit de n Spaten stachen, um darin zu übernachten! Viereckig« Erdgruben, in denen einer, höchstens zwei Mann, einander gegen über zusammengekauert, Platz hatten. Es war schneidend kalt, gab Regen, der sich in Hagel und Schnee verwandelte. Nun, so legte man wohl ein Tuch, eine Zeltbahn oder ein Brett über die Oeffnung des Erdloches, in dem man wie im Grabe gefangen saß. Andere Unter kunft gaben die Granathöcher, soweit sie noch benutzbar waren. An manchen Stellen war es nichts mehr damit. „Ist kein Granatloch für den Bataillonsstab zu haben?" klingt es fra gend durch die Dunkelheit. Nein, tönt die Antwort zurück, sie sind hier alle teils voll Wasser, teils voll Toter. Das war die Nacht ruh« nach einem solchen Kampf und die Ruhe vor einem neuen Tage des Angriffs, an dem nach dreistündigem Ringen und blutigen Stra- ßenkämpfen die Erstürmung des befestigten Beaumont erfolgte. Dieselben Truppen kämpften weiter und drangen bis zum Pfefferrücken vor. Alle die se Leistungen wurden vollbracht unter unbe schreiblichen Schwierigkeiten und Strapazen, unter Entbehrungen, deren Ueberwindung kaum möglich dünkt. Wochenlang haben die Trup pen keine Unterkunft, die einer menschlichen Wohnung ähnlich sieht. Kampieren im Freien, jeder Unbill des Wetters ausgesetzt. Kein Rock, kein Stiefel kommt vom Leibe. Oft fehlt das warme Es sen, denn die rückwärtigen Verbindungen liegen noch ungedeckt im schwersten Feuer des Feindes. Die Feldküchen können kaum heran. Und wenn sie wirklich in erreichbare Nähe ge langen, so ist das Heranholen der labenden Kessel ein lebensgefährliches Unternehmen. Manche von denen, die sich trotzdem freiwillig Karfreitag! Und finster wurde eS auf Golgatha! Die Tonne mußte selbst ihr Haupt verhüllen, Um alle Wett mit Trauer zu erfüllen Beim Opfer, das für alle Welt geschah! Boll Blut und Wunden, mit der Dornenkrone, Hängt, der nur allen Menschen Gutes tat, Der sterbend noch für seine Feinde bat, Ihr Heil nur einzig wünscht er sich zum Lohne! Dom Schmerz bewältigt, leblos hingestreckt Die arme Mutter! Und der Freunde Schar Dor Trauer stumm! Und er, der König war, Mit Hohn und Spott und Niedrigkeit bedeckt! Biel hundert Jahre sind vorbeigerauscht An diesem Bild von ungemefs'nem Leid, Doch heute trägt die Wett dasselbe Kleid, Von Trauerfloren Nord und Süd umbauscht. Bon frevler Hand ein Feuermeer entfacht, Berzehrt, was Leben war und Freud' und Glück, Millionen Herzen bleiben leer zurück, Getaucht in unerschöpften Grames Nacht! Die ganze Wett durchdringt ein SchmerzenS- Und eine Sehnsucht nur ist fern und nah: sschrei „Wann steigen wir hinab von Golgatha, Daß Friede uns die Auferstehung sei!" dazu meldeten, sind aus dem Wege geMeben. So muß man sich mit kalter Kost begütigen. Truppenteile, die abgelöst waren und wieder nach vorn rücken, bekommen gleich vielfache ei serne Rationen, Schokolade, Keks, Konserven und Hartspirittis mit, um sich notdürftig durch zuhelfen. Und immer toben die Geschosse der Franzosen den Leuten um die Ohren. Tag und Nacht, ohne Pause. Keine Ruhe, keine Erquickung. Nur Gefahren, Mühen, Leiden und ftwchttarste Kriegsarbeit. Aber sie haben es ertragen, und was sie an sich rissen, bleibt deutscher Besitz. OertlicheS und TSchfischeS. * — Die Beliebtheit unserer Zeitung im Felde kommt immer wie der von neuem zum Ausdruck Ten besten Beweis hierfür erbringen uns die auch in letz ter Zeit wieder eingegangenen zahlreichen An- erkennuirgsschreiben der Feldpostabonnenten. So schreibt der Soldat N. Schönland: „Bitte um fernere Zusendung Ihrer Zeitung, die hier se'r beliebt ist, zumal das Neueste aus der Heimat zu er'ahren üt". — Ein anderer Abou nent, der Landwehrmann Kapp, macht ims solgende Mitteilung: „Besten Tank für die Zett tung, die sich während 15 Monaten bei mei nen Kameraden sehr eingebürgert hat." — Re servist Berthold Spörl aus Gersdorf schreibt u. a.: „Besten Dank für die schnelle Zusendung Ihrer Zeitung, dia von allen gern gelesen wird. Jeder freut sich, wenn sie kommt." — Ter Ge reite Emil Nagel, ebenfalls ein Gersdorfer, setzt un') von seiner Beförderung zum Unteroffizier in Kenntnis und hebt be sonders hervor, daß die Heimatszeitung stets pünktlich anlangt. — Bei den 450 Feldpost- beziehern ist unser Matt fast auf allen Kriegs- schauplätzen vertreten. Selbst in die unwirt lichsten Gegenden des weiten Reiches des rus- sisck?en „Väterchens" gelangt es, wo, wie der Kanonier M u st e r mitteilt, infolge der jetzt eingetretenen Schneeschmelze die Wege grund los sind, so daß die schlammige Masse sogar zu den Stieselschäften eindringt. — Außer den erwähnten Feldpostbcziehern ließen uns ferner Schreiben zugehen: Landwehrmann Otto W o l f, der allen in der Heimat Weilenden frohe Ostern wünscht, Mar Schulze (Gersdorf), Gefrei ter P. Mehlhorn (Gersdorf), Gefreiter F ö r st c r, Unteroffizier Fritz S ch u st e r Reservist Kurt Ebhardt, Musketier Krei ßig und Fabrer Kurt Veit. — Alle un- zugegangenen Grüße aus dein Felde seien fteundlichst erwidert. * — Um ein zu st a-r k e s V erfüt - tern von Kartofseln zu verhüten, lat der Bundesrat, zunächst bis 15. Mai, angeord net, daß die Kartoffelbesitzer insgesamt nicht mehr Kartoffeln verfüttern dürfen als auf Urei: Viehstand bis zu diesem Tage nach folgenden Sätzen entfällt: n) an Pferde höchstens 10 Pfd-, an Zugkühe höchstens 5 Pfd-, an Zug ochsen Päckchens 7 Psd., an Schweinen höch stens 2 Pfd. Kartoffeln täglich k) oder statt dessen von Erzeugnissen der Kartoffettrocknerei Tas MMUen. Roman von Karl Schilling. IS. Fortsetzung. (Nachdruck verdotrn.) 5. „Die Sonne sank. Durch Gestrüpp und Dorn Der Fuß des Harrenden streicht. Ueber Wald und Feld das Silberhorn Des Mondes am Himmel steigt." Zur selven Stunde, da Protowska sich von der Baronesse Eva Marie trennte und seinem Herzen in stolzem eifersüchtigem Trotze das törichte Gelübd« gab, die neue Fiedel nie er klingen zu lassen, ritt Freiherr von Dalwang durck; den Wettensteiner Revierwald. Auch er schien seinen Gedanken nachzuhän- gen; denn lässig ruhten die Zügel in seiner Hand und unbeachtet trottete der Goldfuchs, der damals im Schlosse die lebhafte Bewunde rung des Barons hervorgerusen hatte, den be moosten Waldpsad dahin. Ein mißvergnügter Ausdruck machte das an und für sich schon unschöne Gesicht des Frei- Herrn noch weniger anziehend. Wie es den Fuchs verdrießt, wenn er in den Taubenschlag schleicht und das begehrte Täubchen ausgeflogen findet, so war es ihm zumute. Auf einem seiner früheren Ritte hatte er die flüchtig« Bekanntschaft mit d«r braungezöpf- ten Mecht ild, der Tochter der alten Sanne, ge macht; und es bedurfte keines langen Forschens, um bald danach ihre einsame Behausung mit- ten im Forste aufzuspüren. Das Mädchen aus dem Volke reizte ihn. Ihre hohe, schlanke Gestalt, ihr frisches Gesicht, ihre unverdorbene Natürlichkeit, ihr zurückhal tendes, sprödes Wesen besaßen genügend Macht, die Sinne des blasierten Weltmannes zu ent zünden. Mit ärgerlicher Wehmut dachte er an seine tolle Leutnantszeit in Berlin. Ja, das war Leben, das war Genießen! Ta gab es Mädels, Zeitvertreib, Wein und Kanuraden in Fülle. Unwillkürlich schnalzte er mit der Zun ge, daß der Goldfuchs aufmerksam die Ohren spitzte. Aber jetzt! Vorbei! Jetzt saß er aus der „traurigen Klitsche" seines Vaters und mußte dm ehrsamen Junker und Schloßherrn spielen. Ja, wmn er damals den dummen Streich mit den falschen Karten nicht verübt hätte! Der kostete ihm die schneidige Uniform und damit das köstliche Berliner Leben. Das Daftin war doch öde und langweilig! Freiherr von Dalwang gähnte. Er wäre doch ein Tor, wollte er die Veilchen, die an sei- neu dürren. Lebenswege blühten, nicht pßük- ken! Und wieder strichen seine Gedanken zu Mechthild. Aber gleich grub sich wieder der Ausdruck des Verdrusses auf sein verlebtes Gesicht. War es nicht auffällig, daß er nun schon dreimal völlig vergeblich dm ihm langweiligen Weg zur WÄdklause der Sanne geritten war? Nicht einmal gesehen hatte er das Mädchen! versteckt« sie sich vor ihm? War sie gewarnt worden? Betrog ihn die Alte? Oder kam ihm gar der Fiedler, der „Vagabund" aus der Waldwarte ins Gehege? Tann wehe ihm! Es stand so wie so noch eine alte böse Schuld zwischen ihm und jenem. Nun. er wollte sie zahlen, sicher und reichlich, nur die Gelegenheit dazu fehlte ihm bisher. Ein jähes Stutzen seines Rosses riß ihn aus seinen Betrachtungen und heimtückischen Racheplänen. Unwillig packte er die Zügel — da, vor ihm ein grinsendes Gesicht! Ms in den tiefsten Grund seiner feigen Seele erschrak der Freiherr. Wiewohl er in der Sätteitasche eine scharfgeladene Pistole führte, war es dock) gefährlich, einen solch wild aussehenden Menschen, der so urplötzlich aus dem Waldesdunkel trat, zu begegnen, hier im einsamen Forste, wo ihn: schwerlich jemand zu Hil'e kommen konnte. OV er sein Pferd anspornte und eiligst da von ritt? Toch, blitzte nicht dort an der Seite des Wilderers ein Beil, und fiel nicht ebm ein Sonnenstrahl unheimlich drohend aus den Lauf wn dessen Gewehr. Wie, wenn der ihm eine Kugel nachsmrdte? Ein Zittern überflog den Körper des Frei- berrn. Schnell raffte er seine ganze Geistes gegenwart zusammen und stammelte: „He, gu ter Freund! Ihr wißt sicher hier Beschick Wo geht der Weg zum Dalwanger Schlosse?" Indessen hatte sich das Grinsen auf des wilden Xavers Geficht verloren und einem un sagbar verächtlichen Zuge Platz gemacht. Dro hend ruhte sein Auge auf dem bleichen, furcht- erfüllten Gesicht des Freiherrn und die Narbe an der Stirn fing an, im Zorn blutrot zu erglühen. Den Freiherrn grauste. Aber wer be schreibt sein Entsetzen, als er gelvahrte, wie der Wilddieb sich anschickte, das Gewehr vom Rücken zu nehmen und mit heiserer Stimme hervorstieß: „Also Ihr seid der saubere Herr, der mei ner Schwester nachstellt? Euch sucht' ich lange!" Und schon hob er den Stutzen. Dem Freiherr« drohte dal Blut in den Adern zu erstarren. Todesangst packle ihn. Ta, in höchster Verzweiflung, stieß er dem Pferde die Sporen in die Weichen, tief und schmerzend. In ratender Oual bäumte sich das edle Tier, um dann den Waldpfad hinzustürmen, wild, sinnlos, unaufhaltsam. Auf ihm aber bockte der Freiherr, mit beiden Händen den Hals des Tieres eisern umklamernd, fürwahr, ein kläg liches Bild! Noch hörte er das höhnende La chen des Wilddiebes, noch spürte er, wie ein t>aar Kugeln an ihm vorüberpfiffen. Ein Aestlein von einem Bäume üb«r ihn brach ab und streifte fallend seine Wange. In jähem Entsetzen schrie er aus. Feldarbeiter gewahrten aus der Ferne den gespensterhajt dahinstürmenden Gaul mit dem wunderlich vorgebeugten Reiter. Ta bekreuzten sie sich in kurdischer Scheu. Tas war sicher Satanas! Webe, wenn von ihm ihre Ernte bedroht wurde! — Ju Schweiß gebadet langten Roß und Reiter auf Burg Talwang an. Stallknechte hoben ihren todblassen Herrn aus dem Sat tel. Zu sprechen vermochte er nicht. Am Abend schickte man znm Arzt. Ter zog ein bedenklich ernstes Gesicht, sprach von „Verfol- gungswahnsinn" und gebot äußerste Ruhe und schärfste Überwachung. Im Stalle cher saß der jüngste Reitkneckn neben seinem LieblingSpfcrde, dem Goldfucks, und weinte bittere Tränen. Tas ar ne Tier! Ein Frösteln lief beständig über dessen damp fenden Rücken, und aus den zerfleischten Wei chen sickeble noch immer dunkles Blut. — Ter wilde Xaver aber ging indessen in froher Laune dem Waldhänschen seiner Muller zu. Ein teuflisches Freuen erfüllte iin, dem Freiberrn heute solchen Schrecken eingejagt zu haben. Und der Anblick, die schlotternde Jam mergestalt auf dem itolzcn Gaule! Tas hätte Mecht ild se'cn sollen, das war zum Lachen! Hahaha! Ganz recht, warum ließ der Freiherr sic nicht in Ruhc! Er wollle ihm schon wetten, wie der Xaver seine Schwester schützt! Nicht weit von der Behausung seiner Mut ter machte er Halt. Vor einer hochttämrnigcn Bucke blieb' er stehen. Nun lugte er vorsich tig nach allen Seiten, hielt die Hand ans Ohr und tauschte. Alles sicher! Mit staunenswerter Geschicklichkeit bog er die Baumrinde zurück und barg nun seine Flinte in dem hohlen Stamm des Baume-. Noch einmal Aütte er sich prüfend um, dann erst schritt er weiter. (Fortsetzung folgt.)