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Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel Nr. 44 (N.23) Leipzig. Dienstag den 22. Februar 1938 185.Jahrgang Kartographie, Kartolithographie und Kartokupferstich Als im Mai vorigen Jahres die Deutsche Kartographische Gesellschaft ins Leben gerufen wurde, kam es vielen erst zum Bewußtsein, welche überragende Bedeutung die Karlen als Grundlage für Forschung und Lehre, für Wirtschaft und Ver kehr, für Strategie und Taktik, für Planung und Technik haben und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, ehe die Karten in Gebrauch genommen werden können. Als Hilfsmittel vieler Wissenschaften und Wirtschaftszweige hat sich die Kartographie im Laufe der Jahre zu einer eigenen praktischen Wissenschaft ge staltet, deren technische Verwendung nach besonderen und genau sestgelegten Gesichtspunkten erfolgt. Die Verschiedcnartigkcit die ser Richtlinien ergibt sich aus dem gesamten Staats-, Kultur- und Wirtschaftsleben eines Volkes und hat zur engen Zusam menarbeit der Kartographie mit der Landesverteidigung, der Landesplanung, der Land- und Forstwirtschaft, dem Straßen- und Wasserbau und dem Bergbau geführt. Sie ist aber auch für geographische, geologische und volkskundliche Forschungen, für schulische Zwecke, für das Verkehrswesen in der Luft, zu Wasser und auf der Erde ebenso unentbehrlich geworden wie für Rassen- und Sprachforschungen. Durch den Zusammenschluß von Ge lehrten und Praktikern in der Deutschen Kartographischen Ge sellschaft soll das Verständnis für kartographische Dinge in wei ten Kreisen geweckt und die Zusammenarbeit zwischen amtlichen, wissenschaftlichen und privaten Stellen gefördert werden. Ihr Ziel und Streben ist eindeutig sestgelegt und wird dazu bei tragen, daß die großen nationalen Aufgaben ihre Lösung fin den. (S. a. den Bericht über die Gründungstagung der Deut schen Kartographischen Gesellschaft in Leipzig im Börsenblatt Nr. 264/1937.) Die ältesten uns bekannten Karten sind etwa um das Jahr 1300 v. Ehr. von den Griechen auf Metallplatten hergestellt worden. Von den später entstandenen römischen Karten ist in der Tabula keutinxeriana eine Wertvoile Arbeit erhalten ge blieben. Im Mittelalter (1320) betätigte sich Marino Sanuto aus diesem Gebiete und später waren Behaim, Mercator, Ha mann und Casini Meister in der Kartenherstellung. Heute besitzen die deutschen Erzeugnisse eine Vollkommenheit, die weit über die Grenzen des Vaterlandes hinaus bekannt ist und zu umfang reichen Auslandsaufträgen geführt hat. Firmen wie Justus Perthes in Gotha, Ludwig Ravenstein A.-G. in Frankfurt a. M., Wagner L Debes in Leipzig, Vel- hagen L Klasing in Bielefeld, Georg Westermann in Braun schweig, Dietrich Reimer in Berlin, F. A. Brockhaus und Bibliographisches Institut in Leipzig, Herder L Co. in Frei burg i. Br., Columbus-Berlag in Berlin und andere trugen zu diesem Ruhme in jahrelanger vorbildlicher Arbeit bei. Es ist nicht die Absicht, in dieser kurzen Abhandlung ihre Verdienste zu würdigen. Ihre Namen sind aber so eng mit der Entwicklung verbunden, daß sie nicht unerwähnt bleiben können. Die technische Herstellung der Karten hat sich im Laufe der Zeit verschiedentlich geändert. Für die wenigen Stücke, die an fangs gebraucht wurden, genügten Handzeichnungen auf Papier und Pergament. Dann wurde der Hochdruck herangezogen, mit dem man Holzschnitte und in Thpensatz hergestellte Karten ver vielfältigte. Heute bedient man sich in der Hauptsache der Kartolitho graphie und des Kartokupserstichs, wenn nicht mit Hilfe von photomechanischen Verfahren direkte Übertragungen auf die Druckplatte Anwendung finden. Die letzteren sind in der Her stellung zwar billiger, können aber nicht für alle Zwecke ver wendet werden. Als Grundlage für alle Verfahren dient eine bis in alle Einzelheiten gut durchgearbeitete Vorlage, die vom Kar tographen oder Landkartenzeichner hergestellt wird. Die erfor derlichen Unterlagen liefern von den bisher unbekannten Gegen den die Aufzeichnungen der Forschungsreisenden und deren Flug zeugaufnahmen und von den schon bekannten Gebieten sowohl die Messungen und Ermittlungen der Geometer als auch die Arbeiten der staatlichen Landesaufnahmen. Vor Beginn der zeichnerischen Arbeiten wird für jede Land karte die Größe und der Maßstab festgestellt und je nach der Verwendung die Herstellungsart bestimmt, die sowohl in der Ausführung als auch in der beanspruchten Zeit sehr unterschied lich sein kann. Die Arbeit des Kartographen beginnt mit der Übertragung der Situation, worunter man die Grenzen, Orts zeichen, Flußnetze, Verkehrslinien und andere wichtige Punkte versteht. Ihre genaue Lage und ihre Form werden unter Be nutzung zahlreicher Hilfslinien bestimmt, weil in den meisten Fällen eine Größenveränderung der vorliegenden Unterlagen eintreten muß. Gerade diese Arbeit verlangt neben einer großen zeichnerischen Fähigkeit eine langjährige praktische Erfahrung und reifes geographisches Wissen, denn die fertige Karte soll neben absoluter Klarheit und Übersichtlichkeit auch ein gutes Gesamtbild ergeben. Nach Fertigstellung der Situation wird die Gebirgszeichnung eingetragen. Durch Schraffierung in verschie denen Stärken und Lagen werden die Höhen der Gebirgszüge und die Richtung des abfließenden Wassers genau angegeben. Bei Atlanten und ähnlichen Karten wird diese schwierige Arbeit durch graue oder braune Farbtöne ersetzt, die in ihrer Schwere und Dichte das unterschiedliche Gelände markieren. Hierbei finden auch die sogenannten Höhenlinien zur Markierung der Form und der allmählichen Abflachung Anwendung. Besondere Sorgfalt ist aus die Beschriftung zu verwenden, da sie bei großer Deutlichkeit das Gesamtbild der Karte nicht stören darf. In der langen Praxis hat sich die Verwendung der Antigua als vorteilhaft erwiesen, weil durch verschiedene Größen und Stärken, durch Benutzung von großen und kleinen Buch staben und bei Anwendung der Kursivschriften so mannigfaltige Variationen möglich sind, daß auch rein äußerlich wichtige und weniger wichtige Bezeichnungen erkenntlich sind. Die Aufgabe der Kartenzeichner liegt nicht zuletzt in der richtigen und sach lichen Verwendung der Schriftarten und Schriftgrößen. Größere Städte müssen sich ohne Mühe von kleineren Orten, von Ge birgszügen, Flußläufen und anderen Sachen unterscheiden lassen und entsprechend abgestimmt werden. Hierfür bestehen in allen Fällen ganz bestimmte Vorschriften. Wenn eine Karte farbig hergestellt werden soll, dann wer den auch hierfür vom Kartographen die Unterlagen geschaffen, wobei ein wesentlicher Unterschied zwischen Politischen und geolo gischen Karten besteht. Für Landesgrenzen benutzt man ver schiedenfarbige schmale Streifen und für Gebirge, je nachdem es sich um Hoch- oder Mittelgebirge handelt, dunkle oder Helle braune Farbtöne. Meere und Seen erscheinen in Blau. Sind diese Vorarbeiten erledigt, dann kann mit der tech nischen Herstellung begonnen werden. Für größere Kartenwerke wird schon seit Jahren die Steingravur des Kartolithographen bevorzugt. Von seiner peinlichen Arbeit, die mit großer Ge nauigkeit und unter Einhaltung von sestgelegten Richtlinien ausgeführt werden muß, hängt der Erfolg ab. Die Arbeitsgängc, das heißt die Übertragung der einzelnen Teile auf den Stein, geschehen in der gleichen Reihenfolge wie beim Zeichner. Unter Nr. 44 Dienstag, Len 22. Februar 1SS8 149