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79. 4. April 1908. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel 3899 heraus. Unter den Gemälden befanden sich zwei von Lukas Cranach und eins von Sassoferrato. Der Varrentrappsche Verlag war noch immer einer der bedeutendsten in Deutschland. Franz Varrentrapp wurde verschiedentlich in Reformkommisstonen der Buchhändler ge wählt; in einer solchen trat er sehr energisch gegen den Nachdruck, also gegen die einstmaligen Bestrebungen seines Großvaters aus. Darauf weist Friedrich Perthes in seinen Reisebemerkungen von 1816 hin, wenn er von Frankfurt sagt: »Alle hiesigen Handlungen, mit Ausnahme Varren- trapps, nehmen lebhaften Anteil am Nachdruck; sie ver treiben nicht nur den Nachdruck fremder Buchhändler, sondern die meisten von ihnen drucken auch selbst nach, und alle setzen von ihrem rechtmäßigen Verlag wohl das meiste durch Verbindungen mit fremden Nach druckern ab, so daß ihr gesamter Geschäftsgang auf das engste mit dem Nachdruck verflochten ist. Fast alle sind daher meinen Ansichten entgegen. Übrigens aber sind es der großen Mehrzahl nach rechtliche, ehrenwerte Männer, und über ihren Handel muß man, wenn man nicht ungerecht sein will, sagen: »Ländlich, sittlich!« (Friedrich Perthes' Leben von Cl. Th. Perthes. 2. Bd., 8. Ausl. S. 133.) In seinem Briefwechsel, der im Hamburger Archiv auf bewahrt wird, erwähnt Friedrich Perthes verschiedentlich Franz Varrentrapp. An einen Schwager Besser aus Frank furt schrieb er 1816: »Varrentrapp, ein sehr wackerer, wohlgesinnter Mann, der seine Handlung nach ernsten Grundsätzen ohne Nach drucke führt, welches also doch möglich ist, hat bedeutende Unternehmungen vor, u. a. ein deutsches Sprachwörter- buch von Radios, welchen ich auch da kennen lernte.« Varrentrapp erklärte sich mit der Denkschrift, die Perthes in jenem Jahre über den deutschen Buchhandel verfaßt hatte, einverstanden und fand sie nur noch zu gelinde gegen die Nachdrucker. Am 7. August war Perthes zum Mittag essen bei Varrentrapp und schrieb darüber an seine Frau: »Eine alt-reichsstädtische Haushaltung und die Gesell schaft alt und jung echt Alt-Frankfurter, dadurch sehr interessant. Es gab unter ihnen lebhafte Debatten über innere städtische Angelegenheiten, doch sehr verschieden an Ton und Farbe von den Hamburgischen«. Franz Varrentrapp starb am 7. November 1831; seine Witwe führte die Buchhandlung unter dem Beistand ihres Schwagers, des Professors Konrad Varrentrapp, noch bis zu ihrem 1834 erfolgten Tode fort, dann wurde das Geschäft verkauft. Der Verlag war l845 im Besitze von Philipp Krebs. Heute erinnert in Frankfurt nichts mehr an die berühmte F>rma. Der jüngste Sohn Johann Friedrich Varrentrapps war Johann Konrad Varrentrapp, der 1860 als Professor, vr. insä. und kb^sieuL Primarius in Frankfurt starb. Johann Konrads ältester Sohn, der Geheime Sanitätsrat vr. msä. Johann Georg Varrentrapp, hat auf dem Gebiete der öffentlichen Wohlfahrts- und Gesundheitspflege eine geradezu riesige Tätigkeit entwickelt. Er starb 1886 in Frankfurt. Sein jüngerer Bruder, vr. Franz Varrentrapp, war Professor der Chemie in Braunschweig. Als Professor vr. Franz Varrentrapp Ende der sechziger Jahre aufgefordert wurde, das eben begründete Polytechnikum in Aachen zu organisieren und zu leiten, lehnte er diesen Antrag ab. Die Ablehnung dieses lockenden Rufes wurde ihm dadurch er leichtert, daß ihm gleichzeitig in Braunschweig von be freundeter Seite eine andere Stellung angeboten wurde, die, wie ausdrücklich auch sein alter Studiengenosse und Freund Knapp urteilt, noch mehr seiner Befähigung und Neigung entsprach, die vorwiegend der unmittelbaren Beteiligung und dem direkten Eingriff in die industrielle Praxis zugewandt waren. Es wurde ihm nämlich der Gegenantrag gestellt, als Teilhaber in das Viewegsche Verlagsgeschäft (statt der' bisherigen Stellung als Konsulent) einzutreten. Dieser An trag wurde angenommen, der Ruf nach Aachen abgelehnt. Inzwischen war der Chef der Firma Vieweg und lang jährige Gönner und Freund Varrentrapps Eduard Vieweg mit Tod abgegangen und der Plan einer Reorganisation der technischen und baulichen Einrichtungen des Geschäfts ge faßt worden. Die Ausführung des Planes fiel als hochwill kommene und erwünschte Aufgabe dem neu eingetretenen Teilhaber zu, der sich ihr mit der ganzen Entfaltung seines Eifers und seiner Talente hingab, dies um so mehr, als ihn nicht nur sein bisheriger Verkehr bereits mit der ganzen Einrichtung und Führung des Geschäfts und dessen Bedürf nissen bis zur Stufe des längst klar vorschwebenden Planes vertraut gemacht, sondern auch seine Beteiligung bei der trefflichen Einrichtung der Offizin von G. Westermann in Braunschweig alle einschlagenden Erfahrungen ihm an die Hand gegeben hatte. So wurde die berühmte Viewegsche Offizin nach der gänzlichen Neugestaltung des technischen Betriebs wie die Westermannsche eine Art Vorbild und von Interessenten und Fachgenossen aus nah und fern besucht. Aber auch von einer anderen als bloß technischen Seite bot die neue Stellung Varrentrapp einen hohen Grad von Befriedigung. Wie sich Professor vr. Franz Varrentrapp durch die Lauterkeit und Zuverlässigkeit seines Charakters, durch die Offenheit seines Wesens das unbedingte Vertrauen aller erwarb, mit denen er in Berührung kam, so befähigten ihn auch seine wissenschaftliche Bildung und seine Kenntnisse, sowie seine ausgedehnten Verbindungen und freundschaftlichen Beziehungen zu den Vertretern der Wissenschaft ganz vor züglich zum Vermittler zwischen Autoren und Verlags geschäft, das seine Wirksamkeit in überwiegender und er folgreicher Weise den Naturwissenschaften, in erster Linie der Chemie, zuzuwenden gewohnt war. Von diesem doppelten Standpunkte aus entfaltete Varrentrapp mit einer Hingabe, wie sie die Neigung und Fähigkeit gleichmäßig mit der Genugtuung und Freude an schöpferischem Wirken be gründeten, eine umfassende und unermüdliche Tätigkeit als Teilhaber der Firma Vieweg während der acht Jahre bis zum Beginn seines körperlichen Leidens, das seinem Leben am 4. März 1877 ein Ende machte. Von den lebenden Mitgliedern der Familie Varrentrapp zu sprechen, ist hier nicht der Ort. Möge das tüchtige deutsche Geschlecht der Varrentrapps, das bisher eine ganze Reihe hervorragender Männer aufzuweisen hat, die sich in rastloser Arbeit bewährt und dauernd Wertvolles geschaffen haben, auch fernerhin fortfahren, seine Tatkraft und Be fähigung dem Vaterlande und der Welt zu widmen! Fr. I. Kleemeier. Kleine Mitteilungen. * Tächfische HauptbibelgesellsAast. — Nach dem soeben versandten 93. Jahresbericht hat die Sächsische Bibelgesellschaft im Jahre 1907 42 353 Heilige Schriften verbreitet, nämlich 30 355 ganze Bibeln, 11 876 Neue Testamente und 122 Bibeltetle (Psalter u. a.). Damit hat die Gesamtoerbreitung der Gesellschaft seit ihrer Stiftung im Jahre 1814 die Ziffer 1 508 627 erreicht und die erste Hälfte der zweiten Million um mehr als 8000 überschritten. Trotzdem ist seit langen Jahren eines beständigen Wachstums der Vertrieb des Jahres 1907 dem des Vorjahres nicht gletchgekommen. Dieser Rückgang mag u. a. durch die Einführung des biblischen Lesebuches (anstatt der Bibel) oder die Erwartung dieser Einführung erfolgt sein — Die Frage, ob die Sächsische Hauptbtbelgesellschaft die Herausgabe oder Vermittelung eine« derartigen Lesebuches übernehmen soll, wird der nächsten Haupt versammlung vorliegen.