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^ 79. 4. April 1908. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 3897 wandten die Familien Bein und Lindheimer. Sie bescherte ihm drei Söhne und fünf Töchter, von denen nur sein jüngster Sohn Johann Friedrich und zwei Töchter, die nacheinander mit seinem späteren Associö Johann Konrad Wenner vermählt waren, die Kinderjahre überlebten. In der Nähe von Bergen unter hessen-nassanischer Jurisdiktion hatte Varrentrapp Güter, so den früher Schelmschen adeligen Hof zu Berckersheim und Gefälle zu Seckbach. In der Stadt hatte er für sein sehr großes Lager mehrere Räume gemietet, u. a. die Kellergewölbe des Karmeliterklosters, das sich in der Nähe seines Ladens befand. Auch in Mainz, wo er Hofbuchhändler war, hatte er ein bedeutendes Lager. An dem Hause Schwarzehörn in Hattingen hatte er mit seinem Onkel Johannes, der noch dort wohnte, seit 1712 einen Anteil, dieser fiel 1775, nachdem Franz angeblich ge storben sein sollte, an die Familie Rittershaus. Warum er sich in der Stammheimat seiner Familie totsagen ließ, ist unaufgeklärt geblieben; vermutlich hatte er mit dem Hattinger Besitztum mehr Last, als es wert war. Franz Varrentrapp hatte 1771 von seinem vormals von Schelmschen unmittelbaren, reichsfreien Rittergute zu Berckersheim, das im Amte Bornheimer Berg lag, eine Zeitlang nicht das Korn oder Mehl in die Stadt Frankfurt fahren, sondern das Brot durch den Gemeindebäcker in Berckersheim backen, durch seine Dienstboten in die Stadt bringen und dort ordnungsmäßig verzollen lassen. Die hessen-hanauische Regierung hatte nun eigenmächtig seine Speicher in Berckersheim eröffnet und den Fruchtvorrat Nachsehen lassen, auch dem Bäcker durch den Zentgrafen das fernere Brotbacken für Varrentrapp und die Verabfolgung in die Stadt verboten. Varrentrapp schrieb daraufhin an den Rat, er könne seine Ernte nicht auf dem Gute ver zehren, sondern habe den größten Teil für seine aus vielen Menschen bestehende Haushaltung unumgänglich nötig, daher sei die Wirkung des Ausfuhrverbots für ihn sehr widrig. Er bat, die Stadt möge ihn bei dem Erbprinzen von Hessen- Hanau vertreten, und berief sich auf die Verträge mit Hanau- Münzenberg von 1436 und 1484, wonach jeder Frankfurter Bürger in seinen Gütern und Rechten ungedrängt und unbeschwert bleiben solle. Auch sei die Jmmedietät seines Gutes noch nicht erwiesen. Die Stadt würde selbst in ihren Rechten durch ein solches Verbot geschädigt, das gegen die Verträge sei, ebenso die ganze Bürgerschaft und die milden Stiftungen, da der Handel mit unbeweglichen Gütern aufhörte, wenn die freie Ein- und Ausfuhr behindert sei. Durch die Vermittlung des Rates wurde die Angelegenheit denn auch zu Varrentrapps Gunsten entschieden. Varrentrapp trat durch seine Bekanntschaft mit Johann Erasmus von Senckenbcrg auch mit Voltaire iu Beziehungen, der ihm, als er 1753 auf Veranlassung Friedrichs des Großen in Frankfurt gefangen genommen und seines Reise geldes und Gepäcks beraubt wurde, verschiedene Traktätchen gegen den preußischen König schrieb. Voltaire machte natürlich von den weitreichenden journalistischen Beziehungen des kenntnisreichen und äußerst temperamentvollen Varren trapp gern Gebrauch, um dem Groll über seine Verhaftung Luft zu machen. Der Dichter veröffentlichte wöchentlich, wie der preußische Resident in Frankfurt, Frerstag, nach Berlin berichtete, zwei Artikel, von denen der Resident einige nach Berlin schickte. In der »Baseler Zeitung« erschienen einige gehässige Korrespondenzen Voltaires. Als Voltaire nach seiner Freilassung noch ein zweites Mal nach Frankfurt kam, um die Rückgabe seines Reisegeldes zu erwirken, wohnte er einige Tage im Varrentrappschen Hause und erstellte sich des Schutzes dieses in Frankfurt angesehenen Freundes gegen den preußischen Residenten. Durch eine Beleidigung eines französischen Offiziers, Börsenblatt für den Dentfche» Buchhandel. 7b. Jahrgang. des Grafen de la Luzerne, kam Varrentrapp in einige Un annehmlichkeiten. Der Graf war bei ihm im Laden aus fallend geworden und hatte von Varrentrapp verlangt, daß er persönlich ein gekauftes Buch ihm in die Wohnung trage. Es kam darüber zum Wortwechsel, wobei sich der Graf zu Tätlichkeiten gegen Varrentrapp Hinreißen ließ. Darüber empört, rief Varrentrapp seinem Gehilfen zu, er möge ihm mit einem Stocke Schutz verschaffen. Auch Varrentrapps zu Hilfe eilende Schwester wurde zu Boden geworfen, der Graf dann teils durch seine Kameraden, teils durch Varrentrapp- sche Angestellte aus dem Laden gedrängt. Als Varrentrapp am nächsten Morgen gerade im Begriff stand, zum Marschall Broglie zu gehen, um sich bei ihm über den Grafen zu beschweren, wurde er vom Königsleutnant Grafen Thorane aufgefordert, sofort zu ihm, der bekanntlich in Goethes Vater- Hause wohnte, zu kommen. Graf Thorane stellte Varren trapp zur Rede, wie er sich gegen einen Offizier von so hohem Rang und Namen habe vergessen können, und lieh Varrentrapps Entgegnungen kein Gehör, ließ ihn vielmehr durch einen Offizier auf die Hauptwache führen, wo er das weitere abzuwarten hätte. Inzwischen hatte die Stadt vertretung schon Schritte für Varrentrapps Befreiung getan; gegen Abend wurde er aus dem Arrest entlassen und bekam wegen seines Benehmens einen Verweis; von einer anderen Bestrafung wurde Abstand genommen, da er durch den Grafen aufs äußerste gereizt worden sei. Nach dem am 10. Mai 1752 erfolgten Tode seiner Gattin stand Varrentrapps jüngste Tochter seinem Haus halte vor. Uneinigkeit im Geschäft veranlaßten seinen Sohn und auch seinen Schwiegersohn, sich von seinem Geschäft zu trennen und als »Varrentrapp Sohn und Wenner« eine eigene Buchhandlung anzufangen. Auch die jüngste Tochter verließ 1783 das väterliche Haus infolge von Zwistigkeiten und zog zu ihrer Schwester; doch kam nach zwei Jahren eine allgemeine Versöhnung zustande. Der Verfasser der Memoiren »Vierzig Jahre eines Todtcn« (Tübingen 1848), Johann Nikolaus Fröhlich (Pseudonym des Karl I. Friedrich), erzählt, daß seiner im Jahre 1789 in Frankfurt a. M. vollzogenen Taufe eine kleine Anzahl von Personen, im ganzen 13, beigewohnt habe, darunter vor allem Goethes Mutter, die »Frau Rath«, ferner des Täuflings Großvater Schöff Wenner und dessen Schwager Franz Varrentrapp, »ein reicher gelehrter Buchhändler und Antiquar, ein geniales Original«. Von letzterem wissen die Memoiren zu berichten, er habe dein Kaiser Karl VII. mehr mals hochwichtige Nachrichten hinterbracht, ehe noch die diplomatischen Spürnasen Sr. Majestät eine Ahnung von denselben gehabt, die der Buchhändler vermittelst seiner weit verbreiteten Verbindungen in Erfahrung gebracht. »Auch wollte ihn der Kaiser zum Edelmann und Baron stempeln, was sich Franz Varrentrapp jedoch verbat und, für die hohe Gnade dankend, Sr. Majestät antwortete: ,Jch mag ein leidlicher Antiquarius und passabler Buch händler sein, würde aber allem Anschein nach nur ein mittelmäßiger Baron und ein sehr schlechter Höfling werden, deshalb geruhen Allerhöchstdieselben mich io etütn qrw zu lassen', — und damit hatte es auch sein Bewenden. Da gegen hatte Herr Varrentrapp die Schwachheit, daß, eine Meinung oder Tatsache behauptend, er häufig hinzusetzte: ,so dachte auch mein Freund Voltaire, oder ich Hab' es vom Kaiser Karl selbst'.« Inwieweit diese- Angaben der vielfach recht abenteuer lichen, auch boshaften Memoiren auf Wahrheit beruhen, muß dahingestellt bleiben, jedenfalls starb Franz Varrentrapp schon drei Jahre vor der Taufe seines Urenkels Karl I. Friedrich und war nicht der Schwager, sondern der Schwiegervater Johann Konrad Wenners, auch war letzterer nie »Schöff«. 506