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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 22.03.1921
- Erscheinungsdatum
- 1921-03-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-192103225
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19210322
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19210322
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1921
-
Monat
1921-03
- Tag 1921-03-22
-
Monat
1921-03
-
Jahr
1921
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 22.03.1921
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Nurchscha«. Mu» neue Sutwaffamr-suot« bat der Vorsitzende der Interalliierten Mili- tärkommission, General Nollet, an das aus wärtige Amt gerichtet, in der er darauf Yin- weist, daß die deutsche Regierung durch die Pariser Beschlüsse vom 2d. Januar ausgefor dert worden sei, bis zum 15. März das neue Wehrgesetz zu veröffentlichen und ein Gesetz über die Auflösung aller Selbstschuhorganisatio- nen zu erlassen. Nollet nimmt Vermerk da von dass beides bis zum 17. März nicht ge schehen ist und bestellt erneut auf beschleunigter Durchführung der Pariser Forderungen. — Wie gemeldet wird, ist das neue Wehrgeseh sowie das Gesetz zur Ausführung der Artikel 177 und 178 des Vertrags von Versailles in den letzten Tagen verabschiedet worden. Zum Schutzs der Schwerkriegsbeschädigten hat der Reichsarlleitsminister eine neue Ver ordnung entworfen, in der bestimmt wird, dass die gesetzlichen Regelungen, nach denen eine Kündigung Schwerkriegsbeschädigter erst dann wirksam wird, wenn die Hauptfürsorgestellc zugestimmt hat, bis zum 1. April 1922 ver längert ist. Dio schwarze Schmach am Rllein will nicht enden. Die Rheinische Frauenliga, Vereinigung rheinischer Frauen verbände aller Parteirichtungen und Glaubens bekenntnisse, bringt jetzt in 3. Auflage ein „Farbige Franzosen am Rhein" betiteltes Büch lein heraus. Es ist in Wahrheit ein Not- schrei deutscher Frauen. Auf 92 Setten ent rollt sich ein erschütterndes Bild: 34 Fälle von Notzucht, 28 Fälle von Notzuchtversuchen, 41 Ueberfälle, 7 Sittlichkeitsverbrechen an Knaben und 1 Fall von Mord und Mißhandlungen. Landtagsabgeordneter Grenz sz. Am Sonntag früh ist an dm Folgen eines Schlaaanfalls im Aller von 66 Iallrm der mehrlleitssozialdemokratische Landtagsabge ordnete Grenz in Dresden gestorben. Grmz war in früheren Iahrm in der Gewerkschaft--, bewegung und dann als geschäftlicher Leiter der Leipziger Volkszeitung tätig. Von 1903 bis 1907 und von 1912 bis zur Revolution vertrat er dm Wahlkreis Annaberg-Schwar zenberg im deutschen Reichstage. Seit der Re volution war er Mitglied der Volkskammer und jetzt des sächsischen Landtages. Der Narb folger des Verstorbenen als Landtagsahgeord- neter wird Buchhändler Berger aus Roßwein sein. Mit dem Streik beantwortet haben die Arbeiter die Maßnahmen des sozial demokratischen Oberpräsidenten Hörfing, der Schuh und Sicherheit gegm die überhandneb- mendm Räubereien anordnete. Aus Aalle wird dazu gemeldet: Als Protest gegm die vom Oberpräsidenten Hörfing veranlaßte Ent sendung der Sipo-Mannschaften in die In dustriebezirke find die Arbeiter zum Teil dem Aufruf zum Streik der Kornnnmistm gefolgt- Auf den Gruben der Mansfeldschm Kupfer schiefer bauenden Gewerkschaft bei Etslebm, sowie auf dm Gruben der Riebeckschen Mon tanwerke bei Oberröblingen find die Beleg schaften in dm Streik getreten. Die Arbeiter der Leunawerke verlangen von der Direktion, daß sie am Karfreitag gegen Zahlung des üblichen Tagelollnes arbeiten können- Die Verwaltung konnte dies nicht zusagen, da die gesetzlichen Bestimmungen dein entgegenstellm und hat sich uuum«l)r an den Minister in Ber lin gewandt, um ein« Entscheidung herbeizu- füNen- Die Arbeiter wollen erzwingen, daß ihnen am Karfreitag die Arbeit gestattet wird- Lie Auflösung der Kriegsgefellschaften zu befchlermigen, bezweckt eine Verordnung des Rei hsschatzministers- Das Reich wird dis gesc »licht Sperrfrist für diese Organisationen auf 3 Monate verkürzen. Mit Ablauf der Sp rrfrist erlöschen alle Forderungen an die Kriegsgefellschaften, wmn sie nicht schriftlich und gerichtlich geltend gemacht worden sind. Die Verordnung verleiht der Reichsregierung ferner die Macht, KriegsgeseUschaften als er lösten und ihr Vermögen als auf das Reich übe-, gegangen zu erklären. Die deutsch-russischen Wirtschaft»' bezkehungen sind durch ein vorläufiges Abkommen vom 18. Februar d. I. geregelt wordm, wodurch ein ungehinderter Wirtschaftsverkehr zwischen Deutschland und Rußland gewährleistet ist. Das hierüber vorläufig abgeschlossene Protokoll bildet gegenwärtig dm Gegenstand der Prä- fung bei dm in Frage kommenden Regierungs- stellen in Berlin und Moskau. Es bestes Hoffnung, daß beide Abkommen aus dieser Prüfung im wesentlichen unverändert hervor- gehen werden, und daß daraufhin eine Uwer- zeichnung und ein Inkrafttreten nach Maß gabe der gesetzlichen Bestimmungen beider Län der baldigst erfolgen wird. Eine russische Koalitlonsreglerung soll angeblich bevorstellen. In Helsingfors lie gen Nachrichtm aus Reval vor, nach denen Lenin mit einer Reihe von führenden Persön lichkeiten den Menschewiki und den Sozial revolutionären Verhandlungen ringe- leitet haben soll. Nach der „Verlingske Ti- dcnde" handelt es sich um die Möglichkeit der Bildung einer Koalitionsregierung. — Die weißrutbenischen Aufständischen haben am 16. März Minsk besetzt- Die 8. Rote Division ist auf die Seite der weißruthenischen Revo lutionäre übergegangm. Die Aufstlindischm haben die Weißruthenische Volks- republik ausgerufm. Bo» etner ukrainischen Gegen« revolutton berichtet die „Prager Tribuna" aus Bukarest. Die Organisation ist groß angelegt und die Führer find überzeugt, daß die Sowjetregie- »-ung ibrem Ansturm nicht wird Stand halten könnm. Dße Irländer veröffentlichen eine neue Proklamation, die in Dublin angeschlagen ist, daß fie entschlossen feien, dm Kleinkrieg fortzusetzen, trotz aller Verhaftungen, Hinrichtungen und Gettel- abfüllrungen- Gestern fielen malische Soldaten in Dublin in einm Hinterhalt. Drei wurden getötet, fünf verwundet. Zwei Zivilisten wur den gleichfalls getötet. Kleine Nachrichten. Zn England waren am 15. Mirz 1 355 000 Personen arbeitslos. — Graf Luckner, der bekannte Führer des „See adler" im Kriege, ist wieder in den Dienst der deutschen Marine eingetteten. — Die Aus lieferung der im Kriege 1870 71 von Frank- reich erbeuteten Geschütze, die wz Berliner Zcugbaus stehen, ist eingeleitet wor- den. — Die Kammerwalllen in Italien sind auf dm 27. April 1921 festgesetzt worden. Rian glaubt, daß die Kammer sich bis zum 25. März auflösen wird. — General Kos lowski der Führer der Kronstadter Aufständischen, unterhandelt in Hek singfors wegm Unterbringung von 22 000 Flüchtlingen. — Kronstadt soll nach englischen Meldungen am Sonnabend angeblich wieder von dm Aufständischen besetzt wordm sein (?). — Frankreich hat in Holland um Verlängerung seiner Kredite dis 1927 nachgefucht. Zm ßimns tiitt enter geaerbeftkun haben der Verband Sächsischer Industrieller, der Bund der Landwirte (Sächsischer Bauern bund), der Landesausschuß des sächsischen Handwerks, der Aentralverband des deutschen Großhandels, Vczirksgruppm Chemnitz, Dres den, Leipzig, der Landesverband der Arbeit gebervereinigung des Fullr- und Verkehrsge werbes in Sachsen und Thüringen, der Aerzte- vercin für Dresden und Umgebung, der Lan desausschuß des sächsischen Kleinbcnrdels Plauen, i. V., die Vereinigung selbständiger Inge nieure Dresden »md der Bergbauliche Verein für Zwickau rmd Lugau-Oelsnitz eine gemein same Einhabe an die sächsische Regierung ge richtet. Sie bringen darin ibre einmütige Ueberzeugung zum Ausdruck, daß die Einfüh rung der geplanten Landesgewerbesteuer für die Erwerbsstände und die gesamte Bevölke rung Sachsens die eingreifendsten Schäden mit sich bringen müßte. Es beißt in der Eingabe u. a.: Eine Landesgewerbesteuer in der vorge- schlagmm Form nimmt nur die vom Reiche aufs stärkste ausgeschvpften Steuerquellen noch mals in Anspruch und würde zusammen mit neuen rmd erhöhten Steuerlasten in Staat rmd Gemeinde (Zusahsteuer vom Einkommen, Lan- desgrund-, Stempel-, Wohnungs-, Mietsteuer-, Gerichtskosten, Verwaltungsgebühren usf) auf die Gewerbe unverhältnismäßig und übermä ßig drücken. Zunächst sind tatsächlich notwen dige rmd wesen liche Voraussetzungen für Ein führung einer seit langem in Sachsen unbe kannten Gewerbesteuer nicht erfüllt. Zwangs wirtschaft rmd Preiskontrollen bestellen noch fort und engen den Betrieb ein, die Anteils der Länder und Gemeinden sind nach illrer Höhe noch nicht zu übersetzen, und auch sonst mangelt es vielfach an einem zuverlässigen sleberblick über die öffentlichen Einnahmen; dis Erwerbsstände aber sind bereits jetzt über illrs Leistungsfähigkeit hinaus in Arrspnub genom men. Die Steuerbemessungsgrundsätze des Entwurfs find z. T. unoerecht, z. T- bart. Sie erfordern, zumal in ihrer Häufung (näm lich Steuersätze nach dem Anlage- und Be triebskapital, nach dein Ertrag, nach dein Miet- wcrt der aewerblichen Räume, nach der Aalll der beschäftiaten Hilsspersonen und nach dem etwaigen Mehrertrag) ein kompliziertes Ver fahren und einen vermehrten Verwaltungs apparat und fübren zu unbilliaen und drücken den Ergebnissen. Eine Landesgewerbesteuer mit bollem Iabreserttag, wie man ibn erwar tet, und mit Sonderzuschlägen für di« Ge meinden bis zu 25 v. H. müßte zudem stark unsozial wirken und Lebensmittel und Be darfsartikel in einer Zeit, die mit Recht drin gend nach Preisabbau verlangt, weiter Ver teilern. So bat die Gewerbesteuer die erbeb- lichsten Gründe und gewichtigsten Bedenken gegen sich und cs gebricht in der Jetztzeit sckwn an wesentlichen Vorausschtmgen ihrer gesetz geberischen Inangriffnahme- Mische VMMtei. Der Landesausschuß der Deutschen Volks partei hielt in Dresden unter der Leitung sei nes Vorsitzenden, Oberlandesgerichtsrat Dr. Gutmann, eine Sitzung ab, die aus allen Teil len des Landes beschickt war. Unter anderem wurde auf Anttag des Ortsvereins Chemnitz beschlossen, dm fm April in Aussicht genom menen Landesverttetertag in Ch«mnitz abzu halten. Der Not der Zeit eingedenk, nahm der Landesausschuß einstimmig folgende Ent-, schließung an: Der Landesausschuß legt vor der Öffentlichkeit feierlich Verwahrung da gegen ein, daß die Entente, um das deutsche Volk zur Annahme eines nach seiner Ueder- zeugung unerfüllbaren Vertrages zu zwingen, entgegen den eigenen Bestimmungen dieses Vertrages, deutsches Gebiet nrilitärisch besetzen und durch Errichtung einer Zollgrenze mitten durch das Reichsgebiet, sowie räuberische An eignung deutscher Staatseinnahmen, deutsche Hoheitsrechte verletzt, und dm deutschen Han del durch Ausnahmebelastung mit einer 50pro- zentigen Abgabe allzuschneiden versucht. Er ist der Ueberzeugung, daß diese Forderungen, de ren Annahme die Entmte durch diese rechts widrigen Zwangsmaßnahmen zu erpressen sucht, vorn deutschen Volke nicht erfüllt werden kön nen und daß illm illre Annahme noch viel drückendere Lasten auferlegcn würde, als jetzt die Durchführuna der erwähnten Zwangsmaß nahmen. Deshalb ersucht er die Reicbstags- sraktion der Deutschen Volkspariei, auf all« Fälle an ihrem entschiedenen Widerspruch ge gen die Unterwerfung unter das Pariser Dik tat festzuhalten- SllMtS nt SWschv. Wußtest Du schon daß Du in der öffentlichen Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung für die Ein kommensteuer 1920 „ergeben st" aufgefordert wirst, dies zu tun? daß der Fragebogen 108 Fragesätze (mit Fragezeichen) umfaßt? daß in diesen 108 Fragesätzen mindestens 136 Fragen (oder mehr: ich kann mich geirrt ballen!) enthalten sind? daß, wenn Du so glücklich bist (was aber scbon nichr ein Unglück ist!), die Kapitalsteuer erklärung aussüllen zu können loder: zu müs sen, und zwar nach bestem Wissen rmd Ge wissen!) weitere 7 Fragesätze hinzukommen? daß in dielen 7 Fragesätzen mindestens weitere 25 Fraaen (oder mebr: ich kann mich auch da oeirrl llaben!) enthalten sind? daß Du einzelne Fragen, wenn Du Ar beitnehmer bist, wollt nicht beantworten kannst? — Zum Beispiel die Fragen: Ist der Steuer- abzug von 1. Ihrem Arbeitgeber 2- an die Finanzkakle, 3. bar, 4. einaezalllt worden? Fenier: An I welch« Finanzkasse ist 2. diese Baren zablung eriolat? Du wirst das kaum wiüen. (Diese sechsftaaigen beiden Fragen find in der obigen Zahlenangalle nrrr al- 2 Fragen gezählt!) daß die Reichsfinanzverwaltung dies alles wissen will, auch von S euervflickrtigen bis zum Jahreseinkommen von 20 000 Mk., während ! eine andere Abteilung derselben Rsichsftnanz- I Verwaltung schon sängst einen Geketzentwurs , Vorlegte, wonach die Steuergrenze auf 20 000 j Mark erllöht werden soll? daß, wenn dieser Gesetzentwurf Gesetz ge- > worden ist (woran nicht zu zweifeln ist), alle Wenn stch zwei die Mnbe reichen Roman von M- Eitner. 11. Fortsetzung (Nachdruck verboten.) Drittes Kapitel. Schlaflos batte Stein die wenigen Nacht stunden verbracht, die ihm nach dein Verwei len mit denl Daron noch blieben. In ihm war ein Drängen und Stürmen, das Klärung verlangte. Ein Hangen und Bangen war seiner kraftvollen Natur zuwider. Außergewöhnliche Verhältnisse mußten ein außargewöhnliches Vorgehen entschuldigen, und doch war es, als ob eine unsichtbare Hand ihn zurückhalte und ihm vorläufig noch Schwei- gen auferlege. Gegen acht Uhr morgens nahm er in der Restauration, jenseits der Brücke, sein Früh stück ein, am selben Tisch wie gestern- Un entwegt beobachtete er den Hoteleingang, ob gleich er sich sagen »rußte, daß die beiden Da men heute so früh wohl nicht erscheinen würden. Um seiner inneren Unruhe einigermaßen Herr zu werden, unternahm er einen Spazür- gang, die Riva degli Schiavoni entlang bis zu den Giardini Pubblici- Als er dann znrückkam, sah er Frau von Zagory und Elisabeth an demselben Tisch fitzen, an dem er gesessen hatte- Sie schienen ihr Frühstück schon beendet zu haben- Er trat näher, und ein Glücksgefühl er faßte ibn, als ihn aus Elisabeths Augen ein warmer Strahl traf, als fie ihm die Hand zum Gruß entgegenstreckte und fröhlich sagte: „Wir dachten schon, Sie seien heute der Lang schläfer, aber — wir triumphierten wohl voreilig." „Ja, mir scheint auch, Sie haben schon einen Spaziergang hinter sich," bemerkte Frau von Zaaory. „Wollen Sic uns jetzt ein we nig Gesellschaft leisten und uns helfen, die nächsten Stunden gut auszunühen, denn wir können uns doch nicbt daran genügen lassen, nur den Markusplatz gesehen und eine Fahrt zum Lido gemacht zu haben " „Ich würde Vorschlägen " sagt« Stein, „den Dogenpalast und seine Galerien zu setzen, aber nicht die Kerker," schaltete er lächelnd ein — dem Dom einen kurzen Besuch abzustatten und bis zur Rialtobrücke zu gehen, von dort aus eine Gondelfahrt bis hierher zu machen, oder die Gonselfabrt erst am Abend zu unterneh men. Letztere Fabrlen ballen einen eigenen Reiz, und Venedig ist schöner am Abend als am Tage." „Den heutigen Abend," entgegnete Frau von Zagory, „möchten wir gern in völliger Rub« zubringen. Ihr erstes Programm finde ich sehr schön. Was meinst du, Elisabeth?" „Ich bin mit allem einverstanden und ich denke, eine Gondelfahrt am Abend können wir ein andermal unternehmen. Mir reisen ja doch morgm früh noch nicht ab." „Ist denn Ihr Aufenthalt hier überhaupt so begrenzt?" fragte Stein schnell. „Wir lassen uns nur vom Augenblick oder s von der Stunde bestimmen," entgegnete Frau. von Zagory lächelnd, „fühlen »ms jedenfalls! vom Glück begünstigt, daß wir hier so liebens- ! würdige Helfer und Berater gefunden ballen. - Eigentlich begehen wir aber doch einen Raub an Ihnen, wenn wir so ohne weiteres an- nebmen, daß Sie uns Ihre Zeit widmen." „Ich wüßte sie nicht besser anzuwenden," gab Stein einfach zurück. Wenige Minuten später wanderten sie dem Dogenpalast zu. Als fie den Markusplatz überschritten, auf dem jetzt die Taubenschar teils umhcrflatterte, teils furchtlos zwischen den Menschen auf den Steinen umherlief, dacht« Elisabeth an den gestrigen Abend und sagte: „Am bellen Tage erscheint das Bild, das man vor sich hatte, wie ein Traum." Stein war ei», vorzüglicher Begleiter für die Damen. Aus dem Schatz seiner geschicht lichen Kenntnisse brachte er zutage, was die Wanderung durch die Säle rmd Hallen des Doocnvalastcs interessant machen konnte. Wieder und wieder geschah cs, daß seine und Elisabeths Blicke sich trafen, und daß die Auaen beider dann aufleucht etcn in Hellem Glanz. Frau von Zagory sah es, und was iin erst als Atmung gedämmert hatte, wurde ihr mm zur Gewißheit: diese beiden Menschert liebten sich. Im Kaffee Florian am Martttsplah wmde ein kleines Frühstück eingenommen. „Wir müssen Kraft sammeln zum Spa ziergang und zur Gondelfahrt," behauptete Stein, und Frau von Zagory stimmte ihm bei, war doch eine kleine Zwischenmahlzeit er- sorderlich, da man erst um siebeneinhalb Ullr zur Table d'tzote ging. Die Zeit schwand bin und Frau von Zagory sagte sich, daß jede Stunde eine För- dc»img bedeute für die Annähruna zwischen Elisabeth »md den» Professor. Sie dachte nicht daran, ein Glück zu stören, das sich für Eli sabeth nabte, aller fie mußte erst klar darüber werden, ob es auch wirklich ein rechtes Glück war, ob das, was zwischen dm beiden stellen konnte, zu Überwinder» sein würde. Sie fall, wie Elisabeth den Spaziergang und die Gondelfabrt mit Begeisterung und Vergnügen genoß, und nicht mst einem Wort trat sie störend dazwischen. Als sie wieder am Hotel Bauer anlang ten mrd sich in der .Halle trennten, sagte sie mit illrer gewohnten Liebenswürdigkeit: „Aut Wiedersehen bet Tisch." „Und jetzt »vollen wir uns ausrullen," sagte sic zu Elisabeth, als fie ihre Zimmer betta- ten, „und herrte ziehen wir »ms gleich nach Tisch zurück, wenn es dir recht ist. Wir »missen unsere Kräfte doch schonen." „Ich bin aber eigentlich gar »richt »nüde, Tante Anna," erwiderte Elisabeth, obgleich fie jetzt blaß und abgespannt erschien. „Nun, dann ruhen wir uns beute abend mal aus, otznc müde zu sein." Bei Tisch kam es zwischen der» beiden Damen und Stein zu keiner besonderen Unter - tzaltlnrg, da »reue Gäste sich eingefunden batten, die mit großer Lebhaftigkeit nach allen Seiten bin Gespräche anknl'lpften. Als sich Steil» nach Aussiebung der Takel von den beiden Damen verabschiedet hakte, verließ er noch einmal das Hotel, mn einen Spaziergang zu machen, da ihm ein ruhiges Stillfihen in seinem Zimmer beinah mnrttäg- lich erschien, und er für seine Zeichnungen und Blume»» nicht di« nötige Sammlung »md Ruhe batte- Er wanderte durch verschiedene kleine Gas sen, betrat dann den Markusplatz, der in glei chem Glanze wie gestern erstrahlte und illm sicilte doch nicht im entferntesten den überwäl tigenden Eindruck wie gestern machte- Er kehrte ziemlich früh in das Hotel zurück »md begab sich in sein Zimmer, wollte arbeiten und könnt« doch nicbt- Er sträubte sich gegm eine Macht, die so nm und wtmderbar in sein Leben ein- grisf, und empfand doch, daß alles Sträuben mnsonst war- Er verwünschte die Nachtstun den, die illm keine Ruhe brachten, und war srotz, als der Morgen anbrach, die ibm das Wiedersetzen mit Elisabeth bringen mußte. Ebe er zum Frühstück nach unten ging, erledigte er noch einige nötige Briefe. Als er da»»»» wieder die Brücke, die z»n Restauration führt, überschritt, fühlte er sich enttäuscht, als er Frau von Zagory allein an einem Tisch fitzen fall- Grüßend näberte er sich und fragte: „Ist Fräulein von Wallhofen krank?" „Nickst krank, aller sie bat Kopfschmerzen, und ich balle ihr als strenge Hüterin illrer Ge sundheit einige Stunden Ruhe verordnet. Sie bat ein sebr lebhaftes Empfinden, mrd die vie len Eiirdrücke, das wunderbar Gelleiinnisvolle, das über Venedig liegt wie ein Schleier, der nur mst Vorsicht zu lüsten ist, kann wohl leicht empfängliche Gemüter in Unruhe brin ge»»- Wenn Sie übrigens Ihre bisher bewie sene Liebenswürdigkeit so weit ausdehnen wol le»», mich bis z»nn Giardino Reale zu beglei ten, so würde ich Ihnen sebr dankbar sein- Ich möchte gern eine Stunde im Freier» zu- bringen, möchte mich aber nicht weit entfernen." „Sie ebren mich, gnädige Frau, wenn Sie meine Begleitung annehmen." „Dann bitte, brechen »vir sofort auf. Ich denke, gerade während der Morgenstunden muß cs dort, mn Ufer der Lagune, köstlich sein." (Fortsetzung folgt )
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