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I. Aufgabe und Hilfsmittel der Piychologie. Der Kame „Psychologie" hat in Öen letzten Jahrzehnten eine Ausbreitung angenommen, die er früher nie gehabt hatte, ein spechendes Anzeichen für Öen Staub unserer Kultur und für bas 3nteresse, bas weiteste Kreise ber Sache entgegenbringen. Seltsam! "Das Dort ift ein Erzeugnis ber Kathedersprache unb blickt auf fein sehr hohes Alter zurück. Erst {590 ift es, wenn es auch schon von Zlelanchthon herrühren mag, non einem Marburger Universitätsprofessor Soclenius in bie Literatur ein- geführt worden. So rasch pflegen sonst gelehrte Worte nicht in bie verschiedensten Schichten ber Bevölkerung 311 bringen. Es mus demnach mit ber Psychologie eine eigene Bewandtnis haben, trenn ibr Rame so beliebt ift. Unb in ber Lat, bie Sache, bie ber Xame deckt, ift bie populärste von ber Welt, ift bas, was jeden Menschen am nächsten angeht, feine Seele. Unfer Zeitalter ift von einer Neigung zur Subjektivität erfüllt, bie früher nicht erhört war; man schätzt unb achtet bas Persönliche, bie ästhetische Kultur des Schönen, bie sittliche Selbsterziehung, alles Dinge, bie an ber Seele hängen. Sollte bas an ber wissenschaftlichen Betrachtung bes Seelenlebens spurlos vorüber- gehen? Anderes kommt hinzu. Der sich tiefer in bas ge- f chichtliche unb staatliche feben ber Dölfer, in bie eheimnisse ber Erziehung, in bas Wefen ber Sprache, in bas Desen ber heute so häufigen Seisteskrankheiten versenken will, stöst sehr halb auf bie Seele, bie „Psvche", wie sie noch riete mit ihrem griechischen Ramen nennen, unb sucht sich irgend welche Dor- stellung non ihr 311 machen. Endlich sorgen neben ber Dissen- schaft vom Eeben überhaupt (Biologie) noch bie Jurisprudenz in ihrer heutigen form, unb nicht 311m wenigsten bie neuere Philosophie selbst, gründlic bafür, daßs bie Erforschung ber Seele — bas bebeutet also „Psvchologie“ — nicht non ber Tagesordnung verschwindet. Dyroff, Pychologie, 1