72 Dom Dorstellungsleben bet Seele. rung neuer Arbeit, darin dürfte bas Wefen der Dorstellung ausgedrückt fein. Die Betrachtung eines Blümchens, eines Stüdes einfarbiger Tapete erfordert phvsiologische und psychi- sche Arbeit. 3n dem Bruchteil eines Causendstel einer Sekunde leisten mir ein nicht geringes Pensum. Es geht im allgemei- nen nicht verloren. 3n eigene formen umgeprägt werden die ursprünglichen Sinnesbilder aufbewabrt, und in ukunft Fönnen wir zum großen Seil aus eigenen 2littel unfern Bedarf an an- schaulichen Bildern bestreiten. Was die Dergangenheit brachte, beziehen mir wünschend, hoffend ober erwartend auf bie u- kunft. Solange bas Kind noch feine (Erinnerung hat, lebt es unbeholfener dahin als Sier unb Pflanze. Wie Waffertropfen vom glänzenden Schuppenleib ber Sische fallen von ber Seele bie Gesichts- unb Sehörseindrücke ab, bie halb nach ben erften Eebenstagen ins Bewusztsein bringen. Selbsttätige Erkenntnis unb Wollen ift unmöglich. Unb scheinen auc bie Gedächtnise bilber mit ben ursprünglichen Sinnesbildern verglichen wie blaffe, lückenhafte, verwaschene Abzüge von einer schon vielbenutzten platte zu fein, fo lägt sich dennoch mit biefen „Kopien" nicht übel arbeiten. (Ein öfterer Abdruck besfelben Bildes führt auch nicht zu feiner Derschlechterung, fonbern in ben Grenzen bes Wages vielmehr zur Derbesserung. Wit Recht hat man bie «Einübung unserer MTuskeln durch ben Gebrauch unb ihren Der- fall durch Untätigfeit bamit verglichen. Übung bes Gedächt- niffes auf irgenb einem engeren Gebiete erhöht nicht nur für alle gleichartigen Dorstellungen bas Gedächtnis, fonbern scheint überhaupt feine Eeistungsfähigkeit zu erhöhen („Allgemeiner übungswert ber Diederholungen). Trotzdem gleicht unfer Ge- dächtnis nicht bem See ber Sage, ber feinen Grund hat. Wir beherrschen bei allen individuellen Derschiedenheiten bes persön- lichen Gedächtnisumfangs ftets nur einen irgendwie abgegrenzten Kreis von Dorstellungen. 3st auch bie weitverbreitete Surcht vor „überlastung“ bes Gedächnisses nicht in bem Grade be- rechtigt, wie manche glauben, fo geht unfere Gedächtnisbereit- schaft doch nicht ins Inendliche. Dom Wortschatz einer Sprache steht bem einzelnen ftets nur ein Seil wirklich zu Gebote, unb bie Sprache, bie doch aus bem Bedürfnis herausgewachsen ift, beobachtet überall eine groge Sparsamkeit in ihrem 2Tünz- schatse. Das Interesse ber raschen unb möglichst freien Verfügung