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wiederbringlich dahin. Xach Jahrzehnten oft erinnert uns ein Besuch in der längst verlassenen, inzwischen nie wieder besuchten Heimat an Jugendgespielen, die uns völlig aus dem Gesichts- kreis gekommen waren. Greise behaupten, daß sie von Bildern heimgesucht werden, die längst sie vergessen geglaubt; selbst der Traum führe ihnen verschollene Ereignisse aus der Kinderzeit wieder vor die Seele. Da ist der Schlus doch nicht zu um- gehen, das diese Bilder während der langen Pause unbewust in der Seele vorhanden geblieben sind. Sür die Seele scheint nicht zu gelten: „Was verloren kehrt nicht wieder." Eher gilt der zweite Derst „Aber ging es leuchtend nieder, leuchtet’s lange noch zurück." Dir meinten oben, daß sich die seelischen Erscheinungen nicht mit Händen greifen, nicht mit dem 2likroskop besichtigen laffen. Sewis, bas bleibt bestehen. Aber eine anbere 2Tög- lichkeit ift uns gegeben. Dir fönnen bie psvchischen 3nhalte uns vorstellig machen unb biefe Dorstellungen in Worte faffen. Worte werden auc in unfern Darlegungen für bie wirkliche Sache einzutreten haben. Dabei machen mir, ben Gesetzen ber Sprache nachgebend, Dorgänge unb Cätigkeiten 311 bleibenben Wefen. Wir werben von „bem Gefühl" sprechen, unb meinen bie einzelnen Erlebnisse bes Schmerzes unb ber Sreude, ber Hn- lüft unb ber Eust. Das sieht so aus, als ob „bas Gefühl" etwas für sich wäre unb wohl gar einem lebenben Wefen gleich- fäme. Dies hiesze aber bie Absicht ber Psychologie gänzlich ver- kennen. Der dramatische Dichter mag bas efühl ober ben Gedanken in Kleiber stecken unb auf bie Bühne bringen, wie bies bie Allegorie feit alter Seit in bewußtem Spiele zu tun pflegt unb ein neuerer Dichter (War Dauthendey) in einem Jugendgedicht voll verwegenen Ernstes wagte. Der Psvchologe aber barf feinen Zweifel barüber laffen, das all bas nur vor- übergehende Erscheinungen, Dorgänge, Cätigkeiten ober uständ- lichfeiten finb, beren Untergrund eben in Srage steht. Hütet man sich vor bem Hange, bie pfvchischen Dorgänge als selb- ftänbige Wefen zu behandeln, fo läst sich unbedenklich von einem Seelenleben reden, auch ohne das man weiß, was denn eigentlich bie „Seele" ift.