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98 Das Sesühls- und Criebleben. ober rün setzt, sondern ein vollständiges Auswechseln, und daraus möchte man wieder schlieszen, das auch hier für einen Augenblic die Jndifferenzgrenze erreicht wird. Eust, Unluft und dazwischen etwas öleichgiltigkeit, das wäre ein sehr dürftiger Speisezettel, den uns das efühl vorlegte. Hätte der Dichter Recht der da singt: „um Hassen ober Sieben ist alte Welt getrieben; es bleibt uns feine Wahl: Der Teufel ift neutral", fo hätten mir gar nur zwei mögliche Sagen. "Der ungeheure Reichtum des menschlichen Gefühlslebens, diefer schier unerschöpf- lichen Quelle der Dichter, Ausifer, 2aler und Bildhauer, scheint dem aber entschieden zu widersprechen. Und mus man auch zugeben, das die Schilderung der biogen Gefühle für ben, ber sie nicht felbft erlebte, leicht etwas Eangweiliges hat, daß es feiten jemand dahin bringt, ein Bändchen Iyrischer Sedichte auf einen ug auszukosten, fo wissen mir doch jeber aus feiner eigenen Erfahrung — unb bas Gefühl ift Sadie ber Selbst- wahrnehmung —, mie unser Gefühl fortwährend von Augen- blic 311 Augenblic ein anberes mirb. Die anders fühle ich heute als gestern, mie anders bas Kind als ber 2lann unb ber (Breis! Die unbeschreiblic finb doch bie Gefühlszustände, bie ber Knabe um bas dreizehnte, ber Jüngling um bas sech- zehnte Jahr durchmacht! Unb gewis auch fühle ich zweifelnd anders als energisch wollend, wollend anders, als menn ich bloß leicht geftimmt, froh ober übel gelaunt bin. ferner ift bas Gefühl gespannter Erwartung etmas anberes als bas Gefühl ber befriedigenden ober unbefriedigenden Eösung, bas Gefühl ber Aufregung etmas anbers als bas Gefühl ber Beruhigung unb ber Depression. Dennoch können uns alle biefe richtigen Bemerkungen nicht verhindern, Eust unb Unluft als bie legten Qualitäten des Gefühls anzusehen. 3s doch, um nur zwei Beispiele zu geben, ber weifel bald voll angenehmer Hoffnung halb voll unlustvoller Pein, ift doch bie Spannung halb eine freubige balb eine leibige! Der emig wechselnde Gefühlsstan erklärt sich leicht aus drei Eigenschaften bes Gefühls: f. Der- binbet sich bas Gefühl, unb zwar je schwächer es ift, um fo inniger mit ben gegenständlichen Jnhalten bes Bewusztseins, fo das es nur mit 2lühe von feiner Ursache unterschieden merben