Geduld jetzt am Ende ihrer Tragfähigkeit angelangt ist. Da nun die Begünstigung des Ultramontanismus mit der Bevorzugung der evangelischen Orthodoxie Hand in Hand geht, da beides veranschaulicht, wie sehr bei uns dem starren Bekenntniswesen Vorschub geleistet wird, so kann die Befreiung unserer Kultur von seinem lähmenden Zwange nur durch eine Beseitigung des Bekenntniswesens überhaupt erzielt werden; und das rechte Mittel dazu vermag einzig die Geschichtsforschung durch eine Kritik der Grundlagen des Bekenntniswesens zu liefern. Wohl haben die liberalen Theologen seit der Be gründung der Tübinger Schule mit Ernst und Eifer sich der Erforschung des Urchristentums hingegeben; aber me thodisch nicht geschult und zugleich erfüllt von mancherlei Voreingenommenheit, blieben sie darauf versessen, ihre Forschungsarbeit nach eigentümlichen Regeln zu be treiben: sie haben so ihr Forschungsgebiet zum Tummel platz persönlicher Willkür gemacht, eine unsägliche Mühe ganz umsonst aufgewandt und unter dem Wüste der sich kreuzenden Auffassungen ihre richtigen Ergebnisse nur sehr langsam zur Anerkennung gebracht, vor allem aber dadurch in weiten Kreisen unseres Volkes alles Vertrauen eingebüßt. Dieses Mißtrauen kann im allgemeinen nicht un gerechtfertigt genannt werden; denn auch heute noch ist die beschränkte Gläubigkeit, welche in den Schriften des Neuen Testaments Gott selber sich bekunden sieht, geradeso auf theologischem Gebiet zu finden, wie die zügellose Kritik, welche darzulegen sich getraut, daß Jesus gar nicht existiert habe. 2 ) Eine solche Zerfahren heit ist eben der Fluch der unerfüllbaren Bestimmung, welche der Theologie zuteil geworden ist: den Glauben