74 Jesus hat nun beide Vorstellungsreihen, die mes sianische und die apokalyptische, miteinander verbunden, dabei aber in der messianischen auf die ethische Seite sich beschränkt, den Messias also aller national-politi schen Bestrebungen entkleidet, um dafür mit desto größerer Inbrunst die apokalyptische sich zu eigen zu machen. So wird es verständlich, daß er für sein Erdendasein mit der Forderung Johannes’ des Täufers, welche auf die innere Heiligung des Menschen geht, sich bescheiden und doch in der vollendeten Durchführung schon das Messiasreich als gekommen ansehen kann; denn er be ginnt seine öffentliche Tätigkeit mit der Predigt, welche zugleich den Anbruch der messianischen Zeit verkündet und die Forderung des Täufers wiederholt (1,14.15): „Die Zeit ist erfüllt und das Reich Gottes herbei gekommen; tut Buße!“ Und er schließt sie, wie schon erwähnt, indem er, nach seiner Vollmacht befragt, sich auf Johannes den Täufer beruft (11,27—33). Daß ein solches Messiasbewußtsein bereits bei seiner Taufe in ihm erwacht sei, wie Markus will, ist offenbar falsch, weil schon die folgerichtige Ausführung des von Johannes vertretenen Bußegedankens ihn etwas so Äußerliches wie die Taufe hätte ablehnen lassen müssen, ihr aber vollends die mit der Rolle des mystischen Menschensohnes kombi nierte Messiaswürde widerstrebt. Der Grund, von der volkstümlichen Auffassung des Messias, als eines na tionalen Kriegshelden und Befreiers, so weit sich zu ent fernen, liegt sicherlich in einer vernünftigen Überlegung: wie konnte man, wenn man nicht die Augen vollständig vor der Wirklichkeit verschloß, noch daran denken, daß das kleine jüdische Volk gegen die überwältigende Macht