16 ihrer entstellenden Einhüllung, wenn sie denn doch nicht die parteiischen Zeugen überhaupt beiseite lassen kann. Ist denn nun unter den zahlreichen Schriften, welche uns aus dem Altertum überliefert sind, nicht wenigstens eine erhalten, deren Urheber die im Neuen Testament geschilderte Entwicklung der Dinge in Palästina mitan gesehen oder doch miterlebt oder wenigstens von ver läßlicher Seite hat erzählen hören und darüber einen schlichten Bericht erstattet hat? Es gibt in der Tat einen griechischen Schriftsteller, welcher diesen Anforderungen zwar nicht in ihrer ganzen wünschenswerten Strenge ge nügt, aber doch nahe kommt: das ist der Jude Josephus. 23 ) In Jerusalem geboren, wenige Monate nachdem Pontius Pilatus, der Prokurator von Judäa, im Jahre 36 vom Amte suspendiert war, erhielt Josephus eine sorg fältige rabbinische Erziehung und gesellte sich dann den Pharisäern bei. Im Alter von sechsundzwanzig Jahren machte er eine Reise nach Rom, um die Freilassung einiger ihm nahestehender nach Rom abgeführter Priester zu erwirken, was ihm auch durch die Gunst der Kaiserin Poppäa gelang. Trotzdem schloß er sich, nach Judäa heimgekehrt, im Jahre 66 dem Aufstande der Juden gegen Rom an, indem er den Befehl in Galiläa übernahm. Aber schon im nächsten Jahre fiel er in die Gefangenschaft der Römer, wußte jedoch die Gewogenheit des römischen Oberbefehlshabers Vespasian sich zu erwerben, so daß er im Hauptquartier des Titus der Beendigung des Krieges, der Zerstörung Jerusalems, beiwohnen durfte. Hierauf siedelte er ganz nach Rom über, wo er als römischer Bürger und als Günstling aller Kaiser des Flavischen Hauses sich literarischer Beschäftigung hingab und jeden falls noch über das Jahr 100 hinaus lebte. Seine beiden