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520 Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. .N 28, 6. März. menhänge. Mit jenem verlange das Gesetz etwas vom Kaufmann (Buchhändler), mit diesem gewähre es ihm etwas, für die Last einen entsprechenden Vortheil. Jenes Eingreifen des Staats sei begründet in der öffentlichen Stellung des Kauf manns (Buchhändlers) und in der Tragweite seines Geschäfts- lebcns für das Publicum und die übrige Handelswelt, was sich z. B. bei einem kaufmännischen Fallissement zeige; daher fordere das Handelsgesetzbuch im Allgemeinen Buchführung und Eorre- spondenzsammlung (Art. 28.), jährliche Inventar- und Bilanz- anfertigung (Art. 29—31.), für die Buchführung aber gewisse Formalrücksichten (lebende Sprache, gebundene Bücher, fortlau fende Foliirung, Unterlassung von Zwischenräumen und Schrift- veränderungen Art. 32.), endlich auch Aufbewahrung der Bücher und Eorrespondenzfascikel durch 10 Jahre (Art. 33.). Das da neben gewährte Han d elspriv ileg charakterisice sich als eine Ausnahmevon dem sonst ausnahmslosen undvernünftigen Satze, daß eine (Hand-) Schrift nichts zu Gunsten des Schreibenden selbst beweisen könne, und diese Ausnahme sei eben nur erklär bar durch die vorschriftsmäßige Strenge der Buchführung, welche die unumgängliche Voraussetzung bilde. Die den ordentlich ge führten Handelsbücbern ertheilte Beweiskraft ist freilich keine absolute, aber doch auch keine schlechthin beschränkte, sondern die Abwägung des Gewichts dem richterlichen Ermessen überlassen, gilt aber nur Kauflcuten (Buchhändlern — also Fachgenosscn) gegenüber und ist begleitet von der Verpflichtung, auf Erfordern des Gegners die Bücher (den betreffenden Theil derselben) im Prozeß vorzulegcn (Art. 34. 35. 37.). Der Redner wendete sich nun dem engeren Kreise des speciell buchhändlerischen Geschäftswesens zu, um zunächst die Rechts verhältnisse der Buchhändler bezüglich der verschie denen buch händlerischen Ressorts zu beleuchten. Er verglich die Welt des Buchbandels mit einem Gebäude, dessen bauliche Eintheilung oder Gliederung theils in horizontaler, theils in vertikaler Richtung verfolgt werden könne. In erstecer Rich tung lassen sich neben dem Hauptkörper des Gebäudes (Bücher handel) Seiten- und Hintergebäude (Musikalien-, Kunst-, Land kartenhandel, beziehentlich Handschriften- und Photographien handel; Antiquariatsbuchhandel in der Form des Lagers und des Auctionsinstituts) unterscheiden; diesen Eintheilungsgliedern vin- dicirt der Redner den Ausdruck Geschäftszweige oder Com- pctenzen (Sprengel?), wogegen er für die andere Richtung des Eintheilens (von unten nach oben oder umgekehrt) die Bezeich nung Ressorts oder Vertriebs-Instanzen (Fächer?) gebraucht wissen will. Den Unter- und Oberbau stellen das Verlags- und das Sortimentsgeschäft, einen Zwischenbau das Eommissivnsge- schäft dar, und die äußecstegleichsaminsUnbestimmteauslaufende Linie ist in der Eolportage zu erkennen. An die Unterscheidung der Branchen knüpft sich (abgesehen von der Ausbildung specicllcrUsancen) kein besonderes rechtliches Interesse, dagegen bieten die durch dieTheilung de» Ressorts her- vorgerufencn Geschästsbeziehungen mannichfachc» Anlaß zu Rechtsfragen. Im Allgemeinen werden diese Beziehungen getroffen durch Art. 272. sub5. des Handelsgesetzbuches, welches sie zu denHan- delsgeschäften zählt. Abseits von diesem ganzen Kreise liegen die Unternehmungen von Leihbibliotheken, Journal- und Musikalien- cirkeln, Lcsemuseen, Zeitungsausträgercien, denn Ankäufe zum Vermierhen sind, wenn auch Speculationen, doch nicht Han delsgeschäfte (Art. 271. sub 1.); dies können sie nur dadurch werden, daß sie von einem Buchhändler im unmittelbaren Zusam menhänge mit seinem Vcrlriebsgcschäft ausgeführt werden (Art. 273.), z. B. Abonnement mit Verloosung. Die Stellung des Verlegers zeigt sich in vierfacher Rich tung: zum Autor und dessen Erben, zum Sortimenter, zum Eommissionär und zum Publicum; ebenso mannichfaltig ist die Stellung des Sortimenters: zum Verleger, zum Commis- sionäc, zum Eolporteur und zum Publicum. Den Eom missionär anlangend, so erledigt sich seine Doppelstellung zum Verleger einer- und zum Sortimenter anderseits durch das eben Gesagte; er ist buchhändlerischer Agent (beziehentlich mit derAuf- gabe eines Buchführcrs, Eassirers, Spediteurs, Boten), und da er nicht im eigenen Namen conlrahirt, fällt er nicht in die Ka tegorie des kaufmännischen Commissionärs (im Sinne des Han- delsgesctzb. Art. 360. u. ff.), er ist genereller Handlungsbe vollmächtigter im Sinne des Art. 47., ohne natürlich zum Handlungspersonal des Eommittenten zu gehören, also nicht Ge hilfe, sondern (gleich dem kaufmännischen Agenten und Provi- sionsreiscnden) ein selbständiger Handlungsbevollmächtigter. Die Doppelstellung des Eolporteurs endlich zum Sortimenter und zum Publicum ist ziemlich einfacher Art. Zuerst gilt es nun, das Geschäftsvcrhältniß zwischen Ver leger und Sortimenter ins Auge zu fassen. Die Organi- salionswcise desselben bildet den Charakter, den Ruhm und die Stärke des deutschen Buchhandels und befähigt dessen Schultern zur Tragung des Wcltbuchhandels; der deutsche Buchhandel ist nicht ein bloßes Gebäude, sondern ein wahrer lebendiger, ge schlossener Organismus, welcher durch das ausgebreitete Netz der Sortimenter zu dem mit Augen übersatten Leib des mythischen Argus wird und die Hand des Verlegers gleichsam allgegenwärtig macht. Der Grundton dieser gegenseitigen Handreichung im Ver triebswesen ist gegeben durch das geschäftsfreundschaftliche Band laufender Geschäfrsverbindug, welche auch in anderen kaufmännischen Kreisen eine Rolle, doch nur als Einzelphäno men, spielt und selbst imHandelsgesetzbuch (Art. 291. 323.) eine gewisse Berücksichtigung erfahren hat, aber im Buchhandel durcb ihre gleich förmigeOrganisation eine ungemeine Schwung kraft besitzt. In dem Jahreskreislauf der großen und kleinen Bücherwellen mit dem ganzen sinnreichen Räderwerk seiner prak tischen Kategorien (Nova, Eontinuationcn, Remittenden, Dis- ponenden, erbetene, unerbetene und verbetene Eonditionssen- dungen, Baar- und Festsendungen u. s. w.) und in der Oster abrechnung, dieser wohlthalig läuternden Frühlingscur, zeigt sich der geordnete Lebensprozeß des Organismus, der sich hier in so vielen nothwendigcn und nützlichen Usancen von dem gemeinen kaufmännischen Verkehr abhebr. Unter Verweisung auf mancherlei beträchtliche Unglücks fälle, wodurch Lager oder Sendungen betroffen wurden, wendete sich der Redner zu der unter Verlegern und Sortimentern, na mentlich seit den 40er Jahren, so lebhaft und vielfach erörterten Frage, wer die Gefahr des Untergangs oder Verderbs zu tra gen habe. Das Gebiet dieser Frage ist von vornherein zu be grenzen durch Ausscheidung abgelehnter Novitäten (deren Ge fahr der Verleger), verbotener Disponendcn, sowie gegen baar oder auf feste Rechnung bezogener Artikel (deren Gefahr der Sortimenter unbestreitbar trägt). Betreffs der Frage nun, wer die Gefahr der in Gemäßheit (ausdrücklichen oder stillschweigen den) Vertrags zugescndeten Eonditionsartikel krage, haben sich zwei Lager gebildet, indem die Einen (die Realisten!) das Ver- hältniß des Eigenthümers zur Sache (der Unglücksfall trifft den Eigenihümer, also Verleger), die Anderen (Personalisten!) das persönliche Vertrauensverhältniß zum Sortimenter (Gefahr tragung seiten des Sortimenters entspricht dem ihm geschenkten Vertrauen) betonen. Abstimmungen darüber haben fast Stim mengleichheit ergeben, und auch die bei einzelnen namhaften Un-