Suche löschen...
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 29.10.1920
- Erscheinungsdatum
- 1920-10-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-192010297
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19201029
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19201029
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1920
-
Monat
1920-10
- Tag 1920-10-29
-
Monat
1920-10
-
Jahr
1920
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 29.10.1920
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Landesregierung bekannt gewordenen Bestrebuw gen, Organe der öffentlichen Sicherheit für die Zwecke der Orgesch zu gewinnen und dadurch zum Treubruch zu verleiten, müssen um so schärfer verurteilt werten, als durch solches Beginnen Unsicherheit in diesen Beamten- körper getragen wird, zu einer Zeit, wo der Nus nach Schutz und Ordnung im Lande unausge setzt an die Regierung ergeht und diese ehrlich bestrebt ist, dem sehnenden Verlangen unseres Vclkes nach geordneten Zuständen Rechnung zu tragen Die Untersuchung ist bereits im Gange und wird nach Abschluß dem Lande bekannt ge geben Der Cbes der Landespolizei sowie ihre leitenden Zwilbeamten im Ministerium des In nern sind einmütig in der Auffassung, daß diese Einrichtung streng unparteiisch -nur der Aufrecht erhaltung der Ruhe und Ordnung, dem Schutz vcn Eigentum und Leben des Staatsbürgers dienen soll und verurteilen auf das entschiedenste das Gebaren der beiden genannten Offiziere, fa sern die Wahrheit der erbcbenen Anschuldigungen erwiesen werden sollte. Tie Negierung wird die Oeffentlichkeit über alle erforderlichen Maßnah men unterrichten und den parlamentarischen Aus schuß, gegebenenfalls auch die Volkskammer, wenn es nötig ist, noch vor den Wahlen einberusen. Abg. Anders (Dtsch. Vp.) berichtet über die Anfrage Arzt, die Milderung der Not der Arbeiterrenten. empfänger betreffend. Ter Haushättausschuß A beantragt, erneut von der Neichsregierung unverzüglich e ne Abhilfe der dringendsten Not der bedürftigen Ar beiterrentenempfänger zu verlangen, und zwar dergestalt, daß die Hilfe so rechtzeitig gewährt wird, daß die Beschas'ung Von Wintervorräten möglich ist. Sofern dies nicht rechtzeitig erfolgt, ist die Negierung gehalten, 25 Millionen aus Staatsmitteln flüssig zu machen und diese Summe vom Reich zurückzufordern. Finanzminister Tr. Reinhold: Tie heu tigen Anforderungen für Arbeiterrentcnempfänger, Altpensionäre und Kleinwchnungsbau würden ein malig 65 Millionen und dauernd 37,5 Millionen Mark betragen. Eine Deckung ist danir nicht verbanden. Außerdem erscheint es bedenklich, daß wir vom Lande Ausgaben übernehmen, die das Reich zu tragen hat Im Gegenteil muß das Reich alle Ausgaben, also auch den sächsi schen Anteil übernehmen, die aus der wirtschaft lichen Notlage entstanden sind. Abg. Tunger (Unabh.) verlangt Tragung der Kosten durch das Land, weil sofortige Hüsc nötig ist. Abg. C a st a n (Soz.) wendet sich gegen sei- nen Vorredner, wird aber durch ständige Zurufe der Unabhängigen unterbrochen. Abg. Ziller (D.-N.) erklärt, daß feine Fraktion die Notlage ebenfalls anerkenne und beim Verlagen des Reiches der Flüssigmachung von 25 Millionen zustimme. Abg. Drescher (Soz.) wünscht, daß das Reich von der Notlage der Arbeiterrentenempfän ger überzeugt wird. Abg. Weiß (Dem.) äußert sich in ähnlichem Sinne. Abg. Blüher (Dtsch. Vp): Wir wollen trotz der Bedenken des Finanzministers in An erkennung der besonderen Notlage dem Anträge der Mehrheit zustimmcn, gestatten uns aber den Hinweis, daß es noch andere Volkskrei'c gibt, die in ebenso schlechter Lage als die Arbeiter- rentenempfänger sind. Besonders in den Krei- sen der Kleinrentner und Kapitalrentner ist die Not noch ganz anders zu Hause als in den Kreisen der Erwerbslosen und Arbeitcrrcn- tenempfänger. Arbeitsminister Heldt: Wenn hier in der Volkskammer Beschlüsse gefaßt werden, so muß zuerst die Teckungsfrage geklärt werden, sonst er- halten wir vom Reiche nichts und werden auch weiter in Reichsauflrägen benachteiligt. Nach weiterer Aussprache fand der Ausschuß- antrag einstimmig Annahme. Abg. Koch (Dem.) berichtet für den Haus haltausschuß über die Denkschrift betreffend die Uebernahme der vormaligen Kadettenanpatt in Dresden durch die sächsische Unterrichtsverwaltung. Der Ausschuß beantragt Annahme der Denkschrift un- ter Streichung der Ausgaben für die militari- schen Erzieher. Abg. Pcfern (Dem.) berichtet und bean tragt namens des Haushaltausschusses B, der Negierung die Genehmigung zu erteilen, zur Verbesserung der technischen Einrichtungen de» Vades Elster schon jetzt über den Betrag von 2 960 000 Ml., die später angefordert werden sollen, zu verfügen. Abg. Fräßdorf (Soz.) wünscht, daß Bad Elster den Krankenkassenmitgliedern aus der Ar beiterklasse zur Vcrsügung gestellt wird Daraus- hin fanden die Ausfchußanträge Annahme. Eine Erklärung der Dentschnationalen zur Orgesch-Angelegenheit. Abg. Hofmann (D-N.) stellt fest, daß, als am Mittwoch in der Kammer be'annt ge- worden sei, daß die Mehrheitssozialdcmokraten eine Besprechung der Chemnitzer Vorgänge wün schen, die Deutschnationalen diese Besprechung sofort am selben Tage wünschten. Darauf sei ihnen mitgeteilt worden, daß weder die Regie rung noch die Sozialdemokraten Material zur Stelle haben, daß infolgedessen die Anfrage nicht angebracht sei und die Sache weder Mittwoch noch Donnerstag in der Volkskammer erörtert werden solle. Diese Zusage habe Präsident Fraß dorf selbst gemacht. Am Dcnnerstag vormittag habe der Präsident nun den Aeltestenausschuh mit der Mitteilung überrascht, daß der Minister des Innern eine Erklärung über die Chemnitzer Vorgänge abgcben werde. Von den Vertretern aller Fraktionen mit Ausnahme der Sozialdemo, traten seien Bedenken gegen dieses Verfahren erhoben worden. Der Aeltestenausschuß habe schließlich vereinbart, der Präsident solle von der beabsichtigten Erklärung der Regierung vorher Kenntnis nehmen und die Erklärung dem Dirck- tcrium vorlegcn. Dieses sclle dann entscheiden, ob Lie Erklärung sich im Nahmen tatsächlicher Mitteilungen halte oder ob der Aeltestenausschuß nochmals berufen werden solle. Auch diese Per. einbarung sei wiederum nicht eingehalten wer- Sen. Ohne daß die Regierungserklärung dem Direktorium oder dem Aeltestenausschuß vorge legen habe, habe der Minister des Innern sie der Vclkskammer abgegeben. Diese Erklärung babe sich nicht auf rein tatsäch iche Mitteilungen beschränkt, sondern sei eine einseitige Darstellung mit schon ihrer Form nach verletzenden Urteilen. Gegen dieses Verfahren erhebe seine Fraktion ausdrücklich Widerspruch. Präsident Fräßdorf erklärt, daß es sich nicht um eine Erklärung, sondern um eine Mit teilung der Negierung gebandelt habe, und daß er deshalb glaubte, an leine dem Aelteftenaus- fchuß gegebene Zusage nicht gebunden zu sein. Abg. Blüher (Dtsch. Vp) erhebt eben falls gegen das Verfahren der Regierung Ein- spruch, die mit ihrer Erklärung das Haus ge radezu überfallen habe. Tie Rechtslage bezüglich der Orgesch sei noch ungeklärt und bei dieser un geklärten Lage hätte die Regierung ihre ErNä- rung nicht abgeben dürfen. Abg. Eggert (Soz) betont, daß nach sei- ner Meinung die Regierung zu dieser Erklärung nicht berechtigt gewesen sei. Abg. Müller-Leipzig (Unabh.) wendet sich ebenfalls gegen das Verfahren der Regie- rung, heißt aber die Erklärung an sich gilt. Hierauf wird in der Weiterberatung der Ta gesordnung fortgefahrcn. Einstimmig wird dem Antrag des Besoldungsausschusses zugcstimmt, daß die Regierung bei der Neichsregierung dafür cintreten solle, daß siir Sachsen nur die O r t s- klassen A iind B und nur in seltenen Aus nahmefällen Ortsklasse C in Frage kommen dür'e, und daß Plauen und Zwickau in die Ortsklasse A einzureihen seien. Weiter stimmt das Haus zu, daß die Be- stimmung in § 18,2 des UebergangsschulgesetzeS zum Bolksschulgesetz nicht so auszulegen fei, daß erst zum 1. 4. 1923 generell mit der Errichtung Ker Mädchrnfortbtldungsfchulr begonnen werden solle. Ministerpräsident Buck spricht den Abgeord neten für ihre seit dem Februar 1919 geleistete Arbeit den Tank der Negierung aus Als der Ministerpräsident dann nochmals aus die Angelegenheit der Orgesch eingeht, verlassen die Abgeordneten der Rechten den Saal. Schriftführer Dr. Wagner gibt hierauf einen kurzen Tätigkeitsbericht der Kammer. Präsident Fräßdorf richtet dann seiner seits Dankes- und Abschiedswcrte an die Abge- ordneten und spricht den Wunsch aus, daß der neue Landtag, der am 7- Dezember zusammen- treten soll, ebenso oder noch besser zum Wol-le dss Landes arbeiten möge als die nun verab- schiedcte Volkskammer. Abg. Günther (Dem.) spricht im Namen der Volkskammer dem Präsidenten den Dank für die Leitung der Geschäfte aus- Rundschau. Die Ueberschlchteufrage im Bergbau geht ihrer Lösung entgegen. In der ersten der neun Bergarbeiterversammlungen, die das Ar beitsministerium im sächsischen Stemkchlenbereich veranstaltet, wurde nach einem Vortrage des Lan keskohlenkommissars Crämer und des Schri'tlci- ters in der Nachrichtenstelle der Staatskanzlei Albert folgende Entschließung mit überwältigen der Mehrheit angenommen: Tie am 27. Oktcber in Vielau tagende öffentliche Bcrgarbeiteroer- sammlung erkennt die Nichtigkeit der Ausführun gen der Negiernngsvertrcter Crämer und Albert an. Tie Bergarbeiter sind überzeugt, daß Deutschlands Wiederaufbau nur möglich ist bei vermehrter Kohlenförderung. Angesichts der wirt schaftlichen Nöte) unseres engeren Vaterlandes er klären sich die Anwesenden im Prinzip b e - reit, sobald als möglich die achte Stunde zu verfahren. Tie Anwesen den sind überzeugt, damit nicht nur der Regie- rung und dem sächsischen Wirtschaftsleben zu die nen, sondern auch den Interessen der gesamten Arbeiterschaft, deren berufene Vertreter dre Berg- arbeiter dringend gebeten haben, mehr Kohlen zu fördern, damit das Elend der Erwerbslosen gemildert werden kann. Allerdings erwarten die Bergarbeiter, daß die Förderung der achten Stunde in erster Linie dem sächsischen Volke zu- gute kommt. Die Anwesenden versprechen, bei den Kameraden auf den Gruben estrig für das Verfahren der Neberschichten einzutreten, damit die bevorstehende Abstimmung ein gutes Resul tat ergibt. Die Chemnitzer Enthüllungen Huben bisher eine ganze Anzahl „Berichtigungen" gebracht, denen sich nunmehr da? W e b r k r e i s- kom mando 4 mit folgender anschließt: Die Behauptungen der „Vclksst." sind unrichtig. We der in Zeithain noch in Frankenberg, noch in irgend einem anderen Orte des Mehrpreises rst von Reichswehrsormaticnen die Bewaffnung oder Ausrüstung des Chemnitzer oder eines anderen Orgesch-BataillonS übernommen worden. Weder der General a. D. Senkst von Pilsach, noch ein anderer der in der genannten Veröffentlichung anfgcführten Offiziere gehören der Reichswehr an. Zwischen der Orgesch und der Reichswehr bestehen kein; Abmachungen. Aeber Niosenschiebungen mit Kartoffeln fthreibt der Hauptbetriebsrat bei der Eisenbahn- direstion Dresden: Nachdem die Ausfuhr von Kartoffeln allgemein verboten ist, versucht man jetzt mit der Bezeichnung „Säaikartosteln" die selben ms Ausland zu bringen. Die Saatkar- tofleln sind aber alle größer als 4—5 Zoll, also nachgewiescne Speisckartosteln. So lau st n jetzt tägstch Mengen von Wagen von den Rittergütern Oberschlcsiens über Sagan rind Kohlfurt nach Bodenbach für die Tschecho-Slowakei- Wer ist der Schuldige für solche Ausfuhrbewilligungen? HoLdetse. Rornon von L. M a r I i: st 87 Fortsetzung. (Nachd«ck verboten.) Seitwärts zweigte sich der Weg ab, an wel- chem kie bewußte Gartenbau! stand. „Weißt Du noch?" fragte Elisabeth lächelnd und deutete hinüber- „Ja, ja. Dort sprachst Du den kühnen Ent schluß aus, als Erzieherin in die weile Welt zu gehen, und ich nahm mir die Freiheit, zu den ken, daß ich dies nun und nimmer zugcben würde. Es bedurfte all memer Selbstbeherr schung, daß ich den kleinen verwcgeiren Zug- Vogel nicht sofort in meine Arme nahm und sein goldenes Köpfchen voll trotziger, stolzer Gedan ken an meine Brust drückte . . . Tort entlockte ich Dir das unbewußt naive Geständnis, daß Deine Estern noch den ersten Platz in Deinem Herzen behaupteten. Aber Du nahmst auch eine abweisende, kühle Haltung an, als ich mich un- terangen wollte, vertrauensvoll zu sprechen" „Das war Schüchternheit . . . unk ich bin noch nicht sicher, ob ich nicht morgen, wenn ich Deine strenge Stirn bei Tagesbelcuchtung sehe, in meine Verzagtheit zurücksalle." „Sie wird nicht mehr streng aussehen, mein Kind, das Glück hat sie mit weichem Finger berührt" — Bald nachher erlebten die alten Buchen, die über die Waldblöße hinweg in das hellerleuchtest Ferbcrnhe Wohnzimmer sehen konnten, ein sel tenes Schauspiel. Ein hoher Mann, dessen Ge sicht die Blässe tiefer, innerer Bewegung bedeckte, führte d>c Tochter den Eltern zu, um sie in demselben Augenblicke zurückzufordern as sein künftiges Weib, sein zweites Ich. Die alten Buchen sahen, wie er die junge Braut in die Arme nahm und so den Segen der erschütterten Eltern empfing, sahen, wie ein unter Tränen lächelndes Muttergesicht dankend zum Himmel aufblickte, und wie der kleine Ernst an Häns chens Käfig rüttelte, um dem verschlafenen Sän ger im „gelben Fracke" feierlich zu verkünden, daß die Este merkwürdigerweise Braut sei. 20. Während im Zwischenbau auf dem alten Gnadeck Glück und Freude einzogen, ereignete sich ein Fall trauriger Art unten im Tale. Zwei Lindhoker Bauern, die, mit Fackeln versehen, nach Elisabeth suchten, hörten, als sie von ihrem Dorfe her nach dem Walde schritten, vor sich plötzlich ein heftiges Knurren; es klang Ivie das Knurren eines gereizten Hundes. Nicht weit von ihnen lag eine Gestalt quer über den Weg hingestreckt; ein großer Hund stand daneben und hatte, wie zur Verteidigung, beide Vorder- Pfoten auf das am Boden liegende Wesen ge stellt. Das Tier wurde wütend bei Annäherung der Männer, fletschte die Zähne und machte Miene, auf sie loszuspringen. Sie wagten sich nicht weiter und liefen in das Dorf zurück, wo sich in demselben Augenblicke mehrere Fackelträ- ger zusammenfanden, unter ihnen der Oberför ster, der soeben durch Herrn von Waldes Be dienten erfahren hatte, daß Elisabeth gefunden fei. Sofort eilten alle nach der bezeichneten Stelle. Diesmal knurrte der Hund nicht. Er winselte und kroch schwanzwedelnd bis zu den Füßen des Oberförsters; cs war Wolf, und dort lag, an scheinend leblos, Berta. Sie blutete aus einer Kopfwunde, und das Gesicht hatte die Mässe des Todes. Der Oberförster sagte kein Wort. Er vermied es, den mitleidigen Blicken der Umstehenden zu begegnen; in seinen Zügen, kämpften Groll und Schmerz. Er hob Berta vom Boden auf und trug sie in das letzte Haus des Testes; es war das Weberhäuschen., Von dort aus schickte er einen Boten nach Sabine. Zum Mück verweil e der Wahlheimer Arzt noch bei einem Patienten im Dorfe. Er wurde herbeigeholt und brachte die Ohnmächlige sehr bald wieder zu sich. Sie erkannte ihn und verlangte nach einem Trünke Wasser. Ihre Wunde war ungefährlich; aber der Arzt schüttelte den Kopf und warf einen selt samen Blick auf den Oberförster, der mit besorg ter Miene seine Untersuchung verfolgte. Der Doktor war ein gerader Mann von et was rauhen, derben Manieren. Er trat plötzlich auf den Oberförster zu und sagte ihm mit nicht sehr unterdrückter Stimme einige Werte. Wie von einem tödlichen Schüsse getroffen, taumelte der alte Mann zurück, starrte den Dok tor an wie geistesabwesend, und, ohne auch nur eine Silbe zu erwikern, ohne einen Blick auf die Kranke zu werfeu, schritt er zur Tür hinaus. „Onkel, Onkel, verzeihe mir!" schrie das Mäd chen mit herzzerreißender Stimme auf, aber er war schon verschwunden in der dunklen Nacht draußen. Dafür erschien Sabine atemlos auf der Schwelle. Eine Magd folgte ihr und trug ein ungeheures Bündel Vetlstücke auf dem Kopfe und einen Handkorb voll Verbandzeug, Erfrischungen und alle möglichen praktischen rind nötigen Dinge am Arme. „Gott im Himmel, was machen Sie für Streiche, Bertchen?" rief die Alte mit Tränen in den Augen, als sie das entfärbte Gesicht mit dem Verband über der Stirn auf dem Kissen liegen sah. „Und gerade heilte mittag, wie Sic lortgingen, kamen Sie mir munterer vor; Sic hatten so schöne rote Backen." sr» eigenartiges Vorgehen der Helgoländer wird aus London gemeldet: Der Berliner Kor- respondent der „Times" berichtet, daß eine Ab. ordnling von führenden Helgoländern, die die ganze einheimische Bevölkerung der Insel zu ver- traten vorgeben, in Berlin gewesen sei, um dein britischen Botschafter die „durch die deutsche und preußische Ncgierungspolitik schwer bedrohte Lage" der Jnselbevölstrung darzulegen. Ter „Times". Korrespondent berichtet weiter, daß schon am 3. März die He'goländer an Lloyd George, an das Auswärtige Amt in London und an den Völ kerbund eine Denkschrift gerichtet haben, in der sie schwere Angriffe besonders gegen die preußi sche Negierungspolitik richteten, die ihrer Auffas sung nach dazu angetan sei, die eingeborene Be- völkerung auf Helgoland „auszurotten" und durch eingrsoandertc fremde Elemente völlig nach dem Binnenland zu verdrängen. — Tie Regierung wird sich hofsentlich hierzu äußern. Armee «nd Mariae kosten dem Deutschen Reiche trotz seiner Winzig- keit jetzt jährlich 4896 Millionen Mark. Ver dem Kriege kostete uns einschließlich aller Derwal- tungskosten der Soldat im Jahre 1200 Mk., jetzt 24 600 Ml. — Auf dem Stöhr-Werk in Newels- stets ist anr Mittwoch das erste größere deutsche Eisenbetonfrachtschiss fertiggestellt worden. Es ist 56 Meter lang, 8,6 Meter breit und verdrängt 8000 Tonnen. Das Schi'f scll dem Verkehr zwischen den Ostseeländern dienen. Ser englische Bergarbetterstreik ist noch nicht endgültig beigelegt. Es wird ver sichert, daß in den Verhandlungen zwischen den Bergleuten und der Negierung infolge neuer For derungen der Bergleute Schwierigkeiten entstan den sind. Das Kabinett ist zu einer Kon erenz mit den Bergarbeiterdelegierten zusammengetre en. Die Streiktage werden nicht bezahlt. „Daily Chronicle" zufolge geht die neue Fcrderung der Bergleute dahin, daß, wenn die Erzeugung in dem vorläufigen Teilabschnitt, für welchen zwei Schilling Lohnerhöhung zugestanden sind, den Voranschlag überschreiten sollte, sofort eine wer tere Lohnerhöhung gezahlt werden soll. Beide sParteien halten die Lage für ernst. Z« einer Umbildung des Lohnwesens sollen in England die Bergarbeiterjorderungeu führen. Der prinzipielle Verschlag besteht darin, daß di-e Löhne nicht nach den geförderten Men gen Kohlen berechnet werden sollen, sondern nach den erzielten Geivinnen, und zwar scheinen die Bergarbeiter besonderen Wert darauf zu legen, daß diese Berechnung auf Grund der Gewinne, die mit Aussuhrkohle gemach: wer- den, zu erfolgen hat, und Lohnerhöhungen aus den Gewinnen zu zahlen sind. Tie Folge wird sein, daß in diesen Berechnungen auch die Höhe der Unternehmergewinne gebun den ist. Welche Gewinne frei werden, wird je- den'alls in der Oeffentlichkeit stets bekannt sein, ebenso wie sie einen Einblick in die Lohnver hältnisse der Arbeiter haben wird Es ist nicht geglückt, diesen wcugreisenden Plan geheimzu halten und deswegen ist bereits von Seilen der Bergarbeiter, hauptsächlich von Südwales, ein« heftige Opposition entstanden, die sich in den letzten ungünstig lautenden Nachrichten wider spiegelt. Tie Negierung denkt die Regelung auj dieser Basis zu einer dauernden, verpflichtenden Einrichtung zu machen, um alle zukünftigen Streits zu vermeiden. Dagegen wollen die Ar beiter nicht auf zukünftige Streiks verzichten. D'Annunzio, der „Herr von Flume", braucht Geld. Er hat den Dainpstr „Cogne" ge tapert, damit cr ein Pfand in Händen hat, um von der italienischen Regierung eine finanzielle Beihilfe zu erlangen. Auf die Weigerung Gio litiiS, diese Beihilfe zu gewähren, und auf die Aufforderung der Negierung, den Dampfer frei zugeben, hat d'Annunzio beschlossen, die Ladun? des Dampfers an den Meistbietenden zu verkau sen, ohne auf die Interessen des Besitzers Rück Das Mädchen vergrub das Gesicht in da.' Bett und verfiel in ein krampfhaftes Schluchzen Ter Arzt gab Sabine einige Verhaltunge maßregeln, verbot der Kranken streng alles Re den und verließ das Zimmer. „Nicht sprechen soll ich!" rief Berta, indem sic sich im Beste aujsetzte. „Solch einem alten Manne mit dem kühlen Blute in den Adern und den abgemessenen Gedanken unter den Wei ßen Haaren, dem mag das Schweigen freilw leicht werdens Aber ich, ich muß sprechen, So bine, und wenn es mir den Tod bringt, beste besser!" Sie zog die Haushälterin auf den Bettrand und beichtete bitterlich weinend ihre Schuld. Sie hatte ein Liebesverhältnis mit Hollste gehabt. Er hatte ihr versprochen, sie zu heiro tcn; sie dagegen hatte ihm feierlich schwören müs sen, daß sie das Verhältnis gehcimhalteu unk ihre Rechic auch nicht cbcr öffentlich ge tend mn chen wolle, als bis er selbst eS erlaube; den cr mußte, wie er vorgab, feine Mutter uud d Verwandten in Lindhof berücksichtigen, die cr c j- ganz allmählich seinen Wünschen geneigt mache könne. Die Unbesonnene schwur, und, errcst wie sie war, fügte sie das Gelübde hinzu, do anderen gegenüber nicht eher wieder ein Wm' über ihre Lippen kommen solle, als bis sic de Welt ihr stolzes Geheimnis mittcilcn dürfe. kW' Zusammenkünfte beider fanden gewöhnlich i Nonnenturmc oder im Gartenhaus des Lindhost Parkes statt. Niemand kam ihnen auf die Spur Nur die Baronin Lessen hatte eines Tagc^ Per dacht geschöpft, infolgedessen sie in den heftigste Zorn geriet und dem Mädchen den ferneren Zu tritt im Lindbofer Schlosse verbot.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)