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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 15.09.1920
- Erscheinungsdatum
- 1920-09-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-192009151
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19200915
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19200915
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1920
-
Monat
1920-09
- Tag 1920-09-15
-
Monat
1920-09
-
Jahr
1920
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 15.09.1920
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-reitete sich über Unrechtmäßigkeiten, die sich die Kassen der einzelnen Ortsgruppen haben zu schulden kommen lassen. N. a. hat der frühere Aentralrat der Eisenbahner 11000 Mk. nicht zu rückerstattet, auch keine Kassenbelege beigelegt. In 17 Fällen sind Unterschlagungen in der Ge samtsumme von 46400 Mk. begangen worden, mit denen sich augenblicklich die Staatsanwalt schaft beschäftigt. Außerdem mußten weitere f Unterschlagungen in Höhe von 96152 Mk. fest gestellt «erden, die dem Verbände aber zurück erstattet werden. In einzelnen Ortsgruppen herrschen nach den Bericht des Referenten in der Kasfenverwaltung heillose Zustände. Gegen die Steuerhinterziehung «urde in der hessischen Kammer vom sozialdemo kratischen Landragsabgeordneten Lang ein dring licher Antrag eingebracht, nach welchem die Regierung bei der Reichsregierung verlangen soll, daß sofort andere Zahlungsmittel geschaffen und das bisherige Geld eingezogen wird. Nicht ab gelieferte Gelder sollen als wertlos erklärt werden, auch das deutsche Geld im Auslande. Der An trag bezweckt, die Kriegsgewinnler, Schieber und Wucherer zur Besteuerung heranzuziehen, da wie begründend gesagt wird, die meisten ihr Geld ins Ausland verschleppt oder zu Hause verschlossen haben. Oesterreich verlangt den Anschluß an Deutschland und wird die Frage vor den Völkerbund bringen. In einer sozialistischen Ver sammlung in Innsbruck, in der auch zahlreiche Großdeutsche Einlaß gefunden hatten, kam es zu Kundgebungen gegen den anwesenden Staats ekretär des Aeußeren, Dr. Renner, dem wegen einer auswärtigen Politik, insbesondere wegen einer Aeußerung, Oesterreich müsse sich westlich orientieren und „auch die Wunde Südtirols wird vernarben" schwere Vorwürfe gemacht wurden. Dr. Renner erklärte in langer oft unterbrochener Rede, daß er für den Anschluß an Deutschland eingetreten sei. Dagegen hätten die Christlich sozialen während der Friedensverhandlungen in Et. Germain sich systematisch gegen den Anschluß gewehrt. Unter westlicher Orientierung sei auch der Anschluß an Deutschland gemeint gewesen. Er habe in der westlichen Orientierung nie den Anschluß an England oder Frankreich verstanden, sondern nur den Gegensatz zur östlichen Orien tierung ausdrücken wollen, worunter die Donau föderation mit den österreichischen Nachbarstaaten zu verstehen sei. Renner wies darauf hin, daß im November der Völkerbund zusammentreten «erde. Man «erde sofort die Bitte um sofortige Aufhebung des Anschlußverbotes erheben. Aber so lange Frankreich mit seinem Imperialismus die erste Geige spielt, werde man nicht viel erreichen. Man werde Geduld haben müssen. — Uns scheint, als ob Dr. Renner sich reichlich Zeit zu dieser Erklärung genommen hat, der wesentliche Be deutung in der Anschlußfrage zukommt. Die Sozialisierung des Bergbaues wird vom Verband der Bergarbeiter Deutschlands schnellstens verlangt. Eine in Bochum abge haltene Sitzung des Gesamtoorstandes des Ver bandes der Bergarbeiter Deutschlands unter Teilnahme des Verbandsausschusses und sämt licher Bezirksleitungen ließ klar erkennen, daß die Bergleute den größten Wert auf die rascheste Verwirklichung der Sozialisierung legen. Die Verwirklichung dieser Forderung dürfe nun nicht mehr auf die lange Bank geschoben werden. Die Bergarbeiter würden von dieser Forderung nicht ablassen und auch keine Scheinsozialisierung ruhig hinnehmen. Das Ziel sei die völlige Ausschal tung des privatkapitalistischen Systems aus dem Bergbau. Eine in diesem Sinne gefaßte Reso lution wurde einstimmig angenommen. Frankreichs Vertragsbruch hinsichtlich der Abhaltung der Genfer Konferenz wird von England bedauert. „Daily Lhronicle" schreibt mit Bezug auf die Ergebnisse der Kon ferenz von Aix-les-Bainr zwischen Millerand und Giolitti, Italien habe, wie klar ersichtlich sei, Konzessionen an Frankreich gemacht. Das Blatt bedauert, daß darunter auch die Preisgabe der Genfer Konferenz mit den Deutschen falle. „Daily News" schreiben: Deutschland, das an der Kon- serenz teilnehmen sollte, bezeichnet ihre Preisgabe mit einer gewissen Berechtigung als Vertrags bruch. Die Alliierten Kälten den Völkerbund seinerzeit ersucht, seine internationale Finanzkon ferenz in Brüssel zu verschieben und versprochen, daß dem Völkerbund noch vor dem 15. September 1920 ausführliche Mitteilungen über die Regelung der Schadenersatzforderungen unterbreitet werden würden. Dies Versprechen könne jetzt nicht ge halten werden. Mißhandlungen des Zugpersonals haben sich wiederholt im Bezirk Halle ereignet. Durch Anschlag auf den Bahnhöfen droht die Eisenbahndirektion infolge andauernder Mißhand lungen und Vergewaltigungen der Beamten und schwerer Gefährdung des übrigen Zugverkehrs die Einstellung der Arbeiterzüge in dem mitteldeutschen Industriebezirk an. Die Flucht aus Oberschlesien hält an. In Breslau sind in den letzten 14 Tagen fast 20000 Flüchtlinge aus Oberschlefien einge troffen. Die Lage in Oberschlesien ist noch immer ungeklärt. Die über sünfzig Ortschaften von den polnischen Insurgenten besetzten Grenzgebiete haben keinerlei Verbindung weder durch Post noch durch Telegraphie. — Nach der „Morningpost" sind die deutschen Noten über die Verletzung deutscher Rechte in Oberschlesien der alliierten Kommission in Oppeln zur Nachprüfung übergeben worden. Kleine Nach-ichtes. Russische Gewerkschaftler wollen Deutschland besuchen, um über die Lage des russischen Prole tariats Aufklärung zu geben. — Die Berliner - Arbeitslosen demonstrierten gegen denArbeislosen- rat, dessen Absetzung verlangt wurde. — Die schwedischen Neichstagswahlen ergaben gleichfalls einen „Ruck nach rechts". — Die Versammlung des Völkerbundes tritt Donnerstag in Paris zu sammen. — Die Mansfelder und Eislebener U. S. P. stimmten für den Anschluß an Moskau, Oldenburg lehnte ab. — Ncutral-Moresnet, das durch den Friedensvertrag ohne Abstimmung Belgien zugesprochen wurde, hat der Reichsregie rung eine Petition überreicht, wonach die Be wohner deutsch bleiben wollen. Es wird Ab stimmung verlangt — Wie das Achtuhr-Abend blatt erfährt, wurde Erich Prinz, der in dem Prozeß Scheidemann-Sklarz als einer der Haupt belastungszeugen gegen Scheidemann aufgetreten war, in Berlin verhaftet, da er der Fälschung des Mordauftrages gegen Liebknecht und Rosa Luxemburg überführt wurde. — Die Polen überschritten die Curzonlinie und besetzten mehrere litauische Städte. Der städtische HimshMpLAN. Fehlbetrag von knapp einer Million. — Der Bürgermeister in der Decknngsfrage zuversichtlich. Die beiden städtischen Kollegien traten gestern abend zu ihrer wichtigsten Sitzung im ganzen Jahre zusammen, um gemeinschaftlich den Haus- haltplan 1920 21 zu beraten, dem man in Krei sen der Einwohnerschaft, angesichts der ungeheuren wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten, in denen sich heute Staat und Gemeinden be finden, mit gespanntem Interesse entgegen gesehen hat. Der Gang der gestrigen Verhandlungen zeigte, daß unsere Stadtoäter sich bei der Aus- stellung des Haushaltpranes ror allem von dem Gedanken der Sparsamkeit haben leiten lassen. Die einzelnen Positionen sind mit Vorsicht aus gestellt worden. Von feiten der Kullegiumsmit- glieder legte man sich in lobenswerter Ait eine weise Beschränkung in der Redefieudigkeil auf. Die Ausschüsse halten ja auch alles vor- bereitet und machten es überflüssig, die Vei Hand lungen durch langschweifige Ausführungen zu verlängern. So wurden in rascher Folae alle Punkte kurz durchsprochen. lieber den Verlaus der Sitzung ist im näheren folgendes zu berichien: Vom Ratskollegium sind 9, vom Stadtvcr- ordnetenkolleginm 13 Mitglieder urEsend. He^r Bürgermeister Dr Patz eröffnet um 8 Uh? die Sitzung und teilt mit, daß dec diesjährige Haus- hattplan in dec äußeren Form euoas utwew cheu sei und wegen der hohen Druckkosten aus einen Vervielfältigungsapparat hergestellt worden sei. — Herr Skadlrat Grießbach vezweifelt, ob di? Sparsamkeit in diesem Falle angebracht s i Dieses Jahr sei de? Huu«ha!i-ian besonders wich tig. — Herr Smdto. Freilag hegt keine Be denken gegen diese Form, während Herr Studio. Stützner sich den Grießoochschnr Ausführungen ouschkeßt. Schließlich wi'd ein Antrag des Herrn Stad-v. Krauße angenommen, zunächst Kost n- Anschläge über die Drucklegung einzuho'un und dann nochmals über diesen Punkt zu beraten. Zum Haushaltplan selbst bemerkt Herr Bür germeister Dr Patz, daß der Plan gegen den vorjährigen in verschiedener Weise abweiche. Er sei umfangreicher und enthalte andc.-e Z-chUn als bisher, obwohl bei d-r Aufstellung größt möglichste Sparsamkeit beobachtet worden sei. Der Plan enthalte zum ersten Male auch die Kaffe dec Erwe-bslosensüfforge; diesmal seien alle Kaffen enthalten, mit Ausnahme der Lebens mittelkasse. Der Haushaltplan schließt ab mit einem Fehlbetrag der bürgerlichen Gemeinde von 628242,75 Mk. und einem Fehlbetrag der Schul gemeinde von 349402,70 Mk, zusammen mit einem Fehlbetrag von 977645,45 Mk. Er hoffe, daß bei dieser und jener Position gespart werden könne, und duß vom Reiche mehr Einkommensteuern Zuflüßen. Er hoffe auch, daß die Umsatzsteuer mehr einbring?, als veranschlagt. Ein höherer Beitrag sei auch von den Fach schulen zu erwarten. Außerdem werden die Kollegien nächstens neue Steuervorlagen beschäftigen. Als erste komme die Wohnungs- Luxussteuer in Fcaae, die man echt zu Bau- zuschüssm ve wenden woüre; sie könne aber auch in die allgemeine Kasse geführt werden. Schließ lich könne die Ausgleichskasse, die einen Bestand von. 147000 Mk. aufmeffe, mir 100000 Mk. zur allgemeinen Deckung h rangczogen werden Große Summen würden hierdurch allerdings nicht er reicht, aber nachdem das Reich di: Einkommen steuer genommen habe, muffe mit d,m kleinsten Bettag gerechnet werden E nen großen Fehl- betrag we se die Schultmsse aul, Hoch werde hier aus einen Reichszuschuß gehofft. Dis Gehälter sind vom Staut darlchnsmüse bewilligt worden; er Hoffs, daß sie zu festen Zuschuss n werden. Als Drckungsoüüe! sind einges.tzr 1 360000 Mk. als Reichscmkomweosteuer-Anui! (jcsler Betrag), 50000 Mb. Grundsteuer, 2300 Mg Hundesteuer, 50 Mk. BriNebssieuer; an indirekten Sauern 60000 Mk Grund- rwerbsstsuer, 1000 Mk. Biechr-ner, SOOOO Ml Eintrittskarten- und Lustbarkritssteuer, 25V0 Mk Zuwachsstcuer. Die Echnlg'Metnd? verzeichnet 14938,41 Mk. Grund- stene-unie l, 244183,99 Mk. Reichseiukommcu- steuer-Anteil, 8845,14 Mk. Entnahme au« der Ausgleichskasse der Schulkaffe Fast alle Kaffen sind Zuschußkaffen geworden, nur die Gasanstalts- und die Elektrizitätskasie verzeichnen Rein gewinn. Selbst die Feuerlöschkasse, die sich bisher immer selbst trug, braucht zum ersten Mal einen Zuschuß, desgleichen wirst zum ersten Mal die Sparkasse keinen Ueberschuß ab. Die Stadtkasse erfordert große Zuschüsse für die Gebäude. Der Abputz des Siadlhauses ist mit 9000 Mk eingesetzt. Im Meisterh,us werden, da die Schuhsabrtk von ihrer Absicht, dort Fabrikationsräume ein zurichten, wieder abgekommen ist, im oberen Stockwerk Wohnungen eingerichiet werden, wäh rend die unteren Räume zu Schulzwecken ver wendet werden sollen. Das „Deutsche Haus" und das Beckert-Haus bringen kleine Ueberschüffe. Für Unterhaltung der Parkanlagen sind 15000 Mk. gegen 2300 Mk. im Vorjahre eingesetzt, um die Anlagen nicht verwildern zu lassen. Bei der Position Verwaltung sind die Zahlen ganz ge waltig gestiegen. Für Gehälter sind 790000 gegen 161810 Mk im Vorjahre eingestellt Die Pensionskassenbetuäge an die Ruhegeholtskaffe betragen 38313 Mk., süc vorübergehend ein gestellte Hilfskräfte sind 45000 Mk. eingesetzt. Um den Abschluß der Sparkasse günstiger zu gestalten, wird man dir Hhpothekenzinsen erhöhen. Für Beleuchtung der städtischen Ge bäude sind 8500 Mk und für Heizung 25000 Mk. eingesetzt. Mit der Holzspalterei habe die Stadt keine guten Erfahrungen gemacht. Die Einnahme ist mit 9500 Mk, die Ausgabe mit 13 750 Mk. eingestellt. Die Kleingärten tragen sich sehr gut. Zur Deckung nachträglich bewil ligter Ausgob-N wurden 50000 Mk. eingesetzt. Die Milchküche erfordert einen Zuschuß von 6500 Mk, doch werde dieser Zuschuß mit Rück sicht auf die Bewährtheit der Milchküche nicht leck tun. Für die recht spärliche Straßenbeleuch tung sind immer noch 57400 Mk. eingestellt. Der Beitrag des Reiches und des Stames zur Erwerbslosen-Unterstützung und des Arbeits nachweises wird auf 630000 Mk. geschätzt, wäh rend die Ausgaben mit 750000 M?.. eingestellt sind. An Zuschüssen benötigm die Mineralbadkasse Anleihekasse Vaukasse Feuerlöschkasse Krankenhauskasse Wasserwerkskasse Düngerabfuhrkasse Fürsorgekasse Handelsschulkasse Gewerbeschulkasse Web- und Wirkschulkasse Bttrgerheimkasse 7964,66 MK. 231998,22 „ 222363,62 „ 1500,00 „ 28400,00 „ 13563,52 „ 5386,25 „ 84401,65 , 41700,00 » 31575,00 „ 34263,80 „ 17380,69 „ Hecr Sladtv Freitag empfiehlt, im Interesse der Ersparnis von Heizmaterial d.e durchgehende Geschäftszeit einzu ühren — Herr Bürgermeister Dc Patz bcmeckh daß nach den allgemeinen Bivdüchtunqeu Vie durchgehende Geschäftszeit weniger Lcismngsslihigke.t ergehen habe wie die unlerbrvch ne — Hecr Studiv.-Vorsteher Wolf wendet sich gegen die Mietzinsstcigerungen, die unger. chtjertg: hoch seien. — Herr Sladto Krauße bezeichnet den süc die Jugendpflege eingesetzten Betrag von 225 Mk. als lächerlich ge,t-g, ebenso den für Volksbücherei. — Herr Büraermnster De. Patz bemerk-, daß die Jugend- pfl-ge neu aufpcbaut wurde Bei der Volks bücherei empfehlen fick infolge der hohen Bücher- prerse keine Anschaffungen. — Herr Stadtrat Grießbach nennt den Beittchj von 2000 Mk. süc das Schudcitsüst als zu niedrig. — Herr Stab-rac L ayritz hält die Uedcrnahme durch de Smdt für richug, wenn die Anstalt nicht cingehen soll. — Herr Bürgermeister Dr. Patz warnt vor d.r Ukbcirwhme, da sonst die sre!- wi'iig n Spenden wegfielen. — Der Antrag des Holdere. R»man von C. Marlitt. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) „Er übt sich," dachte Elisabeth, aber sie dachte er nur, um sich zu beruhigen, denn eine unbe schreibliche Angst hatte sich ihrer plötzlich bemach tigt; sie wußte nicht, sollte sie vor- oder rück wärts laufen, um von dein llnhcimlichen nicht bemerkt zu werden, und blieb deshalb gerade Ivie festgewurzelt stehen. Da schlug Pserdegetrappel an ihr Ohr. Der Mann drüben richtete sich wie elektrisiert in die Höhe. Wenige Augenblicke darauf erschien jen seits der Lichtung ein Reiter. Langsam schritt das Pferd über den weichen Wiesenboden — sein Herr hatte, in Gedanken verloren, den Zügel sal- len lassen . . . Der Mann mit der Pistole trat rasch zwei Schritt vor, hob den Arm in der Richtung des Reiters und wandte dabei den Kopf etwas seitwärts . . . Elisabeth erkannte sofort in den totblasscn, von Haß und Grimm entstellten Zügen den ebemaligen Verwalter Linke, und jener dort, den sein Pferd immer näher vor die Mündung der todbringenden Waffe trug, war - Herr von Walde ... In diesem Augenblicke f ging «ine merkwürdige Verwandlung in Elisa beth vor. Hatte sic noch eben mädchenhaft ängst lich vor der Begegnung mit jenem unheimlichen Menschen gezittert, so überkam sic jetzt ein wun derbarer Mut, eine unbegreifliche Ruhe und Be herrschung ihrer selbst in dem Gedanken, daß sie berufen sei, zu retten . . . Lautlos glitt sie vorwärts und stand plötzlich, wie aus der Erde gewachsen, neben Linke, der, das Auge gespannt auf sein Opfer richtend, ibre Nähe nicht ahnte. Mit aller Kraft, deren sic fähig, packte sic seinen Vorderarm und riß ihn zurück. Die Pistole ent lud üch mit einem lauten Knalle und die Ku gel schlug zischend seitwärts in einen Baum, während der Elende entsetzt zur Erde taumelte. Zu gleicher Zeit scholl ein lauter weiblicher Hilfe ¬ ruf durch den Wald . . . Der Mörder richtete sich auf und floh in das Gestrüpp . . . Trüben bäumte sich das Pferd im ersten Schrecken, dann aber flog eS, von seinem Herrn angetricbcn, über die Wiese und stand mit einigen Sätzen nahe bei Elisabeth, die sich totenbleich an der Buche fest hielt, denn nun, nachdem die Gefahr vorüber, machte die weibliche Natur ihr Recht geltend. Tas junge Mädchen zitierte am ganzen Körper, aber ein glückliches Lächeln verklärte ihr ganzes Gesicht, als sie Herrn von Walde gerettet vcr sich sah. Er sprang bei ihrem Erblicken bestürzt vom Pferde; sie aber, die eben noch eine so außer ordentliche Selbstbeherrschung an den Tag gelegt, . stieß einen lauten Schrei aus und drehte suh tödlich erschrocken um, als sich von rückwärts ? zwei Arme um ihre Schulter legten; sie blickte in Miß Mertens' tief erregte Züge. „Ilm GolteS willen, Elisabeth," rief die Gon- vername atemlos, „was haben Sic getan, er konnte Sie ermorden." Herr von Walde drang durch den Rest von Gestrüpp, der ihn von den beiden trennte. „Sind Sie verletzt?" fragte er rasch und hef tig Elisabeth. Sic schüttelte mit dem Kopse. Ohne ein Wort weiter zu sagen, hob er sie vom Boden auf und trug sic nach einem umgestürzten Baum stämme, wo er sie nicderließ. Miß Mertens setzte sich zu ihr uud lehnte den Kopf des jungen Mädchens an ihre Schulter. „Nun sagen Sic mir, was geschehen ist," sagte Herr von Walde zur Gouvernante. „Nein, nein," rief Elisabeth angstoll, „nur hier nicht, wir wollen geben, der Mörder ist ent- kommen; er lauert vielleicht im nächsten Gebüsche und führt sein Vorhaben doch noch aus!" „Linke wolle Sie ermorden, Herr von Walde," sagte Miß Mertens mit zitternder Stimme. „Ter Elende! Der Schuß galt alsc mir," ent ¬ gegnete er ruhig, ohne das mindeste Anzeichen von Bestürzung. Er ging hierauf tief in das Gebüsch, durch welches, nach Miß Mertens An gabe, Linke entflohen war. Elisabeth zitterte, als er im Dickicht verschwand, und war eben im Begriffe, alle Selbstbeherrschung zu verlieren und ihm nachzuspringcn, als er zurückkehrtc. „Sic können ruhig sein," sagte er zu dem jungen Mädchen, „es ist keine Spur von ihm zu entdecken, der schießt heute sicher nicht zum zwei- ten Male . . . Nun erzählen Sie mir den Vor- fall, Miß Mertens." Sie war, wissend, daß Elisabeth heute über das Torf zurückkehrie, ihr auf dem schmalen Waldwege entgcgcngegangen. Langsam vom Berge niedersteigcnd, hatte sie dieselbe Entdeckung gemacht wie das junge Mädchen. Tic Absicht des Erbärmlichen war ihr sofort klar geworden, aber der Schrecken hatte sic dergestalt übermannt, daß sie im ersten Augenblick weder Zunge noch Fuß zu bewegen vermochte. So hatte sie in > tödlicher Angst wie eingewurzelt gestanden, als plötzlich Elisabeth, die sic vorher nicht gesehen, Himer dem Mörder erschienen Ivar. Im Ent setzen über die Gefahr, in welche sich das junge Mädchetn begeben, war ihr der Hilferuf entflo hen, den man mit dem Schüsse zugleich gehört hatte . . . Sie erzählte dies alles in fliegenden Worten. „Wo nahmen Sic nur den Mut her, Elisabeth," sagte sie schließlich, „den Menschen zu packen? . . . Ich schauderte schon bei dem blo ßen Gedanken an die Berührung und hätte es sicher beim Schreien bewenden lassen." „Wenn ich schrie," entgegnete Elisabeth ein fach, „dann konnte eine unwillkürliche Bewegung Linkes infolge des Schreckens das Unglück ge rade hcrbcisührcn." Herr von Walde hörte der Schilderung mit großer Ruhe und Aufmerksamkeit zu. Nur als Miß Mertens beschrieb, wie Elisabeth den Mör der mit Blitzesschnelle gefaßt hatte, wechselte er jäh die Farbe und warf einen langen, ängstlich forschenden Blick auf das junge Mädchen, als wollte er sich versichern, daß es auch wirtlich unverletzt aus der Gefahr hervorgegangen sei. . Er bog sich zu ihr nieder, nahm ihre Rechte und führte sie an seine Lippen; sie fühlie dabei «in leises Beben seiner Hand. Miß MertenS, welche bemerkte, daß diese Tan- teZäußcrung Elisabeth sehr verlegen machte und ihr eine Purpurglut auf die Wangen trieb, ver- ließ ihren Platz, hob die Pistole vom Boden auf, die Linke auf seiner Flucht von sich gc- wcrfen hatte, und gab sie Herrn von Walde. „Abscheulich!" murmelte er. „Ter Elende hat sich auch noch einer Waffe bedient, die mir gehört." Elisabeth erhob sich jetzt auch und versicherte auf Miß MertenS Befragen, daß sie von den Wirkungen des Schreckens ganz und gar nichts spüre und den Rückweg antreten könne. Beide wollten sich von Herrn von Walde verabschieden; allein er band sein Pferd an der verhängnisvol len Buche noch fester an und sagte in scherzen dem Tone: „Linke ist, wie wir uns beute über zeugt haben, sehr rachsüchtiger Natur; es dürfte leicht sein, daß er meine Lebensretterin noch grimmiger haßt als mich selbst . . . ich kann nicht zugcben, daß Sic ihm ohne männlichen Schutz begegnen." Sie stiegen den Berg hinauf. Miß Mertens eilte voraus, um auch Herrn von Walde znr Eilc anzutreibcn, denn es mußten ja doch Schritte zur Verfolgung des Verbrechers geschehen; allein ihre Bestrebungen waren umsonst. Er schritt langsam und schweigend neben Elisabeth, die eine Zeitlang mit sich kämpfte, endlich aber in. leisem, verzagten Tone ihn bat, cr möge jetzt nicht wieder allein zu seinem Pferde znrückkeh- ren, sondern dasselbe holen lassen. (Fortsetzung folgt.)
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