Volltext Seite (XML)
276, 29. November 1910. Nichtamtlicher Teil. Bürl-nbl-tt f. d. Dtlchn. «uchhand«! 14775 Verbotene Druckschriften. Die Erste Strafkammer des Könial. Landgerichts Hierselbst hat durch rechtskräftiges Urteil vom 28. Oktober 1910 auf Grund der 88 130, 40, 41 St.-G.-Bs. für Recht erkannt: Sämtliche im Gebiet des Deutschen Reiches befindlichen Exemplare der Druckschrift »2s, ^Vvlnoso i Ofoe^ens« (Für Freiheit und Vaterland), sowie die zu ihrer Herstellung be stimmten Platten und Formen sind mit der aus 8 41 Abs. 2 St.-G.-Bs. gegebenen Einschränkung unbrauchbar zu machen. Oppeln, 18. November 1910. (gez.) Der Erste Staatsanwalt. (Deutsches Fahndungsblatt Stück 3565 vom 25. November 1910.) Nichtamtlicher Teil. Die Werkmeisterzeitung und der Buchhandel. Eine zeitgemäße Betrachtung von R. L. Prager. Die Entscheidung ist gefallen. Der Börsenvereinsvorstand hat eine Anzahl Vereinsbuchhandlungen, die entgegen unseren Satzungen und Ordnungen den erzielten Gewinn ihren Mit gliedern, wenn auch nur indirekt zukommen lassen, von dem Bezüge ausgeschlossen. Wir dürfen annehmen, daß der Börsen vereinsvorstand der Schwere dieses Schrittes sich bewußt ist; er hat aber damit nur den Wunsch der Mehrheit seiner Mit glieder ausgeführt. Im Bewußtsein erfüllter Pflicht kann er also allen Folgen ruhig ins Auge sehen; der Gesamtbuchhandel steht hinter ihm. Nicht nur der vor allem gefährdete Sortiments buchhandel, dem der Vereinsbücherhandel nach und nach seine sämtlichen Kunden abspenstig machen würde, auch der Verlag geht Hand in Hand mit dem Sortiment. Auf der am 7. Novem ber ds. Js. stattgefundenen Hauptversammlung des Deutschen Verlegervereins ist einstimmig das Vorgehen des Vorstandes des Börsenvereins gebilligt worden, und die Hauptversamm lung hat erklärt, daß selbstverständlich alle Mitglieder des Ver legervereins den Vereinsbuchhandlungen nicht oder nur mit beschränktem Rabatt liefern werden. Damit ist der erste Schritt getan; es wird aber noch mancher Kämpfe bedürfen, ehe der Buchhandel wieder dahin kommt, den Buchhändlern zu gehören, und ehe es nicht mehr jedem, der Bücher verkaufen will, möglich ist, dies zu tun, auch ohne Buchhändler zu sein. Es war zu erwarten, daß die Vereinsbuchhandlungen diesen Schritt nicht ruhig hinnehmen werden, sie werden wenigstens versuchen, weiter zu liefern, sie werden sich aber vielleicht auch zur Wehr setzen und auf Mittel und Wege sinnen, den Schritt des Börsenvereinsvorstandes unwirksam zu machen, oder seine Aufhebung zu erzwingen. Die Nr. 46 der Werkmeisterzeitung vom 11. November 1910 bringt an erster Stelle einen Aufsatz unter dem Titel: »D e r Boykott der Werk m ei st erbuch Handlung durch den Börsen verein der Deutschen Buchhändler«. Es muß zugegeben werden, daß dieser Artikel in sachlicher, ruhiger Weise die Angelegenheit erörtert und zugesteht, daß die in der Verkaufsordnung niedergelegte Forderung des Börsenvereins, den Buchhandlungen, die unzu lässigen Rabatt auch in der Form der Verteilung des erzielten Gewinns an die Mitglieder oder Abnehmer verteilen oder gewähren, jegliche Lieferung von Werken zu entziehen, durchaus berechtigt ist. Dieses wertvolle Zugeständnis wird aber leider dadurch ganz erheblich eingeschränkt, daß dem Börsenvereins- vorstande eine ganz eigentümliche und parteiische Auslegung der Verkaufsordnung untergeschoben wird. Ein Beweis hier für wird freilich nicht erbracht, es werden nur die Vorzüge, die die Werkmeisterbuchhandlung gegenüber dem Buchhandel angeblich haben soll, aufgeführt, ohne daß versucht wird, den Beweis zu führen, daß der erzielte Gewinn nicht etwa in irgend einer Form den Vereinsmitgliedern zufließt. Und das ist doch der springende^Punkt. Wenn der Aufsatz wörtlich sagt: »Da sind Tausende von Mark für Bildungszwecke ausgegeben, ohne daß der Buchhandel dafür Dank wußte. Es ist das auch nicht verwunderlich. Aber schließlich ist es die Aufgabe jeder Organi sation, die Bildung unter den eigenen Mitgliedern zu fördern und alle Mittel zur Verfügung zu stellen und alles Notwendige zu tun, um das zu erleichtern. Z. B. gaben die Privatbeamten 1909 über 100 000 die Arbeiterverbände über 400 000 für die Auffüllung der Vereinsbibliotheken ans, alles Beträge, die den Verlegern direkt zuflossen und indirekt zahllose Bücher bestellungen der Vereinsmitglieder veranlaßten. Daher haben die Berufsvereine einen außerordentlich günstigen Einfluß auf den Bücherabsatz.« Ich will nicht untersuchen, ob namentlich der letzte Absatz der Wahrheit entspricht. Man kann ebensogut annehmen, daß die Bildung von Vereinsbibliotheken den Absatz der Bücher beschränkt habe, doch ich will darauf nicht eingehen. Tatsache ist, daß, soweit die Vereinsbibliotheken in Frage kommen, deren Bedarf durch die Vereinsbuchhandlungen gedeckt und somit dem Sortimentsbuchhandel entzogen worden ist, ein' sehr weites Gebiet, das zu beherrschen der Sortimentsbuchhandel doch wohl ein Recht hat. Es wird also tatsächlich durch die Vereinsbuchhandlungen, wie das ja auch ganz natürlich ist, ein großer, sehr großer Kreis gerade kauflustiger Elemente dem Sortiment entfremdet, und der Nutzen an diesen Käufen wird wieder in einer Weise angelegt, die dem Sortiment von neuem Abnehmer und Verdienst entzieht. In der letzten außerordentlichen Hauptversammlung des Verlegervereins, die am 7. November ds. Js. getagt hat, ist auch, wie schon erwähnt, die Frage der Vereinsbuchhandlungen behandelt worden. In der Diskussion wurde von einer Seite die Frage aufgeworfen, welche sittliche Berechtigung der Buch handel habe, den Vereinsbuchhandlungen den Bezug von Büchern zu entziehen. Durch Schluß der Diskussion bin ich verhindert worden, meinerseits die Antwort auf diese Frage zu geben, die übrigens auch von anderer Seite in für den Buch handel günstiger Weise beantwortet worden ist. Meines Erachtens liegt die sittliche Berechtigung für den Buchhandel einfach darin, daß jeder berechtigt ist, sich einer Konkurrenz, namentlich einer erheblich eingreifenden, zu erwehren, wenn er dazu imstande ist, dann aber auch darin, daß die Konkurrenz den Buchhandel um so schwerer trifft, als die Vereinsbuchhand lungen unter erheblich günstigeren Bedingungen arbeiten als der Sortimentsbuchhandel. Den Vereinsbuchhandlungen liegt ihr Feld klar vor Augen, sie können die Fühlung, die sie mit ihren Vereinsmitgliedern haben, reichlich ausnutzen, die Ver einszeitungen stehen zu ihrer Verfügung, sie sind auch nicht genötigt, Lager zu halten oder sich gar mit dem uneinträglichen Geschäft der Werbung für neue Bücher, mit Ansichtsversendun gen usw. abzugeben, sie liefern eben einfach entweder das, was ihre Vereinsmitglieder wünschen, und beschränken sich darauf, in ihrem Organe Bücher zu besprechen und Bücher zu emp fehlen. Würde der Vereinsbuchhandel sämtliche Funktionen des Sortiments erfüllen, bzw. zu Sortimentsbuchhandlungen im vollen Sinne des Wortes werden, so würden die Betriebs unkosten derartig wachsen, daß bei dem geringen Verdienst, den das Sortiment abwirft, der Nutzen an dem Vertriebe der neuen 1914*