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276. 29. November 1910 Nichtamtlicher Teil. Börsküblatt f. d. Dtschn. vuchhandkl. 14777 bescheidenes, so doch ausreichendes Auskommen findet, während der feste Ladenpreis jedem Bezieher die Gewähr gibt, bei seinen Einkäufen nicht überteuert zu werden. Mit der Organisation hängt eng zusammen das Konditionssystem, das erst die Bekanntmachung der Bücher durch Vorlage an die Kun den möglich macht, ein Verfahren, daß dem Sortimenter große Opfer auferlegt, die nur durch den Absatz der sogenannten Brotartikel wieder wettgemacht werden können. Werden diese Brotartikel dem Sortiment entzogen, so entfällt für ihn die Möglichkeit, für die Verbreitung der Bücher in bisheriger Weise tätig zu sein. Diese Verbreitung müßten die Verleger selbst in die Hand nehmen und auf erheblich teurere Weise be wirken, als es jetzt der Fall ist: die notwendige Folge davon muß eine wesentliche Verteuerung der Bücher sein. Dies mag sich jeder, der Verfasser oder Käufer von Büchern ist, klarmachen. Jedenfalls steht der Gesamtbuchhandel hinter seiner Ver tretung, und die getroffenen Maßnahmen sind der Ausdruck seiner Überzeugung, daß ohne sie an ein Weiterbestehen des Buchhandels nicht gedacht werden kann. Sie sind aber auch berechtigt, und gerade die Organisationen, die die Macht, die im Zusammenschluß liegt, für sich rücksichtslos ausnutzen, haben am wenigsten ein Recht, dem Buchhandel einen Vorwurf daraus zu machen, daß er seinerseits die Kraft seiner Or ganisation darauf verwendet, seine Mitglieder gegen den Wettbewerb anderer Vereinigun gen zu schü'tzen. Kleine Mitteilungen. vffenhalten der Schaufenster an Sonn-, Fest- und Buß tagen in Leipzig. — Der Rat der Stadt Leipzig hat den Stadtverordneten folgende Mitteilung mit dem Entwurf eines bezüglichen Ortsgesetzes zugehen lassen: »Nach der Verordnung der Königlichen Ministerien des Kultus und öffentlichen Unterrichts sowie des Innern vom 29. Juni I9l0 ist die Füglichkeit gegeben, ein Ortsgesetz darüber zu erlassen, daß die in § 3 Absatz 6 des Gesetzes, die Sonn-, Fest- und Bußtags- seier betreffend, vom 10. September 1870 vorgeschriebene Schließung der Schaufenster an Sonn-, Fest- und Bußtagen unterbleiben kann. Die Handels-und die Gewerbekammer, die wir hierzu gehört haben, halten einen solchen Erlaß nicht nur für erwünscht, sondern sogar für erforderlich. Auch der Verkehrsverein hat in einer Eingabe gebeten, ein solches Ortsgesetz zu erlassen. Die Kircheninspektion Leipzig k hat sich ebenfalls im zustimmenden Sinne erklärt. Nur der Deutschnationale Handlungsgehilfen-Verband hat gebeten, vom Erlasse eines diesbezüglichen Ortsgesetzes abzusehen. Der Grund hierzu, der ja lediglich in der Befürchtung vermehrter Sonntags- tätigkeit für die Angestellten zu suchen sein wird, ist insofern nicht stichhaltig, als nach 8 105 b Absatz 2 der Reichsgewerbeordnung in Verbindung mit unserem Ortsgesetz vom 9. Juni 1900 und unserer Bekanntmachung vom 15. September 1906 die Angestellten nur in der bisherigen Weise beschäftigt werden dürfen. Wir haben nach alledem beschlossen, das nachfolgende Ortsgesetz zu erlassen. Mit Rücksicht darauf, daß die gehörten Organe für besondere Tage eine Ausnahme von diesem Ortsgesetz nicht befürworten, haben wir davon abgesehen, eine diesbezügliche Bestimmung im Orts gesetz aufzunehmen. Wir ersuchen Sie, diesem Ortsgesetze zuzu- stimmen und bitten, Ihren Herrn Vorsteher zur Mitvollziehung zu ermächtigen. Da die Geschäftsinhaber großes Interesse daran haben werden, daß dieses Ortsgesetz noch vor der Weihnachtszeit erlassen wird, bitten wir um tunlichste Beschleunigung der An gelegenheit.« Der Entwurf zu dem Ortsgesetze lautet: »Ortsgesetz«, die Anwendung des Gesetzes über die Sonn-, Fest- und Bußtagsfeier vom 10. September 1870 betreffend. Auf Grund der Verordnung der Ministerien des Kultus und öffentlichen Unterrichts, sowie des Innern vom 29. Juni 1910 wird hiermit folgendes bestimmt: Die in § 3 Absatz 5 des Gesetzes, die Sonn-, Fest- und Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 77. Jahrgang. Bußtagsfeier betreffend, vom 10 September 1870 vorgeschriebene Schließung der Schaufenster an Sonn-, Fest- und Bußtagen kann in Zukunft auch während der Zeit unterbleiben, zu der der öffentliche Handel nicht gestattet ist.« «egen Schmutz- und Schundliteratur. — Die in der letzten Versammlung der Leipziger Logen vereinigten Frei maurer sprachen die Überzeugung aus, daß die Unterdrückung der Schmutz- und Schundliteratur ein dringendes Bedürfnis unseres öffentlichen Lebens ist. Sie waren auch einig darüber, daß ein siegreicher Kampf möglich und auf allen Wegen zu ver- suchen ist. Sie nahmen eine längere Erklärung an, in der Vor schläge zur Bekämpfung des Übels gemacht werden. (Leipziger Neueste Nachrichten.) «egen Schmutz und Schund in Wort und Bild. — Ein »Zentral-Ausschuß der deutschen Frauenvereine zum Kampf gegen Schmutz und Schund in Wort und Bild« wurde am 21. November d. I. in Berlin in einer aus allen Teilen des Reichs von Frauen der verschiedensten Richtungen beschickten Versammlung gebildet. Es waren Vertreterinnen der Frauen bewegung, wie Helene Lange, Anna Pappritz, Paula Mueller, Alice Salomon, Vertreterinnen konfessioneller und charitativer Ver- bände, der kirchlich-sozialen Frauengruppen, der katholischen Für- sorge-Vereine, der evangelischen Jungfrauenvereine, des jüdischen Frauenbundes, Delegierte des Deutschen Frauenbundes, die Vor sitzende des Landesvereins Preußischer Volksschullehrerinnen Fräu lein Elisabeth Schneider, Vertreterinnen der kaufmännischen An gestellten, der Gastwirtsgehilfinnen usw. anwesend. Der neugegründete Ausschuß, dem nur Verbände, keine Einzelpersonen beitreten können, macht es sich zur Aufgabe, die Frauenvereine Deutschlands in stärkerem Maße als bisher für den Kampf gegen Schmutz und Schund in Wort und Bild heran zuziehen. Es handelt sich vor allem darum, die bestehenden Frauenvereine für die praktische Arbeit auf diesem Gebiet zu interessieren. Einerseits sollen positive Maßregeln zur Ver- breitung guter Literatur — insbesondere für die Jugend — gefördert und Bestrebungen zur Entwicklung eines gefunden Ge schmacks unterstützt werden. Andererseits soll auch aus die Durch führung der Bestimmungen über den Vertrieb von unzüchtigen Schriften und Abbildungen, vor allem über den Verkauf solcher Schriften an jugendliche Personen eingewirkt werden. Auch soll möglichst eine Bewegung in den Frauenvereinen eingeleitet werden, die auf Unterstützung aller Geschäfte abzielt, die derartige Schriften und Abbildungen nicht feil halten. Die Frauen sollen weiterhin veranlaßt werden, in diesen Fragen mehr als bisher die Ansichten, die sie als Frauen und Mütter zu diesen Fragen einnehmen, im öffentlichen Leben zur Geltung zu bringen. Die Geschäftsführung des Ausschusses wurde von einem Vor stand übernommen, dem vr. Alice Salomon als Vorsitzende, Frau Margarete Danneel, Gräfin Haake, Gräfin Montgelas, Paula Müller, Anna Pappritz und Margarete Telschow angehören. (Vossische Zeitung.) * Gegen Schundliteratur. — Über Schundliteratur wird am 2. Dezember, abends 8 Uhr, Herr Rechtsanwalt Or. Heinrich Welcker bei einem vom Verein Leipziger Presse in den Kammer musiksälen des Zentraltheaters in Leipzig veranstalteten Abend einen Vortrag halten. Gleichzeitig mit dem Vortrag findet eine Ausstellung guter und schlechter Bücher statt. * Post nach Westafrika. — Die Briefposten, die von der Bahnpost Cöln-Verviers sab Cöln 10^ abends) am 10. November für die Carrarischen Inseln und für Orte an der Westküste Afrikas, insbesondere in Togo und Kamerun zur Weiter beförderung mit dem am II. November von Boulogne ab gegangenen Dampfer »Eleonore Woermann« der Kamerun- Hauptlinie abgesandt worden sind, haben, wie der Reichs- Postverwaltung erst jetzt bekannt geworden ist, den Anschluß an den genannten Dampfer verfehlt. Die nach dem Freistaate Liberia, Togo und Kamerun bestimmten Briefbeutel sind mit >915