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14776 «drsenriatt f. b. Dtschn. «uchhand-i. Mchtamtlicher Teü. 276, 29. November ISIS). Bücher auf ein Minimum sinken oder sich gar in Verlust ver kehren müßte. Es ist ein offenes Geheimnis, daß, obgleich die Vereinsbuchhandlungen diesen wirklichen und vollen Sorti mentsbetrieb nicht führen, verschiedene von ihnen auch heute noch, Jahre nach ihrer Begründung, mit Verlust arbeiten. Also Verlust für das Sortiment durch die Entziehung der Kund schaft und Verlust für die Vereinsbuchhandlungen durch ihren Betrieb. Das ist kein gesunder Zustand, der auf die Dauer zu ertragen ist, und der Buchhandel tut recht daran, sich gegen die Fortdauer dieser Schädigung aufznlehnen. Aber auch für den Verlag ist der Betrieb der Vereinsbuchhandlungen kein Vorteil. Daß die Vereinsbuchhandlungen durch ihre eigene Tätigkeit den Absatz erheblich fördern, ist noch nicht bewiesen, ist vielmehr recht zweifelhaft. Sicher ist, daß vielfach nur eine Absatzver schiebung eintritt. Der Absatz, den die Vereinsbuchhand lungen erzielen, entgeht dem Sortimentsbuchhandel: das eine Plus wird durch das andere Minus ausgewogen. Es ist zuzugeben, daß die Genossenschaften und Vereinigungen durch ihre Zeitschriften, durch das Zusammen fassen ihrer Mitglieder, durch ihre Bilduugsbestrebungen die Bildung fördern und damit auch den Wunsch, Bücher zu besitzen. Dies sind aber die Genossenschaften an sich, nicht die Vereins buchhandlungen. Die Gewerkschaften würden diese Zwecke ebenso, vielleicht noch besser fördern, wenn sie sich der Vereins buchhandlungen entledigen und für die Verbreitung der Litera tur nur durch ihre Organe wirken und Fühlung mit dem Sorti mentsbuchhandel nehmen würden. Der Vorwurf, der vou den Verbänden dem Buchhandel gemacht wird und den sie häufig als Grund für die Errichtung eigener Buchhandlungen ansühren, daß der Buchhandel oft in bezug auf Beantwortung von Anfragen bezüglich Literatur versagt, ist jedenfalls in diesem Umfange nicht stichhaltig. Es ist freilich nicht von jeden: Buchhändler zu verlangen, daß er die Spezialitäten jeder einzelnen Literaturgattung beherrscht. Dafür gibt es Spezialbuchhandlungen, die sicherlich in solchem Falle nicht versagen werden. Freilich ist es häufig schwer, gerade die Literatur, die von den Genossenschaften und Gewerk schaften selbst herausgegeben wird, zu beschaffen; doch liegt dies nicht am Buchhandel, sondern an der Organisation der Ge nossenschaften, die vielfach kleinere Schriften nur für ihre Mit glieder drucken und sie gar nicht in den Buchhandel bringen. Dies mag vom Standpunkt der Genossenschaften aus erklärlich und auch berechtigt sein, erschwert aber natürlich die Beschaffung solcher Literatur. Versagt aber in diesem Falle eine Buch handlung wirklich, so ist es eben Sache der Organisation, ihren Mitgliedern die nötigen Ratschläge zu geben. Dazu bedarf es aber keiner Vereinsbuchhandlung, noch würde diese genügend beschäftigt sein, wenn sie sich nur mit dein Vertriebe dieser Literatur befassen würde. Der angezogene Aufsatz der Werkmeisterzeitung behauptet ferner, daß der Buchhandel durch die Entziehung der Lieferung an die Vereinsbuchhandlungen in Künstlerischer Weise verfahre und »den Privatangestellten, die auf ihre Fortbildung bedacht sind, die als wichtiges Glied der Volkswirtschaft des Deutschen Reiches gilt, das Wasser abgräbt, durch eine einseitige, rein Künstlerische Maßnahme, die nicht Interesse auf die Gesamtheit nimmt, sondern nur auf einen einzigen Stand, der heute bei der Bedeutung der Industrie vollkommen verschwindet und dem ein frischer, kaufmännischer Zug bitter vonnöten ist«. Es ist doch ein starkes Stück, zu behaupten, daß den Privatangestell ten durch die Lieferungssperre das Wasser abgegraben und ihre Fortbildung in Frage gestellt wird. Wenn die Vereinsbuch handlungen verschwänden, so würde die Versorgung der Privat angestellten mit Literatur dem Buchhandel wieder zufallen, dessen Aufgabe es ist, die Bücher in das Volk zu tragen. Aufgabe der Genossenschaften ist nur, ihre Mitglieder mit den Neu erscheinungen bekannt zu machen, deren Bildungsdurst in richtige Bahnen zu leiten, nicht aber, selbst die Versorgung ihrer Mitglieder mit Büchern zu übernehmen. Man spricht so unge heuer viel von der Stärkung des Mittelstandes; aber Opfer dafür will niemand bringen. Hier ist nun einmal eine Gelegen heit, dies zu tun, ohne eigentlich wirklich Opfer zu bringen; der Nutzen für die Vereinsbuchhandlungen ist meist, wie ich schon oben ausgeführt habe, eine sehr geringer, häufig gar keiner, so daß von einem Opfer eigentlich nicht die Rede ein kann. Für den Buchhandel aber würde es eine sehr große Stärkung sein, und zahlreiche Existenzen würden aufatmen, wenn ihnen die große Zahl kaufwilliger Personen zugeführt würde, die heute durch die verschiedenen Vereinsbuchhandlungen versorgt werden. Der Aufsatz beschäftigt sich dann mit der Zentralbuchhand lung deutscher Rechtsanwälte und erwähnt die Veröffentlichung des Vorstandes des Deutschen Verlegervereins gegen sie, in der hervorgehoben wird, daß den Verlegern in den Vereinsbuch handlungen erhebliche Konkurrenten erwachsen. Es wird ferner behauptet, daß die Vereinsbuchhandlungen den Verlegern bis heute noch in keiner Weise Schaden zugefügt hätten, da alles, was sie verlegen, sich auf die engere Organisation beziehe. Bei der Zentralbuchhandlung deutscher Rechtsanwälte trifst dies schon nicht mehr zu. Es liegt die Gefahr vor, daß dies auch bei den anderen Organisationen anders wird, wenn sie genügend stark sind, um den Verlag selbst in die Hand zu nehmen. Wir Buchhändler wissen am besten, wie verführerisch es an sich ist, zu verlegen, und es ist nicht anzunehmen, daß die Vereinsbuch handlungen dieser Verführung gegenüber standhaft bleiben wer den. Also auch die Verleger haben ein lebhaftes Interesse daran, neben dem bestehenden Buchhandel nicht noch einen zweiten erstarken zu lassen, den die Vereine betreiben. Der Hauptgrund für den Verleger, dem Anwachsen der Vereins buchhandlungen entgegenzutreten, ist aber nicht die Furcht, durch ihre Konkurrenz erdrückt zu werden, sondern die Be fürchtung, daß das Sortiment durch die Entziehung eines großen Teiles seines Absatzes unfähig wird, weiter für den Verlag zu arbeiten. Namentlich der wissenschaftliche Verlag hat ein erhebliches Interesse, die Verwendung des Sortiments für seine wissenschaftlichen Verlagsartikel nicht zu entbehren, die ihm aber nur zuteil werden kann, wenn das Sortiment den Absatz besser rabattierter und leicht verkäuflicher Werke behält und nicht gezwungen wird, diesen an die Vereinsbuchhandlungen abzutreten. Der Verlagsbuchhandel hat das lebhafteste Inter esse, das Sortiment leistungs- und zahlungsfähig zu erhalten, und hieraus erklären sich die Beschlüsse, die der Verlagsbuch handel gefaßt hat. Die Maßnahmen des Börsenvereins bzw. des Gesamtbuch handels sind nicht getroffen, um die Organisationen zu schädigen, sondern um dem Buchhandel zu nützen. Der Nutzen, der den Organisationen aus den Vereinsbuchhandlungen zufließt, ist keineswegs so erheblich, daß sie nicht zugunsten des Buchhandels darauf verzichten können. Dagegen ist es für den Buchhandel eine Lebensfrage, daß nicht immer mehr Abnehmer ihm ent zogen werden und seine Tätigkeit in Frage stellen. Die Maß nahmen waren also notwendig, und man kann nur wünschen, daß auch die von ihnen Betroffenen diese Notwendigkeit ein- sehen mögen. An dem Bestehen eines leistungsfähigen Verlags und Sortimentsbuchhandels hat nicht nur dieser allein, sondern das ganze Volk Interesse. Die Verbreitung der Literatur und der Kultur ist mit dem Bestehen des Buchhandels eng verknüpft. Die Organisation, die der Buchhandel sich gegeben hat, die es ermöglicht, auch in der kleinsten Stadt jedes Buch zu erhalten und zwar nicht nur auf feste Bestellung, sondern in den meisten Fällen auch zur Ansicht, hat die Blüte des Buchhandels und der Literatur in Deutschland zur Folge gehabt. Die Organi sation beruht aber darauf, daß eine große Anzahl größerer und kleinerer Handlungen in allenTeilen desReiches ein, wenn auch