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131, 8. Juni 1912. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dkschn. vuchtzanbeU 6997 vorliegt, mit Unterstützung des württembergischen Staates von Herm. Fischer herausgegeben, ein sieb enbirr gisch- sächsisches das, von Schullerus bearbeitet, im Er scheinen begriffen ist, und das geplante hessische und preußische. Um die Dialekte möglichst getreu zu kon servieren, begnügt man sich nicht mehr mit ihrer schriftlichen Fixierung, sondern nimmt den Phonographen dabei zu Hilfe. Die Stadt Hamburg hat neben der Ausarbeitung einer wifsenschaftlichenBibliographie der gesamten niederdeutschen Druckwerke älterer und neuerer Zeit die Einrichtung eines niederdeutschen Phonogrammarchivs zur systematischen Erforschung der lebenden niederdeutschen Mundarten be schlossen. Das alles ist durchaus am Platze, nicht aber soll man auf natürliche Weise zum Absterben Kommendes durch aus lebendig erhalten wollen, auch wenn es den Bedürfnissen einer fortgeschritteneren Lebensführung widerstreitet. Gerade die Philologen wissen, daß eine Sprache ein in un ausgesetzter Entwicklung befindlicher Organismus ist, nicht etwas, das man mit künstlichen Mitteln über seine Zeit hinaus erhalten muß. Die beliebte Scheidung in Kunst- und Natursprache ist ein Irrtum, denn die Fortbildungen haben sich nicht von Professoren bestimmen lassen, sondern sind erst nachträglich von solchen zur Festlegung des Wortschatzes bzw. der Grammatik in diese ausgenommen worden. Die Ausdrucksweise Luthers ist für uns veraltet; wer hat sie geändert? Die gemeinsame Sprache ist das nicht zu unterschätzende einigende Band für Angehörige eines Landes, das wie das deutsche in so verschiedenartige Unter abteilungen zerfällt; weben wir an ihm, daß es dichter und haltbarer wird, statt es zu zerreißen! Vor einigen Wochen führte mich eine einstündige Bahnfahrt von Köln ins Belgische Land, wo ein Dialekt gesprochen wird, der für mich ein Buch mit sieben Siegeln ist. Wer wird nun diesen Zustand, daß Deutsche untereinander sich nicht verstehen, als einen erstrebenswerten und Jdealzustand hinstellen wollen? Die Verwirrung und Verirrung geht in dieser Beziehung so weit, daß der Intendant des Mannheimer Hoftheatsrs, Professor Gregori, wie ich der Aprilnummer des -Quickborn« entnehme, in Hamburg sich wegwerfend über »die nivellierende Charakterlosigkeit der Bühnensprache« ausgelassen hat. Ich habe bisher geglaubt, daß die Bühne die Aufgabe habe, eins hohe Schule der besten Aussprache zu sein. Den Gipfel des Widersinns zu erklimmen, war der Schleswiger Regierung Vorbehalten, die nach einer Zeitungsmeldung das Prooinzial- schulkollegium in Schleswig veranlaßt haben soll, dem Platt deutschen einen größeren Raum im Lehrplan der Schulen anzuweisen. Wollen wir nicht gleich das Hochdeutsche ganz abschaffen, damit wir wieder auf den idealen Standpunkt des 14. Jahrhunderts herabsinken? Seit einigen Jahren besteht hier eine Vereinigung für Kunst in Handel und Gewerbe, die ein Preisaus schreiben sür künstlerisch ausgestattets Drucksachen für mer kantile Zwecke: Briefköpfe, Rechnungsformulare, Einlaß karten, Reiseaviss, Memoranden usw. ergehen läßt. Zuge lassen werden ohne Rücksicht auf die Herstellungsart alle Arten von Geschäftsformularen, die in Köln während des Jahres 1912 zur praktischen Verwendung hergestellt wurden, in Buch- und Steindruck, sei es in rein typographischer An ordnung, sei es in ornamentaler Behandlung mit Schmuck- und Zierstücken. Die Vereinigung, der die Arbeiten bis zum 1. Dezember einzureichen sind, setzt fünf Preise aus, die in künst lerischen Urkunden bestehen und sowohl der Druckerei wie dem Besteller verliehen werden. Ist der Entwurf von einem Künstler hergestellt, so erhält dieser an Stelle der Druckerei den Preis. Bei der Beurteilung wird sich das Preisgericht von bestimmten Grundsätzen leiten lassen. Einmal soll die Form der Type, ihre Größe und Anordnung und das dadurch ge- Börsenblatt fiir den Deutschen Buchhandel. 7d. Jahrgang. schaffen? Satzbild, vornehmlich hinsichtlich des Verhältnisses von bedruckter zu unbedruckter Fläche wie hinsichtlich der künstlerischen Gliederung der Fläche selbst, besonders in Be tracht gezogen werden. Bei ornamental ausgestattetsn Arbeiten soll die künstlerische Art der Einordnung und Einbeziehung des Ornaments in den Schriftcharakter, und sofern mehrere Farben verwendet wurden, die harmonische Geschlossenheit der farbigen Wirkung ausschlaggebend sein; weiterhin die klare Übersichtlichkeit, wie sie der kaufmännische Zweck erfordert. Schlichte Einfachheit wird komplizierter Gedrängtheit vorgezogen Die unbedingte Wahrung des Flächencharakters gilt als notwendiges Erfordernis. Diese Vereinigung, die im Mai ihre Jahresversammlung abhielt, zählt 7 Stifter, 24 Patrone, 8 körperschaftliche Mitglieder und 137 persönliche. Von den durch sie ver- anlaßten Ausstellungen sei diejenige von merkantilen Druck sachen hier genannt. Drei Vorträge behandelten das Grenzgebiet von Kunstgewerbe und merkantiler Kunst: Karl Ernst Osthaus sprach über Schaufensterdekoration, Geh. Rat K. Muthesius über die Kunst im Dienste des Kaufmanns und Professor P. Behrens über Kunst und Technik. Der Regierungsbau meister Aug. Jenz behandelte das Firmenschilderunwesen, und im Anschluß daran wurde eine erste Flugschrift über das Thema herausgegeben. Unter den folgenden Flugschriften wird auch eine über kaufmännische Drucksachen sich befinden. Es ist auch eine Beratungs- und Austragsvermittelungsstelle ins Leben gerufen worden, die im Kunstgewerbemuseum ihren Sitz hat und bis jetzt 44 Aufträge im Betrage von 25000 ^ ver mittelte. Mehrere Eingaben und Kundgebungen der Vereinigung verfolgten den Zweck, der Verunstaltung öffentlicher Gebäude des Straßen- und Stadtbildes durch Reklame- und Firmenankündigungen entgegenzuwirken. Durch schlagenden Erfolg hatten diese Bestrebungen hinsichtlich der Reklame auf den Bahnhöfen des Bezirks Köln. Die Eisenbahndirektion Köln hat sich bereit erklärt, mit aller Schärfe über die Firmen- und Reklameankündigungen auf den Bahnhöfen und in den Wartesälen zu wachen. Zur Entscheidung über die künstlerische Qualität der auszuhängen- den Schilder wird die Vereinigung aus ihrer Mitte eine Kommission ernennen, die in steter Fühlung mit der Eisen bahndirektion die Begutachtung der Plakate vornimmt. Die Vorbildecsammlung der Vereinigung, die im Laufe des Jahres zusammengestellt wurde, besteht in der Hauptsache aus graphischen Arbeiten gewerblich-industrieller Art. Der Postscheckverkehr hat im Bezirk Köln einen solchen Umfang angenommen, daß das hiesige Postscheckamt das größte des Reiches geworden ist und mit 14 237 Konto inhabern Berlin um 1419 Kunden überflügelte; danach folgen Leipzig, Frankfurt a. M., Hamburg, Breslau und Hannover, Karlsruhe und Danzig. Die im April auf diesen Konten verbuchten Beträge belaufen sich auf mehr als 2fl, Milliarden. Der Postverkehr im Kölner Bezirk ist im letzten Jahrzehnt gewaltig gestiegen. Die Briefeingänge stiegen hier vom Jahre 1900 von 99 auf 155 Millionen Stück in 1910, die Zahl der aufgelieferten Briefsendungen stieg im selben Zeitraum von 93 auf 188 Millionen, womit Köln vom 8. auf den 5. Platz vorrückte, indem es Dresden, Erfurt und Frankfurt a. M. überholte. Der Durchschnitt der aufgelieferten Briefe auf den Kops der Bevölkerung stieg von 90,3 auf 149,9 (der Reichsdurchschnitt von 61,2 auf 90,8). Köln ist stets ein außerordentlich wichtiger Platz für den Verkehr gewesen. Die erste dem Publikum zugängliche internationale Postvsrbindung mit regelmäßigen Beförderungs- zeiten führte von Wien nach Brüssel über Köln. Sie wurde, wie ein Kölner Oberpostsekretär in der Märznummer des -Archivs für Post und Telegraphie- ausführt, im Jahre 1516 auf Veranlassung des Kaisers Maximilian I., der von seinem »12