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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 29.09.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-09-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191009298
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19100929
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19100929
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-09
- Tag 1910-09-29
-
Monat
1910-09
-
Jahr
1910
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 29.09.1910
- Autor
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Einrichtung, den Bierapparat, die Automaten, Tische, Gläser und Stähle; Tapeten und Bilder rissen sie von den Wänden. Der Schutzmann hatte sich nach dem Hofe zurückgezogen und mußte sich dort, nachdem er sechs mal auf die Menge geschossen hatte, verstecken. In den Straßen, wo sich diese Szenen abspielten, herrschte nur unge wisses Zwielicht, da die Exzedenten alle Lichter ausgelöscht und die Gaslaternen zertrümmert hatten. Die betroffene Gegend des Stadtteils Moabit gleicht einem Heerlager. Reichlich 300 Schutzleute zu Fuß und 30 bis 40 Berittene sind dort zusammengezogen worden. Jede Straße ist stark besetzt worden. Auch am Tage versuchen namentlich Weiber neue Tätlichkeiten zu provo zieren. Die Hauptkrakehler wurden verhaftet. Moabit zählt 16000 Arbeiter und befindet sich in einem Zustand äußerster Unruhe und Un sicherheit. Die Berliner Polizei ist, wie der „B. L.-A." mitteilt, erst vorgcgangen, nachdem durch dringende Depeschen des Zechenmagnatcn Stinnes der Minister des Innern von dem Ernst der Lage überzeugt worden war. Den Exzedenten kam ferner der Umstand zugute, daß die Grenze Charlottenburgs in Moabit verläuft. Die Poli zeipraxis ist in beiden Stadtteilen nicht immer gleichartig, was im Interesse der Sache außer ordentlich wünschenswert wäre. Die Polizei hofft jedoch, auch ohne Zuziehung von Militär der Unruhen Herr zu werden. Jede falsche Rück sichtnahme soll in Zukunft fallen gelassen werden. Polizeipräsident v. Jagow bezeichnete die Zu- sammenrottungen in Moabit als schweren Landes- fricdensbruch. Der Polizeipräsident meinte u.a.: Man wird voraussichtlich die ganze Strenge des Gesetzes auf die mit unverantwortlicher Leicht fertigkeit handelnden Rädelsführer und tatsächlichen Angreifer anwenden. Auf derartigem schweren Landfriedensbruch steht Zuchthaus bis zu zehn Jahren. Nicht streng genug verurteilen kann man die beliebte Taktik, Frauen und Kinder ins „Bordertreffen" zu schicken. Besonders bei An griffen auf Wagentransporte beliebt man an scheinend harmlos strickende Frauen und Kinder den Wagen in den Weg zu stellen. Es kann für die Zukunft auf Fraueu und Kinder keine Rücksicht mehr genommen werden, wenn diese zur Deckung für die schwersten Ausschreitungen be nutzt werden. Auch Herr v. Jagow ist der An sicht, daß die meiste Arbeit der Polizei der Jan hagel macht, halbwüchsige Burschen, ein licht scheues Gesindel, das sich bei derartigen Anlässen immer am lautesten bemerkbar macht, dafür aber anch am hinterlistigsten und feigsten ist. Gestern gegen Abend hatte sich wieder eine etwa 3000 Personen zählende Menge in der Beußel- und Sickingerstraßc angesammelt. Die wiederholten Zerstreuungsversuche der Polizei hatten nur zeitweiligen Erfolg. Auch hundert Berittene nahmen in langer Reihe Aufstellung. Schlag 7 Uhr brach die Menge in ein furchtbares Pfeifen und Johlen aus, Pfui- uud Schimpfrufe erschollen. Die Beamten zu Fuß und 15 Be rittene zogen blank und trieben die Menge mit scharfen Hieben auseinander, verfolgten sic bis in die Nebenstraßen hinein und sperrten die Veußelstraße ab. Trotzdem mußte die Polizei später nochmals von der blanken Waffe Gebrauch machen, um einen Trupp von etwa 500 Personen zu zerstreuen. Als aus den Häusern mit Flaschen, Preßkohlen und Scherben auf die Polizei ge worfen wurde, schossen die Beamten mit Brow- ningpistvlcn nach den Fenstern. Das Polizei aufgebot wurde vergrößert. Gegcu 10 Uhr durch fuhr der Polizeipräsident im Automobil die Menge, die auseinanderstob. In der Waldstraße drang die Polizei in eine Wohnung ein, aus der mit Nachtgeschirren und Blumentöpfen geworfen worden war. Eine Frau warf den Beamten eine brennende Petroleumlampe entgegen, die glücklicherweise verlöschte. Die Bewohner wurden festgestellt. Mehrfach wurde aus der Menge auf die Polizei geschossen. Während der Zusammen stöße gestern abend wurden insgesamt 90 Per sonen verletzt, darunter 13 schwer, ein Arbeiter sehr schwer. Soweit bisher bekannt, sind zwei Schutzleute verletzt worden, einer am Kopf durch einen Steinwurf, ein anderer durch Sturz auf das Pflaster. Gegen Mitternacht ließen die Menschenansammlungen nach. Verschiedene Läden wurden demoliert. * * * Der Transportarbeiterverband teilte gestern der Firma Kupfer u. Co. mit, er sei zu Verhand lungen geneigt. Der Kohlenhändlerverband be schloß jedoch, nut ihm nicht zu verhandeln. Da gegen setzte sich der Arbeitgeberverband zwecks Verhandlungen mit den Arbeitern mit dem Ma gistratsrat von Schulz in Verbindung und stellte anch eine Lohnerhöhung in Aussicht. Zu Ver handlungen selbst ist cs noch nicht gekommen. Generalversammlung des Evangelischen Bundes. Ehemuitz, 27. Sept. In der zweiten Mitglieder. Versammlung, die von den Weltaufgaben deS deutschen Protestantismus handelte, sprach über deutsch-evangelisch« Diaspora im Ausland Geh. Konststorialrat Prozessor 0. Mirbt-Marburg. „Mehr als zwei Drittel, vielleicht vier Fünftel der Ausländsdeutschen find evangelische Christen. Für sie steht nicht nur die deutsche Nationalität auf dem Spiel, sondern auch die Erhaltung der evangelischen GmubenS. Dir Kirche ist für unS keine internationale oder übernationale Größe, sond«rn sie ist mit unserem Volksleben untrennbar verknüpft. Aber eS müssen Ge meinden, Pfarrer und Lehrer da sein. Dir Auslands diaspora bedarf der Unterstützung der Evangelischen Deutschlands. (Sehr richtig!) In Rio Grande do Sui, wo 2<io v^o Ansiedler drw scher Abkunft leben, die der Mehrzahl nach evangelisch sind, wurden noch im Jahre w«3 36 Gemeinden nachgewiesrn, in denen tue geistlichen Funktionen von Pseudopfarrern au-geübt wurden, z. T. vielfache Abenteurer. Das ist heute besser geworden, dank dem Gustav Adolf-Verein, anderen Vereinen und den Heimalkirchrn. Aber noch ist dringende Hilfe nötig. Dle AuSi andsdiaspora hat die Aufgabe, dem Christentum der deutschen Reformation den Platz in überseeischen Ländern zu sichern und zu erobern, der ihm nicht nur neben dem Katholizismus, sondern auch neben dem an gelsächsischen Protestantismus zukommt." Stürmischer Beifall folgte dieser Rede. Als zweiter Redner nahm Prof. v. Haußlriter-Halle, der vor einigen Monaten von einer Reise nach Ostafrika zurückkehrt«, da» Wort zu drm Thema: „Die evangelische Mission in den deutschen Schutzgebieten." von den ca. Millionen Eingeborenen auf deutschem Kolonialarbiet sind 83000 Glieder der evangelischen, 86 000 der katho lischen Mission. Jene hat, die Misflonarfrauen einge rechnet, 700, diese SOS männliche und weibliche MisstonS- arbeiter (hört, hört!). In den evangelischen Missions schulen werden 60 c 00, in den katholischen 43 000 Kinder unterrichtet. All« Missionen bekämpfen Zauberei, KindeS- mord, Trunkenheit, Polygamie u. a., ermahnen zu ge regeltrr Arbeit und Frieden Die offenen Gehöfte unserer Missionare, die von ihnen ausgehenden geraden, schönen Dorfstraßen der Eingeborenen, vor allem die Verbesserungen der eigenen Bodenkultur zeigen, daß hier kräftig auf die Hebung der Stämme eingewirkt wird. In dem Wirken für dir Volksgesundheit sind wir durch die missionsärztlichen Bestrebungen im Vorsprung. (Bravo!) Rechnen wir alle unsere afiikanischen Missionen zusammen, so stehen sich auf evangelischer und katholischer Seite 342 und 5S5 Missionsarbeiter, 47000 und 54000 Christen, 46000 und 36000 Schüler gegenüber. Das unbedingte Uebergewicht hat die evangelische Mission in Kamerun, daS tatsächlich« bei geringerer Arbeiterzahl in Eüdwest. In der Südsee stehen sich hier 34000 und 28000 MisstonSchristen gegenüber bei einer Zahl von 8l und 288 Arbeitern! (Hört, hört!- Unsere Mission ist ein einzigartig ideales Werk und eine brennende nationale Aufgabe. Das deutsche Kolonialamt hat in Edinburg seine Genugtuung und Dankbarkeit darüber ausdrücken lassen, daß die Bestrebungen für die Ausbreitung des Evangeliums in allen Ländern die Segnungen der Zivi lisation und Kultur zur Folge haben. Lebhafter Beifall lohnte den Redner. Eine überaus lebhafte und fruchtbare Aussprache schloß sich an beide Vorträge. Einstimmig angenommen wurde folgende Kundgebung: „Die Mitgliederversamm lung der 23. Generalversammlung des Evangelischen Bundes erklärt es für eine bedeutsame Aufgabe des Evangelischen Bundes, das tatkräftige Interesse für die deutschen Evangelischen im Auslande und die evangelisa e Mission in den Kolonien zu wecken und zu pflegen und bittet sowohl ken Zentralvorstand, als auch die Vor stände der Haupt- und Zweigvereine, durch geeign tr Veranstaltungen ^und Vorträge die Ausk ärung über die Bedeutung dieser deutsch-protestantischen Ausgaben ver anlassen zu wollen." In der geschlossenen Abgrordnetenversammlung nach mittags, an der ungefähr 1000 Delegierte teilnahmen, erörterte Prof. v. Schulze von der Universität Königs berg die apologetischen Aufgaben des Evangelischen Bunde?. Der Redner wies darauf hin, daß sich der Evangelische Bund neben der Abwehr gegenüber Rom die Verteidigung des Glaubens gegenüber modernen christentumsfeindlichen Strömungen angelegen sein läßt und immer mehr betreiben will. Am Abend fand unter abermals gewaltiger Beteili gung die durch Orgelspiel und Gesang verschönte zweite Volksversammlung statt. Erster Redner des Abends war Pfarrer Pröbsting-Lüdenscheid. Sein Thema hieß: „Mehr Verständnis für Organisation." DaS Bereinö- wesen der römischen Kirche hat die Laienwelt mobilisiert. Der „Volksverein" für das katholische Deutschland Hal 6b2848 Mitglieder. Nicht zu vergessen das Ordens- und Klosterwesen, das bei uns in Deutschland, dem überwiegend protestantischen Lande, bereits das drS ka tholischen Oesterreichs übertrifft. (Hört, hört!) Dazu kommt das Zentrum. Dem überstarken UltramontaniS- mus vermag nur ein starker Protestantismus das Gegen- gewicht zu halten. (Gehr wahr!) Rom Hal nur vor einer realen Macht Respekt. (Beifall) 24 Jahre hat der Evangelisch« Bund gearbeitet. Die schlimmsten Zeiten liegen hinter ihm. Wir kommen voran. In der En zyklikabewegung hat er großes geleistet, aber noch immer mehr Volk muß sich in ihm organisieren. Lebhafter Bei fall setzke ein, als der Redner geendet. Den zweiten Vortrag hatte Prof. v. Schian von der Universität Gießen übernommen über das Thema: „Mehr Teilnahme am Leben der Gemeinde." Lebendige Gemeinden können wir um keinen Preis haben, wenn nur nicht Menschen, Christen haben, die sich in der Ge meinde und für die Gemeinde regen wollen. tLebhasirs Bravo!) Mehr Leilnahm« also am Leben der Gemeinde! Wir brauchen die Berührung mit den anderen, «ull> mit den schlichten Christen voll kindlichen Glaubens (Beifall), mit den Stimmen der Väter vergangener Tage. Drum sucht daS Leben der Gemeinde! Vor allem im Tun der Liede, im helfenden Schaffen, im fürsorgenden Tev- nehmen. (Lebhafte Zustimmung ) Der einzelne muß sich wieder zur Gemeinschaft finden. Die Gemeinde hat ein Recht auf unS! Geben wir uni der Gemeinde! Auch diesen Redner belohnte einmütige, freudige Zustim mung. Mit dem gemeinsamen Besangt des protestanti schen Schutz- und Trutzliedes: „Evangelisch bis zum Sterben, deutsch bis in den Tod hinein", schloß die schöne Kundgebung deutsch-protestantischer Treue. 11 öffentliche Stadtverordnetensttzung zu Hohenstein-Ernstthal am 27. September 1910. Vorsitzender: Herr Stadtverordnetenvorsteher Neds.ob. Am Ratstische sind erschienen Herr Bürger meister Dr. Patz, sowie die Herren Stadträte Bohne und Schneider. Vom Stadtvcrordneten- kollcginm sind 23 Herren anwesend. Der Zn- schancrranm weist einen ungewöhnlich starken Besuch auf. Zu Punkt 1 der Tagesordnung: Kenntnisnahmen gibt der Herr Vorsitzende bekannt, daß die Staats beihilfe für unsere Schulen 6835 Mark beträgt. Laut Gesetz werden für jedes der 2734 Schul kinder 2,50 Mark gezahlt. Der Zuschuß fiir die kaufmännische und die gewerbliche Fach- und Fortbildungsschule beträgt 2700 Mk. — Ferner nimmt man Kenntnis von einer Einladung des Mietervereins zu dem am 9. Oktober d. I. im Altstädter Schützeuhause stattfindendcu 10. Stif tungsfeste und einem Schreiben des Rabattspar vereins Hohenstein-Ernstthalcr Geschäftsleute, der darum bittet, bei der bevorstehenden Wahl von Mitgliedern derEinschätzungskommissivu den Mit telstand besser berücksichtigen zu wollen. Auf das Schreiben soll bei der in der nächsten Sitzung stattfindcnden Wahl der genannten Kommission näher znrückgekommen werden. — In Zukunft sollen die Belege der Dienstbotcnkrankenkasse ge mäß der Anregung des Herrn Stndtv. Resch eine gewisse Zeit aufbewahrt bleiben. — Auf die Be schwerde des Herrn Stadtv. Eichler, bctr. die Kostenverwillignng in einem Prozeß, findet das Ministerium des Jnucrn nichts zu verfügen. Eine Stellungnahme erübrige sich, da die Streitfrage durch nachträgliche Verwilligung der Kosten durch das Stadtverorduetenkollegium vor Eingang der Beschwerde erfolgt sei. 2 Veränderungen in der Sckillerstrnße. Diese Angelegenheit hat das Kollegium schon mehrfach beschäftigt und sind Klagen laut ge worden, daß der Aufgang zur König Albertstraße von der Unterführung her nicht zweckentsprechend sei. Zwecks Erbreiterung des Straßenstückes vom Neubertschen Grundstück ab haben mit den An liegern verschiedentlich Unterhandlungen stattge- ftmden, die es ermöglichen, daß die Neubertsche Ecke als verbrochene Ecke hergestellt werden kann. Die Kosten in Höhe von 250 Mark sind vom Bau- und Finanzausschuß- sowie vom Rate ge nehmigt worden. Der Herr Vorsitzende bemerkt hierzu: Sie ersehen, daß man den guten Willen hat, etwas zu tuu. Erreicht wird dadurch aber nichts, denn die vorgeschlagene Veränderung bringt keinen wesentlichen Erfolg. — Herr Stadtv. Grießbach: Meine Zusage im Finanzausschuß möchte ich dahin abändern, daß ich mein zu stimmendes Votum hiermit zurückziehe. Es wird kaum etwas mit der Durchbrechung erreicht. — Herr Stadtv. Ebersbach ergreift zu der An gelegenheit verschiedentlich das Wort. Er sei da gegen, da nichts durch die Umänderung erreicht würde und schlage dann eher vor, die gegenüber liegende Vettersche Ecke, soweit sie heute bereits als Straße gebraucht würde, hinzuzukaufen. Seiner Ansicht nach gehöre die fragliche Ecke noch nicht der Stadt. — Herr Bürgermeister Dr. Patz gibt einige Erläuterungen hierzu und teilt mit, daß auch der Rat der Änsicht sei, daß welterschütternde Acndcrnngen durch die „verbrochene Ecke" nicht hervorgerufen würden. Nur einem Wunsche des Stadtverorduetcnkollcgiums zufolge habe man den Vorschlag gemacht, der im Interesse des Verkehrs eine kleine Verbesserung bringe. Im übrigen halte er persönlich den Verkehr an dieser Stelle für sehr gering, doch bitte er, den Beschluß des Rates nicht vollkommen abznlehncn, da doch für einen verhältnismäßig kleinen Betrag eine Aenderung der Ecke in: Sinne des Vorschlages erreicht würde; mehr zu erreichen sei beim besten Willen nicht möglich gewesen. — Herr Stadtv. Wachter: Ich bin immer schon der Ansicht ge wesen, daß die Straße dort verbaut ist. Ich habe jedoch augeuommen, daß es möglich sei, die Straße durch das Lieberknechtsche Grundstück zu führen, da nnr hierdurch wirklich gutes ge schaffen werden konnte. Von der Erwerbung der fraglichen Ecke bitte ich abzusehen, dagegen be antrage ich, die Bordkante an der Vetterschen Ecke etwas znrückzusetzcn, da zurzeit fast alle Geschirre über die Kante hinwegfahren. Ich hoffe, daß später einmal eine Ersatzstraße an der Untertunuelung geschaffen wird. Es ist beim Bau der Straße ein Fehler gemacht worden, der von sämtlichen Bausachverständigen herausgc- fnndcn wurde. — Die Erwerbung des Areals zu der vom Rat vorgcschlageuen kleinen Ver breiterung wird hierauf mit 13 Stimmen abge- lchnt, dagegen einstimmig beschlossen, die von Herrn Wächter vorgeschlagenc Bordsteinvcrlcgung anzunehmen und die Kosten mit 45 Mark zn verwilligen. 3 Planzeicknunq zum Bebauungsplan König Albertstrafre und Umgebung. Angeregt wurde, die Anlage des Fußweges vor der Bahnunterführung am Lieberknechtscheu Grundstück entlang nach der König Albertstraße zu als Straße auszubaueu. Herr Bürgermeister Dr. Patz hält den Gedanken, der im Rate wohl erwogen, aber verworfen morden sei, für nicht praktisch. Wenn man den Fußweg erneut zur Straße ausbaue, würde hierdurch ein Weg ge schaffen, der sich tot läuft. Dasselbe, was man bei der Schillerstraße so sehr rüge, wolle man hier cinführcn. Er bitte, die durch dcu Sächsischen Heimatschutz geprüfte Natsvorlage anzunchmen nnd die Anregung des Herrn Wächter abzulehnen. — Herr Stadtv. Wächter bittet, die Sache nicht einfach abzulehnen, sondern zu prüfen. Es sei schon mancher Schnitzer gemacht worden, und die Lösung unbedingt unglücklich zu nennen, wenn der Verkehr dadurch gehemmt würde. Ein Fuhrwerk, das zur Oberstadt wolle, müsse dann erst nm Lieberknechtschen Grundstück vorbei nnd wieder zurückfahren. Der nächste Weg sei immer der beste nnd würde hierdurch eine direkte Ver bindung mit der Oberstadt geschaffen werden. — Herr Stadtrat Bohne hält diesen Gedanken für nicht mehr ausführbar; außerdem aber wür den die Kosten etwa 40—50000 Mark betragen und hiermit zu groß sein. — Herr Stadtv. Ebersbach ist ebenfalls fiir die Wächtersche Anregung, doch sei es seiner Ansicht nach nun mehr zu spät zu einem solchen Plane. — Nach dem noch die Herren Bürgermeister Dr. Patz, Vorsteher Reds lob und Stadtv. Wächter das Wort ergriffen hatten, wurde die Natsvorlage gegen die Stimme des Herrn Wächter angenommen. 4 (Errichtung einer Bedürfnisanstalt. Die Mittel für eine solche „einem dringenden Bedürfnis" entsprechenden Anstalt sind im Haus haltplan bereitgestellt worden, doch hat sich die Aufstellung, die bezüglich der Platzfragc auf Schwierigkeiten stieß, bisher immer noch ver zögert. Es wurde vorgeschlagcu, die Anstalt ans dem Neustädter Schulhof neben der Turn halle, von der Straße aus zugäuglich, aufzustcllcu. Der Schulausschuß hat über die Aufstellung mit 4:4 Stimmen abgestimmt nnd gab schließlich die Stimme des Herrn Bürgermeisters den Ausschlag bei dcu Verhandlungen. Die politische Gemeinde hat hierfür als Abgabe jährlich 5 Mark an die Schulgemeinde für Benutzung des Platzes zu zahlen. (Nach den Worten des Herrn Vorsitzen den hat die Versammlung nur über die Bewilli gung der jährlichen Abgabe zu beschließen, da die Platzfragc nicht Sache des Kollegiums sei. Herr Bürgermeister Dr. Patz ist jedoch der An sicht, daß das Kollegium iu beiden Fragen recht wohl kompetent sei.) — Der Herr Vorsitzende hält den Platz für nicht geeignet, denn eine solche Anstalt gehöre nicht in eine geschlossene Straße, sondern auf einen freien Platz, auf den mehrere Straßen münden, wie z. B. die Insel. Wenn man die Absicht habe, den Platz später ganz zu kaufen, dann sei die Anstalt, von Anlagen um-, geben, am richtigen Platze. — Herr Stadtv. Ebersbach hält den Schulplatz auch für un geeignet und bittet den geforderten Bettag von jährlich 5 Mark abzulehnen, damit die Stadt nicht in die Lage käme, dort zu bauen. — Herr Stadtv. Grießbach hält den Platz ebenfalls nicht für richtig; aber in der Neustadt würde man sagen: Für uns ist der Platz gut genug. — Herr Bürgermeister Dr. Patz teilt mit, daß man auch im Nate nicht sonderlich von dem Schulplatz eingenommen sei, aber die Anlage wäre dort bequem, da eine nene Grube nicht angelegt zu werde« brauche. Die Anlage wird geruchfrei, ähnlich wie die des Chemnitzer Hauptbahnhvfs, mit roten Platten ausgclegt. Das Gebäude würde eine ansprechende Form erhalten und sei der Platz schließlich ebenso geeignet, wie der an der Insel. — Herr Stadtv. Wächter schlägt den Teichplatz vor, während Herr Stadtv. Ebers bach je eine Bedürfnisanstalt auf der Insel, dem Neustädter und dem Altstädter Teichplatz errichtet wissen will; denn eine Stadt von 16000 Einwohnern müsse drei derartige Anstalten haben. — In der nachfolgenden Abstimmung wurde die Bewilligung der jährlichen Abgabe von 5 Mark abgelehnt und beschlossen, dem Rate die Insel als geeigneten Platz zu empfehlen. 5 Obligatorischer Turnunterricht für Vie AortbildungSfchüler. Dieser soll der Vorlage des Rates entsprechend an 2 Stunden in der Woche zur Einführung kommen und haben sich die Turnvereine von 1856, Altstadt nnd Turnerschaft zur Uebernahme des Turnunterrichts erboten. Es soll den Schülern überlassen bleiben, sich einen Verein auszusuchen. Als Beitrag sind monatlich und pro Schüler 10 Pfg. aus der Schulkasse zu bezahlen; außer dem hat die Stadt der Vorturnerschaft der drei Vereine ein Honorar von jährlich 30 Mark, also insgesamt 90 Mark, zu bewilligen. Die erste Anregung hierzu ging von den genannten drei Vereinen aus, die eine Eingabe an die einzelnen Stadtverordneten und Ratsmitglieder gelangen ließen. Es macht sich hierzu ein Nachtrag zur Schulordnung notwendig, der den Stadtverord neten im Entwurf vorlag, der Presse aber nicht zugänglich gemacht worden war. — Herr Stadtv. Feldma n n hält die Angelegenheit durch die Eingabe der drei Vereine bereits für genügend begründet und bittet, die Vorlage anzunehmen. Es handele sich hierbei nm die Mehrung und Erhaltung von Volkskraft, die im Interesse unserer Stadt sowohl als des Reiches dringend erforder lich sei. Es müßten die jungen Leute mehr zu guten Staatsbürgern herangezogen werden und sei der hier vorgeschlagene Weg echter und rechter Körperpflege in deutscher Turnarbeit geeignet, dem zu cutsprechen. — Herr Stadtv. Grieß- b a ch führt aus, daß derjenige, welcher die Ein gabe liest, zu der Ansicht bekehrt werden solle, daß die hiesige Jngcnd sehr verroht sei. Mit erfreulicher Offenheit habe Herr Stadtrat Müller in der letzten Fachschulausschußsitznng erklärt, die Vorlage bezwecke weiter nichts, als dem Allge meinen .Turnverein, gegen den sie lediglich ge richtet sei, die Schüler fortznnehmen, damit sic zn königstrcuen Männern erzogen werden könnten. Seine (Redners) Ansicht sei, daß es die Turn vereine nichts angehe, was die Tnrnvercinsmit- glieder bezw. die Schüler in ihrer freien Zeit machen. Es habe eine Spaltung stattgefnnden, die die Harmonie zwischen den Vereinen sehr benachteiligt hat. Die ganze Angelegenheit gehe nur vom Turnverein von 1856 aus, dem es dadurch aber uicht gelingen werde, auch nur einen Schüler des Allgemeinen Turnvereins zu bekommen. Wenn dem Allgemeinen Turnverein so der Lebensnerv abgeschnitten würde, dann führe das lediglich zu einer Stärkung des Gc- wcrkschafts- und Parteilebens, keineswegs aber würde mit der Vorlage erreicht, was man allem Anscheine nach damit erreichen wolle. Die wei teren Ausführungen des Redners ergehen sich in sozialpolitischen Betrachtungen und schließt er mit den Worten: Es liegt hier eine grobe Vergewal tigung vor, daß man den Zöglingen des Allge meinen Turnvereins zumutet, gczwnngen Mit glieder eines anderen Vereins zu werden. — Herr Stadtv. Schmidt bittet, der Vorlage zu zustimmen, die nicht gegen den Allgemeinen Turnverein gerichtet sei, da außerdem hier ja auch uoch der Kaufmännische Turnklub bestehe. Im übrigen aber sei es den Schülern außer an dem einen Turnabend unbenommen, dahin zu gehen, wo es ihnen paßt. Wenn Herr Grießbach sage, cs würde damit das erreicht, was man nicht erreichen wolle, dann müßte Herr Grießbach eigentlich freudig zustimmcu. Die „Turnerschaft" würde, da sie noch kein eigenes Heim besitzt, entgegen den beiden anderen Vereinen, die in ihren Hallen turnen, eine Schulturnhalle hierzu in Anspruch nehmen. (Hiermit ist eigentlich den Wünschen des Allgemeinen Turnvereins, die Herr Grießbach vertreten hat, Genüge geschehen. Herr Ott. war mit der Abhaltung des Unterrichts in einer Schulturnhalle einverstanden. Der Allge meine Turnverein wird deshalb wohl allerVoraus- sicht nach seine Zöglinge der „Turnerschaft" zn- führen.) — Herr Bürgermeister Dr. P atz: Ich halte cs für selbstverständlich, daß die Herren des Kol legiums, die uicht denselben Standpunkt einnehmcn wie Herr Grießbach, die Vorlage bedingungslos annehmen. Gott sei Dank ist die Mehrzahl der Mitglieder anderer Ansicht; ich betone aber aus drücklich, daß die Anregung der drei Vereine, die aus der deu Stadtverordneten privatim zuge gangenen Eingabe entstammt, nichts mit der heutigen Vorlage zu tun hat. Die Eingabe war lediglich eine Anregung, während die Wahl des UnterrichtSlcitcrs nicht in der Kompetenz des Kollegiums liegt. An der so wiedergegebenen Aeußerung des Herrn Stadtrats Müller zweifele
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