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3042 Nichtamtlicher Teil. ^ 92, 23. April 1898. Autonomie der Gemeinden zu appellieren. Wir haben ihnen ein Steuermuster hier gegeben, wie sie .durch Einführung solcher progressiven Steuern diese Frage, wenn auch nicht ganz, so doch teilweise lösen können. Einige Kommunen, darunter eine große Stadt, .wie mein Herr Kommissar schon gesagt hat, haben auch solche Steuern schon eingeführt All gemeine Erfahrungen aber über die Wirkung haben wir noch nicht genügend. Ich persönlich bin der Meinung, daß die Verhältnisse so verschieden liegen in den einzelnen Orten und in Beziehung auf die Beschaffenheit dieser großen Kaufgeschäfte, daß es an sich viel richtiger ist, die kommunale Autonomie hier herbeizuziehen, die diese verschiedenen Verhältnisse besser berücksichtigen kann als eine allgemeine staatliche Regel, die sehr schwer passen wird für große und kleine Städte, für die Art und Weise, wie sich hier das kaufmännische Leben ganz verschieden entwickelt hat. Ich verzweifle doch noch nicht nach der heutigen Debatte, daß dieser Weg resultatlos bleiben wird, und ich freue mich m dieser Beziehung namentlich über die Aeuherungen des Herrn Abgeordneten Gothein; wenn auch diejenigen, welche auf dem manchesterlichen Standpunkt (hörtl hürtl links) — wenn ich diesen Ausdruck gebrauchen darf — stehen, bereit sind, hier mitzuwirken in den Kommunen, so kann man vielleicht die Hoffnung haben, daß doch dieser Weg ,ii einer gegebenen Zeit — so schnell geht es bei den Kom munen ja Nicht — weiter führt. Meine Herren, der Herr Abgeordnete Gothein hat ja allerdings in dieser Beziehung besondere Erfahrungen, und das ist auch eine andere Frage, die einmal gelegentlich gelöst werden muß. In Breslau besteht ein ganz eminent ent wickelter großer Konsumverein. Dieser Konsumverein hat aber nicht die Rechte eurer eingetragenen Genossenschaft. Dieser Nerein kann weder vom Staat noch von der Kommune Breslau in der Einkommensteuer getroffen werden. Darin erblicke ich, da materiell das Wesen eines großen Konsum vereins hier in allen Richtungen vorhanden ist, und da nur eme künstliche, juristische Gestaltung in Verbindung mit einem anderen Verein dahin geführt hat, daß diese Vereinigung nicht die Qualität einer eingetragenen Genossenschaft braucht, die allergrößte Ungerechtigkeit. Wir haben versucht, sogar die Frage bis zu einer gerichtlichen Entscheidung zu bringen; wir sind aber unterlegen. Nur auf einem Gebiete könnte in dieser Beziehung die Stadtverwaltung in Breslau mehr leisten, um der Gerechtig keit Genüge zu leisten, als sie bisher gethan hat. Nichts hindert sie, diesen Verein in der Gewerbebesteuerung progressiv bis zu einer Höhe heranzuziehen, daß in dieser Beziehung auch einige Deckung gegeben wird für die mangelnde Heran ziehung in der Einkommensteuer. Denn da ist die Qualität ver eingetragenen Genossenschaft nicht nötig; da wird das Unternehmen selbst besteuert, und wenn die Gewerbesteuer in dem Sinne in Breslau entwickelt wird, wie der Herr Ab geordnete Gothein hier selbst es gebilligt hat, so wird dieser schreiende Mißstand, der gegenwärtig in Breslau vorhanden ist, in einem wesentlichen Grade vermindert werden können. Ich habe den Deputationen auf ihre Klagen, die gerade aus dem Kleingewerbe in Breslau an mich gelangt sind, immer erwidert: ihr müßt nur tüchtig agMeren in der Stadt Breslau, daß der Magistrat und die Stadtverordneten sich entschließen, wenigstens eine richtige Gewerbesteuer hier em- zuführen. (Abgeordneter Gothein: Hat sie jal) — Das ist aber meines Wissens noch nicht der Fall. (Abgeordneter Gothein: Jal) — Wenigstens nicht in dem Maße und Grade, wie es der Fall sein könnteI (Heiterkeit.) Aber, meine Herren, ich bin ganz der Meinung, daß wir hier wirklich in unserer Gesetzgebung eine Lücke haben. Wir müssen uns nicht mehr so sehr um die juristische Form, ob das eine einge tragene Genossenschaft ist oder nicht, bekümmern, wir müssen fragen: ist die Vereinigung thatsächlich eine gewerbliche Ge nossenschaft, wenn sie auch^eine andere juristische Form hat. Meine Herren, nun hat man auf die Umsatzsteuer hin gewiesen. In dem Musterstatut für die Gewerbesteuer für die Kommunen ist das unserseits noch nicht geschehen. Aber der Herr Ministerial-Direktor hat schon gesagt, daß seitens der Slaatsregierung kein grundsätzliches Bedenken bei uns bestehen würde, wenn eine Kommune eine solche besondere Gewerbesteuer beschließt auf der Grundlage der Umsatzsteuer. Es ist allerdings in dieser Beziehung mit Vorsicht zu ver fahren; denn das ist ja zweifellos, daß die an sich rohe Form der Umsatzsteuer, die noch keineswegs das richtige Jn- dicium für die Leistungsfähigkeit eines Gewerbes darstellt, zu den allergrößten Ungerechtigkeiten führen kann. Zu ver anlagen ist die Umsatzsteuer wohl. Man braucht sich nach meiner Meinung nicht zu scheuen, auch hier den Weg der Deklaration zu betreten, wie wir ja Anfänge einer Deklara tion für die Gewerbesteuer schon haben. Gegenwärtig aber, meine Herren, ein Zwangsgesetz gegen die Kommunen ein zubringen, das sie zwingt, von ihrer Autonomie in der be zeichnten Richtung Gebrauch zu machen — das, muß ich sagen — ist doch recht bedenklich. Ww haben ja gerade die Autonomie der Kommunen auf dem Gebiet derjenigen Steuern, die wir ihnen überwiesen haben, stärken und kräftigen wollen; wir haben gesagt, diese Steuern eignen sich nicht für eine allgemeine staatliche Re gelung, nicht bloß nicht für eine allgemeine staatliche Ein ziehung, für den staatlichen Fiskus, sondern sie eignen sich überhaupt nicht für eine staatliche gleichmäßige Regelung, und das ist vor allem bei der Gewerbesteuer der Fall. Die eine Gewerbesteuer kann gerecht sein in der einen Kommune, ungerecht in der anderen; sie kann in der einen Kommune sehr nützlich sein, geradezu perniziös aber für die andere Kommune. Daher ist es bedenklich, feste staatliche Zwangs regeln auszustellen; jedenfalls, glaube ich, wird man es nicht verantworten können, jetzt schon damit vorzugehen, ehe nicht der Beweis erbracht ist, daß der Weg der kommunalen Auto nomie überhaupt nicht gangbar ist. Ich glaube, man wird in dieser Richtung auch vielfach zu einer Kombination von Besteuerungsgrundlagen kommen müssen, wie das ja auch im Kommunalabgabengesetz zugelassen und hier und da auch schon durchgeführt ist, namentlich im Rheinland und in Westfalen, wo man insbesondere zu den verschiedenen Maßstäben auch die Zahl der beschäftigten Arbeiter genommen hat, und das, wenn es sich um die kommunale Besteuerung handelt, hat sogar eme bestimmte Raison, weil die Zahl der beschäftigten Arbeiter sehr erheblich einwirkt aus die Kosten, die ein solches Unternehmen einer einzelnen Gemeinde verursacht. (Sehr richtig I) Wir haben daher diese Form, wenn sie mit Maß angewendet ist, staatlicherseits auch überall genehmigt. Meine Herren, soviel ist aber doch richtig, sozialpolitische Gerechtigkeit kann man allerdings in der Steuer wohl er reichen, aber immer nur mehr oder weniger, eine Steuer kann nicht alle sozialpolitischen Gesichtspunkte treffen. Uebertreibt man diese Richtung in der Steuerbemessung, will man wirtschaftlich gegebene Formen lediglich durch die Besteuerung abändern, dann kommt man allerdings leicht auf höchst gefährliche Gebiete (sehr ivahrl), und man wird dabei mit der größten Vorsicht Vorgehen müssen. Wenn man den kleinen Kaufmann allein durch eine Steuer, die nicht nach Maßgabe der Gerechtigkeit, sondern nach den oben- bezeichneten Gesichtspunkten allein angelegt ist, schützen und dadurch den Großkaufmann totschlagen will, so wird der Handwerker gegenüber der großen industriellen Entwickelung vielfach denselben Anspruch erheben. So wird der Schmied sagen können: ich will ein großes Werk, das alles fabrik mäßig macht, so hoch besteuern, daß es nicht mehr bestehen