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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 14.11.1919
- Erscheinungsdatum
- 1919-11-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191911142
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19191114
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19191114
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1919
-
Monat
1919-11
- Tag 1919-11-14
-
Monat
1919-11
-
Jahr
1919
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 14.11.1919
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gegeben, wenn jede administrative Willkür aus- geschaltet und das Gesetz zum obersten Wächter der Strafvollstreckung gemacht wird. Das jetzige Verfahren ist nur zu sehr geeignet, das indivi- duells Ehrgefühl völlig zu ertöten und den Ver brecher gegen die letzten besseren Empfindungen gänzlich abzustumpfen. Hier kann nur ein ReichS- gesetz durchgreifende Abhilfe schaffen, da« die veränderte moderne Auffassung über das Straf problem des Staates im Sinne der Besserungs theorie zur Grundlage hat. Die Militärgerichtsbarkeit soll ganz beseitigt werden, auf Grund des Art. 103 der neuen Reichsverfassung, der bestimmt: „Die Militärgerichtsbarkeit ist aufzuheben, außer für Kriegszeiten. Das Nähere regelt ein Reichsgesetz". Ein solches Reichsgesctz befindet sich gegenwärtig im Neichsrat in Vorbereitung. Dieser besondere Teil der Reform ist nicht, wie ihr sonstiger In halt, des allgemeinen Beifalls sicher, sondern stößt in weiten Kreisen auf grundsätzlichen Wi derspruch, vor allem deshalb, weil keine Unter scheidung zwischen rein militärischen uud rein bürgerlichen oder gemischten Straftaten gemacht wird. Rundschmt. Roch keise Nreilsffimßr Der „Temps", „Homme Libre" und „Jour nal" schreiben zur deutschen Note, daß Frank reich keine Freilassung der deutschen Gefangenen vor Rechlsgültigkeit des Friedens zulassen würde. Die früher an Deutschland gegebene Zusage Cle- menceauS, schreibt „Homme Libre", sei durch Deutschlands Vertragsbruch (!!) hinsichtlich der Baltikumtruppen hinfällig geworden. Frankreich fordert sofortigen Miederanfvan. Wis „Journal des DrbatS" meldet, hat die Wiederaufbaukommission einen neuen dringenden Appell an Deutschland beschlossen, mit den Ar beitersendungen in das Zerstörungsgebiet unver-» züglich zu beginnen. Di« vorläufigen Herrich- tungsarbeiten müßten noch vor dem Winter be ginnen. ES seien mehr al» S50 000 Arbeiter notwendig. Die BerkedrSsperre dauert fort. Der NeichSverkehrSminister Tr. Bell erklärte einem Mitarbeiter des „Berl. Lokalanzeigers", man werde auch nach dem 15. November die einschneidenden DerkehrSbeschränkungen aufrcebt erhalten müssen aus vorläufig noch nicht abseh. bare Zeit, nur der allernotwendigste Personen- verkebr werde freigegeben werden. Auch der Weih nachtsverkehr dürfte unter diesem Zeichen stehen. Die^ Abi eierns unsere« Vi^heo. Auf eine Anfrage der demokratischen Abge ordneten Dr. Brodaus und Schneider (Sachsen) über die Höhe der an die Entente abzuliefernden Milchkühe hat der .Reichswirt- schaftSminister folgende Antwort erteilt: Die Kommission, die in meinem Auftrag im August 1919 weaen der im Friedensvertrag vorgesehenen Vichablieierung in Versailles mündlich verhan delte, wies ausdrücklich darauf hin, daß die Ab lieferung der verlangten Milchkühe unmöglich sei. In einer ausführlichen Denkschrift wurde außer dem die für die Entscheidung dieser Frage zu ständige gegnerische Wiedergutmachungskommission über die derzeitige Lage der Milchversorgung Deutschlands unterrichtet, wobei angegeben wurde, wie weit in den großen Städten und den Jn- dustriebezirken die Versorgung hinter der Deckung des soaen. Milchbedarfs zurückblcibe. Die Wieder gutmachungskommission hat darauf geantwortet, daß sie auf der vollen Erfüllung der im Friedensvertrag verlang ten Forderung bestehen müsse. Bei der mündlichen Verhandlung ist es jedoch ge lungen, zu erreichen, daß statt der im Friedensvertrag verlangten 140 000 Milchkühen 90 000 Kühe teils in Milch, teils tragend, ab ¬ gegeben »erde«, während der Rest in Färsen abgeliefert wird. Sine E«tschNe-u«> d" Verein« Berliner Press«. Im Verein Berliner Presse wurde folgende Entschließung angenoinmen: Die Pressefreiheit ist in den letzten Tagen" und Wochen durch Ver bot» der Berliner Zeitungen verletzt worden: Der Verein Berliner Presse legt gegen diese Ver gewaltigung der freien Meinungsäußerung die schärfste Verwahrung ein und erklärt, daß so lang« auf diese» Kampfmittel nicht ver zichtet wird, von einem vertrauensvol le n Z u s a m m e n a r b «i t e n zwischen Regierung und Presse nicht die Rede sein kann. DieLehrendkSMetMarb iterftr^ sind nach dem „Vorwärts" für die Arbeiter teuer erkaust. Sie zeigen einmal, daß im wirtschaft lichen Kampf zunächst alle Mittel erschöpft sein müssen, ehe zur letzten Waffe, dem Streik, ge griffen werden kann, und zum anderen, daß ra dikale Phrasen und großsprecherisches Draufgän gertum durchaus noch nicht die Gewähr für eine wirksame Anwendung dieser letzten Waffe bieten. — An Löhnen gingen 85 Millionen Mark ver loren. Die Not 1» Wien. Die Ententekommission hat das Anrollen der LebensmitteltranSPorle iiber Italien für den An fang der nächsten Woche dem Staatsamt ange zeigt. Die Not in Wien ist so groß, daß die öffentlichen Krankenhäuser wegen Mangels an Kohlen keine Kranken mehr a u f n « h- men, auch nicht Schwerkranke. Aus dem BsrükKM sind gestern die letzten deutschen' Truppen zunick gekehrt. Die Sachsen sind vollständig in der Heimat angelangt. Dieser Tage traf das 1. Ba taillon des Infanterie-Regiments 55, das nach Abtransport der Neichswehrbrigade 28 zum Bahnschutz an der Strecke Tilsit—Mitau zurück geblieben war, auf dem Truppenübungsplatz Zeithain ein. Das Bataillon teilt mit, daß es noch am 21. Oktober ein Gefecht gegen litauische Truppen, die den Abtransport zu stören ver suchten, zu bestehen hatte. Die dem Bataillon zugeteilte 1. Eskadron Kavallerie-Negiment 28 ist «benfälls in Zeithain eingetrosfen. FSr derr Friede« mit Nutzland. Laut „Nieuwe Rotterdamsche Courant" mel det der Berichterstatter der „Times" aus Helsing. chrS, es verlaute, daß die Vereinigten Stäaten den Vorschlag gemacht hätten, Trotzki zu fragen, ob er jetzt, wo die Gefahr für Petersburg vor bei wäre, bereit sei, bei der Einberufung einer in voller Freiheit gewählten Nationalversamm- lung, welche iiber die Regierungsform Rußlands Beschluß fassen soll, mitzuwirken. Die polnische Negierung beabsichtigt, alle krieg führenden Parteien in Rußland aufzufordern, die Feindseligkeiten am 25. November einzustellcn und Delegierte nach Warschau zu entsenden, die über den sofortigen Frieden beraten sollen. Die Großmächte sind ebenfalls aufgefordert worden, Delegierte zu entsenden, um an der Konferenz, welche am 15. Dezember stattfinden soll, teilzu- nehmen. -riede«Sbedrug««ge« der Sowjets. Londoner Blätter melden, daß die russische Räteregierung England folgende FriedenSbcdin- gungen unterbreitet hat: 1. Alle innerhalb der Grenzen des früheren russischen Kaiserreiches be- stehenden Negierungen bleiben bis zu einer end- gültigen Entscheidung im Amte. Kein Regime darf mit Gewalt gestürzt werden. 2. Aufhebung der Blockade und Wiederaufnahme der Handels- beziehnngen. 3. Der Näteregierung muß das DurchgangSrccht auf allen Verkehrswegen und in allen Häfen des ehemaligen Zarenreiches zuge sichert werden. 4. Freier Zutritt aller Bürger des bolschewistischen Rußlands zu allen alliier ten und assoziierten Ländern unter der Bedin- gunll, daß sie sich nicht in innerpolitische Ver hältnisse einmischen. Die Räteregierung bietet Gegenseitigkeit an. 5. Vollständige gegenseitige politische und militärische Amnestie. 6. Rückzug der fremden Truppen aus Rußland, Einstellung der militärischen Hilse durch die Alliierten und gleichzeitig« Verminderung der bestehenden Trup penverbände. 7. Die Räteregierung anerkennt glle Finanzverpflichtungeu des früheren russischen Kaiserreiches. dem Ausschuß Helfferich vor Au Beginn der gestrigen Sitzung des parla mentarischen Untersuchungsausschusses richtete der Vorsitzend» Warmuth an Bethmann Hollweg die Frage, von wem und in welcher Richtung er über die NUckrufmöglichkeit dcS unbeschränkten U-BootkriegeS orientiert worden sei. von Bethmann Hollweg: An: und vor dem 29. Januar hat Holtzendorfs mir und den Staatssekretären Helfferich und Zimmermann wiederholt und bestimmt erklärt, daß der U-Boot- Irieg jetzt nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte, da die U-Boote draußen wären und ein guter Teil von ihnen nicht mehr zurückgerufen werden könnte. Graf Bernstorfs erklärte in die sem Zusammenhangs, daß die amerikanische Ne gierung nichts von dem beabsichtigten U-Boot- kriege wußte. Wenn wir mitgeteilt hätten, daß wir beabsichtigten, die Friedensvermittelung an zunehmen und den U-Bovtkrieg, den wir zwar beabsichtigten, deshalb aufzugeben, dann wäre nach meiner Ueberzeugung die Friedens- ver Mittelung weiter gegangen. Die Frage des Vorsitzenden, ob man anläß lich der polnischen Proklamation den ungünstigen Eindruck in Rechnung gestellt habe, den diese Proklamation aus Rußland machen mußte, er- Ilärte sich von Bethmann Hollweg außerstande zu beantworten, bevor er sich mit dem früheren Staatssekretär von Jagvw ausgesprochen habe. - Es folgt die Vernehmung des Vizekanzlers a. D. Dr. Helfferich: Die Frage des un beschränkten U-Bootkrieges dürfte keine Prinzi- picnfrage fein, sondern sie war die Frage der militärischen, und politischen Kriegführung, sie war keine Frage des dogmatischen Glaubens, sondern des zweckmäßigen Handelns. Wir muß- ten uns der Situation anpassen. Jeder Einzelne mußte mit Berücksichtigung des Ganges der po litischen Ereignisse die wirtschaftlichen Verhält nisse zu Hause und draußen, die technische Aus gestaltung der U-Bootwasfe berücksichtigen und seine Stellungnahme daraufhin gewissenhaft prü- fen. Diese ungeheure Verantwortung, gleich schwer für die Unterlassung wie für das Tun, war kein Va-Banque-Spiel. Ein solches gab es für niemanden. ?^der war sich- der schweren Verantwortung wobl bewußt und trat für das ein, was er vor Gott und seinem Gewissen als Rettung des Vaterlandes ansah. Wer heute von einem Va-Bangue-Spicl spricht, hat keine Ahnung von der Pflichttreue, mit der alle diese Entscheidungen getroffen worden sind. Präsident Wilson führte wohl das Völkerrecht auf d e n L i p- Pen, ordnete aber alles den Handelsinteressen unter. Das ist der Wilson, mit dem wir zu tun hatten. Wir waren der Entente gegenüber im mer die Schlechtergestellten, wie House es dem Graten Bernstorff sagte. Wilson wollte das Ge schäft nicht stören, das darin bestand, aus den Tränen Europas für Amerika Gold zu münzen. So schwer aber auch diese unneutrale Haltung Amerikas stets auf uns lastete, so war sich die ReichSlcitung doch völlig klar darüber, was der Eintritt Amerikas in den Krieg für uns bedeu ten mußte. Wir sind stets jeglicher Schönfärbe rei entgegengetreten. Redner erinnerte im weiteren Verlaufe sehr ausführlich an den 7. Oktober 1916, als Dr Spabn im Neichstagsausschuß den sämtlichen Mitgliedern der Zentrumsfraktion ertlärte, daß für politische Entscheidungen der Reichskanzler dem Reichstage allein verantwortlich wäre, daß aber der Reichskanzler bei seinen Entschließungen iiber Kriegführung wesentlich auf die Entschlie ßungen der Obersten Heeresleitung sich zu stützen habe. „Fällt dies« Entschließung zugunsten de« rück sichtslosen U-Bootkneges aus, so darf der Reichskanzler de» Einvernehmens des Reichstages sicher sein." Damit hatte die stärkste ReichstagSfraktton die Entscheidung iiber den U-Bootkrieg in die Hände der Obersten Heeresleitung . gelegt. Wenn fick; heute unter- den Anklägern des U-Bootkrieges Leute befinden, die damals diese Zentrumserklärung mit abgegeben haben, so würde ich, fuhr Helffe rich fort, im Privatleben diese Haltung als den Gipfel der Heuchelei bezeichnen. Je denfalls spreche ich diesen Leuten das Recht zu einer Anklage gegen' die da malige Regierung in jeder Hin sicht ab. Ein Brief des Kaisers. Ailf den Bericht des Kanzlers an den Kaiser vom 31. Oktober antwortete der Kaiser: „Ter Vorschlag, Frieden zu machen, ist eine sittliche Tat, die notwendig ist, um die Welt, auch die Neutralen, von dem auf ihnen lasten den Druck zu befreien. Zu einer solchen Tat gehört ein Herrscher, der ein Gewissen hat, sich Gott verantwortlich fühlt und ein Herz für die Entschließung besitzt, der unbekümmert um M i H d 5ut u n g e n seines Schrittes den Willen hat, die Welt von ihrem Leiden zu be freien. Ich habe den Mut dazu. Ich will es im Vertrauen auf Gott wage n." Gibt es jemand, so fragt Staatsfekretär a. D. Helfferich, der an der E h r l i ch k e i t der Absicht des Kaisers, Frieden zu machen, zweifelt, der diesen Ernst, dieses Verantwortungsgefühl bezweifeln möchte? Es wird ein Ruhmestitel des deutschen NamenS bleiben, daß von Deutschland z u e r st die Frage des Friedens a.ufgeworfen worden ist. Wer Wilt bestreiten, daß wir den Willen zum Frieden hatten? Es wäre zum Frieden gekommen unter allen Umständen, wenn ein Funken des ehrlichen Willens bei unseren Feinden und bei den Män nern der mächtigsten neutralen Macht vorhanden gewesen wäre. Unser Friedensange bot vom 12. Dezember wurde mit schneidender Schärfe von der En tente a b g e l e h n t. Ihre Antwort an Wil son bedeutete eine glatte Zurückweisung seiner guten Dienste zur Herbeiführung einer Entschei dung unter den Kriegführenden. Wir hatten er klärt, daß wir Belgien nicht annektieren wollten, uud diese Erklärung wurde dem Grafen Bern storff von Oberst House als höchst wertvoll be zeichnet. Die Kollektivnote der Entente vom 17. Januar zeigte, wohin die Fricdensbestrebungen eigentlich zielten. In Wilsons Botschaft vom 22. Januar werden die unerhörten Kriegsziele der Entente bezeichnet, die für uns unannehm bar waren. Aus allen diesen Vorgängen heraus erklärte sich bei uns das Gefühl, sich durchzn- setzen dank dem Gotte, der uns vor diesem Frie densvermittler bewahrt hatte. Hinter der Bot schaft des Präsidenten Wilson vom 22. Januar zeigte . sich bereits das Gesicht des Präsidenten von Versailles. Hierauf wurd-n die Beratungen auf Freitag vertagt. Hindenburg in Berlin eingeiroffen. Gencralfeldmarschall von Hindenburg, der gemeinsam mit Ludendorff nach der Vernehmung Helfferichs vor dein Untersuchungsausschuß er scheinen soll, ist in Berlin eingetrosfen. Der Feldmarschall, den Ludendorff auf dem Bahnhof empfangen hatte, wurde vom Publikum sympa thisch begrüßt. Sein Verhängnis. Roman von Gottfried Bruckner. 4S- „Run, dann ist e« sein Mißgeschick, da« kommt zauz auf ein« heraus." „Aber dieser Gedanke wird vielleicht Cäcilie in ibrem treuen Festhalten an ihn nur noch mehr be stärken." „Aber Du würdest doch nie dulden, Helene, »aß sie unter diesen Umständen seine Gattin wird ? Da« märe doch zu schrecklich!" „Gr darf sie nicht heiraten, ehe er sich nicht ganz oon dem Verdacht gereinigt hat." „Nun, das wird nie geschehen." „Aber gesetzt den Fall, sie liebte Deinen Sohn nicht?" „Was, meinen Junge» nicht lieben! Könnte -v irgend ein Mädchen geben, welche» seiner Wer bung gegenüber gleichgültig blieb«? Aber selbst wenn sie ihn nicht liebte, so liebt er sie doch, und ste hat die hohe gesellschaftliche Stellung al« seine Gemahlin." „Ta» wäre nur «in schwacher Trost für eine Ehe ohne Liebe." „Helene, Du meinst doch damit nicht etwa, daß Du meinen Pllinen entgegen bist?" fragte die Fran Gräfin entrüstet. „Nein, liebe Freundin, aber ich betrachte un parteiisch beide Seiten der Frage." „DaS ist ganz überflüssig. Du brauchst nur vernünftig zu sein, Helene, weiter ist nichts nötig. Tu brauchst Deiner Nicht« bloß den Befehl zu er teilen, daß sie meinem Jungen sofort ihr Jawort gibt, und dann können wir im Juni die Hochzeit öbue großes Gepränge in der Stille stattfiuden lassen, und damit ist die Sache erledigt," entgeg- nel« die Frau Gräfin sehr entschieden. „Ich habe Herrn von Markwald eingeladen, mich nm Montag Nachmittag zu besuchen, damit ich dann di« Angelegruheit mit ihm bespreche." „Da tust Du endlich einen Schritt in der rech ten Richtung. Best«h« darauf, daß er alle seine An sprüche auf Cäcilie aufgibt. Seine Anmaßung ist ganz unverzeihlich, denke doch nur, dieser Mensch wagt eS, meinem Sohn als Rival entgegeuzutre- ten, am liebsten möchte ich ihm selber einige Worte sagen." „DaS tätest Du doch besser nicht, lieb« Marga rete." „O, wenn Du die Sache ohne mich erledigen kannst, so ist es um so viel besser. Aber wenn Du Schwierigkeiten fürchtest, so laß mich nur mit ihm reden." „Dn kennst den Neffen meine» Verlobten doch kaum geoügend dazu." „Ich habe auch gar keine Lust, ihn kennen zu lernen, Helene, und für ihn ist e» auch recht gut, daß wir nicht mit einander bekannt find." „Vielleicht magst Du darin Recht haben," meinte Iran von Foerster lächelnd. „Ich brachte heut« Alexander nicht mit, weil ich diese Angelegenheit zuvörderst mit Dir in» Reine zu bringen wünschte. Aber er ist sehr unge duldig, Cäcilie «üederzusehen..Bitte, seid doch un sere Gäste am Montag abend, ohne Zeremonie, weißt Du, nur wir vier unter nm»." „Besten Dank, wir werden kommen." „DaS freut mich sehr. DaS wird schon gleich «in« kleine Familiengesellschaft, und dann wirst Du mir auch erzählen können, wie Du diesem jun gen Menschen den Laufpaß gegeben hast. Bist Du wirklich ganz sicher, daß Du meine Anwesenheit bei dieser Unterredung nicht wünschest?" „Ganz sicher, liebe Freundin." „Nun, dann auf Wiedersehen, Helene. Ich bin sehr örfrdut, daß wir uns so offen und rückhaltlos ausgesprochen haben, und jetzt betrachte ich die baldige Verheiratung meines Jungen als «ndgil- tig entschieden, endgiltig, und suhle mich durchaus zusriedengestellt." 28. Kapitel. Noch sechs Monat«. Als Markwald am Montag nachmittag sein Atelier verließ, um sich zu Frau von Foerster zu begeben, begegnete er auf dem Korridor Fräulein Orlowsky. Seit der Besichtigung des Porträt» hatte er ste nicht gesehen, uud sie begrüßte ihn mit der Frage: „Sind Sie für heute schon fertig?" „Ja," erwiderte er kurz. Ihre Nähe hatte ihm in letzter Zeit ein «»behagliches Gefühl verursacht, über dessen Grund er sich selber "nicht recht ins Klare zu komme» vermochte, ei»e Art geheinnns-- vollen DlmkelS, welches ste zu umgebe» schien, berührte ihn peinlich, und insgeheim hatte er den Wunsch, ste möglichst zu vermeiden. „Eben gab ich Fräulein von Heldberg Mal- stunde," bemerkte Fräulein voü Orlowsky. „Wirklich?" „Ja, und ich halte sie für entschieden begabt." „DaS freut mich zu hören." „Natürlich," rief die Malerin neckend, ihn mit eineni spöttischen Lächeln betrachtend, welche» ihn nicht wenig ärgerte, so daß er steif erwiderte: ,,E» mar mir bereits bekannt, daß Fräulein von Held berg ein nicht geringes Talent besitzt." „O, ste ist ein ganz reizendes Mädchen, und wir beide werden innige.Freundinnen werden." Der Klang ihrer Stimme berührte ihn ebenso unangenehm, wie der Inhalt ihrer Worte, und er antwortete nur mit einem Achselzucken. Denn der Gedanke, diese Künstlerin, von der er so wenig wußte, könnte die vertraute Freundin seiner künf tigen Gattin werden, mißfiel ihm nngemein. „O ja," fuhr Fräulein Orlowsky lebhaft fort, „wir kommen sehr gut mit einander aus, beson ders da ich so viel von Ihnen erzählen kann." Hugo war fest überzeugt, daß kein Wort Täci» lienS die Malerin zu solcher Aeußerung berechtigt hätte. Dieselbe hatte vermutlich nur aus ihr«» «igenen Beobachtungen den Schluß gezogen, daß er Cäcilie liebte, uud hatte jetzt sich erdreistet, diele Aeußerung zu machen, um sich daun zu überzeu gen, ob ihre Vermutung zutreffend wäre. Er wandte sich daher kurz ab, lüftete den Hut uud ließ ste stehen. Sie rief ihm noch ein spöttisches „Auf Wieder» sehen, Herr von Markwald!" zu und blickte u,m dabei mit eiiiem seltsamen Ausdruck höhnischen Triumphes nach. Auf seinem Weg nach der Regentenstraße er füllten ihn, wie schon die ganze Zeit seit ihrer letz ten Begegnung, drückende Vorahnungen dessen, was Frau von Foerster ihm mitzuteileu beadstch- tigt«. In ihrem Hause angelangt, wurde er sofort nach dem Salon geführt und von ihr mit einer gewissen Herzlichkeit empfangen, denn ste sah die ser Unterredung nicht ohne Gewissensbisse entge gen. Sein GestchtSanSdruck, in dem sich lern Em pfinden deutlich wiederspiegelte, erschreckte sie na« bri nicht wenig, und ste rief mit wirklicher ^Be- sorgui»: „Sind Sie nicht wohl, Herr von Mark wald ?" „O, ich danke Ihnen, gnädige Frau, sehr wohl," erwiderte er bitter. „Ich habe Ihnen noch meinen Dank dalür auszusprechen, daß Sie in der Künstler«!, die das Porträt meine» Neffen malte, eine so auSgezeiw- n«te Wahl trafen," bemerkte Frau von Foerster lei e. „Fräulein Orlowsky," rief »r mit einer plötz lichen, eigentlich unbegründeten Reizbarkeit, ans da» peinlichste berührt, daß der Name dieses M is chens wieder in eiiiem Augenblick genamit ww >e, der, wie er wohl mit Sicherheit «»nehme» mußte, über seine Zukunft entscheiden wüxde. „Nun «ntfchuldige» Sie aber, Herr non Mark wald, wenn ich ohne weitere Umschweife auf mm Gegenstand zu spreche» komme, der uns veiöen gleich schmerzlich ist." „Natürlich," erwiderte er, nach immer unter dem Eindruck, daß die Nennung d»r Malerin rym Unheil bedeutete. 236,10
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