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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 15.10.1919
- Erscheinungsdatum
- 1919-10-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191910151
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19191015
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19191015
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1919
-
Monat
1919-10
- Tag 1919-10-15
-
Monat
1919-10
-
Jahr
1919
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 15.10.1919
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mung des Baltikums aus die nach der Ratifikation des Friedensvertrages beginnenden Kriegsgefangenen« b t r ans Porte c t n w i rke'N zu lassen. Der Transport der Kriegsgefangenen würde keine Verzögerung erleiden. Havas meldet z»»r bevorstehenden Heim- schaffung der deutschen Kriegsgefangenen, dah täglich 6000 Gefangene nach Deutschland ab- transportiert werden sollen. Der Abtransport dürste innerhalb 2 Monaten beendet sein. — Das Rote Kreuz teilt mit, daß die allgemeinen Transporte aus Frankreich in der letzten Otto- berwoche beginnen sollen. Inkrafttreten des FriedeuSvertrageS. Nachdem der französische Senat den Friedens- vertrag mit Deutschland ratifiziert hat, tritt der Friedensvertrag von Versailles am Mitt woch, den 15. Oktober, offiziell in Kraft. Die britische Ratifikationsurkunde ist ebenso wie die italienische Natifizierungsver- ordnung bereits in Paris hinterlegt worden. — Laut „Journal" wird Präsident Poincaree bis dahin die Ratisizierungsurkunde unterzeichnen. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Gesetzes über die Ratifikation wird amtlich als Ende der Feindseligkeiten angesehen werden. Hieraus müs sen die Alliierten Deutschland benachrichtigen, dah drei gegnerische Großmächte den Frieden ratifiziert und dann mühten Vertreter dieser drei Großmächte mit Vertretern Deutschlands die Ratifikationsurkunde austauschen. Das Protokoll mühten die Vertreter der Mächte unterschreiben und damit kann der Friedensvertrag in Kraft treten. D»tasta, französischer Botschafter. Nach dem „Echo de Paris" bestätigt es sich, dah Dutasta französischer Botschafter in Berlin wird. Während der Uebergangszeit werde jedoch Frankreich von einem Geschäftsträger vertreten sein. Diese Mission soll Clinchant, gegenwärtig Geschäftsträger in Bern, übertragen werden. Tie Alliierten werden nach dem Vorschlag ihrer Mi litärsachverständigen in Berlin eine internationale Kommission einsetzen, nm die russische Ge fahr für Deutschland zu über wachen. «oaarchie und Deutsche Bottspartei Die Vertretervcrsammlung des Wahlkreisver- dandes Köln-Aachen der Derüschen Volküpartei hat dem am 18. Oktober in Leipzig stattfinden den Parteitag zur Frage der Staatsform die nachstehende, Fassung für das Parteiprogramm vorgeschlagen: Die Deutsche Volkspartei ist be reit, auf dem Boden der bestehenden Verfassung am Wiederaufbau des Reiches mitzuarbeitcn. Sie lehnt die grundsätzliche E r - örterung der Frage, ob Monarchie oder Republik als Staatsform vorznziehen sei, a b , tveil dadurch eine der vornehmsten Aufgaben der Deutschen Volkspartei, die Ber- söhnung der Volksgenossen und den Ausgleich der Gegensätze herbeizuführen, erschwert würde rind weil die Deutsche Volkspartei allen liberalen Männern und Frauen die Aufnahme bieten will ohne Rücksicht darauf, ob sie theoretisch die Mon archie oder die Republik sür die bessere Staats- form halten. Aufgehobener Belagerungszustand. Ter über das Saargebiet verhängte Be lagerungszustand wurde gestern aufgehoben. Tie Arbeiter nahmen fast vollzählig die Arbeit wie der auf. Nach den bisherigen Feststellungen ha ben die Unruhen im Saargebiet mindestens 1 5 Tote gefordert. — In Kaiserslautern ' fanden erneut Zusammenstöße statt, in denen französische Offiziere und Soldaten verprügelt wurden. Ein I9jähriger Arbeiter Felber wurde hierbei erschossen. : «orlAft frcmMscher BefatzuugStroppeu. Als gestern abend in Ludwigshafen ein 17 Jahre altes Mädchen namens Arnold ans Fran kenthal mit Freundinnen und zwei jungen Leu ten aus einer Theateraufsührung des Kathol ifchep Jünglingsvereins kam und zum Hauptbahnhofe wollte, uin die Rückfahrt nach Frankenthal ai^: zutreten, begegneten der Gruppe fünf französische Soldaten, die ohne jede Bemerkung an ihnen vorbeigingen. Als aber die Soldaten sich esnige Schritte entfernt hatten, drehten sie sich hprum und schossen ohne jeden Anlaß auf die Gruppe. Beim zweiten Schuß fiel das Mädchen tot zu Boden. Die Soldaten begaben sich nach der Tat in eine Wirtschaft, wo sie von der französischen Kriminalpolizei verhaftet wurden. , Wilsons rStselhaft« «ronk-elt. In einem halbamtlichen Krankheitsbericht wird bestätigt, daß der Zustand Wilsons eS not wendig mache, daß er noch eine Zeitlang im Bette bleibe. Im Lande wurde durch einen Brief an die Zeitungen Aufsehen verursacht, der angeblich an Senatoren geschrieben wurde und - worin erklärt wird, daß der Präsident an einer krankhaften Veränderung des Gehirns leide, die eine leichte Gesichts lähmung zur Folge hätte, und daß er nicht mehr imstande sein werde, in irgend einer Hin sicht Wesentliches zn leisten. Ganz Albanien im Aufstand. „Agence Zentrale" meldet über Laibach aus Dalmatien, daß nunmehr ganz Albanien im Auf stand gegen die italienischen Besatzrmgstrnppen sei. Die Aufständischen griffen sogar seste Lager an. Anch die Bevölkerung von Skntari, die noch am meisten zn Italien neige, habe sich der Er hebung angeschlossen. -i« Mische MlMloersaMlW. Berlin, 13. Okt. Präsident F e h r e nbach eröffnet die Sitzung. Auf der Tagesordnung steht die sozial demokratische Interpellation über die Preissteigerung im Lederhandel. Der Ausschuß ersucht um vorzugsweise Beliefe- rung der während des Krieges stillgclegten W e- b e r,e i e n m i t R o h st offe n. Er fordert Notstandsversorgung der heimtehrcnden Gefange nen, Zivilintcrnicrten, der Minderbemittelten usw. ' Ter A b b a n der Z w a n g s w i r t - f ch a s t soll unverzüglich in die Wege geleitet werden. Abg. Becker-Oppeln (Soz.) begründet die Interpellation. Auf Kosten der breiten Masse werde mit Leder ein unerhörter W u ch e r getrieben. Die Regierung sollte die Zwangs wirtschaft ßMUnigst wieder einführen und zur Zentralisation det. Ausfuhrgenehmigung schreiben. Reichswirtschaftsminisler S ch m idt : Wir haben bei Aufhebung der Zwangswirtschaft na türlich mit höheren Preisen gerechnet, aber aller dings nicht mit so ungeheuren Steigerungen. Trotzdem sprechen schwerwiegende Gründe für die freie Lederwiri sch a f t. Ohne Zufuhr aus dein Auslände kom men wir nicht ans. Ist die Zufuhr aber frei, daun kann im Jnlande unmöglich die alte Zwangswirtschaft mit Höchstpreisen aufrcchterhal- ten bleiben, die niedriger sind als der Welt- markspreis. Eine Kontrolle, ob in- oder aus- k ländisches Leder verwertet . worden ist, ist un- - durchführbar. Ich kann vielleicht das Fell bis zur Verarbeitung verfolgen, nicht aber das fer tige Leder. Unter zwei Uebeln mußten wir das kleinere wählen, vor allem mußten wir daraus sehen, die Erzeugung zu steigern, und das ging nicht ohne die Freigabe der Einfuhr. Aber wir sind ohnmächtig, weil die Entente uns trotz wie derholter Bitten bei der Bekämpfung des Schie- bertums nicht hilft. Die Forderung der Land wirte, daß die Konjunkturgewinne in Leder ihnen vollkommen zugeführt werden, ist ungerecht. Ta her wird der Gewinn verteilt, und zwar an den Landwirt, die Gemeinden und das Reich. Tie so hart angegriffene deutsche Gesellschaft für Schuhverjorgung sollte keine neue Kriegsgescll- schaft -sein. Um den Angriffen die Spitze abzu brechen/a habe» wir unßu'e Unterstützung zurück gezogen' und uns wiedör für die KricgSgefell- > sehslft entschieden, die gemeinnützig arbeitet. Die Schuhindustrie steht ausschließlich auf dem Stand punkt der freien Bewrrtschaftung. Wir müssen jetzt, den Markt eine Zeitlang ruhig unter dieser Konjunktur lassen, um die Möglichkeit zn schas sen, daß ein vermehrtes Angebot eine Preissen kung herbeiführt. Tritt wirklich keine Besserung des rmerträglichen Zustandes ein, dann müssen -wix. irgendein rettendes Mittel zu finden suchen. Aus Vorschlag des Präsidenten wird mit der nunmehr eröffneten Besprechung ein dentschnatio- naler A ntrag A r n st a d t verbunden, der einen A b bau d e r Z w a n g s w i r t s ch a s t, besonders in der Landwirtschaft, verlangt. Ebenfalls verbunden wird damit ein Antrag Dr. Ablaß (Dem.), den planmäßigen Abbau- der Zwangswirtschaft, vorzugsweise in der Landwirtschaft, in folgendem Sinne in die Wege zu leiten: l. die Bewirtschaftung des Ge treides ist auf Brotgetreide zu beschränken; 2. Fleisch und Milch sind nur noch in Höhe des Bedarfes für Kranke und Kinder zu bewirtschaf ten; 3. ebenso ist die Zwangswirtschaft für Kar toffeln im Falle einer guten Ernte aufzuheben. Auf jeden Falt sind Landwirte mit einer Kar- toffclanbaufläche unter zwei Hektar von der Zwangsbewirtschaftung zu entbinden; I. die Zwangswirtschaft ist für alle sonstigen landwirt schaftlichen Erzeugnisse sofort aufzuheben; 5. die Höchstpreise für landwirtschaftliche Erzeugnisse sind unter Berücksichtigung der Preisveräuderung der wichtigsten Gebrauchs- und Verbremchsgegen- stäude, sowie der Arbeitslöhne angemessen zn ge stalten. Abg. B e r g m a n n (Zentr.) bespricht die Ledcrfrage vom Standpunkte des Sehuhwaren- sabrikauten aus. Es handele sich darum, ob wir Rohprodukte einführen und unserer Industrie Beschäftigung geben, oder ob wir Fertigprodukte hereinlassen uud eine ganze Industrie der Ver nichtung preisgeben wollen. Hätten wir die Häute- und Lederwirtschaft nicht sreigegeben, so würden wir heute weniger Leder und Schuhe und noch höhere Preise haben. Die Einfuhr von rohen Häuten und Felten ist nach Auf hebung der Zwangswirtschaft bedeutend gestiegen, ebenso die Schnbproduktiou. Wir haben jetzt eine jährtiche Produktion von 30 bis 35 Millionei, Paar Stiefeln. Eine Reduzierung der Preise muß herbeigeführt werden; für eine neue Zwangs Wirtschaft sind wir aber nicht zu haben. Durch die Ablieferung von Oll Prozent des Konjunk turgewinnes wird dafür gesorgt, daß die min derbemittelte Bevölkerung das Schuhwerk nicht zu teuer bezahlen muß. Ich habe die Ueberzen- gung, daß die Teuerung nur von kur zer D a u e r sein wird und daß die Preise nach Besserung der Valuta zurückgehen werden. Abg. v> e r m a u n Württemberg (Dem.): I , Die Zwangswirtschaft isl schon während des k Krieges durchlöchert worden und hat beim Ein- ß tritt der Revolution zum Teil von selbst aufge- s hört. Welche Gründe hat die Regierung gehabt, die Vorschläge auf Einführung von UebergangS- richtpreisen für Leder uud Schuhwaren abzuleb neu? Tie Vorschläge gälten die wilden Preis treibereien verhütet. Bei Verteilung des Kon junkturgewinnes am Leder müßte die Landwirt schast in erster Linie berücksichtigt werden. Mit allen Mitteln muß sür eine schnelle Ver- ; teitung der vorhandenen großen Bestände an ? Kleidung und Textilien gesorgt werden. Not- ? wendig isl Aufschluß über die Millionenfälschun- gen bei der Kricgsmetallgesellschaft. Abg. Wetzli ch (D.-N.): Die Aufbebung z der Zwangsbewirtschnftung des Leders ist kein - Fehler gewesen. An den hohen Preisen ist zum j großen Teil der Niedergang der Valuta schuld. ? Nur die freie Wirtschaft wird das deutsche Volt j lwchbringcn. < Abg. Tr. Hugo (Ttsch. Vp.): Wenn die - Zustände so geblieben wären, hätte zu Weih- nachten kein Schuhmacher mehr Leder gehabt. Als ich mich im April für Aushebung der Zwangswirtschaft einsetzte, konnten wir rohe .Häute in Holland sür 2,71 Mk. kaufen. Aus diesem Preis ist im Oktober ein Preis von 9/02 Mk. geworden. Für Luxusschuhe wird jeder Preis bezahlt. Nindleder können wir aber nicht mehr verarbeiten, tveil das Publikum diese Stiesel ablehnt. Abg. S i m o n (Unabh.) tritt für Beibehal tung der Zwangswirtschaft ein. Eine Preissen kung wird erst mit der Besserung der Valuta «'folgen. Dienstag Weiterberatung. Minister ll-lig Mr Seamen- sqasi M SWldemolirMt. vsz. In einer vom sozialdemokratischen Be- omtenausfchuß Dresden einberufeuen, stark be suchten Versammlung sprach der Minister des Innern Otto ilblig über Beamtenschaft und Sozialdemokratie. Er erinnerte daran, daß im atten Obrigkeitsstaate Regierung und bürgerliche Parteien im Kampfe mir die Erhaltung ihrer Machtstellung sich zweier Mittel bedienten, die Entrechtung der Massen und das Wettrennen um die Gunst der Beamten, die am stärksten aus geprägt war, soweit die höheren Beamten in Frage kommen. Je tiefer aber die Beamten auf der Stufenleiter standen, umsomehr erkaltete diese Liebe. Nachdem die Revolution mit der unwür- digen Behandlung des Beamtenstandes aufge räumt habe, sollte es die Beamtenschast im neuen Staate als ihre vornehmste Pflicht erachten, den Sozialismus auch im Staatsbetriebe zur Durch führung zu bringen. Der Beamtenstand sei also auch im sozialistischen Staate ein überaus wich tiger Fattor. Tie nach der Revolution vielfach gehegten Befürchtungen, daß die Demokratie in der Verwaltung zu einer Ausschaltung des Be- amteuapparates geführt habe, seien völlig grund los. Wenn die Beamtenschaft aber darauf An spruch erhebe, auch in Sachsen im neuen Volks staate die Stelle einzunehmen, die sie im alten Staate inne hatte, so müsse sie' sich anch ihrer hohen Verantwortlichkeit bewußt sein, denn die Interessen des Beamtentums seien mit dem Wohle und Gedeihen des Staales anss Engste verknüpft. Ein Slaatsbankeroll mache auch die Beamtenschaft bankerott. Tas Streitrecht, das den Beamten nnd Staatsarbeitern im alten Obrigkeitsslaale Vorbehalten wurde, fei ein un verkennbares und unveräußerliches Menschenrecht, aber es setze auch ein hohes Pflicht- und Ve« antwortlichkeitsgefühl voraus, besonders in der heutigen Zeit, wo wir im Sumpfe stecken. Seine Anwendung sei das letzte Mittel. Es gebe keine höhere Pflicht für. denjenigen, dein das Streik recht gegeben ist, als sich bewußt zu sein, daß nicht aus Anarchie die neue Gesellschaft bestcben könne. Retten allein könne uns nur die Arbeit, nicht gedacht, nach dem Spstem der Ausbeutung, sondern nach dein Grundsätze des Sozialisnws. Es wäre Wahnwitz, ans der Anarchie den So zialismus errichten zu wollen. Ter Zukunsts staat laste sich nicht von beute auf morgen er- richlen. Dazu bedürfe es vielfach einer jahre langen planmäßigen nnd zähen Arbeit. Tic Re volution bat uns die Pflicht gebracht, der Men sw beit ein neues HauS zu bauen. Nicht genießen dürfen wir deshalb heute, fondern zu arbeiten gelte es. Keule sei der Beamte politisch reif; in seiner Amtsführung müsse er aber unpolitisch sein. Der Beamte solle sich das allgemeine Wohl zur Richtschnur seines Handelns nehmen. Ar beiterschaft und Beamtentum sollten gemeinsam in vorderster Front sieben im Kampfe der Ar- beil und im Ringen um den Sozialismus. OereMches nnd Sächsisches. * — W a h I e n z u m B e zirks - B a u - ein- und Landarbeiter-Nat. Am 20. Oktober von l l llbr vormittags bis l Uhr nachmittags finden im Bezirk Glauchau die Wahlen Zii einem Bezirks-Bauern- und Land- Sein Verhängnis. Roman von Gottfried Brnckner. 17 „Ist Ihr Bruder auch ein Künstler?" „Nein, er versteht gar nichts von der Kunst und Interessiert sich auch nicht dafür. Er ist in einem Bankgeschäft. Möchten Sie noch meine anderen Skizzen sehen?" „Gewiß, mit Vergnügen." Sie holte eine zweite, noch stärker gestillte Moppe herbei uud legte sie vor ihm auf den Tisch. Aber während er darin blätterte, machte sie plötz lich eine Handbewcgung.als ob si« sie ihm wieder sortnehmen wollte. Ehe ihr dies jedoch gelungen war, hatte er bereits die flüchtige Skizze eines männlichen KvpfeS in der Hand, nur wenige Kreide- striche auf rauhem, dunkelblauem Papier, mehr die bloße Audeutung, als die Skizze eines Porträts. Er hielt es in Armes Länge von sich und blickt« mit einem unruhig verwunderten Ausdruck in sei nen Augen darauf hin, während das Mädchen ne ben ihm ihn gespannt beobachtete. „Wer ist das?" fragte er nach einer langen Panse, während sich seine Stimmung zu verdü stern nnd eine dunkle Wolke sein Gesicht zu be schatten schien. „Eilt Freund von mir," entgegnete sie gleich gültig, während sie die Skizze zurücklegte uud di« Mappe forttrug. „Eine seltsame Aehnlichkeit mit jemmidem, den ich kannte," murmelte er vor sich hin und wandte sich dabei der Tür zu, während die trübe gedrückte Stimmung der letzten Wochen Hn wieder ganz zu übermannen schien. „Wie heißt er?" „Karl von Foerster." „Von ihm hörte ich nie." „Nein," erwiderte er Und erinnert« sich dann, daß sie während der Zvst,alS die Mordtat geschah, «ff Reisen mar. „Ich habe das Original der Skizze seit länge rer Zeit nicht gesehen und bin gespannt, ob ichdie Aehnlichkeit mit Ihrem Freunde anch erkennen werde." „Darüber ins Klare zu kommen, würde Ihnen unmöglich sein; Karl von Foerster ist tot." „Tot l" rief sie verwundert. „Ja, er wurde ermordet." 11. Kapitel. GillwaldtS Rückkehr von Monte Carlo. Während Hugo die Worte „er wurde ermor det" aussprach, blickte Fräulein Orlowskq ihn re gungslos und erwartungsvoll an, als obste dachte, er würde noch mehr sagen. Dann, als er ver stummte, sagte sie mit teilnahmsvollem, bedauern dem Tone: „Bitte, verzeihen Sie mir. Ich fürchte, durch meine Unbedachtsamkeit habe ich schmerzliche Erinnerungen in Ihnen geweckt." „Haben Sie denn gar nichts von dem Morde gelesen oder gehört?" „Nein, ich hasse alle die Uuglücksfälle, Mord taten und Schreckensgeschichteu in den Zeitungen und überschlage sie stets mit großer Sorgfalt. Das Leben ist so schon traurig genug, ohne daß man es sich durch solche Scheußlichkeiten noch mehr vergällen zu lasse» braucht," antwortete sie achsel zuckend. „Sie haben recht," und dabei öffnete er die Tür. „Nun wir Nachbarn sind, hoffe ich, daß Si« sich öfter einmal bei mir sehen lassen werden. Pünktlich um fünf Uhr mache ich stets eine Tasse guten, starken Kaffee. So oft Sie Lust haben, bitte ich Sie, mich dann zu besuchen und auch eiue Ci garette oderZigarre dabei zu rauchen," und wenn gleich ihre Worte ganz gleichgültig und unbefan gen klangen, trugen dabei ihre Gestchtszüge doch den Ausdruck gespannter Erwartung. „Nun, da dürfen Sie erwarten, mich oft als Ihren Gast sehen," „Je öfter, desto angenehmer wird eS mir sein. Auf Wiedersehen." Hugo ging über de» Flur »ach seinem gegen überliegenden Atelier. Groß nnd behaglich einge richtet, zeigte es nichts von dem raffinierten LnxuS der Malerin. Matt und abgespannt warf er sich in seinen Lehnstuhl, zündete sich eine Zigarre an und begann unwillkürlich, sich mit seiner neuen Nach barin zu beschäftigen. Ihr unbefangenes, offenes Wesen zog ihn an, während ihre Erscheinung ihn entschieden abstieß. Wie durch den Gegensatz be dingt, erhob sich dann Cäciliens Bild vor seine», geistigen Ange und wieder umfing ihn das Ge fühl der Einsamkeit, der Verlassenheit und des tief sten Trübsinns. . Um dieses Gefühl zn verbannen, zog er Cäci liens langen, oft gelesenen letzten Brief ans der Brusttasche und durchflog ihn von neuem. Sie be lichtete ihm in demselben, daß sie, sobald es kalt geworden, Florenz verlaßen und sich auf den Rat eines dortigen dentschen Arztes weiter nach dein Süden begeben hätten. Jetzt wären sie in Nom, aber nächste Woche würden sie vermutlich nach Neapel oder Sorrent abreisen. Die Ortsverände rung hätte ihrer Tante sehr gut getan, und sein Onkel, der Herr General, wäre so frisch und mun ter wie ein Jüngling nnd fände ungemeines Ver gnügen an dieser italienischen Reise. Von sich sel ber sagte Cäcilie nur wenig, aber bat ihn innig und herzlich, alle trüben Gedanken aus seiner Seele zu verbannen und der sicheren Hoffnung zu lebe», daß »H» bald de» Mörder entdecke» würde. Bou seinem Abenteuer im Tiergarten wußte sie nichts, da er eifrig darauf bedacht gewesen war, daß nichts van den näheren Umständen in die Zeitungen kam, und er ihr selber auch kein Wort darüber geschrieben hatte. Während er so seinen Gedanke» nächhmg, und sich immer ivieder i» die liebevollen Worte ihres Briefes vertiefte, klopfte es a» die Tür. Er rief „Herein I" und ein jungex Mann trat ins Atelier, der, obgleich er ihn noch nie gesehen, ihn mit einer freundlich vertrauten Bewegung begrüßte. Der Fremde hatte eine ge sunde Gesichtsfarbe, einen schwachen, hellblonden Schnurrbart und üppiges, dnnkelbrauueZ Lockeil haar, welches ihm beinahe über die Stirn fiel. Seine Gestalt wär schlank nnd behende und seine Kleidung elegant, ja vornehm. „Herr von Mark wald ?" fragte er lächelnd. „So heiße ich," antwortete jener, sich erhebend. „Ich besuchte Sie in Ihrer Wohnung, aber da ich Sie dort nicht fand, kam ich Ihnen nach dein Atelier nach," fuhr er fort, rings um sich blickend. „Sie wünschen mich zu sprechen," fragte Hugo. „Gewiß." „In Geschäften?" „Allerdings," antwortete der Fremde mit einem kurzen Nicken. Hugo begann eine gewisse Ungeduld über diese dreiste Unbefangenheit zn empfinden Und fragte etivaS scharf: „Was wünschen Sie?" „Das werden Sie bald hören," erwiderte der allere gelassen. „Je eher, desto besser." Der Fremde legte seinen Hut und Stock ans den Tisch, ließ sich in einen Lehnstnhl sinken nnd fragte freundlich: „Wollen Sie nicht lieber auch Platz nehmen?" Der Künstler ivar im Begriff, eiue zoruige Ant- wort zu gebe», aber daun überwog das Empfin den des Lächerliche» über die Aufführung dieses Menschen, und er bemerkte nur: „Ich habe keine Zeit übrig, also sagen Sie schnell und ohne Niw schweife, was Sie mir mitznteilen wünschen." Sein Gast blickte ihn belnstigt cm, lachte laut auf und schlug sich dabei mit den Händen auf die Kniee, so daß Hugo ans den Gedanke» kam, der Mensch ,nützte wohl ans dem Tollhanse entsprun gen sein. 238,16
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