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' der Demokratischen Partei in die sächsische Re gierung stattgefunden. Es ist zunächst eine Ver ständigung darüber herbeigesührt worden, daß die s o z i a l d e m o k r a t i s ch e n N i ch t- linien der, bisherigen Regierung, wie sie vom Ministerpräsidenten Dr. Gradnauer am 20. März d. I. in der Volkskammer dar gelegt wurden, voll in Geltung blei ben. Auch die demokratischen Vertreter, die in die Regierung eintreten, werden diese Richtlinien im wesentlichen anerkennen. Hinsichtlich der Re gierungsstellen, die für die Demokratische Partei in Betracht kommen sollen, mutzte zwischen den von der Demokratischen Fraktion gestellten For derungen und den Auffassungen der sozialdemo kratischen Fraktion eine mittlere Linie gefunden werden. Das Einverständnis wurde schließlich derart erzielt, daß die demokratische Fraktion das Kultusministerium und das Finanzmini st erium über nimmt. Auch die bisherigen Inhaber dieser Aemter stimmten dieser Regelung zu. Den Vor schlägen der demokratischen Fraktion entsprechend, wird der Ministerpräsident den Abgeordneten Nitzschke in das Finanzministerium und das Mitglied der Nationalversammlung Schulrat Dr. Seyfert in das Ministerium des Krütus und öffentlichen Unterrichts berufen. Voraussichtlich wird bei dem Wiederzusammentritt der Volks kammer am Montag eine Erklärung über die Regierungsumbildung abgegeben werden. Aufhebung sächsischer Gesandtschaften. vsz. Bekanntlich unterhielt Sachsen in Ber lin, München, Weimar und Wien Gesandtschaf ten. Nach der neuen - Reichsverfassung wird in Zukunft die auswärtige Rcichspolitik vom Reich übernommen. Infolgedessen macht sich eine Auf lösung der Gesandtschaften notwendig. Wie zu verlässig verlautet, hat daher die Regierung ihren früheren Plan auf Schaffung von Vertretungen im Auslande zur Wahrung der wirtschaftlichen Interessen Sachsens fallen lassen. HiudeuburgS 72. Geburtstag. Hindenburgs gestriger 72. Geburtstag gestal- tete sich zu einer grotzen Ehrung für den Feld marschall, Der Magistrat der Stadt Hannover, sowie zahlreiche Behörden sandten Glückwunsch- adresscn. Die Stadt Detmold ernannte Hinden burg zu ihrem Ehrenbürger. Damit ist Hinden burg zum 165. Male Ehrenbürger einer deut schen Stadt geworden. Die Balteutrnppeu auf dem Rückzug. Den letzten Nachrichten von der Ostgrcnze zufolge sind drei Viertel der deutschen Truppen im Baltikum auf dem befohlenen Rückzug. Schießübungen auf Menschen. Belgische Soldaten veranstalteten in Düssel- dorf-Obcrkasfel Schießübungen. Dabei benutzten sic auch die Häuser als Zielscheiben. In einem Haus wurde eine Frau durch einen Schuß schwer verletzt. In einem anderen Hause durchschlug eine Kugel das Fenster und verletzte ein Kind so schwer, daß cs bald darauf starb. Graf Rantzau uud die Vierer Urkunde«. Zu der Mitteilung, Graf Rantzau habe das Wiener Notbuch und die Gooßschen Erklärungen bereits bei den Verhandlungen in Versailles ge- kannt, erklärt Graf Nantzan: Es ist zutreffend, daß das Material ihm damals überreicht wurde. An eine Veröffentlichung wurde nicht gedacht, da Staatssekretär Bauer in Wien sich diese Vor behalten hatte. Es handelte sich darum, ob der Inhalt bei den Verhandlungen zu verwerten sei. Graf Rantzau hat das nicht fiir richtig erachtet, weil diese Veröffentlichung nur eine einseitige Beleuchtung der Vorkommnisse gab. Dagegen hatte die deutsche Regierung eine allseitige Oefs- nung der Archive und Untersuchung der Schuld frage schon im Oktober 1918 gefordert. Es will doch sehr zweifelhaft erscheinen, ob Gras Brockdorfs-Rantzau richtig gehandelt hat, Sein Verhängnis. ' Roman von Gottfried Bruckner. 8 „Wohin reisen sie?" „Nach Italien, zuvörderst nach Florenz. Ich werde sie begleiten. Damen sind nun einmal auf der Reise allein ganz hilflos, und Dienstboten kön ne» ihnen dabei nichts nutzen. Außerdem habe ich selber große Lust, Italien endlich einmal ken nen zu lernen." „Wann wollen sie abreisen?" fragte Hugo wieder. „In einigen Tagen — sobald als möglich — sobald Fran von Foerster ivohl genug ist, um rei sen zu können." „Du wirst mir hier sehr fehlen, Onkel." „Rede nicht solch Zeug — ich weiß bester, wer Dir fehlen wird. Ja, Cäcilie ist ein reizendes, char mantes Mädchen; aber ihre arme Taute wird viel leicht lauge Zeit gebrauchen, ehe sie sich von die sem Schicksalsschlnge erholt." „Tie Zeit tut Wunder," entgegnete Hugo phi losophisch, nahm dankend eine vorzügliche Zi garre aus der wohlgefüllten Tasche seines On kels uud zündete sie langsam, nachdenklich an. Da bei gedachte er seiner eigenen Sorgen und wie lange es wohl noch dauern würde, bis er Cäcilie als Gattin heimführte. „Wenn man noch so jung ist, hat man recht gut Zeit, zu warten," antwortet« der General, die unausgesprochenen Gedanken seines Neffen erra tend. „Worauf?" „Auf nichts, mein lieber Junge. Du bist zu neugierig. Nun wollen wir uns nach dem Rauch- zimmer verfügen." 6. Kapitel. Stark und treu. Auf dem Heimwege beschäftigten sich Hugos als er die Wiener Enthüllungen beiseite legte, ohne von ihnen Gebrauch zu machen. Es hätten immerhin die ersten Anfänge gemacht werden können, in die Lügensront der Feinde Bresche zu legen. Gefangsnen-Meuterei in Braunschweig. Im Braunschweiger Krcisgefänguis kam es zu einer Meuterei der Gefangenen. Eine mit Holzspalten beschäftigte Rotte von 15 Mann drang mit Beilen bewaffnet nach dein Hauptaus gang des Gefängnisses. Die zu Hilse gerufene Reichswehr ging gegen die Meuterer vor, von denen zehn zu entkommen wußten. Zwei der entflohenen Meuterer konnten inzwischen wieder eingefangen werden. . ' Luxemburg für einen wirtschaftlichen Anschluß an Frankreich. Nach dem endgültigen Ergebnis der Volks abstimmung haben von 125 775 eingeschriebenen Stimmberechtigten 90 485 gestimmt. Ungültig waren 5113 Stimmen. Für die Großherzogin Charlotte stimmten 66 811, sür eine andere Großherzogin 1286, für eine andere Dynastie 889, für die Republik 16 885. Bei der Abstim mung über den wirtschaftlichen Anschluß waren von 82 375 abgegebenen Stimmen sür Frankreich 60 135. d'AmmuzioS Krieg mit -e« Süvslawe«. Dem „Neuen Rotterd. Cour." zufolge wird aus England gemeldet, daß d'Annunzio die telegraphische Verbindung zwischen Fiume rind Agram unterbrochen und der sranzösischcn Mis sion mitgeteilt hat, daß cr sich in i t denSü d- slawcn im Kriegs; u st ande befindet. — Die kroatische Presse schlägt immer schärfere Töne an und verlangt von der Belgrader Ne gierung sofortiges Eingreifen gegen die Zustände in Fiume. — Die italienische Negierung gibt bekannt, daß die Stadt Fiume nun blockiert und vollständig von der Außenwelt abgeschnittcn ist. Sll RttMkbeilnstiM hat gestern in Berlin zu blutigen Unruhen ge führt. Die von der Streikleitung der Metall arbeiter cinberufencn 30 Versammlungen wurden, wie schon kurz mitgeteilt, sämtlich von der Po lizei aufgelöst. Maßgebend sür das Verbot der Versammlungen war, daß diese polizeilich nicht angemeldet waren, dann aber auch, weil sie fiir vormittags 10 Uhr angesctzt waren, also auf einen Zeitpunkt, der mitten in die Arbeitszeit fiel. Der Zweck der Wahl dieses Zeitpunktes war offenbar die sofortige Herbeiführung der Arbeitseinstellung und damit verbunden des politischen General st reiks. Der An- drang zu den Versammlungen war sehr stark, noch stärker jedoch die Abspcrrungskettc. Im allgemeinen entfernten sich die Arbeiter ruhig. Dagegen kam cs in der Müllerstratze zu einem blutigen Zusammenstoß, bei dem zehn Personen schwer verletzt wurden. Nach der Auflösung einer Versammlung in den Pharussälen in der Müllerstratze sammelten sich Tausende in der Müllerstratze vor den Sälen an, die der Aufforderung der Polizei, auscm- anderzugehey, nicht Folge leisteten, sondern die Versammlung auf dcr Stratze er öffneten. Der Redner wnrde verhaftet und sollte^ nach der Polizeiwache gebracht werden. Zwei weitere Männer, die die Menge zu Tätlichkeiten gegen die Polizei aufgesordert haben sollen, wur den ebenfalls festgcnommcn. Die Menge, die etwa 15 000 Personen zählte, warf den Solda ten Schmähworte zu, Stöcke wurden erhoben, uud da die Menge den Weg verstellte, war cs nur sehr schwer, sich einen Weg zu bahnen. Tas Drängen auf dein Straßendamm war so stark, daß die Straßenbahn im Verkehr behindert wurde. Als die Soldaten mit den drei Verhaf teten in die Luxemburger Straße cinbogcu, ver stärkte sich das Schreien der Menge. Schmäh ruse auf Noske und den Polizeipräsidenten wur den laut, an denen sich auck; Frauen beteiligten. Plötzlich warf einer der Tunuultuanten eine Kon- servcnbüchse zwischen die L^Ppe, von der einer der Sicherheitspolizisten getroffen wurde. Nun mehr machten die Truppen au'f Befehl des Fäh- rers halt und brachten die Gewehre in Anschlag. Während die größte Anzahl der Versammelten fluchtartig auseinandcrslob, suchten andere die Gefangenen zu befreien. Im glei chen Augenblick knatterte nun eine Salve und mehrere Personen stürzten blu tend nieder. Die große Mehrzahl flüchtete in die Häuser und- benachbarten Wirtschaften, die Ladenbcsttzcr ließen ihre Rolläden herunter. Nach einigen Minuten gab die Polizeitrnppe eine zweite Salve und wieder st ü r z t e n mehrere Personen zu Bode n. Ein Mann, der einen Schuh in den Rücken erhielt, wurde tot vom Platze getragen, andere erlitten schwere Verletzungen und wurden nach der Nnfallstelle gebracht. Die Leichtverletz ten flüchteten. Die Menge räumte nunmehr die Straße; viele stellten sich aber an der Kreuzung der Luxemburger und Müllerstraße erneut auf. Die Erbitterung gegen die Polizeitruppe machte sich in neuen lauten Schmährusen Lnft. Frauen verfielen in Schreikrampf. Bisher wurden zehn Verletzte f e st - g e st e l l t. Unter diesen bcsindet sich ein Knabe, zwei Frauen, eine mit schwerem, eine andere mit leichterem Schenkclschuß, ein Mairn von 30 Jahren wurde getötet. In den anderen Stadtbezirken kam es zu keinerlei besonderen Störungen bei - den Ver sammlungen. Vor den Germaniasälen hatten sich 3000 Personen versammelt, die ruhig sich entfernten. Vom Gewcrkschaftshause zog ein D c m o n st r a t i o n s z u g von etwa 500 Per sonen nach dem Marianncnpark und hielt dort eine kurze Versammlung ab. Desgleichen hatten sich in der Hasenheide mehrere tausend Teilneh mer vor Kliems Festsälen cingefunden. Andere große Züge marschierten nach dem Schillerpark, Treptower Park und nach dem Tiergarten, um ebenfalls Versammlungen unter freiem Himmel abznbalten. Zum erstenmal traten hiergegen P o l i z c i s l i e g c r st a f f e l n in Kraft, die die Bildung der Züge überwachten und über den Kasernen der Sicherheitspolizei entsprechende Mel dungen abwarfen. Dadurch war es möglich, so fort Kommandos nach den einzelnen Plätzen zu entsenden und die Versammlungen aufzulöscn, bevor noch die Redner sprechen konnten. .* Tie Verhandlungen am Mittwoch vor dem Neichsarbeitsministerium haben noch zu keinem Ergebnis geführt. Tie Vertreter der Arbeiter »erlangten, daß auf Grund der neuen Forderun gen der Arbeiterschaft verhandelt werde, während, die Arbeitgeber die Fortsetzung der seinerzeit ab gebrochenen Verhandlungen wünschten. Schließ lich machte Ncichsarbeitsminister Schlicke, der die Verhandlungen Persönlich leitete, den Vorschlag, einen neuen Schlichtungsausschuß einznsetzen, der aus je drei Vertretern der beiden Parteien und einen: vom Minister zu bestimmenden unpartei ischen Vorsitzenden bestehen soll. Dieser neue Schlichtungsausschuß soll versuchen, auf der Grundlage des Schiedsspruchs vorn 21. August eine Einigung über die Einreihung der Arbeiter in die verschiedenen Lohnklassen hcrbeiznführen. Einen endgültigen Schiedsspruch soll cr jedoch erst dann fällen, wenn beide Parteien vorher erklären, sich ibm unterwerfen zu wollen. Die Vertreter der Metallindustriellen erklärten sich be reit, diesen Vorschlag anzunehmen. Die Pertre- ter der Arbeiter erklärten jedoch, sich noch nicht binden zu können und baten sich eine Bedcnkfrist bis Freitag mittag aus. Ratscht MlMiNrsamiiW Berlin, 2. Okt. Präsident Fchrenba ch eröffnet die Sitzung. Die Aussprache über den Tiefstand der deutschen Valuta wird fortgesetzt. Abg. Heim (Bayer. B.-B.): Auch die sieg ¬ reichen Länder haben ohne Ausnahme einen Rückgang der Valuta zu verzeichnen. Bei der Valutafrage ist ein Streit ausgebrochen zwischen der Negierung und der Opposition. Jede Par tei sucht der anderen die Schuld an den: schlech ten Stande der Valuta zuzuschieben. Es ist un erhört, daß wir seit der Revolution monatlich viermal soviel Noten drucken wie während des Krieges. An der Niederlage ist die Revolution nicht ! schuld, wohl aber an der weiteren Verschlcchte- k rung nach dem Waffenstillstände. Dann muß die s Korruption mit allen Mitteln bekämpst werden, i Das neue Wiederaufbauministcrium sollte sich auch des sittlichen Wiederaufbaues annehmen. Wir brauchen keine Streiks mehr. Die Arbeit geber könnten heute viel eher st r e i k e n als die Arbeitnehmer. Unser Schick sal liegt vor allem bei den Bergarbeitern. An die hohen Löhne haben sich die Arbeiter ge- wöhnt; ein Abban wird sehr schwer sein. Abg. Wurm (Unabh.): Die Einfuhr von Luxusartikeln mutz verhindert werden. Das Ver trauen des Auslandes in unsere Arbeitsfähigkeit muß wiedergewonnen werden. Die Arbeitgeber sind schuld an den Streiks. Mit der Sozialisie rung mutz endlich der Anfang gemacht werden. Neichsfinanzministcr Erzberger: Wir wären weiter, wenn uns die Freunde des Herrn Wurm bei unserer»Tätigkeit nicht immer in die Arme gefallen wären. Wenn Sie die Valuta heben wollen, müssen Sie die Arbeitskraft des deutschen Volkes heben und stärken. Das hat dadurch zu erfolgen, datz den Arbeitern ausrei chende NabrungSmittel zu angemessenen Preisen zur Verfügung gestellt werden. Die Negierung hat wieder 3'?, Milliarden Mark zur Verbilligung der Lebensmittel ausgeworfem. Diese dreieinhalb Milliarden sollen dazu benutzt werden, um Fett und Fleisch aus dein bislMrigcn Preisstand zu erhalten. Diese Preispolitik wird die Regierung systematisch wci- terführrn. Was den Kurs der Mark anbclangt, so ist der Jnlandswert der Mark höher als ihr Auslaudswcrt. Wir müssen so lange wie mög lich zu verhindern suchen, datz hierin ein Aus gleich erfolgt, und wenn er erfolgt, dann nur nach der Schätzung des Inlandes. Mit anderen Worten: cs mutz dann cine höhere Bewertung der Mark nn Auslande eintreten. Es ist auch ein Ding der Unmöglichkeit, jetzt weitere Aufhebungen der Zwangswirtschaft vorzunehmen. Auch dem Handel mit ab- g e st e m p e l t e n Noten, wie er in Sachsen betrieben wird, wird die Negierung entgegcntretcn. Die Erwägungen hier über stehen vor dem Abschlutz. Ein stärkerer Ankauf von fremden Banknoten muß schädigend wirken. Auch hiergegen werden die erforderlichen Maßnahmen bereits erörtert. Zurzeit ist die Valuta-Anleihe ein unentbehrliches Hilssmittel zur Verbesserung unserer wirtschaftlichen Lage. Eine großzügige AuswanderungSpolitik würde ich für ein Unglück für uns alle halten. Abg. Dr. R i c tz e r (Dtsch. Vp.) fasste in seinem Schlußwort als Vertreter der interpellie renden Partei das Ergebnis der Aussprache zu sammen. Tie Sozialisierung ist kein Mittel, die Produklion zu erhöben und zu verbilligen. Tie Nevolntion hat nicht nur das Selbstbewusstsein in der Arbeiterschaft gestärkt, sondern ein H e r- r e n b c w u tz tsei n in ihnen groß gezogen, das ebenso zu verurteilen ist Ivie das frühere Herrenbewusstsein der' Unternehmer. Das Volk hat die Valuta, die es verdient Tcsbalb ist es auch nicht richtig, das; allein die Finanzverwaltung an unserer schlechten Valuta ichuld ist. Sie geht aus von dem schlechten Friedensvertrag und der Nevolntion. Erst wenn das Ausland Vertrauen gewinnt zu unserer E» holungsinöglichkeit, wird cs besser werden. Ord nung und Arbeit müssen wieder einzichen. Tie Ausfuhr muß gefördert werden. Eine Plan wirtschaft, die Ein- und Ausfuhr mit dem Zir kel auf dem Reißbrett abmessen wollte, hat hof fentlich ein- für allemal abgewirtschaftet. r v- ,Jch weH vHt AU^ wit schwer Gilch^eideder Fast verzweifelnd stöhnte er dabei auf, aber dann fand er Trost in einem anderen, ebenso plötz lichen Gedanken, der wie ein Lichtstrahl von oben das Dunkel seiner Seele erhellte und ihn mit neuer Lebensfreudigkeit erfüllte. Befriedigt atmete er auf, wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn und wandte seine Schritte, ganz von seinen: neuen Entschluß erfüllt, wieder seiner Wohnung zu. Der folgende Morgen war hell und freund- NH und brachte ihm noch eine besonder? UeydH „Es hat Dir doch auch nichts geschadet?" fubr sie eifrig fort, seine Züge voll gespannter Erwar tung durchforschend. „Natürlich nicht," entgegnete er, benüiht, sie zu beruhigen. „Du tatest ganz recht daran, ihn» alles zu sagen." F „Das Gefühl hatte ich auch mährend der Un terredung, aber nachher kamen mir Gedanken, daß Fremde Deine Worte vielleicht mißdeuten konn ten — Leiste, die Dich nicht kennen, wie ich Dich kenne." „WederDu noch ich können hindern,daß Fremde denken, waS ihnen beliebt, und ihre Gedanken könne» uns auch ganz gleichgültig sein. Aberglaube mir, Cäcilie, indem Du die Frage» des Justiz» rates offen und rückhaltlos beantwortetest, han deltest Du nur so, wie ich es wünschte und ich Di» geraten haben würde." „Ich kann bloß nicht begreifen, weshalb er so eifrig zu wissen wünschte, was doch gar nichts mit diesem schrecklichen Ereignis zu tun hatte?" fragt« , st« nachdenklich. 236,16 Gedanken fast ausschließlich mit Cäcilie. Trotzdem ihnen so bald eine lange Zeit der Trennung bevor« stand, hatte sie ihm doch leine Zeile geschrieben, ihn davon zu benachrichtigen oder ihn zu ihr zu rufen- Er wußte recht gut, datz ihre Liebe für ihn nicht so stark und überwältigend wäre, wie die seine zu ihr. Eie war ihm alles in allem, aber wie betrach tet? st« ihn? Bor wenigen Wochen hatte sie sich bereit finden kaffen, dem Wunsch ihrer Tante zu folgen und ihn aufzugeben, während er nie auf sie verzichtet hätte, und kostete ihn alles, was er iin Leben wert und teuer schätzte. Aber wenigsteus hatte sie ihre Liehe für ihn rückhaltlos bekannt. Sein starker Wille hatte die Herrschaft über sie - wiedergewonnen, und so lange sie ihn: nahe blieb, fühlte er sich ihrer auch sicher. Aber wenn sie ferne von einander waren, konnte das Schlimmste ge schehen, und doch sah er keine Möglichkeit, sie nach Italien zu begleiten. Ehe der Mörder nicht ent deckt wo , durste er Berlin nicht verlaffen. Und da kam ihn: plötzlich wie ein Blitzstrahl der entsetz liche Gedanke — dürfte er denn überhaupt ihr Le« ben an das eines Mannes ketten, auf dem ein so schimpflicher Verdacht lastete? Wie ein Schlag traf ihn diese Frage, regmigSlos blieb er stehep, und in wenigen Sekundei: wurde es ihm zur zwei fellosen Gewißheit, daß er, so innig er Cäcilie liebte, oder vielmehr gerade wegen seiner wahren Liebe zu ihr, nicht daran denke» dürfte, sie zur Gattin zu begehren, ehe nicht der Mörder ihres Vetters entdeckt wäre. Schlag getroffen haben mich, und es schmerzt mich doppelt, daß ich Euch weder Hülfe »och Trost bie ten kann." Sanft und schüchtern legte sie ihre Hand auf seinen Arin und blickte ihn innig au — beides sagte mehr als Worte vermocht hätten. Nach einer kurzen Pailse fragte dam: Cäcilie; _Du weißt vermutlich, daß Herr Gerhard, Tautcus Rechtsbeistand, bei mir war und eilte Menge Fra gen an mich stellte?" „Das dachte ich mir allerdings." „Ich beantwortete seine Fragen, trotzdem ich eigentlich nicht verstehe» konnte, was er damit meinte — aber ich hatte das Empfinden, daß die Wahrheit Dir mster keilten Umständen zu schadet' vermöchte." , „Ich danke Dir, mein Liebling." «inen Brief von Cäcilia, worin sie ihm mitteilte, daß sie in etiva einer Woche abreisen ivürde. Sil« Lud ihn weder ein, sie zu besuchen, noch schrieb fl« irgend ein Wort des Abschieds. Für beides war er ihr dankbar. Tie wußte also, daß er bald nach Empfang ihre- Briefes bei ihr sein würde, und daß, ehe sie einander Lebewohl sagten, erst noch aildereS zwischen ihnen gesprochen werden müßte. Trotzdem eS zum Besuch noch viel zu früh war, erledigte er doch sein Frühstück und seine Toilette in fiebernder Eile und wanderte dann noch län gere Zeit rastlos im Tiergarten umher, bis er sich endlich nach elf Uhr nach der Regentenstraße be- aab. Nachdem er mehrere Minuten ungeduldig im Salon gewartet hatte, kam endlich Cäcilie in schwarzer Trauerkleidung, tief betrübt und über wacht, dunkle Ränder unter den Allgen, ihr Ge sicht leicheilblaß, ihre Lippen fast farblos, und als sie ihm zum Gruß die Hand reichte, zitterte die selbe nervös in der seinen. „Armes Kiild I" dachte «r. „Sie muß schrecklich gelitten haben," uud ein heftiges Verlangen, sie zu trösten und in seine Arme zu schließen, erwachte in seinem Herzen. „Du erhieltest meinen Brief?" fragte sie dann. „Ja, mein Liebling; aber ich wäre jedenfalls auch ohne das heute früh zu Dir gekommen. Ich hörte gestern von meinem Onkel, daß Ihr abrei- sen werdet. Du bist leidend, Cäcilie?", „Nein, nur abgespannt." „Und Frau von Foerster?" „Tante kann ihr Zimmer noch nicht verlassen, die Erschütterung war zu schrecklich. Es macht mich ganz elend, wenn ich sie so stumm und still dalie- gen sehe, nnverwaildt ins Leere starrend, als ob sie —" und dabei traten ihr Tränen in die Augen, di« sie aber hastig fortwischte.