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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 14.09.1919
- Erscheinungsdatum
- 1919-09-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191909140
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19190914
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19190914
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Bemerkung
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1919
-
Monat
1919-09
- Tag 1919-09-14
-
Monat
1919-09
-
Jahr
1919
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 14.09.1919
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§MW M rVUAüklW-Y-lllMWU'r äkiklU» , § 1 "1, " " --1 '' ,I «M ff Mr, L13 Sonntag, den 14 September 1V1D 46. Jahrgang Jie WWen sör RMcher. Eine der „ b r e n n e » d s1 e n " Tages- s r a g e u ist nnstreilig die nach der künftigen Preisgestaltung der Tabalsabrikutc. Nachdem der deutsche Rancher während tanger Kriegsmonate die zweifelhaften Genüsse ruid die noch zweisel- tiafteren Geriiche aller Bäume des de u t- s ch e n L a n b tu a l d c s halte auskosten dür fen, stürzte er sich nach dem Abschluß des Frie- deus und nach Aushebung der Blockade auf die „Importen", ans die Ware, die in riesiger Menge über die wieder geöffneten Grenzen in das" aus- gesogene Land hineinströmte. Leider erlebte der Raucher eine derbe Enttäuschung. Die einge- führte Ware war znm Teil von einer derartig minderwertigen Dualität, das; manchmal gegen über der „gntcn" Mischwarc kaum ein Unterschied sestznslellen war. Anderseits war der Preis der Zigarren und Zigaretten ein derartig hoher, das; ein grosser Teil der Bevölkerung als Käufer nicht in Frage kommen kann. M inderb e in it - tolle — und Iver gehört Henle eigentlich nicht j zu den Minderbemittelten, wenn in Deutsch- l Deslerreich beispielsweise Leute mit einem E i n- j f o m m e n v o n I 8 0 0 l> K r o n e n amtlich zu dieser Klasse gerechnet werden — können un möglich täglich drei bis vier Mark für ihre „Glimmstengel" oder „Stäbchen" ansgeben. Mit Selmsucht erhoffen beute Millionen deutscher Ran eber eine Wendung znm Besseren in der PreiS- gestaltnng ihres Nauchzeugs. Leider wird sich diese Hoffnung ans absehbare Zeit hinaus al? durchaus trügerisch erweisen. Nach einer Meldung aus Bremen sind dort von Auslandsiabaken 9099 Ballen Sumatratabak nnd 5888 Ballen Tnbak- ersah an die beteiligten Rohtabakhändler verlost worden. Ferner sind durch den freien Import handel etwa 7400 Ballen Brasillabak nnd etwa 800 Ballen Havannatabak zur Verteilung ge kommen. Von den Nohtabakhandelsfirmen wird der vorerwähnte Tabak ohne Verzug dem ge samten deutschen Tabnkgewerbe zur Verwendung zngefülnt werden. Eine srcie Verteilung von "etwa 7000 bi? 8000 Ballen holländischen Kolo nialtabaks und eines Postens von 80 OtM Bal len Domingotabaks wird voraussichtlich Milte bis Ende September vorgenommcn werden. — Weniger tröstlich klingt, was über die künftigen Zigarrenpreise geschrieben wird: Der Wert des heimischen- Nobtabaks ist gegenüber der Friedens- zeir etwa uni das Zwölfsache gestiegen, der des überseeischen Tabaks unter Berücksichtigung der Valuta um das Zehnfache. Rn Rrbeitslöhnen kostete die .Herstellung von tausend Zigarren früher etwa 7,50 Mk., heule 85 Mk. Von fach- verständiger Seile ist die Wirkung der Verteue rung de? Rohstoffes, der Steigerung der Arbeits löhne nnd der Steuerbelastung auf die k ii n s - tigen Z i g a r r e n p r e i s e solgeudermaße» ermittelt worden: Der niedrigste Preis für soge nannte Zigarillo? ans rein deutschem Tabak wird 20 Pfg. sein. Für 30 Pfg. wird man eine kleine Zigarre ans deutschem Tabak, die es früher niemals gegeben hat, kaufen können. Eine Zigarre von geringer Qualität mit ausländischen! Deckblatt wird 10 Pfg. kosten, während sich eine Zigarre an? rein überseeischem Tabak bereits ans I Mk. stellen wird. Die frühere Zehupfeu- nig-Ziaarre wird unter 1,50 Mk. nicht zu haben sein. Wesentlich billiger wird sich der R a n ch- t a b a k stellen; man kann annehmen, das; sein Preis etwa ein Sechstel des ZigarrenpreiseS be tragen wird. Das Pseisenrauchen wird daher in Deulfchland wieder stark in Gebrauch kommen. Für die Zigarett e werden uns in abseh barer Zeit fast nur überseeische Tabake zur Ver fügung stehen, wie sie früher zum Strecken für die billigsten Sorten Verwendung fanden. Orien talische nnd vor allein mazedonische Tabake, aus denen früher die deutsche Zigarette ganz über wiegend hergestellt wurde, sind vorläufig nicht erreichbar. Trotz der geringen Qualität des Ta baks wird die billigste im Inland hergcstellte Zigarette etwa 12 bis 15 Pfg. kosten. NMudsiag der dmWu MWr. Dresden, l 1. Sept. Gestern begann im Großen Saale des Ge- werbebauses die Verbandstagung der deutschen Fleischer, die vom Vorsitzenden mit herzlichen Worten der Begrüßung eröffnet wurde. lieber das Thema: „Tie Lage der Fleisch- Versorgung" sprach S ch l i a ck - Halle und führte aus, daß die Fleischversorgung auf dem Lande besser sei als in der Großstadt, wo vom 21. Mai bis 30. August überhaupt kein Frischfleisch ver teilt worden sei. Die Staatsrcgierungen müßten dafür sorgen, das; möglichst viel Fleisch und Fett eingeführl werde. Dann müßten sie aber anch, wenn nötig, mit räuber Hand, dafür sor gen, das; wirklich gearbeitet werde. Nur so könne sich die Valuta heben und das Wirtschaftsleben wieder aufgebaut werden. Durch die abgetrete nen Provinzen Hütten wir etwa 600 000 Stück Rindvieh verloren. Der Schweinebestand in Dentschlond betrug am 2. Juli ungefähr 6 Mil lionen, das sei durchaus genügend. Eine Besse rung sei mir dann möglich, wenn den Land wirten mehr Futtermittel zngewiesen würden. Der Redner trat im weiteren Verlaufe seiner Rede sebr energisch für die Aufhebung der Zwangswirtschaft ein. -- Nach einer lebhaften Anssprache, in der die Zwangswirtschaft cin- üimmig verurteilt und der freie Handel gefor dert wurde, nahm die Versammlung einstimmig eine entsprechende Entschließung an. Darauf berichleten K a h l e n b e r g - Weimar und W eide - Tübingen über: „Viehaufbrin gung und Viebbandelsverbändc." Beide Redner waren darin einig, das; der ViehbandelSverband sich nicht bewährt habe und deshalb sofort auf zuheben sei. Durch die schlechte nnd unsacht»»- dige Geschäftsführung des Verbandes seien 1)0 Prozent der Kälber der Allgemeinheit entzogen, ferner 70 Prozent der Hammel und 50 Prozent der Rinder. „ K o in m unalc S ch l a ch tungen , W u r sl m a ch erci nnd K o n s e r v cnbc r st e l l n n g " lauten.' das daraus behandelte Tbema, wozu bk e n g e b a u e r - Breslau und W ö n n e Gotba sprachen. Tie Redner traten für die schleunige Beseitigung der kommunalen Schlachtungen nnd der Wursnnacherei ein. Ties liege auch im Imcresse der Wiederbefchöftigung der im Fleischergewerbe tätigen Unternehmer und Hilfskräfte. Tie Wurstmacherei dürfe nicht in die Hände einiger Großunternehmer gelegt werden. M angold - Halle wandte sich gegen die behördliche Versorgungsregelung, die eine Selbst täuschung sei. Man könne auf diesem Wege nicht wieder zu normalen Zuständen gelangen, da die staatliche Autorität untergraben sei. Eine voll ständige Aufhebung der Zwangswirtschaft sei noch nicht zu empfehlen, aber die Anslandswaren soll ten dem freien Verkehr überlassen werden; die Rationierung von inländischem Fleisch sei ledig lich bis aus weileres derart aufrechtzuerbaUen, daß die kommunalen Regieschlachlungen und die Wnrstmacherei aufgehoben, und allen Einwoh nern die bisherige Kopfmenge gesichert bleibe. Jedoch sei den Kollegen die Verwertung des nicht abgeforderteu Fleisches zn überlassen. Robverdicnslsätze und Schwundgewicht bildeten den nächsten Gegenstand der Tagesordnung, zu dem M uhsers - Hamburg sprach. Er erklärte, das; die Rolwerdicnstsätze gänzlich ungenügend seien. Als Mmdest-Brutlorohgewinu werden zur zeit nur -40 Pfg. pro Pfund angesehen, wobei gemäß den Richtlinien der Reichsfleiichstelle 1 bis 7 Prozent für Hau- und Schwundverlusl den Fleischern nicht berechnet werden dürfen. Ter Vorstand wurde beauftragt, sür eine angemessene Eristenzmöglichkeit des Fleiscbcrgewerbes cinzu- treten. Eine eingehende Besprechung sand die Be schlagnahme von Robselt nnd Rindcrsüßen. Hier zu berichtet Peisker Gera. Der Verbands lag forderte in einer Entschließung den Abbau der Fetl-Zwcmgsbcwirlschastung. Zur Neberlci- tnng sei die Beschlagnahme des Rohfelles vom Reichsausschuß für Dele und Felle auf die Kom munalverbände überzuleiicn, die verpflichtet wer den müßten, das Fett nur auf Marken durch die Fleischer zur Verteilung zu bringen. Da gegen trat der Verbandstag für eine vollständige Freigabe der Riuderfüße ein. Ter Ausbon des Gencüscmschaflswesens war der nächste Punkt der Tagesordnung. W ill - Königsberg machte fesselnde Angaben über das Gencüsenschaftswesen und verbreitete sich insbe sondere über die Erfolge der Haflag (Handels gesellschaft Flcischerverband A. 01.). Am Donnerstag führte der Verband seine Beratungen zu Ende. Ten Hauptgegcnstand bil- deie ein Vortrag von Schmidt-Hannover über „Kommunalisierung der Fleischerei". Tie Per- scunnllnng nahm eine Entschließung an, in der sie gegen sede Absicht der Kommunalisierung oder Sozialisierung, des Fleischergewerbes schäristen Protest einlegt. Zur Frage der Bewirlscha'tnug der Häute und Felle stellt die Versammlung die Forderung auf, das; die Felle und Häme sämt licher Schlachttiere den Häute- und Fellvcrwcr- mnosgesellscbaften mgesübrt werden sollen. Vermischtes. * I n f olge B l i tz s ch lages iß 'm 2chönwaldan im .Kreise Schönan die evangelische .Kirche abgebrannt. Sie war eine der wenigen noch vorhandenen HoizsachÜrchen Schlesiens und varg wertvolle Holzschnitzereien. * Brand eine S L e b e n s m i l t c l d a m p s e r s. Ter im Kaiserbasen in Bremer haven liegende amerikanische Lebensmitteldamp- scr „Tomauo", der Gefrierfleisch gebracht hatte, geriet in Brand. Schon auf der Fahrt nach Rotterdam wurde Feuer an Bord bemerkt, das jedoch bekämpft werden konnte. Als der Tampser aber in Bremerhaven festgemacht hatte, stellte es I j sich heraus, daß sich das Feuer aus das ganze I i, Vorderschüf verbreitet Valle. Trotz angestrengter I Löschversuche mit 23 Schlauchleitungen ist das Vorderteil des Schiffes, das unter Wasser gelegt werden mußte, vollständig ausgebrannt. Der Schaden beziffert jich auf Millionen. * F ünf Arbeiter d u r ch E x Plo - sion getötet. Durch die Explosion einer Granate wurden im Munitionsdepot Gerwisch bei Magdeburg 5 Arbei'er getötet, ein Feuer werker und 3 Arbeiter schwer verletzt. * Explodierte Mine. Bei Rosenau im Elsaß fand ein junger Mann eine Mine, die er an sich nahm. Das Geschoß explodierte und zerriß ihn und vier bei ihm befindliche Kinder im Alter von 10 bis 14 Jahren. * „Zwei Schnellzüge zusam in e n- g e st o ß c n. Der Schnellzug Paris—Toulouse ist zwischen Moniaubeau und Toulouse mit dem Schnellzug Eettc -Bordeaux zusammengestoben. Nach den bisherigen Mitteilungen sind 20 Rei sende getötet und mein als 40 ernstlich verletzt worden. * * Arbeite rräte a l s S ch i e b e r. Die Ermittelungen über die gemeldeten Ricsen- nnterschleife im Spaudauer Traindepot, die von dem dortigen Arbeiterrat ausgeführt wurden, sind jetzt noch weiter aufgedeckt worden. Es handelt sich hier um eine der größten Schiebungen mit HeereSgut, die im letzten Jahre ausgeführt wor den sind.' Ten Bemühungen der Spandauer Kri minalpolizei gelang eS, noch größere Posten Wa ren zu entdecken, die in Spandau verborgen la gen. Soweit bisher festgeslellt werden konnte, sind Millionen dem Staate dadurch verloren ge gangen, daß die Materialien an Privatpersonen verschoben worden sind. Bei den Nachforschun gen in der Umgebung von Magdeburg wurde ebenfalls verschobenes Trainmaterial entdeckt; es stellte sich jedoch heraus, das; diese Waren dem Magdeburger Traindcpot gehörten. Wahrschein lich haben die Arbeiterräte der beiden Depots gemeinsame Sache gemacht. * R i e s e n s ch i e b n n g v o n H eere S- güter n. Auf dem Bahnhof Klinge bei Forst in der Lausitz wurden 29 mit Heeresgut bela dene (Küterwagen, die vom Fliegerhorst Döberitz stammten nnd verschoben werden sollten, beschlag nahmt. Es handelt sich um eine Riescuschiebung von vielen Millionen. Die Wagen waren mit Stossen, Leder, Leinen, Tuchen, Tauen usw. beladen und sollten nach Frankfurt a. Q. gehen, wurden aber von einem Dberleutnant und einem aus Klinge gebürtigen Zahlmeister, dem wäh rend deS Krieges schon einmal die Kasse gestoh len winde, nach Klinge geleitet. Hier waren sie von einem mitgckommenen AuSladelommando be reits znr Hälfte entladen, als der Inhalt von einer Milßärkommission aus Spandau beschlag nahmt wurde. * Putzsand als S a l v a r s a n. Die Kriminalabtcilung der bayerischen Verwcrlungs- slelle für HeereSgut in München ist einer Sal- vmlaniabrik ans die Spur gekommen. Tie „Un ternehmer" batten die gleiche Kapselung, den gleichen Verschluß und äußerlich das gleiche Ma terial hergestellt Ivie die Originalpackung der Höch ster Farbwerke. Das unerhörte Verbrechen der Gauner bestand darin, daß sie ganz gewöhnlichen Putzsand mit Ockerfarbe verrieben als Salvarsan ausgaben. Die Originaldosis von Salvarsan kostet bekanntlich 44 Mk. Nach dem Urteil von Fachleuten würde eine Einspritzung mit diesem Putzsaud unweigerlich den Tod herbeifüchen müssen. Bergmanns Töchterlein. Roman von Martin Förster. 30 Sie ivar einen Augenblick vor Schrecken ge ahmt flehen geblieben. Was war dies? Was konnte er ihr zu sagen haben? Dann nahm sie sich uit gewaltsamer Anstrengung zusammen und ogie mß kaum hörbarer Stimme: „Ich ivill mit Ihnen gehen." Ohne ein weiteres Wort folgte sie ihm über die Straße und durch die Gartenpforte, und dann gingen sie neben einander den Kiesweg zum Hause Mlang. Die äußere Tür des Haupleiuganges stand offen und als sie den Flur betraten, trafen je die Haushälterin, die sie erstaunt ansah. „Führen Sie Fräulein Sachse in das Besnchs- -immer und zünden Sie Licht an!" sagte er. „Ich werde im Augenblick wieder da sein." Jutta begleitete die Fran in den bezeichneten Raum, der angenehm durchwärmt war und bald n sreundlicher Helle erstrahlte. Trotzdem ver mochte sie sich beim Umhersehen eines gewissen »rostigen Eestihles nicht zn erwehren. Nach einigen Augenblicken trat Albert Diedrich ein. Er schob ein wenig an der Lampe, rückte ein paar Stühle zurecht, setzte sich daun mit großer Umständlichkeit nieder nnd erhob sich wieder mit der Frage, ob er ihr eine Erfrischung anbieten Rufe, Cie dankte eifrig, nnd als er wieder eine Panse »nachte, fragte sie in zitternder Hast, was er ihr zu sagen habe. »Ich hoffe, Sie werden nicht zu sehr erschrecken," begann er ernst. „Ich habe Sie ja darauf vorbe reitet, daß der Gegenstand kein angenehmer ist, am wenigsten angenehm sür Sie, Fräulein Jutta. Um es also kurz zn machen, Ihr Vater schwebt in Gefahr, wegen eines fast vergessenen Verbrechens verhaftet zn werden." „Wie ist das möglich?" fragte sie in steigender Angst. „Ich will es Ihnen erklären. Sie werden, we nigstens vom Hörensagen, sich des Mannes erin nern, welcher vor mir Besitzer dieses Hauses nnd des Herrenschachtes war." „Ja, Sie meinen Herrn Konrad Wiedemann." „Natürlich," antwortete er. „Hörten Sie jemals davon, wie er nms Leben kam?" „Ich habe manchen Dorfbewohner davon er zähle» hören, als ich noch jünger war. Man fand ihn an einem Sonntag morgen tot ans der Land straße ; ich glaube, er war aus dem Wagen ge schleudert." „So nahm man damals an," fuhr Diedrich ruhig fort. „Anch ich habe dies jahrelang geglaubt. Neuerdings jedoch bin ich zn meinem großen Be dauern anders darüber belehrt worden. Haben Sie jemals gehört, Fräulein Sachse, daß gerade zu der Zeit, als der Besitzer des Herrenschachtes nms Leben kam, die Bergleute streikten?" . Auch das habe ich gehört," entgegnete Jutta, „und ich iveiß, daß mein Bater sich unter den Ansständigen befand." „Sagte er Ihnen cmch, daß er der Anführer der Streikenden war?" „Nein." „Dann erzählte er Ihnen wohl anch nicht, daß er zn den Leuten gehörte, welche Wiedemann abends vor seinem Tode ans dem Wege anhielten, gerade an der Stelle, ivo ich Ihne» heule abend begegnete?" „Nein, rief sie erschrocken. „Davon wußte ich nichts." „Daß Ihr Vater zn den Leuten gehörte, welche Konrad Wiedemann an jenem Abend begegneten, wußte ich seit Jahren," sagte er. „Daß er aber — bei der ganzen Geschichte — in verhängnisvoller Weise seine Hand im Spiele gehabt —" „Um Gotteswillen I" schrie sie auf. „Sie wol len doch nicht sagen, daß mein Bater —" Mir-MNN-IAT-slklNIDlll _ IlllinMWNIHMW „Ich will nur sagen, daß ich — ganz vor kur zem erst — über diesen Punkt gewisse Aufschlüsse erhielt, die mich — zum mindesten iu Erstaunen setzten!" „Durch wen? Um GvtteSwillen, durch wen?" „Keimen Sie einen gewissen Nenmann. Einen schon ziemlich bejahrten Bergwerksarbeiler Iakob Nenmaun?" „Den alten Jakob? Den Wilderer?" „Ganz recht. Mögen Sie ihn den Wilderer nennen. Er war mit Ihrem Bater nnd vier oder fünf anderen an jenem Abend zusammen. Er sah alles und hat mir alles mitgeteilt. Die Sache scheint diese vielen Jahre hindurch schwek auf sei nem Gewissen gelastet zn haben. Er entschloß sich endlich, diesen Druck abzuschütleln, indem er sich zunächst mir anvertranle. Sie begreifen aber, daß es meine Pflicht ist —" „Es ist nicht wahr I" schrie sie außer sich. „ES kann nicht wahr sein. Es ist ein-tenflischer Plan, der ersonnen ist, um meiueu Vater zu verderben." „Was sagen Sie da?" rief er stirnrnnzelud. „Sie vergessen sich, aber natürlich," setzte er in verändertem Tone hinzu. „Sie sind außer sich. Ich begreife Sie vollkommen, armes Kind I Aber hören Sie weiter I Es war ein Glück, vaß der Mann erst zn mir kam. Ich habe ihn überredet, vorläufig so lauge zu schweigen, bis der Fall De- gow völlig erledigt ist. Ich tat es Ihretwegen, Jutta, um Sie und Ihren Vater vor Schmach und Schande zn retten." „Aber wenn es nur ein Aufschub ist," hauchte sie touloS. „Was soll nachher werden, o, was soll aus ims werde»? Aber es ist ja »icht möglich, es kau» ja nicht sein I" „Ander traurigen Tatsache läßt sich leider nichts ändern," sagte er ruhig. „Aber Jutta, wenn Sie mir doch nur vertrauen töuuteu! Ich meine es doch so gut mitJhnen. Ich will Sie retten, Jntta, Sie und Ihren Vater. Es wird nicht schwer fein, des Menschen ferneres Schweigen zn etkmEem mm er einmal sein Gewissen erleichtert hat. Em- flnß und Geld ermöglichen vieles, ja alles. Ig, besitze beides, Jntta, ich will es anwcnden. Ja, will alles, allessürSie tu»-»unter einereiuzimm Bedingung. Sie hatte ihr gebengtes Haupt erhoben und ihn mit einem hvffmmgSfreudigen Aufleuchten ihrer schönen Angen angesehen. N'nn überzog plötz lich ein dnnkles Not ihre bleichen Züge, mW sie blickte angsterfüllt zn Boden. Er mochte wohl ihr heißes Erröten zu seinen Gunsten deuten, denn er beugte sich zu ihr hiuab uud flüsterte warm uud zärtlich: „Versprechen Sic- mir heute, in dieser Stunde, meine Fran zn wer den, Jntta, nnd ich will alles für Sie tim." Sie schüttelte heftig den Kopf. „Das kau» ich nicht," sagte sie fest und bestimmt. Er richtete sich rasch ernüchtert auf mw sagte i» eisigem Tone: „Gntl Dan» weigere ich mich, eine» Finger in dieser Sache zn rühren, dann mü - sen die Dinge ihren Lauf nehmen. Ich habe mich bereits bemüht, Neumann znm Schweigen zn ver anlassen. Fragen Sie Ihren Vater, mW er wird Ihnen sagen, daß ich ihn bevollmächtigt habe, dem Wilddieb, wie Sie ihn nennen, eine der belle» Stelle» im Schacht zu gebe». Ich werde meinAer- spreche» z»riick»ehme», wen» Sie mir »icht ei» Gegenverspreche» gebe». Wen» Sie Ihre» Vater nicht retten wollen, warum sollte ich mir Mühe geben, ihn zu retten?" „Ich kann es nicht glauben, ich will es nicht glauben!" rief sie mit gebrochener Stimme, indem sie ans ihrem Stnhl zusammensank nnd ihr Gesicht mit den Händen bedeckte. „Wie kann ich wissen, ob dies nicht nnr ein erdachter Plan ist, nm mich in die Falle zu locken?" „So habe ich nichts mehr zn sagen, Fräulein Sachse," antwortete er mit Aufbietung seiner gan zen Würde. . 237,10
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