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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 10.09.1919
- Erscheinungsdatum
- 1919-09-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191909101
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19190910
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19190910
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1919
-
Monat
1919-09
- Tag 1919-09-10
-
Monat
1919-09
-
Jahr
1919
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 10.09.1919
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habe seine Produktionssumme die Verbrauchs' summe um 10 Milliarden Mark überstiegen. Diese Summe könne man jetzt insolge der Hausse aller Fabrikate verdoppeln. Klotz scheint also das heutige Deutschland als das gleiche von 1914 anzusehen. Der Krieg und die Niederlage haben also Deutschland nicht in Mitleidenschast gezogen? Die Millionen Tote haben seine Ar- beitskrast nicht vermindert? Und die durch die Blockade dezimierte Geburtenziffer wird feine Produktion in den 36 kommenden Jahren nicht vermindern?^ Die Hoffnungen, die man aus die Zahlungsfähigkeit Deutschlands fetze, feien also abenteuerlich und ruhen auf schwachen Füßen, und Frankreich dürfe gut daran tun, nur aus sich selbst zu zählen, und dann wolle man doch bedenken, daß man Deutschland, das Frankreich eine derartige Summe schulde, als Schuldner mit Sorgfalt behandeln müsse. — „Oeuvre" sagt: Damit uns die notwendigen Garantien sür die Bezahlung unserer Schuld nicht entgehen, find wir dazu verurteilt, an der wirtschaftlichen Wie derherstellung der von uns besiegten Feinde mit zuarbeiten und eine Handels- und Industrie- entwickelung zu begünstigen, die eigentlich unsere Konkurrenz ist. Arm Wiederaufbav Arautretchs. In der Frage der Beteiligung deutscher Ar- beiter beim Wiederaufbau Frankreichs, über die mit der französischen Regierung in den wesent lichen Punkten Einverständnis besteht, hat am 6. September eine direkte Besprechung zwischen einem Vertreter der deutschen Gewerkschaften und den Vertretern der Confederation Generale du Travail und den französischen Bauarbeiterver bänden begonnen. Voraussichtlich wird in der nächsten Woche vorerst eine informatorische Be sichtigung des zerstörten Gebietes stattfinden. — Wie der „Vorwärts" hört, haben sich bereits 400 000 deutsche Arbeiter zum Wiederaufbau Nordfrankreichs gemeldet. Die Todesopfer bei der Entente. Der Pariser „Excclsior" bringt nach amtlicher Quelle die Zahl der Todesopfer der Entente im Kriege, wonach Frankreich 1 385 000 Tote bei 8 Millionen Mobilisierten, England 835 000 Tote bei 5,7 Millionen Mobilisierten, Amerika 51 000 Tote bei 3,8 Millionen Mobilisierten, Italien 569 000 Tote bei 5 250 000 Mobilisier ten, Belgien 38172 Tote bei 380 000 Mobili sierten, Portugal 8317 Tote bei 200 000 Mobi lisierten hat. Bei England und Frankreich sind die Kolonialtruppen nicht besonders kenntlich ge macht. Für Rumänien und Serbien fehlen noch die endgültigen Ziffern. Haase öder den Parlamentarismus. Auf der Generalversammlung des Bezirksvcr- bandes Berlin-Brandenburg der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands sprach der Vorsitzende der Partei, Haase, über Parla mentarismus. Dabei führte er aus: Wir wollen die sozialistische Gesellschaft, nicht das Räte- system. Begehen wir nicht die Fehler der Bol- schewisten. Lernen wir aus diesen Fehlern. Ich halte cs für verkehrt, die Frage zu stellen, Räte- system oder parlamentarische Wahl. In dem Augenblick, in dem wir zur Alleinherrschaft kom men, spielt diese Frage eine Rolle. Was aber hat bis zu diesem Augenblick zu geschehen? Bis dahin benutzen tvir das Rätesystcm und jede andere Waffe, auch den Parlamentarismus. Par lamentarismus ist auch der kommunale Parla mentarismus. Wollen denn die Genossen auch aus den kommunalen Vertretungen herausgehen und es den bürgerlichen Parteien und den Rcchts- sozialistcn überlassen, über das Wohl und Wehe der Gcmcindemitglieder zu befinden? Vis die Vollhcrrschast kommt, haben wir alle Mittel an zuwenden, Gewerkschaften, Genossenschaften, Räte, auch das Parlament. Der Ruck nach rechts in Oberhessen. Tie Provinzialwahlen in Oberhcsscn ergaben im Vergleich zur Volkskammerwahl eine bedeu tende Verschiebung nach rechts. Den größten Bergmanns Töchterlein. Roman von Martin Förster. 26 Es entspann sich nun zunächst eine lebhafte Debatte über die Gründe für und wider eine zeit weilige bedingte Freilassung, und hieran schloß sich die wvhldnrchdachte, glänzende Rede des Ver teidigers. Er teilte zunächst mit, daß der Angeklagte in seiner Heimat einen wohlbekannten und durchaus geachtete» Namen führe und der nahe Verwandte eines Mannes sei, der vor Fahren einmal Besitzer des Herrenschachtes gewesen. Dann setzte er in sehr fließender Weise auseinander, daß sein Klient allerdings fremd und freundloS erst vor einigen Monaten hierher gekommen fei, daß aber gerade dieser Umstand ihm die Sympathie jedes wohl wollend Denkenden sichern müsse, daß ferner der Grund seines Hierherkvmmens ein Streit seiner früheren Kameraden gewesen sei, an dem er selber sich ans nur anerkennenswerten Gründen nicht habe beteiligen wollen. Sodann, fuhr er fort, habe sich sein Klient vom ersten Moment seiner hiesigen Tätigkeit au in jeder Weise die Achtung seiner Mitarbeiter erworben. Er habe sich als ein durch aus solider, nüchterner, verständiger junger Mann erwiese», weder ablehnend »och aufdringlich, ka meradschaftlich denkend, maßvoll im Handeln und bestimmt i» seinen Grundsätze». Und nicht allein das. Er habe sich in Augenblicke» der Gefahr in ungewöhnlicher und aufopfernder Weise hervor getan. Er habe vermöge seiner eiserne» Willens kraft mit fast übermenschlicher Anstrengung den Unleransseher ans dem verschütteten Gang geret tet. Und als das Maschinenhans brannte,' und keiner sich in de» Schacht zurücktraute, sei er, der Fremdling, ohne Besinne» hinabgestiege» und habe mit äußerster Gefahr seines eigenen Lebens einer großen Zahl von Arbeitern das ihrige ge rettet. Würde, so setzte er hinzu, «in Schurke, der Verlust erlitt die demokratische Partei, die an statt der zu erwartenden 8 Mandate nur 2 Man date erhielt. Der Bauernbund und die Deutsch- nationalen erhielten 15, die Mehrheitssozialisten 12, die Deutsche Volkspartei und die unabhän gigen Sozialdemokraten je 5 Mandate. Neue Kundgebung von Pfälzer«. Eine in Neustadt in der Pfalz abgehaltene, von 15 000 Pfälzern aller Parteien besuchte Ver sammlung nahm nach Ausführungen mehrerer Abgeordneter eine Entschließung an, in welcher sie sich für unentwegtes Festhalten am Deutschen Reiche rind Bayenr erklärt. Klara Zetkin aus der Schweiz abgeschoben. Stack) dem „Vorwärts" wurde Klara Zetkin, als sie sich in die Schweiz zur Erholung begeberr wollte, air der Grenze von der schweizerischen Polizei festgenommen und nach drei ( Tagen Hast nach Deutschland abgeschoben. Der flandrische Verteidigungsminister zum Tode verurteilt. Der Oberste Gerichtshof in Brüssel hat Borms, den Delegierten des Rates von Flan dern für nationale Verteidigung während der deutschen Okkupation, zum Tode verurteilt. Der Münchener Geiselmord nor.Gericht. Am Montag begann ein neuer Abschnitt der Zeugenvernehmung, der die Zusammenhänge mit der Thule-Gesellschaft klären will. Der kaufmän nische Direktor von den „Vier Jahreszeiten" be kundet als Zeuge, daß die Klubräume iu den „Vier Jahreszeiten" an den Germanen-Orden Gauloge Bayern vermietet gewesen waren, und daß auch die Thule-Gesellschaft dort ihre Ta gungen abhielt. Die Tendenz diefer Gesellschaft kannte er nicht. Er wurde später von Eglhofer aufgefordert, alle Namen der Hotelgäste zu nen nen, worüber zwei andere Angestellte Auskunst gaben. Die Mitglieder der Thule-Gesellschaft wohnten nicht im Hotel. Ein Teil der Thule- Gesellschaft bestand auch aus Angestellten des Verlagsuntcrnehmens „Der Münchener Beobach ter", eines antisemitischen Organs. Darunter befand sich auch die Gräfin Westarp. Ein weiterer Zeuge, ein Student der Che mie, der während der Räterepublik als Schreiber im Sicherheitsreferat bei der Stadtkommandau- tur wirkte, erzählt von Einzelheiten der ^erhaf- tung der Lhule-Gesellschaftsmitglieder, denen nachgesagt wurde, daß sie auf den Namen Egl hofer Fälschungen und Plünderungen vorgenom men haben sollten. Am 30. April mußte der Zeuge in das Luitpold-Gymnasium. Er beob achtete, daß im Hos 20 MammggfgeMlt waren. Auf seine Frage, Ivas das bedeute, erfuhr er, daß diese Leute zum Erschießen der Geiseln be stimmt sind. Ans die weitere Frage, was das für Geiseln sind, erklärte der Posten: „Das sind die reaktionären Hunde von den „Vier Jahres zeiten". Als der Zeuge iu die Stadtkomman dantnr zurückkehrte, äußerte dort ein Mitglied vom Aktionsausschuß, es müßten sofort weitere 500 gefangen genommen und an die Wand gestellt werden. Den Weißgardisten müsse ein Ultima tum gestellt werden, worin die sofortige Zurück ziehung der Truppen verlangt, im Weigerungs fälle die Erschießung der 500 erfolgen wird. Ein weiterer Zeuge, der als Stenograph zur Vernehmung der Mitglieder der Thule-Gcfcll- schaft zugezogcn Ivar, erklärte, daß die Mitglie der mit der Stcmpelaffäre und den Plünderun gen nichts zu tun hatten. Die Vernehmung der Thulc-Gesellschaftsmitglicder verlies auch ohne Positives Ergebnis. Eglhofer hatte geäußert, er werde die Leute solange einsperren, bis sic die Wahrheit sagen. Vom Erschießen Ivar damals nicht die Rede. Ein Schutzmann, der seinerzeit in der Po- lizcidirektion verhaftet worden Ivar, erklärte: Seidel hat jeden mit sofortiger Erschießung ge droht, wer nicht gleich angab, ob er Waffen bei sich habe. Im ganzen wurden 35 Schutzmanns schüler verhaftet. Als Grund der Verhaftung gab Schickelhofcr an, daß die Schutzmannsfchüler reak tionäre Umtriebe gemacht hätten. Sic gehörten alle-' erschossen zu werden. Sic sollten jetzt zur roten Armee gehen, dann -wären sie Männer. > Ein weiterer Schutzmann erzählte, daß er aus dein Gang im Luitpold-Gymnasium Seidel be gegnete, der ihn anschrie: „Schauen Sie mich nicht so groß an, sonst schieße ich Sie nieder!" Dabei hatte Seidel dem Zeugen die Pistole auf die Brust gesetzt. Die Kartoffel. Seit Jahrhunderten und namentlich während der Kriegsjahre hat sich die Kartosfel als das beste und unentbehrlichste Nahrungsmittel erwie- ! sen. Sie wird zum ersten Male erwähnt in einer s 1553 in Sevilla gedruckten Chronik von Peru, t in welcher gesagt wird, daß die Peruaner eine « trüffelartige Feldfrucht anbauten. Aus dem ! Worte Taratufolo (Trüffel) entstand durch deut sche Umformung unsere Bezeichnung „Kartosfel". — Schon um 1560 kam die Kartoffel durch Spanien nach Italien und nach den Niederlan de^, gelangte hier aber nicht so bald zur Gel tung. Auch nach sllordamerika muß sie schon frühzeitig verpflanzt worden sein. In England baute man die Kartoffel im Jahre 1586 an. Um dieselbe Zeit wurde sie auch in Deutschland 'bekannt, doch machte während des ganzen 17. Jahrhunderts der Anbau der Kartossel weder in Deutschland noch in anderen Ländern erhebliche Fortschritte. Erst während des 30jährigen Krie ges fand die wertvolle Knollenfrucht allmählich in Nord- und Westdeutschland Verbreitung. — Die wahre und eigentliche Heimat der Kartosfel wurde unser Erzgebirge und mehr noch das Vogtland; hier fällt ihr Geburtstag in die letz ten Jahre des 17. Jahrhunderts. Im Jahre 1696 soll sie ein Zimmermann namens Kum- mer, der die wertvolle Knollenfrucht auf der Wanderschaft kennen gelernt hatte, nach Unter würschnitz bei OelSnitz. gebracht haben. Indessen muß die Kartoffel im südlichsten Teile des Vogt- landeS, in der Brambach-Schönberger Gegend schon 15 Jahre früher bekannt gewesen sein, wie aus einem Berichte des Rcitzensteinschen Patri- monialgerichts zu Schönberg hervorgcht. In der vom Schönecker Pfarrer Marbach geführten Chro nik aus dem Jähre i731 ist ebenfalls Di lefen, daß der Kartofselbau im Vogtlande ctlva fünf zig Jahre vorher, also um 1680 begonnen habe. — In der Gegend von Schönberg, diesseits und jenseits der sächsisch-böhmischen Grenze, wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts die Kartossel bereits als Feldsrncht angebaut, was ans meh reren bis auf den heutigen Tag erhallen geblie benen Urkunden nachweisbar ist. — Eine ernste Mahnung, neben der Körnerfrucht auch die Kar toffel anzupflanzeu, Ivar die furchtbare Hungers not in den Jahren 1770/71, welcher Tausende von Menschen zum Opfer sielen. Seitdem ist die Kartoffel . bei hoch und niedrig ein beliebtes, unentbehrliches Nahrungsmittel geworden, nir gends aber in so hohem Maße wie in Deutsch land, für das der Kartoffelanbau von hoher volks wirtschaftlicher Bedeutung ist. Die öffentliche Bewirtschaftung der Kartoffel bleibt bestehen. Das Neichscrnährungsministerinm hat unter dem 4. September d. I. eine Verordnung über die Bewirtschaftung der Kartoffeln im lausenden Wirtschaftsjahre erlaßen. Die öffentliche Bewirt schaftung, insbesondere die Vorschriften über Sicherstellung und Lieferung bleiben aufrecht er halten, da bei Freigabe des Handels erhebliche Preissteigerungen und iu deren Gefolge Lohn- kämpfe und Unruhen unausbleiblich erschienen. Die gesamte Ernte mit Ausnahme der Selbstver sorgung und der Wirtschaftsmengen ist wie bis lang sicherzustellen. Die Wochcnration beträgt? Pfund, dazu von No ¬ vember bis Januar 2 Pfund Zu > läge. Die unmittelbare Eindeckung auf Be zugsschein ist wesentlich erleichtert. An Saatgut sind 10 Zentner pro Morgen zugclassen. Fest setzung der Schwundprozente bleibt nach Maß gabe des Ernteansfallcs Vorbehalten. Hoffentlich läßt sich das Versprechen der Kar- tosfelzulage auch in die Tat umsetzen! Herabsetzung des KartoffelhDchstpreises. Eine Verordnung des Landeslebensmiitelam- tes setzt den Höchstpreis für Frühkartoffeln beim Verkaufe durch den Erzeuger im Freistaat Sachsen vom 10. September 1919 ab auf 8 Mark für den Zentner b e r a b. OerHicheSnnd «ächfischeS. * — Keine M i ch a e l i s s c r i c u? Wie unser Dresdner vsz.-Mitarbeiter an zuständiger Stelle im Kultusministerium erfährt, sind meh rere sächsische Schulgemeinden an dieses mit dem Ersuchen herangetreteu, in Anbetracht der im kommenden Winter unausbleiblichen Kohlenlnapp- heit dieMichaelisferien auSsallen zu lassen und dafür längere WeihnachtSfericn anzusetzen. Das Kultus ministerium dürfte dem Vernehmen nach darüber bereits in den nächsten Tagrn eine Entscheidung wessen. Es besteht die Möglichkeit, daß ein Un terschied zwischen Stadt- und Landschulen ge macht wird, weil doch bei letzteren die Michae- tisferien wegen der Ernte unentbehrlich sind. Demnach wird sich das Kultusministerium, wie verlautet, dahin entscheiden, daß es den einzel nen Schulgemeinden überlassen bleibt, um den örtlichen verschiedenen Verhältnissen Rechnung tragen zu können, diese Ferienfrage nach ihrer Art zu lose». * — Warn u n g v or ei n e m Ein - mietcrdie b. In Burgstädt hatte sich ein junger Mensch, der sich Pulsier genannt hat, un ter den Angaben, er komme aus der Gefangen schaft und trete beim dortigen Bahnhof als Schreiber in Arbeit, eingemietet. Am nächsten Tage ist er unter Mitnahme einer großen Anzahl Kleidungsstücke spurlos verschwunden. Es ist üicht ausgeschlossen, daß dieser Unbekannte das selbe Gaunerstückchen auch in hiesiger Gegend Versuchen wird. Bei seinem Austreten wird ge beten, sofort Mitteilung au die Polizei gelangen zu lckssen. * Hohenstein-Ernstthal, 9 r-ept Mit der allmählichen Wiederherstellung der Verkehrs- beziehungen zwischen den im Kriegszustand ge- weümeu Staaten beginnt auch die von de» feind lichen Mäckrleu während des Krieges zurückge- baltene Post an" die Empfänger zu gelangen. Besonders sind es Briefe von in Amerika wei lenden Angehörigen hiesiger Einwohner, die in den letzten Tagen mehrfach hier anlangten und aus denen hervorgebt, daß die Verhältnisse drüben .nicht viel besser sind als bei uns. Der Krieg hat auch dort auf allen Gebieten schädigend wirtt. Die Nachrichten sind infolge der Bries sperre vielfach vor 3 Jähren bereits abgegangen und haben so iu den meisten Fällen ibren eigent lichen Zweck verfehlt. Für die Absender wie die Empfänger mag es immerhin ein Trost sein, daß die unter Kriegsrecht beschlagnahmten Sendungen wobl verwahrt worden sind und nun noch ihrer Bestimmung zugesührt wurden. * — Der W o ch e n v e r t e i l u n g S p l a u des städtischen Lebensmiltelamtes lautet wie folgt: Mittwoch: öO Gramm Margarine, ein Teil Landbuttcr, 250 Gramm Teigwaren. Donners tag:. Kunsthonig, Pfund amerikanisches Wei zenmehl. Freitag: Nährmittel, die noch zu be stimmen sind, und voraussichtlich weitere 90 Gramm Margarine. Außerdem Zuteilung sür Kinder bis 4 Jahre und Frühkartoffeln. Ge müsekonserven und markenfreies Lupinenmehl in den bekanntgegclumen Geschäften. * — Die P o ck e n e r k r a n k u n g c n. Nachdem seit I2. August neue Erkrankungen an Pocken nicht vorgekommen waren und die Krank heit als erloschen angesehen werden konnte, ist gestern wieder' ein neuer Fall bekannt geworden. sich räuberisch an fremdem Eigentmn vergreift, gleichzeitig eine derartige saft beispiellose Selbst losigkeit und Opferwilligkeit an de» Tag legen? Und was nun de» vorliegenden Fall selbst anbe trifft: An dem Tage, wo der Raiibaiifall verübt war, hatte der Angeklagte in der Tagesschicht im Herrenschacht gearbeitet und war genau zehn Mr» mite» nach zwei Uhr auS diesem heransgestiegen, also drei Stunden nach dem begangenen Verbre chen. Wie hätte er wissen können, daß Vilmar noch krank war, daß der junge Diedrich diesen vertrat, und daß derselbe gerade um die bewußte Zeit, und zwar allein, nach der Bank gefahren war. Ferner: Wie hatte er sich benommen, als der In spektor Kahle ihn an jenem Morgentaus dem Schlafe gestört und seine Sachen durchsucht hatte? Würde er nicht, wenn er sich im Geringsten schuld- bewilßt gefühlt hätte, vor allen Dingen aiif seiner Hut gewesen sei» und versucht habe», di« belasten de» Scheine zu verberge» ? Statt dessen trat er völlig ruhig und furchtlos, selbverständlich aber unter allen Zeichen lebhafter Ueberraschiing und Entrüstung dem Beamten entgegen. Er warf die sem im Bewußtsein seiner Unschuld die Schlüssel vor die Füße und sah mit verächtlichem Gleich mut zu, wie derselbe unter seine» Sache» wühlte und selbst die Geldkassette öffnete. Daß das Auf- finden der Scheine ihm selbst geradezu eine» läh mende» Schrecke» verursachte, war nur zu offen sichtlich gewesen. Wenn er um deren Vorhanden sein gewußt hätte, so hätte er sich unmöglich in dieser Weise verstellen kömieii. Wie waren nun diese Scheine in Degows Geldbtichse gelangt? Auch diese Frage schien nicht allzu schwer zu be antworten. Franz Degow war der einzige Mieter im Hause einer gewissen Frau Bemieke, einer kin derlosen Witwe in Langenau. Seit vier Wochen hatte er i» der Nachtschicht gearbeitet und war all abendlich mit Ausnahme des Sonnabends kurz vor acht Uhr aus dem Hause gegangen, um mor gens zwischen sechs und sieben zurückzukehrew Seine Wirtin, die etwas ängstlicher Natur war, hatte sich gefürchtet, allein in dem Hause zu schla fen, nnd war in dieser Zeit für die Nacht stets zu ihrer in der Nähe wohnende» Schwester gegan- gen. Zwischen iieini und zehn Uhr abends pflegte sie dann fortzugeheii und de» Hausschlüssel an einer bestimmten Stelle zu verstecken, wo Degow. der gewöhnlich früher »ach Hause kam als sie, ihn finden konnte. Dieser letztere »ahn« niemals seine Schlüssel mit in de» Schacht, um sich nicht unnö tig zu beschwere», sondern ließ sie gewöhnlich in der Tasche seines bessere» AnzugeS^stecke». Schließ lich befand sich dem Häuschen der Witwe gegen über eine Hecke, hinter der sich mit Leichtigkeit je- mand verberge» konnte, um etwa von hier ans den Versteck des Hausschlüssels zu erspähe». Stellte ma» alle diese Umstände neben einander, so ergab sich daraus das Resultat, daß ein Uebelwollender in seinem Bemühen, de» Verdacht der Tat aiif Degow zu lenke», aus keine oder doch mir sehr genüge Schwierigkeiten hat stoße» könne». Die Wege wäre» ihm geradezu geebnet. Als weitere Entlastung mußte die bisherige Unbescholtenheit und große Beliebtheit des junge» Bergmannes'» diene», der sich sogar i» ganz hervorragender Weise Verdienste und Anerkennungen erworben. So hielt es der Verteidiger für angemessen, nicht etwa eine» Aufschub, sonder» völlige Fretspre- chimg z» beantrage». ES war eine zündende Rede gewesen, und als derSprecher endlich schwieg nnd tiefanfalnnmd sei- iieiiSitz wieder eimiahm, lohnte ihm ein lang au- halteiider Applaus. Während die Richter sich zu einer kurze» Be- ratttng zurückzogeu, trat Sachse z» dem Verteidi ger und hielt flüsternde Zwiesprache mit ihm. Es verging eine Zeit atemloser Erwartung, und dann verkündigte der Vorsitzende des Nichterkollegiums mit lauter Stimme: „Der Gefangene wird vor- stufig gegen eine hauptsächlich von dem Unteraus- seher Sachse geleistete Bürgschaft ans seiner Hast entlassen." Fünf Minuten später war Franz Degow wie der ein freier Mann und verließ hocherhobenen Hauptes den Gecichtssaal. An der Tür traf er mit Sachse und dessen Tochter zusammen. Sie komiten ihm nur wortlos ditz Hände drücken, denn die Dorfbewohner mndräugten ihn beglückwünschend, mit strahlenden Gesichter», wobei immer und im mer wieder da? Lob des Verteidigers ertönte. Nm mit Mühe gelang es dem Unteranfseher schließlich, zu dem Wage» zu gelangen, den ihm ein befreun deter Bauer znr Verfügung gestellt hatte und der ihn imd seine glückstrahlende» Kinder nach seiner Wohnung führte. Als Franz Degow am Nachmittage des folgen den Tages wiederum das Haus seines Schwieger- vmers betrat nndJntta ihn zärtlich begrüßt halte, machte ihm der Unteranfseher die Eröffnung, daß der Milienbesttzer den Wunsch ausgesprochen habe, Degow möge, solange er sich nicht völlig non den- ihm anhaftenden Verdachte gereinigt habe, nicht in Arbeit kommen. Franz stntzte ein wenig. „Hat er das selbst ge sagt ?" fragte er. „Fa," entgegnete Sachse, indem er sich eine neue Pfeife auzuudete. „Von seinem Neffen hält» ich eine solche Bestimmung einfach nicht angenom men. Aber so — ich glaube, Franz, mall kam- eigentlich nichts dazu sage». Er kann eben noch nicht über die Tatsache hinwcgkommeu, daß di. ihm gestohlene» Kassenscheine in Deinem Besitz gefunden wurden, so sehr anch alle Gründe für Deine Unschnld sprechen. Es ist ja anch eine ganz verflixte Geschichte, die sich hoffentlich bald anf klärt. Jlii übrige» war er änßerst liebenswürdig, fragte sogar mit Interesse nach Dir." „Ich muß mm einmal den Makel anf mich nehmen," sagte Franz dumpf. „Es hilft eben nichts. Ich kam« alles ertragen, wenn mir Dir nnd mein Liebling au mich glauben wollt" 237,16
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