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das Reich übergegangen, und hat die Selbständigkeit der Heeresverwaltungen der einzelnen Länder aufgehört. Verwaltungsbesug- nisse und Kommandogewalt stehen daher den einzelstaatlichen Kriegsministern nicht mehr zu. Mittel des Reiches sind für ihre Stellen vom 1. Oktober 1919 aber nicht mehr verfügbar. Pie Verwaltung für sämtliche Maßnahmen und Aus- gaben werden von nun an allein von der Reichsregierung getragen und von ihr vor der Nationalversammlung oder dem Reichstag ver treten. Spätestens bis zum 1. Oktober 1919 soll aus den vorhandenen einzelstaatlichen Kriegsmimste- rien und sonstigen geeigneten Militärbehörden das Reichswehrministerium gebildet werden. In der Uebergangszeit wird sich der Reichswehr minister zur Führung der Verwaltung der vor handenen einzelstaatlichen Militärzentralbehörden bedienen, die zu diesem Zwecke in Reichswehr befehlsstellen umgewandelt werden. Es wird da bei der landsmannschaftlichen Eigenart in den einzelnen Ländern im Sinne der mit den Lan desregierungen während der Verfassungsberatung getroffenen Vereinbarungen Rechnung- getragen, um die endgültige Verfügung durch das neu zu schaffende Wehrgesetz schleunigst in die Wege zu leiten. Im Anschluß daran wird eine Bekannt machung des Reichswehrministers Noske veröffentlicht, in der es heißt: Die Chefs der Reichswehrbefehlsstellen erhalten bis auf weiteres die Befugnis, alle Verwaltungs angelegenheiten ihres Bereiches in meiner Ver tretung selbständig zu erledigen. Außerdem be vollmächtige ich bis zum vollendeten Ausbau des Reichswehrministeriums die Reichswehrbefehlsstcl- len in Preußen, in meiner Abwesenheit vorkom mende wichtige Sachen nach Art der Geschäfts führung des bisherigen Kriegsministeriums die für das gesamte Heer gültigen Erlasse für mich in Vertretung bezw. im Auftrage zu unterzeich nen. Anordnungen und Maßnahmen, die zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Reichs präsidenten und meiner ministeriellen Gegenzeich nung bedürfen, sind hiervon ausgeschlossen. Die Chefs der Reichswehrbefehlsstellen üben auch die Befehlsgewalt über die Truppen ihres Bereiches aus, soweit ich nicht unmittelbare Be fehle an die Truppen richte, was hinsichtlich Führung und Verwendung der Truppe vom Reiche bestimmt wird. Zum Chef der für den Bereich der bisheri gen sächsischen Militärverwaltung zuständigen Reichs Wehrbefehls st eile Sachsen ist der sächsische Staatsminister Kirchhof ernannt worden. Sie teutsche« TruMu im Witim. Neber eine Gehorsam sverweige- rung deutscher, im Baltikum st ehender Truppenteile wird folgen des mitgeteilt: Die lettländische Regierung hatte bekanntlich den im Baltikum im Kampfe gegen den Bolschewismus stehenden Truppen Bürger recht zur Ansiedelung versprochen. Dieses Ver sprechen wurde gebrochen/ Die deutsche Negie rung hat gegenüber dieser Stellungnahme der lettländischcn Regierung Zurückziehung der Trup pen angeordnet. Der Kommission, die die Trup pen im Interesse ihrer Forderung ans Siedelung zur Regierung gesandt hatten, wurde wohlwol- lende Erwägung zugesagt. Die Truppen, die aus dem Bericht der Kommission und der Tat sache der fortlaufenden Abbeförderung von Trup pen erkannten, daß ihr Streben nach Anfrecht- erhaltung ihrer Rechte und Bekämpfung des Bolschewismus außerhalb der Grenzen Deutsch lands nicht Unterstützung findet, wollen sich nicht auflösen lassen, und haben durch ihre Vertreter den Beschluß gefaßt, unter allen Umständen ihre mit ihrem Blute wohlerworbenen, durch Vertrag verbrieften Rechte auf- Bürgerrecht und Ansiedc- , lung in Lettland aufrecht zu erhalten. In Aus- fllhrung dieses Beschlusses wurde mit der Bitte um Unterstützung ein Telegramm an den Ober präsidenten Winnig abgesandt, weitere an Reichs präsident Ebert, Reichskanzler Bauer, an die Nationalversammlung und an Neichswehrminister Noske. Hierzu tv.ird von zuständiger Seite ge- meldet: Die N e i ch s r e g i c r u n g hat noch vor kurzem die lcttländische Negierung auf die Ge fahren aufmerksam gemacht, die entstehen könn ten, wenn die im Baltikum stehenden Truppen dem Befehl der Regierung entgegen jene Gegen den nicht verlassen wollten, in denen sie sich an zusiedeln hofften, weil ihnen durch.Vertrag vom 29. Dezember 1918 das lettländische E i n b är ger u n g s r c ch t versprochen war. Da mit hat die deutsche Negierung das Versprechen erfüllt, das sic den Truppendcpntationen gegeben- habe, welche in Weimar vorstellig geworden wa ren und die Stimmung der Trnppen geschildert batten. Im übrigen ist die Neichsregierung ver pflichtet, den Friedensvertrag zn erfüllen, und sie muß deshalb mit allem Nachdruck darauf bestehen bleiben, daß die R ä u m ung des Baltikums s ch l e u n i g st erfolgt. Der Schutz Ostpreußens gegen etwaige Einfälle bol schewistischer Banden, hat an der Reichsgrenze zu geschehen. Hierfür wird in der nötigen Weise Vorsorge getroffen werden. Im Zusammenhänge mit der Näumnng des Baltikums war auch die Rückverlegung des 6. Reservekorps angeordnet und der Kommandierende dieses Korps Gras von der Goltz hatte Befehl, nicht mehr nach Mi kan zurllckzukehren. Als Graf von der Goltz am 21. August von der Gehorsamsverweigerung eines s Teiles der Tnippen erfuhr, hielt er sich ver- j pflichtet, auf eigene Verantwortung nach Mitau ' zurückzukehren, um seinen Einfluß auf die Trup pen geltend zu machen. Infolge der Unruhen kam es leider in Mitau auch zu Zusam - m e n st ö ß e n mit lettläudischem Militär, wo bei zwei lettländische Kompagnien entwaffnet und die lettische Kommandantur geplündert wurde. Graf von der Goltz hat in einem Schrei ben an den lettländischcn Oberbefehlshaber dies gemißbilligt, sein Bedauern ausgesprochen, eine eingehende Untersuchung vcUprochcn und angc- ordnct, daß die wcggeuommenen Waffen wieder zusammengebracht werden. Graf von der Goltz hat weiter einen Korpsbesehl an die Truppen erlassen, in dem die Widersetzung der Truppen gegen den Befehl der Regierung gemißbilligt wird. Die Regierung hat Verständnis für die Mißstimmung, die unter den Freiwilligen henßcht, die sich nur deshalb anwcrben ließen, weil sie auf Ansiedelung im Baltikum hofften, aber sie hat nicht die Machtmittel, die Wünsche der Trup pen zu erfüllen. Die Regierung erwartet aber von den im Baltikum kommandierenden Trnp- penführern, daß sie die Truppen über die ver hängnisvollen Folgen ihrer Disziplinlosigkeir ans- klären und zum Gehorsam zurückbriugen werden. Die Stellung der Regierung. Zu der Weigerung der Eiseriken Division, das Baltikum zn verlassen, verlautet, das; die Stellungnahme der Regierung erst im Laufe des heutigen Tages erfolgen wird, da durch die Abwesenheit einiger Negierungsmitglieder eine frühere Entscheidung nicht möglich ist. Von einer dem Kanzler nahestehenden Seite wird erklärt, es unterliege gar keinem Zweifel, das; das eigen mächtige Vorgehen der Truppen nicht gutgehci- s;en werden kann. Aber der Regierung fehlen die Machtmittel, ihren Wünschen gegenüber der Eiscr- nen Division den gehörigen Nachdruck zu ver leihen. Rundschau. ArbeitSmiuister und Aktor-arveit. Reichsarbeilsministcr Schlicke äußerte sich nach der „Nationalzcitung" über die ArbeitSlosenfragc, wobei er betonte, daß er einen Arbeitszwang fiir die Arbeitslosen ablehnc, dagegen für die Wiedereinführung der Akkordar beit ei «trete. Ohne Akkordarbeit sei nach seiner Meinung keine Kalkulation möglich. Was die Verwendung der Arbeitslosen bei dem Wie deraufbau in Frankreich betrifft, fo können die Arbeitslosen nur davor gewarnt werden, sich übertriebenen Hosfnungen auf Arbeitsmöglichkeit in dieser Hinsicht zu machen, denn vorlänfig sprechen sich die französische« Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegen eine Beteiligung deutscher Arbeitskräfte an dem Wiederaufbau Frankreichs aus. Der von uns gestern erwähnte Artikel des „Vorwärts", der sich gleichfalls für die Akkord- ! arbcit einsetzt, gewinnt durch die Erklärungen ! des Neichsarbeitsminislcrs eine programmatische 's Bedeutung. Die Annahme Schlickes, das; die Arbeitslosen bei den Wiederaufbauarbcitcn in Frankreich keine Beschäftigung finden würden, wird durch Havas widerlegt. Danach will ja Frankreich, Ivie gestern berichtet, sechs Jahre 700 000 Arbeiter anfordcm. : Mast«ahmeu gegen die Steuerflucht. Ebenso wie der Notenumtausch wird voraus sichtlich auch das andere Erzbergersche Projekt der Abstempelung der Wertpapiere fallen gelassen werden. Ein bestimmter Beschluß der Regierung hierüber liegt allerdings noch nicht vor. Dagegen verlautet von einem Plan, wonach die Ein- lösnng aller Kupons den Banken überwiesen wer den soll, die ihrerseits die Identität jedes Ein reichers zn prüfen und dem StcuersiSkus Bericht zn erstatten hätten. Ein anderer Vorschlag geht dahin, die Stcneraussichtsbeamten zu bevollmäch tigen, an den Zensiten Fragen zu stellen, die dieser unter eidesstattlicher Versichernng zn be antworten hat. Auf diese Weise hofft man in die Verhältnisse des Steuerzahlers einen genauen Einblick zu gewinnen. - i Die deutsche Valuta befestigt. Der Stand der deutschen Valuta ist in Hol- land außerordentlich fest. Die Notierungen er höhten sich sprunghast um 2 Gulden, wie es heißt, hauptsächlich infolge von Rückkauf- und Deckungskäufeu und auf die Meldung, das; der Umtausch der deutschen Banknoten nicht Tat sache werden soll. — Auch in der S ch w e i z hat der Markkurs wieder eine leichte Besserung erfahren. Hindenburg als Kandidat für deu Posten des Reichspräsidenten? Wie bekannt, hat Reichspräsident Ebert die Stelle gegenwärtig nur provisorisch iune. Unter den rechtsstehenden Parteien herrscht die Mei nung, das; für die endgültige Besetzung dieses Postens eine andere Persönlichkeit ausersehen werden müsse. Diese Auffassung hat der Gc- schäftsführendc Ausschuß der Deutschen Volks partei iuso'eru Rechnung getragen, als er folgen dem Wunsche Ausdruck gab: Für alle deutschbe wußten Männer und Frauen kommt nur ein Name in Betracht, der uns Sinnbild deutscher Pflichttreue in Krieg, Sieg und Not bedeutet: Hindenburg. Das deutsche Voll muß die Pslicht in sich fühlen, den Gencralfeldmarschall zu bu ten, die höchste Würde, die cS zum ersten Male in seiner Oieschichte zu vergeben hat, als vater ländischen Dank cntgegenzunclnneu. — Es «st sehr zu bezweifeln, daß Hindenburg in seinem Alter noch einmal auf die Politische Bühne tritt. Ja Oberschlesien dauern die B audcuk ä m p f e stellenweise noch an. Auch heute noch wild mit einer vor zeitigen B e s e tz tl n g dnrch die Alli ierten gerechnet, als einziges Mittel, die Ruhe wicderherzustellen und die Kohlenförderung zu steigern. In Breslau sind zahlreiche Flücht - ling e ans Oberschlesien eingctrossen; insge samt sollen mehr wie 2000 Familien von dort geflüchtet sein. Nach inzwischen erfolgter Aus hebung des verschärften Belagerungszustandes hofft man, daß auch der General st reik völlig beendet wird. Die Arbeit ist im allge meinen wieder ausgenommen worden. Ein pol nischer Angriff in Richtung LoS - l a u gelang, weil deutsche Deserteure den Polen die Stärke der dort lagernden Grenztruppen ver raten hatten. Die Reichswehr sah sich plötzlich polnischen Angreifern gegenüber. Ein zur Ver stärkung herangezogener Panzerzug konnte den polnischen Jnfanterieangriff verhindern. — Als Fernfolge der Ausstände in Oberschlesien wird die drohende Stillegung einer ganzen Anzahl B e r l i n e r B e t r i e b e gemeldet. Belagerungszustand über ganz Ungarn. Der „Matin" meldet aus Budapest: Ter ver schärfte B e l a g e r u n g s z u st a n d wurde über gauz Ungarn verhängt, das sich zurzeit in voller Anarchie befindet. — Der als Minister präsident ausersehene Demokrat Franz Heinrich hat mit Rücksicht auf die sich ihm entgegenstel lenden Schwierigkeiten feine Mission ansgegeben. Ter bisherige Ministerpräsident Friedrich will nunmehr selbst ein Ministerium bilden, nachdem es deu ungarischen Parteien nicht gelungen sei, die Lage zu entwirren und die Entente sich nicht in die inneren Angelegenheiten Ungarns mischen will. Die Sozialdemokraten erklärten, das; sie unter keinen Umständen an einem Ministerium Friedrich teiluehmen werden. In einer Erklä rung sagt Friedrich, das; er die Regierungsge schäfte weiterführen werde, doch sollen die ve- vorstehenden W a h l e n zur verfassunggebenden Nationalversammlung unter Kontrolle der Alli ierten erfolgen. Ei« französischer Kreuzer i« den Gewässer« NorbschleSwigS. In einem Privattelegramm aus Flensburg meldet „Politiken" über den Besuch des franzö- üscheu Kreuzers „Marseille" in den dortigen Gewässern, das; der Kreuzer ohne Erlaubnis der deutschen Behörden dort eingetrosfeir ist. Die Erlaubnis zum Besuch der Nordseehäsen war zwar nachgesucht, aber die deutsche Antwort nicht erst abgewartet worden. Taher sandte die Ad miralität in Berlin an den Kreuzer direkt fol gendes drahtlose Telegramm: Der Bestich des Kreuzers „Marseille" in Flensburg, Apenrade und Haderslcben kann nicht zngelassen werden, da dazu die Wafstmstillstandsbedingungen keine Verpflichtung auserlegen." Trotz dieser Antwort ist der französische Krenzer von Apenrade nach Flensburg weitergcgangen, wo er Dienstag ein- traf und von einer Abordnung Dänen willkom men geheißen wurde. Hiubeuburg über Bethmanns Amtsführung. Das „20. Jahrhundert" veröffentlicht eine Tenkscbrist Hindenburgs vom August 191^, die der Generalfeldmarschall nach dem Abgang Beth mann Hollwegs an dessen Nachfolger richtete. Aus dieser Urkunde ist zu ersehen, wie stark die Oberste Heeresleitung die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit zwischen politischer und mili torischer Leitung empsand, wie zahlreich aber auch die Beschwerden waren, die die Oberste Heeresleitung durch die Amtssührung Bethmanns vvrzubringen hatte und die schließlich dazu führ- len, das; Hindenburg offen gegen Bethmann Stellung nehmen mußte. Hindenburg zählt zu nächst eine Anzahl Punkte auf, bei denen das ungenügende Zusammengehen zwischen politischer und militärischer Leitung uns geschadet hat: die schwankende Haltung und der passive Widerstand beim rücksichtslosen Unterseebootkrieg, Abwälzung der Verantwortung bei Mißgriffen, ungenügende Ausnützung unserer Volkskrast, Versagen jeder Aufklärung des Volkes. Deutschnationaler Wahlsieg in Lübeck. In den Landcsausschus; des Fürstentums Lübeck wurden nach dem „Berl. Lokalanzeiger" Bergmanns Töchterlein. Roman von Martin Förster. 15 Dieser war denn auch in seinen Bestrebnn» aen der Glücklichere gewesen, während der andere Turch Krankheit und allerlei Schicksalsschläge im mer weiter zurückgekvmmen und schließlich iin Elend gcstvrbcn war. Den Bruder hatte er nach und nach aus deu Angen verloren, die gelegentli chen UnterstütznngSgesuche, namentlich von der Mutter des jungen Mannes, hatten keilt Gehör gefunden. Die letztere war bald nach dem Gatten gleichfalls einer langwierigen Krankheit erlegen und der damals kaum achtjährige Franz auf die Gnade seiner mütterlichen Verwandten aiigewie- jen gewesen. Ein Vetter derselben, mit Namen Tegow, ein verhältnismäßig wohlhabender Berg mann, hatte sich des hübschen, aufgeweckten Kua- den angenommen und ihm eine bessere Erziehung gegeben als den meisten seiner Standesgenossen zu teil wird. Als Adoptivsohn desselben war er gewohnt, sich nach seinem Namen zn nennen, und er bediente sich desselben um so lieber, als er nach dem Tode seines Pflegevaters, einem unwider stehlichen Drange und dein Wunsche seiner Mutter folgend, den Schacht anfgesucht hatte, der einst mals seinem Onkel gehört hatte, und somit von Rechts wegen in seinen Besitz hätte übergehen müs sen. Ei wünschte nicht, Herrn Albert Diedrich in seiner Eigenschaft als übergangener Erbe gegen überzutreten, aber cs reizte ihn, die Gründe zn erforschen, welche wohl seinen Onkel zu dem völlig unerklärlichen Testament bewogen haben konn ten. Auch Sachse konnte ihm hierüber keinen Auf- schluß gebe», gab aber zn, daß die Sache ihrerzeit großes Aussehen gemacht nnd wohl aus irgend eine geheime Verpflichtung znrückznführen sein müsse. Jedenfalls versprach er sowohl wie seine Tochter feierlich, Franzens Inkognito stttllge -» ivahtM Ihr Interesse und ihre Teilnahme an dem Schicksal des jungen Maunes waren, wenn mög lich, dnrch daS Gehörte noch erhöht worden, und als sie sich nach diesem glücklichen Abend trenn ten, wußten sie, daß ein festes, inniges Baud sie für alle Zeiten umschlingen würde, und daß sie in ihrer Vereinigung bereit waren, allen kommen den Gsfahren zn trotzen, »lochte die Zukunft brin gen, was sie wollte. 6. Kapitel. Es war gegen Abend, ein paar Tage nach dein eben geschilderten Ereignis, als Albert Diedrich zufällig die Hauptstraße des Dorfes entlang schritt und, von ihr ungesehen, Jntta aus einem Laden treten sah. Sein Entschluß war sofort gefaßt. Er bog in ein Seitengäßchen ein, um nicht bemerkt zu werden, und eilte auf einem kleinen Umwege nach dem schattigen Pfade, den sie auf ihrem Nach hausewege passieren mußte. ES währte auch nicht lange, so vernäht« er ihren elastischen Schritt nnd sah ihre schlanke Gestalt zwischen den Bäumen auftauchen. Er ging ihr entgegen und begrüßte sie niit auS- gestreckter Hand. Sie legte zögernd die ihrige hinein. Ihre blühenden Wangen waren plötzlich blaß geworden. Er sah ihr forschend ins Gesicht. „Ich sah Sie lange nicht," sagte er mit vor Erregung heiserer Stimme. „Wisse»» Sie, daß mir dies sehr schwer geworden ist?" Sie antwortete nicht, sondern befreite nur ihre Hand, die er festgehalten hatte. „ES freut mich, daß eS Ihrem Vater wieder so gut geht," sagte er, seine»» Ton ändernd »md neben ihr herschreitend. „Ja," sagt« sie einfach, „ich bin auch sehr glück lich darüber." Dann setzte sie, ihren Schritt be schleunigend, hinzu: „Ich muß mich beeilen, ihm sein Abendbrot zu machen, er wird bald nach Hanse .... „Warten Sie noch einen Augenblick, Fräulein Sachse! Ich habe Ihnen etwas zn sagen." Sie schwieg resigniert. Es blieb ihr nichts üb rig als dem Unvermeidlichen mutig enlgegeuzn- treten. „Sie erinnern sich, waS ich vor mehreren Wochen in Ihrem Garten zn Ihnen sagte?" fing er an, nachdem er sich ein paar Mal geräuspert hatte.- „Ja," sagte sie toulos. „Ich versprach damals, Jhueu Zeit zur Ueber- leguug zu lassen, aber ich meinte, daß ein oder zwei Wochen genügen sollten. Ihres Vaters Un fall kam dazwischen Ich ivollte Sic nicht anfregen, während er hilflos dalag, nnd so habe ich länger gewartet, als mir lieb war. Sie haben ansrei- chend Zeit gehabt, über meine« Antrag nachznden- ken. Haben Sie sich jetzt entschlossen, Fränleiu Sachse?" „I", Herr Diedrich", antwortete sie sehr leise, aber dentlich und fest. „Ich habe mich entschlossen. Ich -" „Sie wolle»» meine Frau werden?" rief er iu einem Ansbrnch von Entzücken. „Nein, Nein! Ich kann nicht. Ich bin Ihnen sehr dankbar für die Ehre, die Sie mir angetan haben, aber ich kann nicht Ihre Frau werde«»." „Sie können nicht?" murmelte er erbleichend. „Sagen Sie das nicht. Sie müssen meine Frau werden — Sie sollen. Ich liebe Sie zu sehr. Ich bin älter als Sie, ja, aber ich kann Ihnen vieles, alles verschaffen, was Geld vermag. Ich sagte Ihnen schon, ich will Sie ans Händen tragen, Ihnen jeden Wunsch ersülleu. Haben Sie das alles bedacht?" „Ich habe es bedacht." „Und Sie weigern sich trotzdem?" „Weil ich Sie nicht liebe," war die ruhige und bestimmte Antwort. „Seien Sie nicht töricht! Werden Sie meine Frgu I Die Liebe kommt mit der Zeit." „Ich kann nicht, ich kann nicht!" „Ich will noch länger warten." „Sie brauchen nicht zu warten. Mein Ent schluß ist gefaßt und wird sich niemals ändern." „Sie lieben also eineu Anderen?" Ja." ,,Wer ist es?" „Das tnt nichts znr Sache. Ich liebe ihn.' „Also wohl irgend ein Arbeiter, ein junge; Narr, der Sie deuüiligen, der Sie schlagen, der Sic halb verhungern lassen wird! Sie werden es eincS Tages bereuen, mich abgewiesen zu haben." „Ich kam, nicht anders. Ich habe gewählt Guten Abend, Herr Diedrich." Sie eilte davon wie gejagt, nnd er blickte ihr nach mit wntverzerrtem Antlitz nud geballten Fäuste«. Fast mechanisch folgte er ihren Schrit ten. Daun hörte er, wie ihre Stimme sich mit leisen, zärtlichen Männerlauten vereinigte. Iu einen; Anfall wahnsinniger Eifersucht ziväugle er sich durch eiueOesfunng iu der Hecke, eilte in ge bückter Haltung über das Gras nnd kroch zusam- mengekanert über die Hagedornhecke an deu» Gar ten seines Uuteraufsehers. Er brauchte nicht lauge zn warten. Er hörte bald näher kommende Schritte »md Stimmengemurmel. Und daun erkannte er Jutta »md neben ihr, den Arm zärtlich nm ihre Taille geschlungen, einen jungen Mau» iu ein facher, aber sauberer Arbeitertracht. ES war der junge Bergmann, der erst seit kurzer Zeit in seiueu Dieusteu stand — Franz Degow. Der Minenbcsitzer biß sich die Lippen bstitig, um einenWutschrei zi» nuterdrückei,; der also war eS, einer aus dem Pöbelhaufeu, ei« gewöhnlicher Tagelöhner, der ihm, dem reichen Mann, dem Herr«» über Hunderte, vorgezoge« wurde. 237, lti Das Paar schritt vorüber, uud der Lauschende erhob sich aus seiner gebückte« Stelluilg. Ec fühlte sich wie betättbt uo« dein migeahnleu „ Schlage, nnd sein gqpzeS Wefe»; Hne nach Rache.