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Textilindustrie erledigt, soweit er die Einsetzung eines parlamentarischen Ueberwa- chungSauSschusseS betrifft und soweit er die Auf gabe hat, die schleunigst einzuleitende Liquida tion der ReichS-Textil-Mtiengesellschaft zu über wachen. Der Ausschuhantrag wird angenommen und die 7 Mitglieder dÄ Ausschusses werden so fort gewählt. Nächste Sitzung nachmittags 5 Uhr. Tages ordnung: Vereidigung des Reichspräsidenten. Präsident Fehrenbach: Wir stehen am Schlüsse eines Tagungsabschnittes von ganz außerordentlicher Arbeitsfülle. Wenn wir mit einer gewissen Hast arbeiten mußten, so ist das aus Rechnung der außerordentlichen Verhältnisse zu setzen. Wir mußten ein zusammengcbrochenes Haus neu aufbauen. Die Ferien für die Aus schüsse erstrecken sich bis Dienstag, den 23. Sep tember, die Vollversammlung wird am Dienstag, den 30. September inBerlin wieder zusammentreten. DK Bereidimz »er Rel-yMaHm Weimar, 21. Aug. Die Vereidigungsfeierlichkeit für den Reichs präsidenten hatte schon lange vor Beginn der Sitzung eine große Menschenmenge nach dem Platz vor dem Nationaltheater gezogen. Als der Reichspräsident das Haus betrat, erhoben sich die versammelten Mitglieder des Ncichsrates zur Begrüßung, ebenso die gesamte d!ationalvcr- sammlung, die sehr stark besetzt war. Die Plätze der Deuts chnationalen und der Unabhängigen waren leer geblieben. Präsident Fehrenbach richtete an den Reichspräsidenten die folgenden Worte: Herr Präsident! Artikel 42 unserer in Krast getretenen Reichsverfassung ordnet an, daß Sie den Eid auf die Verfassung zu leisten haben. Ich habe zur Vornahme dieser ernstfeierlichen Handlung diese Sitzung anberaumt. Ich bitte das gesamte Haus, sich von den Plätzen zu er heben. (Geschieht.) Nachdem die die Eidesformel enthaltende Ur kunde dem Reichspräsidenten überreicht worden war, fuhr Präsident Fehrenbach fort: Eure Exzellenz! Ich bitte Sie, den vorge- fchriebenen Eid zu leisten. Der Reichspräsident sprach die vor geschriebene Eidesformel: „Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem deutschen Volke widmen, seinen N u tz r n m e h- ren, Schaden v o n i h m wenden, die Verfassung und die Gesetze des N e i ch e s w a h r e n, meine Pflicht ge wissenhaft erfüllen und Gerech tigkeit gegen jedermann üben werde." Hierauf richtete Präsident Fehrenbach an den Reichspräsidenten eine Ansprache, in wel cher er u. a. sagte: Sie sind aus dem Volke hervorgegangen, Sie werden immer ein treuer Freund des arbeitsamen Volkes sein, dem Sie Ihre Lebensarbeit gewid met haben. Sie werden auch immer ein Hort des Vaterlandes sein, dem Sic nach besten Kräf ten zu dienen gesucht, dein Sic in dem sürchter- lichen Kriege die schmerzlichsten Opfer gebracht haben, da von den vier Söhnen, die Sie unter die Fahnen stellten, zwei nicht mehr ins Vater haus zuriickgekehrt sind. Es ist ein dornenvolles Amt, das in der schwersten Zeit des Vaterlan des auf Ihre Schultern gelegt wird. Möge es Ihnen beschicken sein, das ganze deutsche Volk wieder zu einen, in vaterländischer Gesinnung zurückzuführcn zur Ordnung und Arbeit und die Wege zu weisen zu langsamem, aber sicherem Aufstieg unseres geliebten Vaterlandes. Der Reichspräsident erwiderte, indem er n. a. sagte: Meine Damen und Herren, die Sie alle Deutschland vertreten, das muß uns bleiben, wenn wir unser Vaterland wieder aufbaucn »vol len, die innige Liebe zur Heimat, zum Volks- stamm, aus dem jeder einzelne entsprossen ist. Und dazu soll kommen die heilige Arbeit an» Ganzen, das SicheinsteNen in die Interessen des Reiches. Da löst sich jeder Widerspruch zwischen Gesamtheit und Ei'nzelstaat. Das Wesen unserer Verfassung soll vor allem Freiheit sein, Freiheit für alle Volksgenossen. Ihr Vertrauen wird mir die Kraft geben, immer der erste zu fein, wenn es gilt, Bekenntnis und Zeugnis abzulegen für den neuen Lebensgrundsatz des deutschen Volkes: Freiheit und Recht. Die Versammlung zollte den Worten des Reichspräsidenten lebhaften Beifall. * Der Abschied von Weimar. Präsident Fehrenbach hielt daraus eine Ansprache, worin er u. a. sagte: Die Stunde des Abschieds von Weimar hat geschlagen. Was wir von Weimar erhofften, ha ben wir gefunden, und unfer Abschied vollzieht sich nicht ohne gewisse Wehmut. Die Verabschie dung der Verfassung war eine hervorragende Tat. Aufgabe der Nationalversammlung war es, aus Trümmerhaufen ein neues Gebäude zu erbauen, zu dem das Volk den Schlüssel in den Händen hat, das allen Volksteilcn bescheidene, aber wohn liche Räume bietet, auf dessen First die Fahne der Freiheit und der sozialen Gerechtigkeit weht. In der Steuergesetzgebung waren wir gezwun gen, dem Volke ungeheure Lasten anfzuerlegcn, und noch weitere, größere, werden nachfolgen. Sache des deutschen Volkes wird cs jetzt sein, den Willen zum Leben durch Wahrung von Ruhe und Ordnung, durch unermüdliche Arbeit, durch treues Zusammenhalten in unserer ncugeschasse- ucn staatlichen Ordnung zu betätigen. In den Händen des Volkes liegt unser Schicksal, ob wir zugrunde gehen oder, ob wir, wenn auch lang sam und unter vielen Opfern, zu neuem staat lichen Gedeihen aufcrstehen. Wir glauben an das deutsche Volk. Darauf sprach Abg. von Payer dem Prä sidenten Fehrenbach in warmen Worten dev Dank des Hauses für die Führung der Geschäfte aus. Bewegt dankte Präsident F e h r e n b a ch und übertrug den Dank auf seine Kollegen in der Präsidentschaft, die Schriftführer, das Bureau des Hauses und die Beamten, und schloß mit dem Rufe: Unser deutsches Volk, unser geliebtes deutsches Vaterland, sie leben hoch! Bewegt stimmte die Versammlung ein. Vor dem Halise war inzwischen die Zu- schaucrmengc noch angcwachsen. Alle Fenster der umliegenden Häuser waren dicht besetzt. Abge ordnete und Minister versammelten sich auf dem Altan des Nationaltheaters. Inmitten des Prä sidiums der Nationalversammlung trat der Reichspräsident an die Brüstung und hielt an die auf dem Platz vor dem Theater stehende Volksmenge eine Ansprache, in welcher er u. a. sagte: Zum ersten Male hat hellte das Volk sich selbst in Pjticht und Eid genommen. Kein Auf trag von unverantwortlicher Stelle, keine Beru fung von oben her ist durch meinen Schwur aus die Verfassung bekräftigt worden, sondern in die Hand des ersten Mannes der Volksvertretung habe ich Treue gelobt in dem Amt, das mir diese Volksvertretung anvertraut hat. Ein Volk, gleichberechtigt an Haupt und Gliedern, das soll der heutige Lag vor allen Deutschen bezeugen, kein neues willkürliches nach Parteigrüuden zu- r geschnittenes Recht haben wir in der Verfassung ! geschaffen, wir sind vielmehr aufs neue vom alten Recht ausgegangen, das verschüttet lag vom Rechte, das mit uns geboren, vom Rechte, das dem Volke Vorbehalten war und nun vom Polke selbst errungen und gesichert worden ist. Darum sagen wir mit Ludwig llhlaud, das gute, altc Recht , das aller V e r s ä l s ch u u- g e n u n d Erz w u ug. enhcitcn cut - kleidet, i ft heute Allgemeingut und Erbe der Deuts ch e n und soll es bleiben für immer. In diesem Sinne und Glau ben erneuere ich vor euch den Schwur der Treue zum Volke und zum Volksrecht. Laßt uns zu- sammenstehen in dem harten Lebenskämpfe un seres Volkes. Rust mit mir zum Gelöbnis die- ser unlösbaren Gemeinsamkeit, daß cs von hier, vom Herzen Deutschlands, 'vom Schauplatz un vergänglicher geistiger Taten hinausklingt ins gaikze deutsche Vaterland, in Städte und Dörfer, in Fabriken und Werkstätten: Unser geliebtes deutsches Volk, -es lebe hoch! Die Volksmenge stimmte brallsend in den Hochruf ein und die Musik spielte Deutsch, land, Deutschland über alles, des sen ersten Vers die Volksmenge mitsang. Rundschau. Das «ei» «vernimmt »le sSchstsche Fiuanzverwaltn«g. Zwischen den sächsischen Vertretern und dein NeichSfinanzministcrium ist eine Verständigung derart erzielt worden, daß die sächsische Finanz verwaltung im Sinne der ReichSabgabcnordnuug auf das Reich übergeht. Die gesamte sächsische Finanzverwaltung, einschließlich des ganzen Per sonalbestandes, wird also vom Reiche über nommen. Erhöhung -er Reuten aus -er Ar-eiterverficherung. Der Ausschuß für Volkswirtschaft der Natio nalversammlung beschloß auf Grund des Ermäch tigungsgesetzes über die vereinfachte Form der Gesetzgebung eine Erhöhung der Renten aus der Arbeiter-Versicherung. In Paragraph 1 der Ver ordnung wird bestimmt: Personell, die eine reichsgesetzlichc Invalidenrente, eine Alters- oder Witwenrente beziehen, wird vom 1. Oktober 1919 bis Ende 1920 eine monatlich im Voraus zahlbare Zulage zu dieser Rente gewährt wer den. Die Zulage beträgt monatlich 2 0 M a r k (statt bisher 8 Mk.) für Juvaliden- und AlterSreutuer, monatlich 10 Mk. (bisher 4 Mark) für Empfänger einer Witwen- oder Wii- werrente. Eine Erhöhung der Rente aus der Unfallversicherung ist nicht in Aussicht ge nommen. Die Lage i« Oberschltfieu hat sich merklich gebessert, der Aufstand kann in seinen Hauptpunkten als niedergeschlagen gelteil. Immerhin springt das Feller in einzelnen Jn- snrgentennkftcrn »och empor. Es dürste bei der Eigenart des ausgesprochenen Bandenkrieges noch einige Zeit dauern, bis man voll einer durch gängigen Säuberung des Bezirks wird sprechen können. Bei der Aushebung der einzelnen Jn- surgentennester greift das Militär nachdrücklich durch und hat auch hierbei durchweg gute Er folge. Im N y bnik e r K reise toben an allen Ecken Bandenkämpse. Bei den K ä m Pfen u m M yslowitz , das nach harten Kämpfen genommen wurde, sind polnische reguläre Truppen vom Regiment I6 und 63 festgestellt worden. Insgesamt find l>0 000 Manu Reichswehr jetzt in Oberschlesien eingetroffen. Falsches Gerücht über eine Abfindung an den Kaiser. Die „B. Z." erfährt von zuständiger Ltelle im Finanzministerium, daß die Meldung der „Freiheit", Finanzminister Südekum habe dem Kabinett eine Vorlage über die Zahlung einer Abfindung von >70 Millionen Mark an den ehemaligen Kaiser unterbreitet, vollkommen un- wahr ist. Iurückgekehrte Kriegsgefangene In der Pfalz und im Saargebict sind in der letzten Woche weitere Züge mit deutschen Kriegs gefangenen, zusammen etwa 3000 Mann, ciu- getrosfen. Die Gewaltherrschaft im besetzten Gebiet wird durch nachstehende Meldungen beleuchtet: In Aachen sind in den letzten Tagen über 50 Einwohner vom britischen Gericht teils zu Ge fängnis, teils zu Gcldsltasen verurteilt worden, weil sie beim Vorbeigehen der britischen Fahne die verlangte Ehrenbezeugung durch Abuehmen des Hutes nicht erwiesen haben. — Die deutsch sprechenden Lehrer und Lehrerinnen in Etsaß- Lothringen haben von der französischen Regie rung die Mitteilung erhalten, daß sie ihre Stel lungen am 1. Oktober verlieren, wenn sie bis dahin nicht an einem französischen Sprachkursus teilgenommen haben, den die Regierung kostenlos errichtet. ES sind daraufhin in Paris 600 Leh rer und Lehrerinnen eingetroffen, um an einem solchen Kursus tcilzunehmen. Die ewige Angst vor der Gegenrevolution hatte die „Freiheit" zu dem gestern von uns mitgeteilten Bericht über „ W a f f e n s ch m u g g e l in P o m m eru " veranlaßt. Die Negierung erklärt hierzu: Die Bewaffnung der Einwohnerwehren in den Städten Ivie ans dem Lande ist aus wohl verständlichen Gründen von der Negierung au geordnet nnd braucht oder soll sogar nicht unter dem Deckmantel der Heimlichkeit vor sich gehen. Die Zentralstelle der Einwohnerwehr ist dem Ministerium deS Innern unterstellt. Der einzige Fehler, der hier also bei der Or ganisation bezw. der Bewaffnung der Einwohner- wehren in Pommern gemacht worden ist, besteht darin, daß Vorgänge, die das Licht der Oes- fentlichkcit nicht zn scheuen brauchen, anscheinend heimlich geschehen sind. Rücktritt Erzherzog Josefs. Die Blätter melden aus Budapest, daß sich nach langen Verhandlungen Erzherzog Joseph bereit erklärt habe, von seinem Posten als Ver- weser' znrückzutretcn, und daß er das Ergebnis der Wahlen zur Nationalversammlung, die für dcn 20. September eingesetzt sind, als Privat mann abwarten will. Das neue Kabinett werde ein Koalitivusministerium sein, in dem Lowaszy das Präsidium und Aeußcres, Dr. Vacsony Ju stiz, der Sozialistenführcr Garamyi Handel, so nne die Sozialisten Peidl und Prager zwei so zialpolitische Ressorts übernehmen werden. OertlicheS «nd LSHstfcheS. * — Gcgcu die Sicbenstunden- Schicht i m K ohlenbergb a u haben sich die Handelskammern von Plauen und Chemnitz erklärt. Sic haben eine Eingabe au das Wirt schaftsministerium gerichtet, in der sie mit aller Entschiedenheit dafür cintrelen, daß mit dem Eintritt einer besseren Lebensmittelversorgung von der Siebenstundcn-Tchicht zur Achtsümdem Schicht zurückgekehrt werde, um eine wirtschaft liche Katastrophe der allcrernstesten Art zu ver meiden. * — D e r K lcinhandelsh ö ch ft - preis f ü r B i r n e n ist mit Wirkung ab 25. August auf 65 Psg. je Pfuud in den Groß städten und mit 6 0 P f g. je Pfund im übri- gen Lande festgesetzt worden. Innerhalb Sach sens ist der Verkehr mit Birnen sreizügig. * Hohenstcitt-Grnstthtrl, 22 Aug. Der Stadtrat bat sich veranlaßt gesehen, eine Anzahl hiesiger Einwohner als Flurschützeu eiuzustellen. Den Anweisungen dieser Leute, die mit Schuß- warfen ausgerüstet sind, ist, wie der Stadtrat be kannt gibt, unweigerlich Folge zu leisten. * - L ch u tz i m P sung e n g e g en di e P o ck e n finden, woraus auch an dieser Stelle aufmerksam gemacht sei, morgen Sonnabend von nachmittags 5—6 Uhr in der Neustädter Schul- luruballe statt. * — Die Sonde r v o r st.e lluug i m 9t a tnrtheat e r R a b e n st e i u sinket nicht Sonnabend, sondern Sonntag, unk zwar vormittags ! I Ubr beginnend, statt. Die Mit gliedcr des Erzgebirgsvereius werden hieraus - sonne auf die Anzeige in vorliegender Nummer — noch besonders Hingeiviesen. Eintrittskarten werden an der Kasse in Rabenstein verausgabt. * - G l i m pflich dav o ngek o m m e u ist gestern eine in Ker Wilhelmstraße wohnhafte Frau, die l-nm Arbeiten au einer Wäschemangel mit dem Kopse in das Getriebe kam. Durch das Hinzukommen dritter Personen konnte die Frau aus ibrer gefährlichen Lage befreit werden, so daß sie mir einigen leichten Quetschungen davon kam. Bergmanns Töchterlein. Roman von Martin Förster. 10 „Aber ich liebe Sie! Ich muß es Ihnen sagen, fetzt, oder niemals. Stoßen Sie mich nicht zurück. Ich kann viel, ich kann alles für Sie tun. Ich —" Sie richtete sich plötzlich ans und trat ihm fest gegenüber. „Herr Diedrich," sagte sie mit mühsam beherrschter Stimme, „der Zeitpunkt für Ihre Lie beserklärung ist schlecht gewählt. Sie hätten mich jetzt, gerade jetzt damit verschonen sollen. Aber wenn Sie eS denn dnrchaus hören wollen: ich liebe Sie nicht und ich kann niemals die Ihre werden!" Er fuhr zurück, trat aber sogleich wieder vor nnd versuchte, ihre Hand zu fassen. „Seien Sie nicht so hart," bat er dringend. Ge ben Sie mir einen Hoffnungsstrahl. Sagen Sie, daß ich wiederkommen soll!" «Nein, das kann ich nicht!" „Aber warum? Lieben Sie denn einen ande ren?" „Sie haben kein Recht, eine solche Frage zu stellen." „Aber Sie müssen mir erlauben, wiederznkom- men. Sie müssen es. Ich werde noch einmal Ihre Neigung gewinnen, ganz gewiß!" „Ich kann mir wiederholen, waS ich sagte, nnd habe jetzt nur die eine Bitte: Lassen Sie mich al- lein !" „Für heute ja — aber —" „Für.immer," sagte sie fest. Er ivär wiederum einen Schritt znrückgetreleu, unk sie benutzte den Moment, um die Haustür zu öffnen und sich seinen Blicken zn entziehen. Er storrle ihr einen Augenblick nach. Dann wandteer sich zum Gehen, zähneknirschend, mit dem Gefühl tiefster Demüttgnng im Herzen. Aber seine Lippen murmelten einen Racheschwur. Als Franz Dcgow eilig und vorsichtig an den heiuntergefaUenen Felsstücken hiuanfkrvch, fort während Sachles Namen rufend, horchte er mit der größten Spannung auf das leiseste Geräusch, vernahm jedoch nichts. In größter Besorgnis hatte er endlich,Auf Hän- den und Knien kriechend, die Höhe des Trümmer haufens erreicht und überlegte mm, was weiter zu tun sei. ,. Daß sein Gefährte unter der eiugestürzteu Decke lag, war osseubar, daß die über ihn augehäuften Felseumasseu ihn erdrückt hatten, nur zu wahr- scheinlich. Vielleicht war er nur betäubt, hatte die Rippen eingedrückt, einen Arm oder ein Bein ge brochen nnd konnte gerettet werden. - Aber wie war es möglich, ihn unter dieser Masse von schweren, scharfen Felsstückeu hervor- znziehen? Franz hatte keine Werkzeuge bei sich, weder Hammer noch Hacke oder Spaten, was sollte er tun ? Dichte Schweißperlen standen ans seiner Stirn, während er über die verzweifelte Lage nachdachte. Selbst, wenn es ihm gelingen sollte, durch die gewundenen Pfade seinen Rückzug zu finden, und Hilfe herbeizurnfen, würde Sachse vielleicht tot sein, ehe diese den Ort erreichen konnte. Das Hin- nnd Hergehen würde wenigstens anderthalb Stun den in Anspruch nehmen, vorausgesetzt, daß Franz sich Kinch die verworrenen Galerien überhaupt zu rechtfand. Nein, dieser Plan war unausführbar. Er durste nicht den Verunglückten seinem Schicksal überlas sen. Er mußte versuchen, ihn ohne Beistand nnd ohne alle Werkzeuge mit seinen bloßen Händen zu retten. Es gab keine andere Wahl. Er setzte also entschlossen seine Lampe ans den Rand eines Felsstückes, warf seine Kappe ab, streifte die Hemdärmel ans und griff mutig den Steinhaufen an. Es war eine schwere Arbeit, aber er dachte nicht an die Mühe. Einige der Steine waren scharf wie zerbrochener Schiefer, aber er achtete nicht darauf, nicht ans seine blutenden Fin ger nnd Arme, seine zerschundenen Kni« und zer rissenen Beinkleider, und so gefährlich auch die Sache war, so hielt er doch keinen Moment im Vordringen inne. Er ergriff einen Stein nach dem anderen und schichtete sie vorsichtig seitwärts auf. So bahnte er sich nach und nach seinen Weg in die Hohe und gewann endlich nach einer halbstündi gen, großen Anstrengung hinreichenden Raum, nm aufrecht sieben zu können. Er konnte jetzt schneller arbeite» als in der unbequemen Lage, nnd dies gab ihm neuen Mnt. Während er einen Augenblick ausrnhte und sich den Schweiß abwischte, glaubte er plötzlich ein Geräusch zu vernehmen. Er erhob noch einmal seine Stimme nnd rief: „Sachse, Sachse! Wo seid Ihr? Sprecht, wenn Ihr könnt! Seid Ihr am Leben? Ich versuche zn Euch zu kommen. Sprecht nm Himmelswillen!" Er horchte wie vorher, aber mit demselben Re sultat. Es war das Geräusch abbröckeluder Steine, welches ihn irregeführt hatte. Er machte sich wie der an die Arbeit und legte die Steine hinter sich. Es war mit den bloßen Händen eine böse Arbeit. Hätte er mir ein einziges Werkzeug gehabt. Er muß munter weiter schaffen ohne Ruhe und Rast nnd immer aufs neue durch Hoffnung seinen ge sunkenen Mut beleben. Allmählich verkleinerte sich denn auch l er Hansen vor ihm; die Galerie hinter ihm füllte sich mit Felstrümmcrn, aber auch die Kräfte nnd der Wille des mühsam Schaffenden begannen zn erlahmen, denn Franz hatte jetzt über zwei Stunden lang gearbeitet. Das Blut tropfte ihm von den Fingerspitzen, seine Beinkleider wa ren von Schweiß durchnäßt, und sein Körper zit terte vor Anstrengung. Und noch immer keine Spur von Sachse. Er begann fast zu verzweifeln und ein Ohnmachlsgefühl wollte ihn übermannen. Da, er hatte wie mechanisch noch eine dünne Steinplatte ans dem Trümmerhaufen gelöst, er blickte er etwas, was sein Herz von neuer Hoff- u»ng erbeben machte. Er sah euren dicker^ na>j^- beschlagenen Schuh, der einen Fuß bedeckte, Sa h^eS Fuß. Das erste Resultat einer fast übermemchlicheu Anstrengung, die erste Spur des Veilmeueu. „Sachse, Sachse!" rief er aus. „Ich bin hier! Sprecht zn mir! Nur ein einziges Wort!" Aber alles blieb still, der Fuß lag fest und steif da. Er griff in seiner Verzweiflung u^ch dem Schah und zog daran und bewegte ihn hin und her wie ein Besessener. Aber es kam kein Ton einer mensch lichen Stimme, selbst die heftigsten SchmerzeuS- lante würde er mit Inbel begrüßt haben. So mußte er das Schlimmste fürchten, nnd völlig eulmniigt brach er zusammen. Sachse war also tot. Seine Anstrengungen wa ren waren vergeblich gewesen. Jutta stand nun allein in der^Lelt. Was würde sie sagen, wie würde sie sich grämen über das schreckliche Ende des Va ters. Der junge Bergmann vertiefte sich ganz in diese Gedanken, als ein leises Stöhnen ihn plötz lich aufspringen ließ. „Sachse!" rief er jubelnd ans, als er neben des Nnteranfsehers Fuß auf die Kuie fiel. „Gott nn tausendmal Dank! Ihr lebt! Sachse, hört Ihr mich?" „Seid Ihr es, Dcgow?" tönte eine leise, saft geisterhafte Stimme. „Io, ja, ich bin es. Gott sei gelobt! Ihr lebt! Wie geht es Euch? Seid Ihr sehr verletzt e" „Ich weiß nicht, ich glaube nicht. Meine Hände und Arme sind frei nnd in Ordnung, aber me ne Füße liegen fest, ich kann sie nicht bewegen. S.s sind wie abgestorben. Könnt Ihr auf irgend eme Weise zu mir gelangen ?" - „Ich werde Euch bald frei machen," jubelte Franz und sprang auf mit wiedergewouueu ! Kräften. „Könnt Ihr fühlen, daß ich Euer Be.n « ergreife?" „Ja, das kann ich," erwiderte Ker Uuternw- scher, jetzt etwas lauter. „Ach, beeilt Euch, es > t 2lS >s«nu ich zusammrngequetscht würde." 237,10