Suche löschen...
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 19.08.1919
- Erscheinungsdatum
- 1919-08-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191908196
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19190819
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19190819
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1919
-
Monat
1919-08
- Tag 1919-08-19
-
Monat
1919-08
-
Jahr
1919
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 19.08.1919
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
ten, sie lebenslang mit einer unzureichenden Rente jeder ernsten Arbeit fernzuhalten? Es wird gewiß den ehrlichsten Wünschen der Kriegs invaliden selbst entsprechen, wenn ihnen obliga torisch und durch die bindende Gewalt des Ge setzes die Möglichkeit gegeben wird, Sinn in ihr Leben zu bringen, kndem sie ein Glied der Volks wirtschaft werden und so in größerer Bedeutung und mit lebendigerem Interesse in Staat und Gesellschaft wieder htnetnwachsen. So schwer auch die Aufgabe ist, gelöst muß sie werden. Und zwar so gründlich, wie die Männer, die heute Krüppel sind, gründlich das schwerste Kreuz des Krieges tragen, lernen mußten. Darf der Leierkasten sich nicht wiederholen, so darf auch nicht etwas an dessen Stelle treten, das, wenn auch nicht äußerlich, so doch innerlich dasselbe ist. Es läuft fast auf dasselbe hinaus, ob einer zum Drehorgelspielen oder zum Postkarten-Ver- kaufen ausgebildet wird ... In einem Leip ziger Vergnügungspark trafen wir, wie die „Üeipz. Ztg." hierzu berichtet, einen Kriegsbeschädigten, Vater von fünf Kindern, der 65 Mk. Rente je Monat bekommt und Postkarten verkauft. Er ist Buchdrucker und kann infolge eines Nervenchoks feinen Beruf nicht mehr ausüben. Er ist nicht der einzige seiner Klasse . . . Rundschau. Die Herausgabe der Kriegs gefangene«. Am Sonntag fand in Berlin eine stark be suchte Kundgebung der Mehrheils sozialisten für die Herausgabe der Kriegs gefangenen statt, über deren Lage der Reichs kommissar für Kriegs und Zivilgefangene Abg. Stücklen berichtete. Um das deutsche Volk in der Gefangenenfrage aufzuklären, werden die Mehrheitssozialisten in den nächsten Tagen in ganz Deutschland Volksversammlungen abhalten. Nach Angabe des Abg. Stücklen ist lediglich Frankreich für die Zurückhaltung verantwortlich zu machen. Die beste Behandlung genießen an geblich die Gefangenen in Italien. In S i- birien befinden sich noch 20 000 Kriegs- und 30 000 Zivilgefangene. — Der Abtransport der Gefangenen aus Serbien soll angeblich am 23. August beginnen.(?). — Die „Times" mel- det, daß zwei neutrale Negierungen sich fiir die Heimschaffung der Kriegsgefangenen bei der eng lischen Regierung verwendet haben. — F r a n k- reichs Zögern in der Heimsendung soll daraus zurückzuführcn sein, daß erst die Ernte unter Mithilfe der Kriegsgefangenen hercingc- bracht werden soll. — Die Frage eines deutschen Traucrtages als Protest wird ernstlich von der „Germania" erwogen, doch durste ein solcher Protest Wohl wirkungslos verhallen. — „Het Vaderlaud", ein führendes holländisches Blatt, fragt, warum man die deutschen Gefan genen noch immer fern von der Heimat in frem dem Dienst nach ihrer Befreiung schmachten läßt, wo doch Deutschland alles getan habe, was man billigerweise von ihm erwarten konnte, da es in die harten Friedcnsbedingungeu eingewilligt, den Frieden so schnell wie möglich genehmigt und den guten Willen bei der Durchführung der Be dingungen bewiesen habe. Und der Oberste Rat? . . . MautzalSviederlegvag Prof. Dr. Krafft-Dresden, der als Mitglied der Dculschdemokratischcn Fraktion der sächsischen Volkskammer angchört, hat sein Mandat aus Gesundheitsrücksichten nicdcrgclcgt. Mit Pros. Krafft, der einer schweren Erkrankung wegen schon während der vorigen Tagungsperiode den Kammcrverhandlungen nicht mehr beiwohnen konnte, scheidet der einzige Arzt aus der Volks kammer. An seine Stelle tritt der Arbeiter sekretär Berndt als Abgeordneter in die Volks kammer ein. Der Retchsrat. In der unter dem Vorsitz des Reichsministers Dr. Bell abgehaltenen Vollsitzung des Reichs rates wurde dem Entwurf eines AussührungS- gesetzcs zum «Friedensvertrag zugestimmt. Sin «eichsjugendschutzgesetz. In der Sitzung des sozialen Ausschusses der Nationalversammlung kündigte Nnterstaatssekretär Schulz die baldige Vorlegung eines Ncichsjugcnd- schutzgesetzes an. Die U«terer«Shrvug der deutsche« Kinder. Englischeck Blättern zufolge ^berichtet Professor Starling von der Londoner Universität über seine Reise druck) Deutschlaird, die deutschen Kin der seien seit 1916 unterernährt. Er Hosse je doch, daß eine beträchtliche Zahl dieser Kinder wieder hergcstellt werde, wenn Deutschland Kre dite erhalte, um Lebensmittel zu kaufen. Dies sei der Angelpunkt der ganzen Lage in Deutsch land. Jedes Liter Milch, das man Deutschland nehme, bedeute die Tötung eines Kindes. Er macht den Vorschlag, daß ein oberster Wirtschaftsrat ge bildet wird, in welchem auch Deutschland ver treten ist. Deutschlands schlimmste Zeit kommt noch! Der Korrespondent der „Daily News" in Holland meldet seinen! Blatte, Deutschland komme in Holland als ernstlicher Handclsrivale Englands nicht in Betracht. Holland gebe Deutschland keinen Kredit. Man sei der Ansicht, daß Deutschland noch schlimmeren Zeiten ent gegengehe, als cs bisher durchgcmacht habe. Erst wenn die Entschädigungssummen fällig würden, und wenn in jeder Hinsicht ans die deutsche Industrie gedrückt werde, damit die Rie sensummen, welche erforderlich sind, aufgebracht werden, werde inan sehen, wie schwierig cs fiir Deutschland sein werde, Rohstoffe cinzukaufen. Also eine Fälschung? Im Anschluß au das englische offizielle De menti eines englischen Friedensangebots durch vatikanische Vermittelung im August 1917 erfolgt soeben eine vatikanisch» Darstel- lung durch die „tlnita Catholika". Un ter gleichzeitiger wortgetreuer Veröffent lichung der in Frage stehenden Schriftstücke wird hermsrgchoben, daß die beiden von Erzberger zitierten Dokumente vielleicht zu polemischen Zwecken in unvollständiger Weise zitiert und zu- sammengcfaßt seien. Tenn in diesen Dokumen ten handelt es sich nicht um Fricdeusvorschlägc weder von England noch von einem anderen Entcntestaat, sondern lediglich um eine Fort setzung der Diskussion des öffentlichen päpstlichen Friedensappells vom h. August 19 t7, wobei der Vatikan nur den Boden fiir eine Verständigung auf beiden Seiten nachgesucht habe. — Was wird Herr Erzberger hierauf zu sagen hüben? Politische Umtriebe scheinen wieder einmal in der Pfalz eingesetzt zu haben, wo man ernstlich den Anschluß an die sagen, „rheinische Republik" predigt. Gewaltsamer Brnch mit Bayern bezw. Deutschland wird von den Putschisten, den Auch-Deutschen Haas und Genossen offen gefordert. — „Journal" läßt sich in einem langen Artikel seines Mainzer Sonder berichterstatters melden, der Gedanke der rheinischen Republik habe erheblich an Ausdehnung gewonnen. Er läßt dnrchblicken, daß die Sache so weit gediehen sei, daß Dr. Drucken der Wunsch nach einer Volksabstimmung vom Obersten Rat wahrscheinlich nicht werde ab- geschlagen werden. — Angeblich ist das besetzte rheinische Gebiet fiir Einreiscnde gesperrt worden. Lothringens Sehnsucht nach deutscher Herrschaft. „Humanitce" bringt einen Artikel unter der Ueberschrift „Die Gerechtigkeit in Lothringen", welcher mit den Worten beginnt: Fast ein hal bes Jahrhundert haben die Deutschen vergeblich versucht, Lothringen zu germanisieren. Ein Jahr nach der Besetzung werden die Franzosen sich rühmen können, die Lothringer soweit gebracht zu haben, daß sie sich wieder nach der deutschen Herrschaft sehnen. — Womit wir nur zufrieden sein dürften. Abba« der Zwangswirtschaft für LavbwirtschaftSerzevgnisse. Der Nationalversammlung ist ein demokrati scher Antrag zugegangen, wonach die Reichs- . regicrung ersucht werden soll, den planmäßigen i Abbau der Zwangswirtschaft fiir Erzeugnisse der Landwirtschaft in folgendem Sinne in die Wege zu leiten: 1. Die Bewirtschaftung des Getreides ist auf Brotgetreide zu beschränken. 2. Fleisch u n d Mil ch sind nur in Höhe des Bedarfes : fiir Kranke und Kinder zu bewirtschaften. 3. - Ebenso ist die Zwangswirtschaft fiir Kartof- . feln im Falle einer guten Ernte anfzuhcben. s Auf jeden Fall sind Landwirte mit einer Kar- : toffclaubauflächc unter 2 Hektar von der Zwangs- j Wirtschaft zu cutbinden. 4. Die Zwaugswirt- t schäft für alle sonstigen landwirtschaftlichen Er- Zeugnisse ist sofort aufzuhebcn. 5. Die H ö ch st- » preise für landwirtschaftliche Er zeugnisse sind unter Berücksichtigung der wichtigsten Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstgndc sowie der Arbeitslöhlle angemessen zu gestalten. Iswolski P. Der ehemalige russische Botschafter in Paris und frühere Minister des Acußcren in Petcrs- bnrg, Iswolski, einer der schlimmsten Kriegs hetzer, ein erbitterter Feind Deutschlands, ist 63 Jahre alt gestorben. Iswolski gehörte zu den Männern, die in erster Linie den Weltkrieg mit verschuldet haben. Ei« «Mischer Putsch i« Srerschlefie«. In der Nacht zum Sonntag haben polnische Banden im Kreise Pleß durch einen Putsch die Gewalt an sich zu reißen und das Militär zu, entwaffnen versucht. An den meisten Stellen ist der Versuch mißlungen und die Truppen sind Herren der Lage geblieben, so in Pleß, Uw ein Teil der Angreifer außer Gefecht gesetzt, ctn anderer Teil verhaftet wurde. Ebenso blieben Angriffe' auf unsere Feldwachen im Südteil Ober schlesiens erfolglos. Nur in Paprocan gelang es den Anfrühreru, eine Batterie, welche wegen der Unterbringung der Pferde in Bürgerguarlic- rcn weit verstreut liegen mußte, zu überrumpeln und zu entwaffnen. Weiter haben die Insur genten den mit Truppen nicht belegten Ort Li- schau und den dortigen Bahnhof und die Post anstalt besetzt. Auch in Mittcl-Lazisk haben pot^ irische Banden den Babnhof, den Amtsvvrstand und die Gott mit-uus-Grube heimgesucht. Eine militärische Aktion zur Unterdrückung des Auf ruhrs ist im Gauge. Weitere Truppen sind nach Oberschlesien gefahren. Wie verlautet, haben die Polnischen Organisationen Oberschlesiens einen allgemeinen Ausstand in ganz Oberschlesien ge plant mit der Absicht, die Gewalt au sich zu bringen. Haller Truppen sollen nach Durchfüh rung dieses Planes einrücken nnd die neuen Machtbaber unterstützen. Mit Bestimmtheit geht aus dem Vorgefundenen Material hervor, daß auch der allgemeine B e r g a r beit e r st r e i k mit dem Plan der oberschlesisch polnischen Orga nisationen z u s a m m c n h ä n g t. Einen wei teren Beweis für die der Bevölkerung Oberschle siens drohende Gefahr brachte eine große allge meine Haussuchung in dem Dorfe Halemba, wo zahlreiche Waffen und Munition gefunden wur den. Die Anführer der dortigen polnischen mi litärischen Organisationen lieferten den Beamten und der Truppe ein regelrechtes Feucrgesecht und büßten dabei zwei ihrer Mitglieder ein. Ser VeMbeiterslreik in Oberschlesien scheint einen überraschenden Ab- schluß zu finden) wenn nicht alle Anzeichen trü gen, ist heute, Montag, mit einem Abbruch dcS Streiks zu rechnen. Freiwillig ist dieser Abbruch 'nicht, er ist denn auch mehr ein Zusam- m e n b-r u ch. Aus Königshiitte wird uns dazu gemeldet: Die Verkündung des Arbcitszwan - gcs steht für heute bevor. Den Bergleuten ist mitgeteilt worden, daß gegen alle Streikenden, die heute die Arbeit, uicht aufnehmeu, die schärf sten Maßnahmen ergriffen werden. Von den Laurahiüter-Gruben fangen bereits 60—70 Pro zent der Belegschaft au zu arbeiten. Der Krug schacht in Königshütte hat beschlossen, hente voll zählig einzufahren. Im Rybuikcr Bezirk wurde - die Beteiligung am Streik ganz abgelehnt. Der Eisenbahnverkehr, die Licht- und Krastversorgung sind seit gestern abend wieder voll im Gange. Gestern haben die Verhandlun gen mit den Arbeitern der Elektrizitätsiverke staltgefunden, mit dein Erfolg, daß Montag früh die Arbeit in beiden Zentralen, in Chorzow und Zaborzc, wieder ausgenommen wird. Das Mili tär rückt zum großen Teil morgen ab. Ein klei ner Teil bleibt zum Schutze der Betriebe hier. Während in ' Oberschlesien scheinbar wieder Ruhe einzieht, kommt aus dem w e st d e u t - scheu I n d u st r i c b c z i r k die Nachricht von wachsender S t r c i k l u st der Arbeiterschaft . einschl. der Bergleute. Die Lohnfrage steht er- ' ueut .im Vordergründe. s Die Arbeitszeit im Bergbau. j In den letzten Vollsitzungen des Ausschußes zur Prüfung der Arbeitszeit im Ruhr-Bergbau, au denen auch fünf Aerzte teilnahmen, wurde / übereinstimmend festgestcllt, daß sich der Gesund- - heitszustand im Ruhrbergbau im allgemeinen ec- s bestück und auch die bisher eiugetrctcne Kürzung s der Arbeitszeit vou auf 7 Stunden günstig i gewirkt hat. Ganz besonders erörtert wurde Ne ! Frage, ob vom rein ärztlichen Standpunkte aus k eine weitere Verkürzung der Schichtzeit aotweu- « dig sei. Von einem Arbeitnehmer wurde betont, daß eine weitere Verkürzung lebeusverlängernd wirke und außerdem eine gesteigerte Tätigkeit der Bergarbeiter ermöglichen werde. Die Aerzte gaben zu, daß eine weitere Verkürzung unstreitig eine vorteilhafte Wirkung habe, daß aber diese Forderung mit ärztlichen Gründen allein nicht belegt werden könne. Im Anschluß daran wurde noch der Wunsch ausgesprochen, daß die Lebens mittelversorgung der Bergarbeiter im Ruhrbe- zirkc, namentlich die Fettversorguug, gesteigert werden solle. Sodann wurden die wirtschaft lichen und technischen Gesichtspunkte gestreift. Attische RMWMkksMMlW. Weimar, 16. Ang. Präsident F e h r e n b a ch eröffnet die Sitzung. Zweite Beratung des Gesetzentwurfes gegen die Kapitalabwanderung. -. Abg. R a s ch i g (Dem.): Wir sind selbstver ständlich gern bereit, alle Maßregeln zu unter stützen, welche geeignet sind, die Kapitalflucht zu unterbinden und, wenn möglich, wieder rückgän gig zu machen, auch wenn es sich dabei um Maß nahmen handelt, an die niemand früher zu deu len gewagt hätte. 'Abg. Dr. Rießer (Ttsch. Vp.): Wir wer den das Gesetz annehmen, da die Kapitalflucht mit allen Mitteln gehindert werden muß. Man sollte aber die Notenstempeluug nur nach noch maliger genauer Prüfung der Frage vornehmen, ob dadurch uicht schwererer Schaden augerichtct werden würde. Abg. Dr. Braun (Soz.): Wir stimmen für das Gesetz, weil der Kapitalflucht endlich ge steuert werden muß. RcichSfiuanzminister E r z b e r ger : Alle gegen den Umtausch vorgebrachleu Bedenken kön nen uuS nicht davon abhalten, mit den stärksten Mitteln vvrzugehcn. Eine Schädigung des Wirt schastslebeus wird nicht eintreten, wohl aber eine sehr zu begrüßende Steigerung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Zwischcnschcinc werden nicht Bergmanns Töchterlein. Roman von Martin Förster. 7 „Wer ist bei Dir im Garten, Water?" fragte sie in gan-gleichgültigem Tone. „Herr Diedrich." „Herr Diedrich, was wist der hier?" Er kam, um mir die Stelle als Unteraufseher anznbieten." „Wirklich? DaS ist ja herrlich! Du nahmst sie natürlich an?" .Ja." „Wie ich mich freue, lieber Vater!" rief sie fröhlich, indem sie von ihrem Stuhl aufsprang und ihn küßte. „Du wirst jetzt leichtere Arbeit ha ben und mehr zu Hause sein. Wo ist Herr Died rich? Ich muß ihm danken." „Du wirst ihn im Garten finden," erividerte er, nnd über sein ernstes Gesicht flog ein schatten haftes Lächeln. „Geh' zu ihm, mein Kind, er wünscht mit Dir zu sprechen." Glühend vor Freude und Aufregung, verließ sie eilig das Zimmer und trat in den Garten. Sie fand ihres BaterS ArbeitgebH auf der kleinen Bank unter dem Lindenstrauch. Gin breiter Lichtstrom fiel aus dem offenen Fenster gerade auf seine Ge stalt. „Guten Abend, Herr Diedrich!" sagte sie freund lich nnd ging mit ansgestreckten Händen auf ihn zu. „Mein Vater hat mir von dem gütigen Aner bieten erzählt, welches Sie ihm gemacht haben. Wie soll ich Ihnen danken?" Er erhob sich eilig, ergriff ihre dargebotene Hand und drückte sie zärtlich. „Sie haben nichts zu danken, Fränlein Sachse, Ich weiß, daß er für die Stelle geeignet ist und sie verdient. Er wird sie gnt ausfüllen. Ich wünschte — teilte Ihnen Ihr Vater nichts weiter mit?" „Noch mehr?" fragte sie erstaunt. „Spielte er nicht darauf an, daß ich noch aus einem anderen Grunde hierher gekommen wäre?" „Nein, Herr Diedrich." „So hören Sie mich an, Fräulein Sachse! Ich hatte nicht allein nur Ihrem Vater, sondern auch Ihnen einen Vorschlag zu machen. Fräulein Sachse, ich habe Sie so lange geschätzt und gekannt, dürfte ich, könnte ich nicht hoffen, daß anch Sie mir ein klein wenig Interesse entgcgenbringen." „Aber Herr Diedrich, natürlich," sie begriff uicht, wo er hinauswollte. „Nun denn," sagte er, kurz entschlossen, „hören Sie mich an, Jutta! Ich kam, Sie zu fragen, ob Sie die Herrin des Herrenhauses, ob Sie meine Frau werden wollen." Die Frage war doch zu unvermittelt gekom men. Jutta fuhr zurück. Fast blieb sie einen Au genblick wie angewurzelt stehen, dann wandte sie sich wie zur eiligen Flucht. „Verlassen Sie mich nicht!" bat er inständig. „Ich bin zu rgfch gewesen, ich habe Sie durch mein Ungestüm erschreckt. O, hören Sie mich an: Ich meine es ja gut mit Ihnen, Sind Sie mir böse?" „O nein, Herr Diedrich," sagle sie, sich müh sam znr Ruhe zwingend, „wie könnte uh böse sein! Aber ich bin überrascht. Ich — war so ah nungslos. Es tut mir so leid, aber —" - Er ließ sie nicht ansreden. „Sagen Sie jetzt kein Wort weiter, mein lie- bes Mädchen. Sie sind erregt, erschrocken. Ich habe Ihnen gesagt, was ich wünsche nnd Hosse, aber Sie sollen Zeit zur Ueberlegung haben. Sie sollen wohl bedenken, welche Antwort Sie mir geben wollen." Sie schwieg, nnd er fügte hinzu: „Ich habe vollkommenes Vertrauen zu Ihrer Einsicht und zu Ihrem richtigen Taktgefühl. Ich bin viel älter als Sie, aber ich könnte alles für Sie tnu. Alles, was ich besitze, soll Ihnen gehören. Jeden Wunsch möchte ich Ihnen erfüllen. Nichts soll Ihnen ab geschlagen werden. O, denken Sie, denken Sie an dieS alles, und geben Sie mir Ihre Antwort vielleicht in vierzehn Tagen. Für hente sage ich Ih nen gute Nacht." „Gute'Nacht!" sagte sie wie mechanisch und er entfernte sich eilig und ließ sie wie im Traum verloren stehen. Als ihr Vater nach zehn Minuten in den Garten znrückkehrte, sand er sie noch so unter dem FUederstrauch. „Jutta," fragte er in eigentümlich bewegtem Tone, „ivo ist Herr Diedrich?" „Er ging soeben fort." „Und was hat er Dir gesagt, mein Kind?" Er beugte sich zärtlich zu ihr herab. „O Vater, Vater, denke Dir!" Sie schlug die Hände vor das Gesicht und brach in Tränen ans. Er zog sie zärtlich in seineArme, und es währte eine ganze Zeit, bis sif sich so weit beruhigen konnte, nm ihm die stattgehabte Unterredung mit- znteilen. Die gewährte Bedenkzeit war ihm eine große Bcrnhignng. „Sage mir mir, lieber Vater, wünschest Du, daß ich ihn heirate?" fragte sie in beinahe angst vollem Tone. , „Mein Kind, ich würde Dich niemals gegen Deine eigenen Wünsche zu beeinflussen suchen. Ich muß offen gestehen, auch mich hat der Antrag im ersten Moment nur erschreckt. Aber überlege Dir die Sache, Jnlta. Die Jugend vergeht, und das Leben ist ernst. Er ist ein reicher Mann, und er würde Dich ans Händen tragen." „Aber er ist so alt, und überhaupt — o Vater, ich kann eS nicht I " „Dann tu es nicht. Ich gebe Dir mir meinen väterlichen Rat. Ich möchte Dich glücklich sehen, mein Kind. Ich möchte, was mich anch treffen möchte, Dich gegen Sorge und Mangel geschützt wissen. Die Fran eines armen Mannes hat viel zn ertragen, ihr Leben ist oft eine lange Qnal. Aber lassen wir das jetzt. Dn hast Zeit, darüber nachzudenken. Denke mir an Dich allein Menn Dn einen ganz festen Entschluß gefaßt hast,- wal len wir wieder über die Sache reden." Inzwischen Ivar der ältliche Bewerber des schö nen Mädchens ganz wohlgemut nach Hanse ge gangen. Er wär uicht so töricht gewesen, sich ein- zubilden, daß ein so selten liebliches Geschöpf wie Jntta sich sofort in seine Arme werfen würde. Er hatte sogar von Vater und Tochter einen weit heftigeren Widerstand gegen seine Wünsche vor ausgesetzt und mar folglich noch ganz froh gewe sen über das Resultat seiner Anfrage. Die Beförderung des Vaters zmn Uuteraufse- her war ihm in erster Linie mir Mittel zum Zweck. Ein solches Entgegenkommen seinerseits mußte die Betreffenden für ihn einnehmen, ganz abgese hen davon, daß er überzeugt war, den Mann durchaus an seinen richtigen Platz gestellt zn ha ben. Nun sah er in aller Ruhe der weiteren Ent wickelung der Dinge entgegen. Seit jenem Abend im Garten ivar eine Woche vergangen. Sachse war bereits in seine Stellung als Uuteraufseher eingetreten und mit vielen Zei chen der Genugtuung von feiten der Bergleute und Beamten im Platz begrüßt worden. Er ivar von Jugend auf eine sehr populäre Persönlichkeit gewesen, stets geachtet wegen seines Fleißes nnd seiner geistigen Fähigkeiten. Anch seine bewährte Unerschrockenheit, die er in nieten Fasten von Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitern bewiesen, hatte ihm das unbevingle Vertrauen der Bergleute gewonnen, deren Vor gesetzter er jetzt war. Eines Morgens kurz nach sechs Uhr befand sich der neue Unteransseher mit den Fenerlenten in seinem Verschlage. Vor zehn Minuten waren die letzten Bergleute in den Schacht gestiegen nnd jetzt auf dem Wege zu ihren Arbeitsstellen. Die Leine der Tagesschicht waren zu verschiedenen Teilen des Bergwerks geschickt. Der Aufseher nnd seine Gehilfen waren oben an dem Schacht emsig oe- flüästigt 237,16
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)