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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 09.08.1919
- Erscheinungsdatum
- 1919-08-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191908090
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19190809
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19190809
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1919
-
Monat
1919-08
- Tag 1919-08-09
-
Monat
1919-08
-
Jahr
1919
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 09.08.1919
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sion gibt eine genaue Gliederung über die Ver tretungen, die den einzelnen Ländern zugefagt sind. Danach sotten Deutschland, Frankreich, England, die Vereinigten Staaten und Ruhland je 30 Stimmen erhalten, während die Stim menzahl der üb-rigen Länder entsprechend abge stuft ist. Irland soll zwei besondere Stimmen erhalten. Außerdem sind sechs Stimmen vorge sehen für die auf dem Boden des alten Rußland entstandenen Staaten, wie die Ukraine, Finn land, Georgien usw. Die von den Unabhängigen gestellten An- träge, nur noch politische Parteien zuzulassen, wurden allgemein abgelehnt. Vlicgen legte den Begriff dahin aus, daß man unterscheiden müsse Räte, die durch die Verfassung und Gesetzgebung eines Landes sanktioniert seien, und solche, die als Kampforganisationen gedacht sind. Es werde den Organisationen der eigenen Länder überlas sen, Entscheidungen über die Stellung der Räte zu der Internationale zu treffen. Vliegen legte die Ergebnisse der in den Ausschüssen geleisteten Arbeit eingehend dar und bezeichnete cs als Zweck der gefaßten Beschlüsse, die Internationale ! auszubaucn, nicht aber ein neues Gebäude an die Stelle des alten zu setzen. Die Umbenen nung des Internationalen Bureaus in einen Internationalen Rat erscheine mehr als eine Formsache. Ser.MrenrWtt" Kann nicht zur Ruhe kommen Die Regierung — bezw. Reichsfinanzminister Erzberger — er läßt eine neue Erklärung, in der es heißt, daß der englische Friedensfühler vom August 1917 eine historische Tatsache ist. Er bestand, aus einer mit ausdrücklicher Zustimmung Frank reichs durch Vermittelung des apostolischen Nuntius an die deutsche Regierung überreichten Anfrage Englands nach den deutschen Kriegs zielen, insbesondere nach einer einwandfreien Er klärung über Belgien. „Sei diese Erklärung be friedigend", so heißt es wörtlich in dem Schreiben des Nuntius Pacelli an den Reichskanzler Michaelis vom 30. August 1917, „so meint Seine Eminenz (der Kardinal-Staatssekretär), daß ein bedeutender Schritt zur weiteren Entwickelung der Verhandlungen gemacht würde." Demgegenüber betonen restlos die gesamten Staatsmänner der damaligen Zeit — einschl. Oberste Heeresleitung —, daß es sich durchaus nicht um einen Friedenssühler gehandelt habe. Klarheit kann wohl nur der Staatsgerichtshos bringen. Wir haben gestern unter „Letzte Nachr." die Stellungnahme des Grafen Wedel ge-^ meldet. Heute liegt eine neue Erklärung des ehemaligen Staatskanzlers Michaelis vor, die dieser gemeinsam mit Generalfeldmarschall von Hindenburg, Ludendorff und dem ehemaligen Staatssekretär Helfferich abgibt, und in der die Haltlosigkeit der Erz- bergerschenEnthüllungendargetanwird. Michaelis erklärt zum Schluß seiner längeren Ausführungen: ' Ich weise somit die gegen mich erhobenen Vorwürfe zurück, in meiner Eigenschaft als Reichskanzler irgend etwas versäumt zu haben, was bei dem Vorliegen einer ernstlichen Ver handlungsbereitschaft Englands hätte zum Frie- den führen können. Desgleichen weise ich die gegen den Feldmarschall von Hindenburg den General Ludendorff und den damaligen Stell vertreter des Reichskanzlers Dr. Helfferich er hobenen Anschuldigungen zurück. Diese Herren waren sämtlich an der diplomatischen Aktion in keiner Weise beteiligt. Sie haben nichts getan, wodurch die auf den Frieden gerichtete Aktion der politischen Leitung in irgendeiner Weise durchkreuzt oder erschwert worden wäre. Mit den genannten Herren spreche ich die Ueberzeugung aus, daß die Herbeiführung einer Aeußerung des früheren Staatssekretärs des Aus wärtigen von Kühlmann, in dessen Händen die diplomatische Durchführung der Aktion lag, die obige Darstellung bestätigen würde. Ich halte mit den genannten Herren diese Aeußerung für nötig, um zur Beruhigung großer Teile des deutschen Volkes beizutragen, die durch die wahrheitswidrige Darstellung des Reichsfinanzministers in Erregung versetzt worden sind. Also nun hat Herr von Kühlmann das Wortl — Richtig ist ja, daß unsere Feinde — England und Frankreich — anstandslos zugeben, im Sommer 1917 garnicht daran gedacht zu haben, gemäß den Forderungen der Reichstagsresolution die Hand zum Frieden zu reichen. — In der „Germania" wird übrigens ein neuer Friedens fühler „enthüllt". Danach sollen die Engländer 1915 durch Dr. Dresselhuys, den Generalsekretär des holländischen Justizministeriums, Friedcnsbe- sprechungen, die den Verzicht auf Belgien voraus setzten, gewünscht haben. IllResiMWMchselinUnMv. Die Wiener Kreise sind durch die neueste Wendung in Ungarn vollständig überrascht worden. Die Ansichten über das, was in der nächsten Zeit zu erwarten ist, gehen infolgedessen außerordentlich auseinander. Wenn die Wiener „Mittagspost" mitteilt, daß Erzherzog Josef in Budapest zum König von Ungarn ausgerufen worden sei, so wird von anderer Seite erklärt, daß der Erzherzog nur ein Platzhalter für König Karl sei, dessen Wiedereinsetzung als König von Ungarn namentlich von England stark gefördert werde. Es herrscht im allgemeinen aber die Ueberzeugung, daß die Betrauung des Erzherzogs mit der obersten Gewalt und die Einsetzung des Ministeriums Friedrich die Vorbereitungen für eine Militärdiktatur sind, die vielleicht schon in den nächsten Stunden installiert werden wird. Es wird jetzt bekannt, daß die Wiedererrichtung der Monarchie in Ungarn von langer Hand vorbereitet war. Noch während der Kommunistenherrschast fanden Beratungen in Budapest und Szegedin statt, in denen alle Pläne bis ins einzelne aus gearbeitet wurden. Es heißt auch, daß sich die Szegediner gegenrevolutionäre Regierung schon vor längerer Zeit die Unterstützung Frankreichs für Erzherzog Karl gesichert habe. Gestern wurde durch die Polizei das weitere Erscheinen der sozialistischen Blätter „Nebszava" und „Volksstimme" eingestellt. Die Persönlichkeiten, die bereits an die Spitze der neuen ungarischen Regierung getreten sind, h".ben in der Geschichte der ungarischen Politik, besonders seit der ersten Revolution eine Rolle gespielt. Amerika gegen Rumänien. Die amerikanische Regierung ist beim rumä nischen Armeeoberkommando wegen der Zurück ziehung der Ungarn auserlegten Waffenstillstands bedingungen eingetrelen und hat mit der Sistie rung aller Zufuhren nach Rumänien gedroht. Die ungarische Regierung stellt sich aus den Standpunkt der passiven Resistenz, da sie die praktische Durchführung der Friedensbedingungen sür gänzlich unmöglich hält. Sowohl das Ab- monlieren der Maschinen als die Wegsührung der Ernte scheitern an dem völligen Kohlenman gel. Auch die Südslawen und die Tschecho- Slowaken sollen dagegen protestiert haben, daß das gesamte Volksvermögen Ungarns den Ru mänen zufalle. Eine Kundgebung ans ungarische Volk. Nach einer Meldung des Ungar. Korr- Bureaus wurde in Budapest eine Kundgebung des Erzherzogs Joses angeschlagen, in welcher es u. a. heißt, es drohe eine Katastrophe, wenn die ungarische Intelligenz vereint mit der nüch ternen Arbeiterschaft und dem ackerbauenden Volke nicht mit starker Hand Ordnung schaffe. Die königliche Fahne auf der Ofener Burg. Aus Budapest wird gemeldet: Die Szegediner Truppen haben die Ofener Burg als Stand ¬ quartier bezogen. Von den Türmen der Ofener Burg weht zum ersten Male seit der November revolution wieder die alte königliche Fahne. — In allen größeren Städten beginnt die Wieder einsetzung der alten königlichen Behörden. — Die „Mittagszeitung" meldet: Ganz Ungarn ist von den Bolschewisten gesäubert. In Waizen und Komorn sind alle Volksbeaustragten von der wütenden Bevölkerung erschlagen worden. Erschießung früherer Volksbeauftragter. Die Rumänen haben in Budapest zwei frühere Vvlksbeaustragte wegen begangenen Raubes an ungarischen Staatsangehörigen in Budapest während der Kommuntstenregierung erschießen lassen. Bei Verwandten Bela Khuns, der vor der Revolution völlig vermögenslos war und von Unterstützungen gelebt hatte, wurden für mehrere 100 000 Kronen Gold und Juwelen vorgefunden. — Die Rumänen haben 14 Wag gons mit Lebensmitteln sür die hungernde Be völkerung Budapests herbeischaffen lassen. Rundschau. Erzbergers Steuerpläue, gegen die sich besonders auch die sächsische Re gierung wendete, haben im Staatenausschuß An nahme gefunden. Der Staatenausschuß hat, wie aus Weimar gemeldet wird, nach heftigem Wi derstreben dieReichsabgabenordnung angenommen, wodurch die gesamte steuerliche Verwaltung von den Einzelstaaten an das Reich übergeht. Die Staatsschuld SachseuS i wird nicht vom Reich übernommen, wohl aber die schwebende Schuld Bayerns, wofür das ! Reich die bayrischen militärischen Liegenschaften j als Eigentum erhält. Von sächsischer Seite ver langt man Aufklärung über diese angebliche Be vorzugung Bayerns. Die Kohlenkorrferenz hat bisher kein Ergebnis gebracht, doch hat die Kohlenkommission unter dem Vorsitz des Arbeits ministers Schlicke mit ihren Arbeiten begonnen. Es wird vor allem in Erwägung gezogen, ohne Erhöhung der Löhne eine Vermeh rung der Arbeitsleistung anzustreben, eventuell aus dem Wege einer besseren Ernäh rung der Arbeiter. Die zweite Hauptfrage, dec sich die Kommission unterziehen will, ist die Schwierigkeit der Waggongestellung. Nach Durch beratung dieser beiden Punkte sollen dem Reichs wirtschaftsministerium positive Vorschläge unter breitet werden. Aus den preußischen und bay rischen Bahnen sind infolge Kohlenmangels be deutende Einschränkungen im Zugs ver kehr angeordnet worden. » Justizminister Harnisch berichtigt die ihm zur Last gelegte Aeußerung betr. die Slcllung der Regierung zur Kriegs gefangenenheimkehr. Wir hatten gestern gleich Bedenken geäußert, daß der Inhalt des betr. Schreibens wohl mißverstanden worden sei. Diese Ansicht wird heute vom Minister bestätigt, der in einem unserem Dresdner Vertreter zur Ver fügung gestellten Schreiben u a. sagt: Daß ein Vater dem eigenen Sohne, nach dessen Rückkehr er sich sehnt, etwas so Törichtes nicht geschrieben haben wird, sollte kaum der näheren Darlegung bedürferj Wie der Irrtum entstanden ist, ins besondere, ob etwa die Zensur erbitterte Worte eines Briefes von mir verdreht hat, vermag ich natürlich nicht einmal zu erraten Wahr ist aber genau das Gegenteil dessen, was ich geschrieben haben soll Steuerstreik in Bayern? Die Unabhängige sozialdemokratische Partei - in Bayern plant angeblich einen Steuerstreik ! Ueber die Art und Weise, wie dieser Streik durch- j geführt werden soll, ist aber Näheres nicht be kannt. Wiederaufnahme des internationalen Eisenbahnverkehrs. In Paris tagte eine interalliierte Konferenz über Wiederaufnahme der Verkehrsbeziehungen der Entente zu Mitteleuropa. Es soll die West- Ost-Verbindung, wie sie 1914 bestand, wieder hergestellt werden. Oesterreichs Protest gegen den Gewaltfrieden ist gestern in St. Ger main überreicht worden. Die Antwort weist auf das Undurchführbare der Forderungen der Alliierten hin. Choleraepidemie in Petersburg. Nach Petersburger Meldungen ist die Choleraepidemie im Steigen begriffen. Bisher sind 60 bis 70 Fälle täglich zu verzeichnen. In folge Mangels an Aerzten und Desinfekttons material wird eine weitete Ausdehnung befürchtet. Sie NmögtMMe in -er MliMlmsWmlttU Weimar, 7. Aug. Präsident Fehrenbach eröffnet die Sitzung. Erster Gegenstand der Tagesordnung ist die Interpellation der Abg. Dransfeld (Zentr.) und Gen. betreffend Entlassung der Frauen bei der wirtschaftlichen Demobilmachung. Geheimrat Dr. Triburtius erklärt, die Re gierung werde die Interpellation später beant worten. Auf Grund dieser Erklärung wird die Interpellation abgesetzt. Es folgt die zweite Beratung des Gesetzes über eine außerordentliche Kriegsabgabe. Der grundlegende Paragraph 1 wird ohne Erörterung angenommen, ebenso die Paragraphen 2 bis 12. Zu § 13, der die Steuersätze festsetzt, i verlangt ein sozialdemokratischer Antrag eine Erhöhung. Abg. Dröner (Soz.) begründet den Antrag und sagt, was den Schiebern in der Form von Steuern abgenommen wird, braucht von der Masse der Bevölkerung nicht aufgebracht zu werden. Abg. Becker (Dtsch. Vp.): Die Steuer trifft auch die ehrlichen Geschäftsleute und bedeutet schon qwch der Vorlage eine Blutentziehung, welche die Grenze des wirtschaftlich Möglichen überschreitet. Abg. Wurm (Unabh.): Nach diesem elenden Krieg hat keiner mehr ein Anrecht, aus dem Kriege noch ein Mehreinkommen davonzutragen, das muß bis auf den letzten Pfennig weggesteuert werden. s Nach einer weiteren Bemerkung des Abg. Dr. Heim (Zentr.) wird der sozialdemokratische Antrag ubgelehnt und 13 in der Ausschuß- sassung angenommen. Ebenso werden die 16 bis 22 nach unerheblicher Debatte in der Ausschußfassung angenommen. Bei 8 23 wird ein demokratischer Antrag hinzugefügt, welcher den Genossenschaften die Abstoßung von Kriegs anleihe erleichtern soll. Die übrigen Bestimmun gen des Entwurfes gelangen nach unwesentlicher Debatte zur Annahme, womit die zweite Lesung der Vorlage beendigt ist. - Es folgt die zweite Lesung des Gesetzes über eine « Kriegsabqabe vom Vermögenszmvachs. Abg. Dr. Ricßer (Dtsch. Vp.): Keine Partei und keine Fraktion im Hause wird sich- der Pflicht entziehen, dem Reiche in seiner schweren - Notlage das Notwendige zu geben; lediglich ! darum geht der Streit, wie weit man die Gren- ! zen der Besteuerung abstecken will. tz 6 bestimmt, welche Beträge von dem zu besteuernden Vermvgenszuwachs abzuziehen sind. Ein Antrag Gothein (Dem.) sieht den Abzug einer Summe vor, welche im Todesfälle des sonst Abgabepflichtigen an die Familie gekommen Krauentieöe. Nomau von Clara Aulepp-StübS. 44 Da sah er sie groß an, schmieg aber nun auch. Gedanken fuhren ihm durch den Kopf, sehr sonder bare Gedanken. Und dann Abends, in seinem Restaurant sitzend, nahm er sein Leibblatt vor und vertiefte sich vor allem in die Verhandlungen des großen Frauenta ges und seine Erfolge. Bald nickte er, bald schüt telleer mißbilligend das Haupt und schließlich legte er das Blatt mit einem tiefen Aufseufzen beiseite. In seinem Innern regten sich Konflikte, zum ersten Male in seinem Leben dachte er ernstlich über das Rätsel „Weib" nach. — In der Nacht schlief er schlecht. Der Winter kam und, und der erste schöne Früh lingstag führte Frau Lotti Nia Forster mit ihrem nunmehrigen Gatten zu. Im Speisezimmer war die kleine Tafel reizend gedeckt. Ihr Leid tapfer unterdrückend, war die Hausfrau nur darauf bedacht, dem jungen Paare es nicht merken zu lasse», wie sich ihr armes Herz immer wieder in stummer Qual zusammeuzog. Als Heinz jetzt lächelnd und wichtig seiner Nia die duftenden Maiblumen, die sie zwischen ihrer Serviette fand, in den Gürtel steckte, da meinte Lotti aber doch laut aufschreieu zu müssen vor Schmerz. Ach — so — gerade so, tat es — Gio — „Fred!" Mit einer leidenschaftlichen Mischung von Leid nud Freude streckte sie dem in demselben Augenblick auf dem Arme der Amme sich präseu- tierendeu Kindchen die Arme entgegen. Und der Kleine strebte janchzend zu ihr hin. ' Als sie ihn nahm, schmiegte er sein Gesichtchen an ihre bleiche Wange und patschte mit den Grüb- thenhändcheu ihr schmales Gesicht. Da rötese es sich leise und in die Augen kam ein warmes Licht, so von innen heraus. Die schlanke Gestalt richtete sich kräftiger auf; der Knabe war schwer. „Ist er nicht prächtig? Ria, Heinz, seht ihn doch nur an!" Und Ria und Heinz bewunderten das bild hübsche Kind, auf dessen Köpfchen sich bereits dunkle Löckchen krausten. Lotti drückte die Lippen hinein, und noch lange danach, als der Knabe fortgetragen war, lag der Abglanz stiller, heiliger Frende ans ihrem feclen- oollen Antlitz. Etwas unbeschreiblich Hohes, Edles lag in ihrem ganzen Wesen. Als sie nach dem Essen hinüber ins Wohnzim mer gingen, legte Ria den Arin uin Lottis Schul tern. Ihr Herz war zu voll, sie konnte nicht anders, die Worte drängten sich ihr förmlich auf die Lip pen: „Lotti, Lotti, wie bewundere ich Dich I Was bist Du groß uud starkl" „O, still, still, rühre nicht daran!" Eine feste, kleine Frauenhand preßte sich auf Nias Lippen. Ein Paar flehende Augen tauchten in die ihren. Da sagte sie er schrocken: „O, vergib!" unddaun sprudelte sie in größter Hast allerlei Reiseerlebnisse hervor uud sah hilfesuchend sich nach ihrem ManNe um, der sie allein gelassen hatte, um einer even tuellen Aussprache der beiden Frauen nicht im Wege zu stehen. Aber Lotti, ach, Lotti, war ja jetzt so ganz an ders — mit ihr konnte man ja gar nicht sprechen, dachte die kleine Frau und schmiegte sich wie erlöst in die Arme des bald wieder Eintreteudeu. Gleich nachdem ihre Gäste sie verlassen hatten, stieg Frau Lotti die Treppe nach ihrem Zimmer empor. „O,nur einen Augenblick Nnhe," dachte sie, mit prüfendem Blick ihren Schreibtisch musternd, auf dessen Platte manch Schriftstück ihrer Unterschrift harrte; „nur eineu Augenblick erst Nnhe." Sie hatte sich für stärker gehalten, als sie war. Die Tragik der tief einschneidenden Erlebnisse, die ihr Herz zerrissen, ihrem Weibempfinden aber den unanslöschlichcn Stempel ernsten, stillen Entsa gens aufgedrückt hatten, kam ihr wieder zum schmerz vollsten Bewußtsein. Nein und nein uud nein! Sie wollte nicht da ran denken. Aber sie wollte sich auch nicht selbst betrügen. Etwas in ihr mar todwund und würde es blei ben. Doch daneben war der frische Quell, der un ablässig strömte und sie zn Handlungen trieb, die die Menschen bewunderten. Doch was tat sie denn Großes ? Sie tat mir ihre Pflicht. Und die wollte und mußte sie tun. Das war so selbstverständlich. Aber ihr Herz würde immer weh tnu, immer schmer zen. Die Marterwerkzeuge aus der Folterkammer des Schicksals hatten es zerfleischt. Vielleicht — wenn der Quell stärker würde—, daß er die Wun den kühlte, die so brannten. Lotti weinte nicht. Sie starrte nur mit brennen den Augen auf den Hasen, in den lachenden Früh- liugssounenschein hinaus. Majestätisch glitt ein Kriegsschiff vorüber. Die Wasser rauschten run den Kiel. Sie saugen wohl ein Abschiedslied? Lotti öffnete das Fenster und lehnte den blon den Kopf weit hinaus. Auf Deck bewegten sich un zählige Gestalten von Marineinfauteristen. Und jetzt klang es deutlich herüber: dann denk ich an mein fernes Lieb." Jäh schloß die Frau das Feilster, nur nicht weich werden, nicht weich. Sie warf das Haupt empor, würgte dasSchkuch- zen hinunter und setzte sich an den Schreibtisch. Ihre Feder flog über das Papier. Einige Minuten spä ter trat sie aus Telephon und wieder einige Mi nuten später stand Herr Direktor Bogt vor ihr. „Die Sache mit der Krankenkasse und hier mit den Larsens — bitte, daß dies gleich geordnet wird!" Und so geht es weiter und weiter, ganz ruhig im verbindlich geschäftsmäßigen Ton, mit einem Me tallklang in der sonst so weichen Frauenstimme, daß dem großen, kräftigen Mann ein leises Frö steln über den Rücken läiift. Und jetzt fragt die Stimme wieder: „AlsoDiens- tag kann der Stäpellauf stattstnden?" „Ja, Dienstag!" Daun etwas zaghaft, als ob er fürchte, eine schmerzende Wnuüe mit der Frage zu berühren: „Und wie wollen Sie das Schiff neunen?" Da hob sich der über die Papiere gebeugte Kopf, zwei blaue Angen sahen ihn groß au. „Ich werlu das Schiff „Fred Aruheim" nennen." Er schaute erschrocken auf sie nieder. „Ich dachte —" Sie winkte ihm mit der Hand ab. „Es war nie der Wunsch meines Mannes —also lassen wir da! — ich werde selbst die Tanfe vollziehen." Herr Direktor Vogt strich sich draußen im Ve stibül mit der weißen, kräftigen Hand Uber di» Stirn, das Frösteln war verschwanden, ihm war jetzt heiß geworden. — O, diese Frau, diese Frau. .. 14. Kapitel. „Glauben Sie es doch, gnädige Frau! Der Herr Kommerzienrat wird es gewahr nnd freut sich da rüber," sagte Klaus voll Ueberzeugung und sah Frau Lotti erwartungsvoll an, „es beobachtet ihr doch keiner so wie ich, der ich den ganzen Tag um ihn bin." „Ja, ja, Klaus, das weiß ich wohl. Aber es ist zu gefahrvoll, deu Krauten einer Aufregung auS- znsetzen. Bedenken Sie —" Frau Lotti wandte das erblaßte Gesicht ab. „Der Herr Kommerzienrat ist doch jetzt nicht mehr so krank Ivie damals," wagte der treue Alte leise einzuwenden, „und führt ein so trauriges Le ben. Ach, seine Augen wandern so Vst über das Wasser und es liegt so was driun dann —es könnte einem wahrhaftig auch noch das Wasser in die Augen treiben." „Mit dem Doktor haben Sie gesprochen?" fragte Lotti sinnend. „Ja! Ec meinte, für alle Fälle sei ec ja auch dort." „Nun — dann wollen wir es tun. Und ein gü tiges Schicksal mag geben, daß es gilt ablänft. — Ich will jetzt hinein zu ihm." 219.17
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