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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 17.07.1919
- Erscheinungsdatum
- 1919-07-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191907173
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19190717
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19190717
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1919
-
Monat
1919-07
- Tag 1919-07-17
-
Monat
1919-07
-
Jahr
1919
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 17.07.1919
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GW Schritt des früheren fSchfischen Königs. Friedrich August hat von Sybillenort aus au den König von England folgendes Telegramm gerichtet: „Ein. Majestät werden verstehen, das; ich und die Prinzen meines Hauses als deutsche Fürsten und Offiziere ebenso wie wir in den Zeiten des Glückes treu zu Kaiser und Reich gestanden haben, so auch in dieser Zeit schwerer Prüfung an der Seite unseres Kaisers und Bun desgenossen zu stehen wünschen. Wir erwarten von dem christlichen Gerechtigkeitsgefühl Euer Majestät, daß Euer Majestät Ihren Einfluß da hin geltend machen, daß auf das Verlangen der Auslieferung des Kaisers nicht weiter bestanden wird. Der Standpunkt der deutschen Regierung. Der Pariser Korrespondent der „Chicago Tri bune" bespricht die Haltung der deutschen Ne gierung hinsichtlich" des Prozesses gegen Wil helm ü. Die deutsche Regierung hat erklärt, daß man sich strikte an den Friedensvertrag halten werde, welcher Deutschland nicht verpflichtet, bei der Auslieferung der Vorgerichtstellung des Kaisers behilflich zu sein. Die Regierung be trachtet Wilhelm von Hohenzollem als einen Privatmann, der Deutschland verlassen hat und sich nicht mehr unter ihrer Rechtshoheit befindet. — Eine Bestätigung dieser Meldung liegt noch nicht vor, es' ist aber anzunchmcn, daß die Re gierung die darin zum Ausdruck gebrachte Stel lung einnimmt. Rundschau. Der Heimat zu. „Daily Mail" meldet: Der Abtransport der deutschen Kriegsgefangenen aus England beginnt am 18. Juli. In den ersten 11 Tagen werden 52 000 deutsche Kriegsgefangene befördert wer den. — Nach einer Drahtmeldung ist der Damp fer „Prinzessin Matoika" mit 1900 deutschen Zi vilgefangenen aus Amerika in Rotterdam ein getroffen. Der Wiederaufbau. Bei den mündlichen Verhandlungen in Vcr- faillcs wird seitens der Alliierten ein sehr ver bindliches Wesen zur Schau getragen. In fach licher Hinsicht ist jedoch noch in keiner Weife ein Entgegenkommen festzustellen gewesen. Die En- tentevertreler bestehen scharf auf der Durchfüh rung aller Paragraphen. Insbesondere wird er heblicher Wert auf die baldige Gestellung von freien Arbeitern für den Wiederaufbau der zer störten Gebiete gelegt. Die Entente hat unzwei deutig zum Ausdruck gebracht, daß sie es für eine Pflicht der deutschen Negierung hält, mit allen Mitteln das Volk anzuhalten, das; es den Wiederaufbau übernimmt und eventuell Zwangs maßnahmen anordnek. Auch ans die im Vertrag vorgesehene Lieferung der Tiere und Kohle wird großer Wert gelegt. Die deutschen Delegierten- sind eifrig bemüht, in dieser Beziehung Erleich terungen durchzusetzen. Die LebenSmittelei«f«hr aus dem besetzten ins unbesetzte Gebiet ist feit gestern nachmittag freigegeben word'en. Die Folge Ivar ein gewaltiger Preissturz auf allen Gebie ten. — Deutsche schiffe dürfen auch künftig noch keine Reife mache», zu der die Entente ihre Ge nehmigung nicht erteilt hat. — Der Dampfer „Mara" ist am Montag als erster Holländer ohne Kontrolle im Hamburger Hasen mit Stückgut (Lebensmittel) eiugelrossen. — Durch Auslösung der <2. S. S. ist die schweizerische Ausfuhr von allen Fesseln befreit. Die Ausfuhrverbote für über 500 Gegenstände fallen damit weg. Die wirtschaftliche Lage. Der preußische WirtschaftSminisler Braun bat dem Ncichökabinett eine längere Denkschrift über die Lage der deutschen Wirtschaft überreicht und zur Hebung der stark gesunkenen Produktion eine Vermehrung der technischen Hilssmittel und eine bedeutende Einschränkung der gebun denen Wirtschaft bezüglich der Landwirtschaftscrzeugni s ße g e - fordert. Das Ende des BerkehrSftreilS. Berlin hat endlich wieder fein gewohntes Aus sehen erhalten. Die verschiedenartigsten Fuhr werke, die in den letzten Tagen zur Beförderung der Personen dienten, sind aus dem Straßen verkehr verschwunden und alle Verkehrsmittel sind wieder wie in normalen Zeiten in Betrieb. Für die Straßenbahner bedeutet der Abbruch des Streiks, den wir bereits in einer gestrigen Teil anflage meldeten, eine schwere Niederlage und einen recht fühlbaren Verlust, da sie den Lohn für 14 Tage cinbüßen. LandarVeiterstreitS sind zurzeit in vielen Gegenden des Reiches aus gebrochen, so in Pommern, der Königsberger Gegend und im Kreise Bielefeld. Regierungs- truppcn sorgten in der Mohrunger und Stettiner Gegend für Aufrechterhaltung der Ordnung. — Die Vertrauensmänner der Stettiner Gewerk schaften haben gestern nach längeren Verhand lungen gegen wenige Stimmen beschlossen, heute früh in den Generalstreik zu treten, um den kommandierenden General zu zwingen, nicht nur den Belagerungszustand aufzuheben, fondern auch das Streikverbot für die landwirtfchaftlichen Arbeiter zu beseitigen. Deutschösterreich vor einer Hungersnot. Die Ernährungslagc DcutschösterreichS steht wieder vor einer Katastrophe, falls die Verhand lungen über eine weitere Krcditertcilung feilens der Entente nicht ein baldiges Resultat ergeben. Jetzt sendet die Entente nur noch Mehl und Ge treide, die früheren Zufuhren von Fett, konden sierter Milch und Hülsenfrüchtcn sind bereits ein gestellt. Seit Juni fehlen auch die Zufuhren an Getreide und erreichen jetzt kaum die Hälfte des Bedarfs. Ein Umschwung in der tschechischen Politik. Die deutschfeindliche Politik der tschecho-slo- wakischen Republik ist nach einer Meldung der Prcßinformakion aus Prag beseitigt. Die sozia listischen Tschechen beschlossen einstimmig, mit Deutschland und Oesterreich schnell zu guten Be ziehungen zu gelangen. Politisch wie wirtschaft lich sucht die Tschecho-Slowakci Annäherung an Deutschland, weil dadurch ihre Existenzmöglich- keit Praktisch beginnt. Der Vormürsch auf Budapest hat begonnen. Die Ententetruppen vor Budapest sind 50 000 Manu stark. Der konzentrische Vormarsch aus Budapest hat begonnen. Die deutschfreundliche Schweiz» t Der Etzef der schweizerischen Abordnung in Paris erklärte, verschiedenen Blättern zufolge, daß die Schweiz, Iven» die Zulassung Deutsch lands zum Pölwrbunde nicht erfolge, aus ihre Mitgliedschaft verzichtet. Ein amerikanischer Kredit für Deutschland? Der „Nienwe Rotterdamsche Courant" sagt in seiner finanziellen Wochenübersicht, daß Deutschland um seine Devisenkurse nicht mehr bange zu sei» braucht, nachdem Amerika be schlossen hak, ihm zum Einkauf seiner Rohmate rialien und zur Wiederherstellung der industriel len Tätigkeit einen Kredit von einer Milliarde Marl einzuräumen. Italiens Kriegsschäden. Die Turiner „Stampa" beziffert die wirt schaftlichen Schäden Italiens während des Welt krieges ans rund l>5 Milliarden Lire. Ter„Eor- riere della Sera" meldet: Tie Skaatssteuern sol len um 550 Prozent erhöht werden. Harakiri für das Vaterland. „Limes" meldet aus-Newyork, daß der chine sische 'Präsident einer Abordnung von chinesischen Patrioten erklärte, daß China den Friedensver trag unterzeichnen müsse. Hierauf versuchten ver schiedene Mitglieder der Deputation, die sich aus Kaufleuten, Lehrern und Studenten zusammen setzte, als Protest gegen die Zuweisung Schau- tungs an Japan in Gegenwart des Präsidenten der chinesischen Republik Selbstmord zu begehen. Bevor es die Palastwache verhindern könnte, ge lang es drei Mitgliedern der Abordnung, sich schwere Verwundungen beizubringcn. Die RtWtWMMtllstem. Wie unser Dresdner Vertreter über die Be sprechung des Reichsfinanzministers mit den ein zelstaatlichen Finanzministern in Weimar an zu ständiger Stelle erfährt, geht' der Plan der Neichsregicrung dahin, die Einkommensteuer nach einheitlichen Grundsätzen auf Grund eines NcichS- etntommcnsteuergefetzes durchzuführen, durch welches das ganze Einkommen bis zur äußersten Grenze der Erträglichkeit ersaßt wird. Den Ein zelstaaken und den Gemeinden bleibt alsdann keine Möglichkeit mehr, das Einkommen zu be steuern,- das wird ihnen wahrscheinlich auch aus drücklich verboten werden. Auf diese Weise soll vor allen Dingen eine v o l l st ä n d i g e Glei ch heit der B e I a st u n g und eine Beseitigung der Steueroasen herbeigcsührt wer den, die dadurch entstehen, daß ein Staat oder eßie Gemeinde weniger belastet ist als andere. Zu diesem Zwecke wird geplant, die ganze Steuererhebung auf ncueinzurichkende Reichs- st c ucrbehörde n zu übertragen, an deren Spitze eine Ncichszentralbchördc stehen - wird. Dieser Oberbau soll sich auf einen Unterbau anfbauen, der dem jetzigen ungefähr angepaßt werden soll. In den Bundesstaaten sollen L a n- d e s f i n a n z ä m t e r errichtet werden, die sich nach der Art der Steuern in einzelne Abteilun gen gliedern. Die bisherigen Meldungen aus Weimar über die Neichseinkommensteuer geben durch die Bemerkung. Anlaß zu Mißverständnis sen, daß das Interesse des Reiches an dem steuerlichen Einkommen mit 75 Prozent zu be messen sein werde. Das kann so verstanden wer den, als wenn das Reich 75 Prozent von der Neichseinkommensteuer beanspruche. DaS trifft nicht zu. DaS Reich beansprucht vielmehr 75 Prozent vom Gesamkaufkounnen aller Steuern, nicht bloß der Einkommensteuer. Von der Reichs- einkommenstener wird für das Reich unr ein kleiner Betrag in Frage kommen, wahrscheinlich noch nicht einmal 25 Prozent. Die Bedenken der Einzelstaaten, die gegenüber dem Plane der Ncichsregieruug in Weimar erhoben Morden sind, richteten sich vornehmlich gegen die Erhebung der Einkommensteuer durch NeichSbehörden. Die Ein- zelstaatcn wollten die LandeSstenerbehördcn bc- -meben lassen. Ferner wurden auch Bedenken geltend gemacht gegen das Prinzip der Rückver gütung. Die einzelnen Staaten und Gemeinden sollen diejenigen Beträge zurückerhalten, die vom Reiche nicht in Anspruch genommen werden. H i e r g e g e n bat sich insbesondere der säch sische F i n a n z m i n i st e r N i tz s ch e ge - w audt und aus die Folgen sür Staat und Memeiudeu biugewiesen, wenn bei der Rückver gütung keine Rücksicht auf den Bedarf und die Kulturaußmbeu von Staat und Gemeinden ge nommen würde. Beschlüsse über den Plan des Neichsfinanzministers sind in Weimar noch nicht gefaßt worden. Die Besprechung hat sich in der Hauptsache daraus zugespitzt, daß entweder die Neichseinkvmmeusteuerbchörden kommen oder die Landessleuerbehörden bleiben, aber unter eine scharfe Kontrolle des Reiches gestellt werden. Die Kontrolle deS Reiches soll dahin gellen, daß die Steuer auch wirtlich einheitlich erhoben wird, und daß die Steuerguellen wirklich voll ausge- schöpst werden. Den Einzelstaaten und den Ge meinden sollen die Grund- und die -Gebäude« steuer, die Gewerbesteuer und die Lustbarkeits« abgaben verbleiben. Gegen die Reichseinkom mensteuer hat daun niemand mehr Bedenken er hoben, wohl aber gegen die Erhebung der Steuer durch Reichsbehördcu und gegen die völlige Be seitigung der Steuerhoheit der einzelnen Staaten und gegen das System der Rückvergütung. DtttsHt MfMllttsMMW. W e i m a r , 15. Juli. Präsident Fehrenba ch eröffnet die Sitzung. Abg. Thiele (Soz.) stellt eine Anfrage über das von den Verwertungsstellen veräußerte Hecresgut, das dem Schleichhandel Vorschub leiste und das Erzielen beträchtlicher Zwischen« gewinne ermöglicht habe. — Ein Vertreter des Neichsschatzamtes erteilt Auskunft, wonach die Zwischengewinne sich in erträglichen Grenzen be wegen und teilweise der Fiskus an dem Ver dienst beteiligt werde. Das Haus nimmt sodann die Wahl eines Vizepräsidenten der Nationalversammlung vor an Stelle des ausgeschiedenen Unkerstaatssekretärs Schulz (Soz.). Abg. G r ö b e r (Zentr.) tritt für Wahl durch Zuruf ein und schlägt, da kein Widerspruch er folgt, den Abgeordneten Löbe (Soz.) als Vizepräsidenten vor. Die Wahl erfolgt ein stimmig. Es folgt die Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für die Wahlprüfungen im Re gierungsbezirk Düsseldorf. Der Ausschuß hat teilweise Nachwahl vorgcschlagen. Abg: Spahn (Zentr.) beantragt Zurück verweisung an den Ausschuß, die mit Mehrheit erfolgt. Darauf setzte das Haus die zweite Beratung des Versassnngsentwurfcs mit dein zweiten Haupttcil, Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen, fort. Artikel 107 bestimmt einleitend: Die Grundrechte und Grnndpflichten bilden Richtschnur und Schranken für die Gefetzgebung, die Verwaltung und die Rechtspflege im Reiche und in den Ländern. Abg. Dr. Luppe (Dem.) beantragt eine Aenderung dahin, daß die Grundrechte und Grund- pstichten nur Richtlinien, nicht auch Schranken sein sollen. Abg. G r ö b e r (Zentr.) und Dr. K a h l (Tisch. Vp.) beantragen die Streichung des Ar tikels I07, die nach längerer Aussprache erfolgt. Um Adel, Ordens- und Ehrenzeichen. Artikel l08 bestimmt: Alle Deutschen sind v o r d e m Gesetz glei ch ! Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staats bürgerlichen Rechte und Pflichten. Oesfentlich- rechttiche Vorrechte und Nachteile der Geburt oder deö Standes bestehen nicht, Adelsbe - z e i ch n u n g e n gelten nur als Teil des Na mens und dürfen nicht mehr verliehen werden. Titel dürfen nur als Amts-oder Berufsbezeichnuug angesehen werden. Akademische Grade sind hierdurch nicht betroffen. Orde» u n d E b r e n z e i ch e u dürf e n v o m Staate ni ch t verlieh e n w e r d e n. Kein Deutscher darf vou eiuer amKändischen Regierung Titel und Orden anneymen. Abg/.H e i u z e (Ttsch. Vp) und Gen. be antragen die Streichung sämtlicher Bestimmun gen über die Adelsbezeichnungen, Titel, Orden und Ehrenzeichen. Abg. Frau Agnes (llnabh.) und Gen. beantragen: Ter Adel ist abgeschasft. Vorrechte oder Nachteile, also nicht nur öffentlichrechtliche, der Geburt oder des'Standes bestehen nicht. Ferner Motten sie im zweiten Satz des Entwur fes das Wort „grundsätzlich" streichen. Abg. A u e r (Soz.) und Gen. beantragen gleichfalls die Abschaffung deS Adels und die Kraitensieöe. Roman von Clara Aulepp-StübS. L4 Ihr Mann war Fischer. Die beiden hatten viel ju früh geheiratet. Kaum war er militärfrei und sie siebzehn Jahre, da verließ sie ihren Dienst, um chm in das kleine Strandhans zu folgen. Er Halle sich beim Militär nicht immer tadellos zestthrt, war ost in halber Trunkenheit von seinem Urlaub znrückgekehrt. Man hiuterbrachte es seinem Mädchen, warnte sie — vergebens, sie war nicht imstande, sich von dem großen, hünenhaft gebau ten Burschen mit dem krausen Blondhaar abzu wenden. Sie dachte: „Es wird schon gehen I" Und es ging auch — anfangs sogar ganz gut, da sie für ein großes Konfektionsgeschäft nähte und er auch fleißig war. Nur zuweilen, wenn er heim kam, sein Mahl verzehrt hatte und mm, die kurze Pfeife imMund, mit seiner Liese,,plauschcn".wollte, die Nähmaschine aber auch nicht einen Augenblick still stand, fuhr er auf: „Dunnerslag! Möt denn dat sin? Kannst woll Feierawend niaken, Frul" „Jenn, dat kann ick «ich! Ick mutt dat doch awlewern," antwortete dann wohl ruhig die Frau. „Düwel ok! So kühn hei sick annere nehmen I" „Nee, ick mött verdeenen!" Liese Larsen hatte es mit einem merkwürdg festen Ton gesagt, der durchaus nicht unfreundlich klang und welchen ihr Manu schon au ihr kannte. „Les mal 'n beten dei Kieler Zeitung vör", bat sie dann und Jürgen Larsen hatte dann auch schließ lich ihr den Willen getan, während seine Frau flei- sig nähte. Als dann jedoch ein Kindchen geboren wurde, dann im zweiten Jahre noch eins folgte, verdop pelte die junge Fran ihren Fleiß, denn die Wirt schaft wollte besorgt, Mann und Kinder aber ge pflegt sein und sie ließ es an nichts fehlen, rackerte sich ab, entzog sich selbst die besten Bissen und steckte siedem Männin die weiten Joppentaschen,wenn er fortgiug. Sein Verdienst war oft recht kärglich, na, und wenn er daun mißmutig und durchfroren heim kehrte, Iver wollte es ihm verdenken, wenn er erst, mal in der Kantine einkehrte und einen zu sich' nahm? Er hatte es seiner Frau fest versprochen, daß es eben nur bei diesem einen bleiben sollte, aber sie sagte sich nach einiger Zeit doch mit einem schweren Seufzer: „Ward Hollen iS nich bi ein!" Nach einigen Jahren hatte sich die Familie wie der um zwei Köpfe vergrößert. Frau Larsens Ge sicht war krankhaft blaß und schmal geworden, keine Spur vou Jugendfrische lag mehr auf demselben. Gegen ihren hünenhaften, kräftigen Mann, dessen stark gerötetes, aufgedunsenes Gesicht seltsam ge gen das ihre abstach,'sah sie fast wie ein Zwerg aus. Sie schaffte unermüdlich. Betty, das älteste Mädchen, nahm ihr die Arbeit für die zwei kleine ren Geschwister schon fast ganz ab, sie wusch und kleidete sie, kochte den Brei und fütterte sie. Sie trug d-nn auch schon die Zeitungen aus, während Hinrichsen, der sehr schwächlich war und nicht in das rauhe Wetter hinaus durfte, der Mutter half. Er nähte schon als Achtjähriger die sämtlichen Knöpfe, Haken und Oesen an dw einfache Kil.der- garderobe, die die Mutter verfertigte. Dadurch gewann diese ivieder mehr Zeit. Bei aller Armut wäre Frau Larsen glücklich ge wesen, wenn das Schicksal ihr «licht eine furchtbare Bürde auferlegt hätte. Erst leise, dann immer lau ter raunte man sich zu: „Der Larsen trinkt!" Von der Frau selbst erfuhr niemand etwas. Man sah sie auch kaum. Betty besorgte die not wendigen Einkäufe für den Haushalt, und die Frau lieferte nur ihre Arbeit ab und holte sich neue, lind da saß sie dann mit so fest geschlossenen Lip pen in der Kajüte deS Verkehrsdampfers, sah so verhärmt und bleich auS, daß selbst rohe Naturen eine instinktive Schen davon zurückhielt, zu fragen. Schließlich hatte man sich daran gewöhnt, Lar sen fast stets halb betrunken zu sehen. Wie die Frau mit ihm fertig wurde, wußte kein Mensch. Lotti hatte der Familie reiche Gaben an Klei dungsstücken für die Kinder, Eßwaren und der gleichen ins HauS gesandt, doch alles direkt von den Geschäften besorgen lassen, kein Dienstmäd chen geschickt. Sie nahm sich wohl hundertmal vor, selbst zu Frau Larsen zu gehen, doch hielt eine nicht zu Überwindende Scheu sie zurück. Sie empfand ein Grauen vor dem Hanse, als ob es etwas sie direkt Angehendes, Entsetzliches in sich berge. Die ersten Monate ihrer Ehe waren auch nicht ganz wolkenlos gewesen. Giovanni kränkelte, hu stete viel und klagte über Eingenommenheit des Kopfes. Im Februar mar er tagelang nicht ins Kontor gegangen, hatte in seinem Arbeitszimmer, das neben Lottis kleinen; Wohngemach lag, die Meldungen entgegeugenommen und das meiste von hier aus erledigt. Und wie das so gekommen war, wußte die junge Frau selbst nicht, sie saß allmäh lich mehr an Giovannis Schreibtisch als er. Mit finster umwölkter Stirn kam wohl derKom- merzienrat zuweilen herein und fragte nach Gio vannis Befinden, und Lotti war froh, wenn es dann bei, der gereizten Stimmung, in welcher sich beide Männer befanden, nicht zu einer heftigenAns- sprache kam. Sie fürchtete sich persönlich zwar vor ihrem Schwiegervater durchaus nicht, allein um Giovannis willen, um ihn vor Aufregung zu be wahren, tat sie ihr möglichstes, eine solche zu ver hüten. Ihre Mutter stand ihr redlich zur Seite. Ihr liebes, stilles Walten, ihre verständnisvolle Sorge tat Lottis bedrücktem Herzen ungemein wohl. Fran Doktor Falks Zartsinn verbot ihr, mit ihrer Toch ter über ihres Mannes Verhalten zu sprechen, nur seinen Gesundheitszustand erwähnte sie manchmal und vertröstete Lotti auf das nahende Frühjahr, vor dessen warmen Tagen sicher der hartnäckig« Katarrh weichen würde. „Wenn es nur nicht mehr ist als ein Katarrh!" „Aber, Kind, Liebling, wer wird sich so ängsti gen. Bei dem ewigen nassen Wetter haben so viele Leute den Husten!" „Ja doch, Mutti, ich will ja auch ruhig sein!" Mit weilen, in die Ferne schauenden Blicken stand Lotti am Fenster und zerdrückte mit der Wim per die heiße Träne, die ihr ins Auge getreten war. O, von der Angst, Lie gleich deu Fangarmen eines Ungeheuers ihr Herz umklammert hielt, konnte, durste sie ihrer Mutter ja nichts sagen! Und so trug sie die Qual still für sich und an jenem Märztag, wo der graue Wolkenhimmel dicht über der Föhrde hing und ein feiner Sprühregen aus demselben niederrieselte, hing sie die dicke, wasserdichte Lodenpelerine um, zog die Kapuze über den blonden SchAtel und ging zu Liese Larsen Ein ganz eigenes Gefühl von Scheu und Ver langen drängte sie plötzlich zu diesem Schritt. Sii wollte einmal der Frau ins Antlitz sehen, die so schweres trilg—'und wie trug? Sv still und ohm Klage! Nach etwa zehn Minuten hastigen Gehens stand sie vor der Tür des Hänschens. Vom Wasser hei kam ein Windstoß und preßte ihr die Kleider an den Leib, der stärker werdende Regen schlug ihr ins Gesicht; sie mußte einen Moment lang die Augen schließen. Und plötzlich klopfte ihr das Herz. Es hämmerte wie rasend, so schnell, so bang, und ihr wurden die Glieder so schwer. Sie stand wie eine Verbrecherin vor dein arm seligen Hänschen. Was wollte sie hier? Was trieb sie her? — Der Drang zu helfen? „Ja, ja!" sagte sie ganz laut zu sich selbst, als wenn sie damit die leise, innere Stimme übertün- beu wollte, die ihr noch etwas sagte. „Nein, »lein, das ist nicht wahr, nicht wahr!" Sie preßte die Hände an die Schläfen, ließ sie wieder sinken und stieß die Tiir auf. Indem mit roten Backsteinen gepflasterten klei nen Vorraum war niemand, aber durch die Tiir rechts drangen Stimmen. Dort klopfte sie an. Es erfolgte kein „Herein", doch die Tür wurde geöffnet »md Betty schaute heraus. Sie fuhr hastig mit einem Gesicht, auf dem sich Freude und Schrei» ken zugleich ausprägten, zurück. „Mndiug, de leiwe gnädige Fru Grief sie mit gedämpfter Stimme in die Stube hinein. Da wurde drinnen hastig ein Stuhl gerückt, Frau Larsen trat auf die Schwelle und sprach: „Bitte, »vollen Sie nicht nähertreten? Kann ich Ihnen mit irgend etwas dienen?" 2l9,17 Die Fran sprach jetzt hochdeutsch. „Ich habe Ihnen für so viel zu danken!" Die letzten Worte wurden zögernd gesprochen, sie klangen fast herb.
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