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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 17.06.1919
- Erscheinungsdatum
- 1919-06-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191906175
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19190617
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19190617
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1919
-
Monat
1919-06
- Tag 1919-06-17
-
Monat
1919-06
-
Jahr
1919
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 17.06.1919
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Der Vst« Md mrttidW Der entschlossene Wille der Reichsregieruug, die Ostprvvinzen gegen den polnischen Einmarsch mit bewaffneter Hand zn schützen, geht aus einer Erklärung des ReichskorumissarS Winnig hervor, zu deren Wiedergabe er die Presse er mächtigt hat. Es heißt darin: Die Bevölkerung des Ostens soll wissen, daß sie sich aus die Re gierung verlassen kann. Die jetzige Regierung wird einen Frieden, der den Osten PreiSgibt, niemals annehmcn und unterzeichnen. Die Re gierung ist entschlossen, einen polnischen Ein marsch m die strittigen Gebiete des Ostens m i t den Waffen in der Hand abzuweh- r e n , ganz gleich, ob dieser Einmarsch noch vor dem Abbruch der Friedensverhandlungen gewagt werden sollte, was nach einigen Fällen an der Demarkationslinie nicht unmöglich erscheint, oder aber erfolgen sollte, nachdem die Verhandlungen durch die Weigerung der Reichsregierung, diesen Frieden zu unterzeichnen, zum Abbruch gekom men sind. In jedem Falle ist die Regierung bereit, der polnischen Besitzergreifung dieser Ge biete mit den Waffen in der Hand entgegenzu- trelen. Sollte es nun nicht möglich sein, durch unseren Widerstand das Reich zu retten, so ret ten wir doch die Provinzen, lind versagt unS das Schicksal selbst dies, so retten wir das Letzte und Höchste, das ein Volk zn verteidigen hat, die deutsche Ehre. Antwort D»p»»tS auf Erzbergers Beschwerde. Aus den Brief des Reichsministers Erzberger antwortete der Ehes der französischen Militär mission in Berlin, General Dupont, daß die Transporte wieder ausgenommen seien. Der hauptsächlichste Beschwerdepunlt, das heißt die Nichtrückgabc des leeren Materials, fei dadurch behoben, daß seit dem l I. Juni i leere Züge von Polen nach Deutschland zurückkebrten. Be züglich der Verwendung der Division Haller ge gen eine deutsche Front babe er sofort nach War schau telegrapbiert, um Erzbergers Standpunkt mitzuteilen, und nach Spa, um von den münd> lichen Verpflichtungen, welche der Marschall ihm gegenüber eingcgangen wäre, Kenntnis zu be kommen. Die Antworten werde er sofort mil teilen. Der Masureubuu» hat an den Rat der Vier in Versailles, an die Entcutevertreter in Deutschland, das polnische Rationalkomitee in Paris, die polnische Regie rung' in Warschau im Rameu seiner I lli 000 über 20 Iabre alten Mitglieder, das sind über 80 Prozent aller stimmberechtigten Masuren, schärfsten Protest gegen Polens Ansprüche aus die masurische Heimat gerichtet. Darin heißt eS: Von Polen trennt uns Art, Sprache und Rclß gion. Polen war von altersber unser Feind. Preuße» allein war unsere Rettung. Das Ver langen einer Abstimmung über unsere Zugehörig keit empfinden wir als Schimpf und Beleidi gung. Die ganze Welt soll wissen, daß wir keine Polen sind noch werden »vollen. Unbeugsam ist unser Entschluß, uns in jedem Falle gegen die Polnische Gier zu wehren. Man kann uns Ver nichter», aber nicht von Preußen rind Deutsch land reißen. Rundschau. Der Tire» iu Fraulreich beeret? Das Remerbureaü meldet aus Paris, daß der allgemeine Verkehrsslreü nach einer Unterredung Clemenceaus mit einer Abordnung der Aussläm digen bcigelcgt wurde. Die Arbeit wird am Montag wieder ausgenommen werden. Auch in anderen Berufen ist die Arbeit wieder ausgenom men worden. Der italleuische Streil ist anscheinend auch im Abflauen begriffen. Sonn abend wurde versucht, in Mailand den General streik zu erklären. „Popolo d'Italia" glaubt, daß die Ursache des Ausstandes mit der Bei- setzung von Rosa Luxemburg in Verbindung zu bringen sei (?). „Secolv" meldet, daß ll>er Ge neralstreik in Rom fortdaucre, und daß anläß lich der Beerdigung von Rosa Luxemburg auch in Turin der Streik erklärt wurde. Zusammen stöße zwischen Polizei und Arbeitern fanden statt, wobei es einige Verwundete gab. Die Menge sang das Lied „Tod dem König". Ter Streik soll beule noch audauern. ''Aus Carrara und an-' deren Orten werden ebenfalls Ausstände gemel det. In Spezia wurden von der Menge einige Geschäfte erbrochen als Protest gegen die Teuerung. * Kra»ld au- Her Haft entlasse»» Der Schriftleiter Hermann Kranold aus Chemnitz, der Stellvertreter Neuraths iu Mün chen, ist auf Antrag des Staatsanwaltes wieder aus der- Halt entlassen worden, weil er sich im Gegensatz zu» Neurath nicht in den Dienst der Räterepublik gestellt, sondern nur formell seinen Dienst weitergeführt hat. Unruhe« iu Lübeck. Seit Sonnabend berrscheu in Lübeck schwere Uu ruben, die zu zahlreichen Plünderungen geführl babeu. Der Rathauskeller, vcZcchiedene Wein restaurants, Kaffeehäuser und Hotels wurden vollständig "ansgeraubt. Ebenso sind zahlreiche Lebensmittelgeschäfte geplündert worden. Den Anlaß dazu gab die schlechte Versorgung der Be völkerung mit Lebensmitteln. Durch das Ein schreiten organisierter Arbeiter, die eine Schutz wache für einzelne Restaurants usw. bildeten, ist den Plünderungen ein Niegel vorgeschoben worden. Nur in den Vorstädten und Neben straßen wird noch weiter geplündert. Tie Leute dringen iu die Wohnungen ein und suchen nach Lebensmitteln. Dabei sind wiederholt Diebstähle von Wertsachen vorgekommen. Ein großer Teil der Beule wurde den Plünderern von den orga nisierten Arbeitern wieder abgenommen und nach einer Sammelstelle gebracht. Die SicberbeitS- webr batte sich geweigert, einzuschreüen. Ei« Gewaltalt in Zürich. Die Arbeiteruniou in Zürich hatte für Frei lag eine Versammlung zum Gedächtnis Rosa Luxemburgs einberufen. Nach verschiedenen An sprachen wurde die Mitteilung gemacht, das; der Arbeiterselretär Konrad Npß vor zwei Tagen au der Schweizer Grenze verbaftet und in das Bc- zirlsgefängnis in Zürich verbracht worden sei. Hieraus zog eine Menschenmenge vor das Ge fängnis und stürmte dieses. Tie Bedeckuugs- Mannschaften des Gefängnisses eröffneten das Feller, das in gleicher Weise von der Menge er widert wurde. Arbeiterselretär Npß wurde schließ lich vom Gefängnispersonal freigegeben, worauf der Tumm'l sich legte. Bis 12 Uhr nachts wa ren ll> Verwundete in das Kautonspital in Zü- rieh eingeliefert: davon sind zwei gestorben. öoMeMratWr Parteitag. In der Sonnabendsitzung verteidigte sich M i- n i st er Wisset! gegen die Angriffe, die iu der Partei gegen seine Amtsführung feit langem erhoben werden. Wissell fübrte u. a. aus: Uus fehlt eben die liniere tNpchlvücnvcn, und ich glaube, die Gescküchie wird dereinst, wie über die Nationalversammlung, so auch über die jetzige Regierung hart und ungerecht urteilen. Aber ick; habe noch nicht die Hosfnung verloren, daß wir diese innere Geschlvssenbeil finden, die auch den: Polke setzt in seiner schwersten Schick salsstunde jeblt. Es ist von einem Profitstreben ersaßt und es mehren sich noch die Kräfte, die den Erwcrbstrieb und den Eigennutz auch in Zukunft für unser inneres Leben" entscheiden las sen wollen. Es ist keil, Zufall, daß gerade jetzt die Anbäuger der alten Wirtschaftsform sich regen und cs gibt da Kämpfe hinter f>en Kulissen, von denen weite Kreise sich gar keinen Begriff machen. Mit allen Mitteln wird in diesem Kamps ein gegriffen. Nur unter dem Eindruck d>er Berliner Straßenkämpfe haben wir das Svzialisierungö- gesetz durchgedrückß und unter dem Eindruck der Münchener Kümpfe holen Vie alten -Kräfte zu neuern Schlage aus. llnd diesen Krüsten wird seitens der Arbeiterschaft Vorschub geleistet, wenn sie auch Mm dem Prositgeisr sich beherrschen lüßt und nicht auch die sittlichen Prinzipien gelten läßt. Daran, daß es so krupmen konnte, sind wir leider auch mit schuld. Wir haben in unse ren Kümpfen ausschließlich die ökonomischen Triebkräfte des Sozialismus bewirt und nicht die tieferen sittlichen Prinzipien, die in ihm stecken. Wir leiden unter dein Drucke der M o - r ä l m i t doppeltem B o den, die in der Kriegszcit RegierungSmarime »vor. Wo es um Leib und Leben ging, da herrschte der So zialismus, da forderte die Gesamtbeir, daß der einzelne für sie eimrete; aber wo es um Geld rind Gut ging, herrschte der Individualismus, da glaubte man den einzelnen durch höheren Ge winn zur Pflichterfüllung aureizen zu müssen. Wer will es den Arbeitern heute verübeln, wenn sie tun,' was die l^lcrnehmer in der ganzen KriMSzeil getrieben haben. Wenn Profitgier und Gewinnstrebni während der Kriegszcit die sorg sam gehütete Triebfeder wirtschaftlichen Handelns waren, warum sollte eS heute beim Arbeiter an ders sein. Hinter dem dumpfen Grollen der Masse muß d e r T r i e b nach h ö Here n L e b eNSf o r m e n st e ck e u. Die breite Masse wird nach links getrieben. Nicht etwa, weil man dort .die Formulierung gefunden hätte, sondern weil mau dort die Massen plump umschmeichelt und ibnen vorschwindelt, mit der Diktatur des Proletariats alle Nöte überwinden zu können. Aber die Unabhängigen können den Massen nicht oie Ersüllung ihres Sehnens bringen. Freilich, die Maßen erwarten von uns viel mehr, als wir ersülleu können. Das Wirtschaftsleben kann nicht glatt soüatisien werden. Ich denke vor allem an den Bergbau. Da ist festzustellen, daß wir dem Gedanken des Sozialismus mit einer schon srüber erfolgenden Sozialisierung den schwersten Sebaden zugefügl hätten. Der Wert der Kohle, der in Deutschland gefördert wurde, betrug am l. Stlober NM Milliarden Mark, im Mai dieses Ialues 7028 Milliarden Mark. Die Preis erhöhung übersteigt bei weitem 1 Milliarden Mark, innerhalb 7 Monaten hat sie den Werl der deutschen Kohleuprodultiou vor der Revolu tion weit mebr al-5 verdoppelt, und die Bewc gung gebt fort. Die Kohlensteuer allein bringt seht l Milliarde Mark. Hätte sich diese unver meidliche Entwickelung nach der Sozialisierung vollzogen, so hätte sie den Gegnern des Sozia lismus die allerwirksamsteu Argumente gegeben. Wir hätten im Staatsbetriebe noch höhere Löhne zablen müssen, denn vom Staat meint man ja alles fordern zu. können, nur v on de u P f l i eh l e n g e g e u d e n S t a a I sPri eh t m a u u i ch t. Wir sieben vor einer Nenordnnug nn seres Volles, nnd ich spreche es hier öffentlich aus, daß aiis lange hinaus, schlimmer als jeder es glaubt, S eh m a I b a u s K ü ch e n m e i - st e r b e i n n s seiu w i r d. Wir sind ver armt, wie kaum ein anderes Volk vorder. Allein zur Verzinsung der inneren Schuld brauchen wir pro Familie löOtt Akk. im Iabre, dazu die un geheure Verschuldung an das Ausland. Bezah len, können wir diele Schulden nur mit den Piv- dnlten unserer Arbeit. Soll beule noch jeder auf eigene Fausl schal len nnd walten können, wie er es für nölig hält? Wir können nur erigieren, wenn wir die W irl s ck» a st pl a n m ä ß i g o r g a nisi e r e n , ivo nirbt das Privattnteresse, sondern das Allgemeininleresse den Ausschlag gibt. 'N i ch t P r ivai w irts eb asi , s onde > n Ge in ciuwirls ch a s t m ü s f e n w i r l r e i b e u. * Minister David batte den Aristrag erhalten, die Angriffe Wis-> iellö auf die Regierung abzuwehren. Er sagte u. a.: Wie kommt Wissell zu jenem Urteil? Welche Anregung habe Wissell dem Kabinett ge geben, der nicht sofort Folge geleistet wurde? Wissell wird keine nennen können; richtig ist, daß die Denkschrift noch nicht beraten ist. Das kommt aber doch nur daher, weil das Kabinett durch die Friedensverhandlungen zurzeit 'voll in An spruch genommen ist. Wissell behauptet: es sei l em neuer Geist bei uus eiugezogen. Ink Gegen teil, immer wieder hat die Regierung einen Ap pell an das Pflichtbewußtsein der Arbeiter gc- richiet, der aber gescheitert ist, weil die Masse die Revolution nur als eine Lohnbewegung auf- laßte und »regen ihrer ewigen Lohnforderungen die Arbeit zum Teil ganz einstellte, zum Teil schlechter Machte. Es gibt für uns keine R e ttung , wenn nicht das Pflicht- bewußtsein siegt! In unserer früheren Wirtschaft Ivar der Kapitalismus die Sprung feder der Produktion. Sie ist zerbrochen — als neue müssen wir das Pflichtbewutztsein einschal« tcn, aber sie ist noch nicht da. Mit den Lohn- erhöhungen allein tommcn nur nicht weiter, wenn sic nicht auch eine Gülervermehrung im Gefolge hat, und beute richten sich die Lohnsorderungeu nicht nur gegen den Geldsack des Kapitalismus, sondern gegen den Besitz der Gesamtheit. Ein Beispiel sind die preußischen Bahnen, die früher gewaltige Ueberfchüsse hatten, jetzt ein Milliarden dcfizit, und diese sind doch schon voll sozialisiert, woraus geschloßen werden muß, daß die Massen noch nicht reif genug sind, um neue Werte zu schaffen. E r u ä h l u u g S m i n i st c r N ober t Schmidt führt als nächster Redner etwa aus: Es muß ganz entschieden bestritten werden, daß von bürgerlicher Seite Widerspruch gegen die Sozialisierung im Kabinett erhoben sei. Ein bürgerlicher Minister ist es gewesen, der gefragt bat: Wo bleibt denn die Sozialisierung? Und da bat Wißell geantwortet, erst müsse das Kali gesetz fertig fein. Wer so vorgeht, kann sich doch nicht in so hohen Tönen aus dem Parteitag vor stellen. Wissell bat außerdem behauptet, daß erst die Berliner Ltraßenkämpfe das SozialißerungS- gc'etz geboren hätten. Auch das ist uuwahr. Schon vorher sind die Vorarbeiten zu dem Gesetz in Angriff genommen nnd zum Abschluß ge bracht. Das ist mit Wissells Zustimmung mebr als einmal öffentlich festgeslellt worden. Ich bc- greise nicht, dap Wissell mm plötzlich ein so kurzes Gedächtnis bat. Deutschland bat bisher I !üO Millionen in Gold für Lebensmittel an das Ausland abgesübrt. Widerspruch dagegen hat nur Wissell erhoben, der die Auffassung vertreten habe, daß wir zuviel Lebensmittel einführen. Die Planwirtschaft ist ' an sich etwas sehr Schönes, aber cS ist doch tragisch, ob das Projekt WisscllS nieht eine neue Blütezeit der kapitalistischen Trusts und Syndikate heraufführt, so daß es nur eine Rückkehr zum despotischen Kapitalismus be deutet. Gewiß muß mau sozialisieren, aber man muß ein Tempo einschlagcn, das bei der her untcrgelommenen deutschen Wirtschaft erträg lich ist. Den Schluß der Sitzung bildeten Erörterun gen über das Rätesottem. I« der ro«na-e»d-Tftzn»g. wurden dic Verhandlungen über das für die Verfassung vorgesehene R äIes v ft c m zu Ende geführt. Die Leitsätze des Reserenten Code u, in welchen die Entwickelung der Betriebsräte zur Stäudckammer vorgesehen ist, wnrdcn mit allen gegen I Stimme abgelebnt. Dagegen wnrdcn die Leitsätze des Referenten Dr. Sinzbei - m e r in Verbindung mit den Vorschlägen Katzen steins mit sehr großer Mehrheit angenommen. Arbeite Minister Bauer legte in einem Vor schläge den Standpunkt der Regierung dar. Da nach sind die Betriebsräte als Organe der Ge werkschaften zu betrachten. Es sei ausgeschlossen, Der Kampf um das Testament. Roman von Carola v. Eynatten. 61 „Ich weih nicht, ob ich in Gegenwart dritter dieses Thema behandeln darf." „ES gibt keinS, Herr Sigossy, auS dem ich vor ,Fräulein Doktor Kisfaloa und Herrn Mayerstein, die zn meiner Mündel besten Freunden zählen, ein Geheimnis machte." „Jedenfalls muh ich aber die Herrschaften nm strengste Geheimhaltung dessen bitten, was ich be richten iverde, denn ich bin nicht iu der Lage, für seine Richtigkeit zu bürgen." Margit«, wie auch der Maler, versprachen un- verbrüchliches Stillschweigen und der Detektiv be gann: „Es versteht sich von selbst, daß ich mir auch in der Billa Csallovary selbst Quellen erschloß. Eine davon ist das Stubmmädchen der Dame, das durch launische und hochmütige Behandlung gereizt, leicht zum Plaudern zu bringen war. Von diesem Mädchen habe ich gehört, daß eS Mittwoch Abend, bei des Advokaten Rückkehr von einer oie» nudzwauzigstündigen Reise, zwischen ihm nnd sei ner Frau zu einem äußerst heftigen Zusammen stoß gekommen fei. Die beiden Gatten hätten jede Rücksicht anher Acht gelassen und so geschrieen, daß man draußen fast Wort für Wort verstanden hätte. Sie will nun gehört haben, daß Doktor Csallovary seine Frau oer Testamentsunterschla- gung beschuldigt hab« und behauptet, die Dame hätte die Tat zugestanden und erklärt: sie hätte nach des Schwagers Tod als Erste, seine Wohn- ränme betreten und bei einer Durchsicht deS Sek retärs das Testament gesunden, an sich genommen und verbrannt." , „Sie habe im Interesse ihrer .Kinder ge handelt und aus der Ueberzeugung heraus, daß der Testator ihnen durch Entziehung des Vermö gen? zu Fräulein Daros Gunsten ein schwere? Un recht zngefügt hätte. Doktor Csallovary soll er- klärt haben, mit einer Verbrecherin zusammen zu leben, sei ihm nnmöglich und er würde di» Tren nung ihrer Ehe wegen gegenseitiger Unverträg lichkeit beantragen." „DaS klingt etwas unglaublich," sagte Horn bostel. Mayerstein war anderer Ansicht; seiner Mei nung nach durfte inan Csallovaiys alles zutraueu. „Ob etwa- daran wahr ist und wieviel, weih ich allerdings nicht. Tatsache aber ist, daß Frau Csallovary sich demnächst iu ein Seebad und von dort in Gesellschaft ihrer jüngsten Tochter für un- bestimmte Zeit nach Paris begeben wird. Ueber- dieS versichert das Stubenmädchen, ihre Erzählung beschwören zn können, jederzeit zur Ablegung ihres Zeugnisses vor Bericht bereit zu fein." „DaS wollen wir nicht verlangen," sagte Horn bostel und schüttelte den Kopf. „Ihnen, Herr Si- gossv, aber danke ich herzlichst für die prompte und umsichtige Erledigung dieser Angelegenheit, die wir in keine besser«, Hände hätten legen können." Sigossy nahm diese Aufforderung wohl für einen Wink, daß es für ihn Zeit sei, sich zurückzu ziehen, denn er stand sofort auf und empfahl sich. „Ich möchte nttr am liebsten alle Haare aus- raufen," seufzte Mayerstein, „aber es durfte Sza- rolta nicht erspart werden, sollte nicht ihr ganzes Leben eine endlose Kette von Elend nnd Jammer sein. Das arme, arme Hascherl, es ist ihm sicher lich sterbensweh." „Das mag mahl sein, aber glücklicherweise ist eS ein Weh, das vorübcrgeht nnd es ist überflüs sig zu jammern, wie ein altes Weib, mein lieber Meister," sagte Margita. Der Maler schaute sie mißbilligend an. „Wissen Tie, Doktor Margita, Sie haben ei» gutes Herz, aber eine böse Zuuye!" „Was wisse» Sre vo» meinem Herzen?" „Mehr, als Doktor Margita denkt.—Ich weiß sogar, daß es hoch a» der Zeit wäre, diesem "Her zen endlich die ihm znkommeude Beschäftigung, einen Herr» zu geben,und ich wüßte auch, wer—" „Schon recht, Sie Allwissender. Vorher wollen wir uns aber nicht nett meinem Herzen und seinen Bedürfnissen beschäftigen, sondern mit Sspu^üws Angelegenheiten, die wichtiger sind," unterbrach Margita, leicht errötend. Hierauf wendete sie sich zu Hornbostel mit der Frage: „Was werden Sie auf des jimgeu Csallovary ziemlich, arroganten Werbebrief antworten, Herr Hornbostel?" „Ich werde sobald als möglich mit dem Kinde reden," sagte er. „Vorwärts, besinnen Sie sich nicht lange!" drängte Mayerstein. „Von Besinnen ist keine Rede, ich muß ihr aber doch Zeit lassen, sich ein wenig zu erholen non die sem unvorhergesehenen Schlag. Edelmenschen ist es eben nicht gegeben, das Schlechte leicht zu glau ben," sagte Onkel Ludwig. „Sie haben ganz recht, gönnen Eie ihr noch einige Ruhe, und fordert Csallovary die Antwort, ehe Sie »och mit Szarolta gesprochen habe», so bestellen Sie ihn für ein andermal." — ,Zch werde einen Augenblick zu ihr hinüber ge hen, um zu sehen, wie es steht, ob ich ihr als Arzt oder als Freundin irgendwie von Nutzen sein kann," sagte Margita, sich zum Aufbruch rüsteud. Mayersteiu begleitetest« bis an Szaroltas Tür- und da sie ihm verschlossen bleiben sollte, es ihm verwehrt war, sich um seiner Schülerin Angele genheiten zu bekümmern, benützte er den Weg den langen Korridor entlang, um seiue eigeueu z» för dern. „Wie ist's. Doktor Margita, gefällt oder mißfällt Ihnen oer Pla», Jhtzjy» Herzen eine» Gebieter zu geben?" fragte er und es war ihm an- znhören, daß er der Antwort in lebhafter und nicht vo» jeder Unruhe freier Spannung harrte. Margita aber schaute ihn mit einem neckenden Lächeln an, als sie erwiderte: „Das brauchen Sie vorerst nicht zu wisse». Erst, wem: wir Szarolta einigermaßen wieder im Geleise haben, komme» Sic an die Reihe. — Adieu und auf Wiedersehen!" EiuwarmerHcmdedruck -nm Abschied und Fräu lein Doktor schlüpfte flink durch Szaroltas Tür, die fi« erfreulicher Weise unverschlossen sand. Margit« sand die j»nge Freundin tränenlos, ruhig und — eisig. Sie war nicht mehr di«, di« sie sonst gewesen. Ein fremder Zug lag auf ihrem Gesicht, au? dem eS sich nicht leicht klug werde» ließ. Sie schaute, am Fenster lehnend, in de» Gar te» hinaus. Margita trat an ihre Seite und legt« den Arm um ihre Schultern, leise Wort« der Er munterung nnd Tröstung flüsternd. Szarolta wendete ihr das Gesicht zu. Es war so weiß wie eiue Waud. „Sorge Dich nicht," sagte sie tonlos, mit rauher Stimme, „biu ich damals — unter diesen Umständen, über Papas Tod hin- weggekommen, so komme ich auch über diese In famie hinweg. Es macht sich nur nicht von heut« auf morgeu." „Es ist recht Kleine, daß Du so denkst, »S be ruhigt und freut mich." „Das ist lieb von Dir. Aber geh jetzt, im Au- genblick kann ich niemand um mich habe,«, m* mand hören, niemand sehen." Diesmal klang erwachende Nervosität aus Ez«» roltas Stimme heraus. „Wie Du willst. D» erlaubst aber doch, daß ich heute abend nochmals »ach Dir sehe?" „Lieber nicht — morgeu danu." „Gut, also mprgen. Nur eine Frage noch, die ich Dir leider nicht erspare» kau». Dein Vetter will sich hente oder morgen Herr» Hornbostels Be scheid ans seine Werbung ui» Dich holen — iu welche Form soll er diese Antwort kleiden?" „Er soll überhaupt nicht antworten; was es zu sage» gibt, iverde ich selber meiuem Vetter sagen." „Dit! — Du willst Dir das zumute», eine solche Aufregung —" „Geh und sage dem gute» Onkel Ludwig Be scheid. Er möchte auch dafür sorgeu, daß Herr Si- gossn, weuu es sich tun läßt, morgen von Elf bis Zwölf bei uns im Hause ist. — Sag uichts weiter, Mei« Entschluß ist gefaßt,ich will uichtS mehrhöreu." Hornbostel erwartete Jenö Csallovary am an dern Bvrmittag, während Szarolta im Atelier ar- bLttete. 222,17
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