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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 11.06.1919
- Erscheinungsdatum
- 1919-06-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191906112
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19190611
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19190611
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1919
-
Monat
1919-06
- Tag 1919-06-11
-
Monat
1919-06
-
Jahr
1919
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 11.06.1919
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AuS dem ganzen Lande laufen Zustimmung-;- erllärungen, die in zahllosen Protestversammlun- gen angenommen wurden, ein. Den Blättern zufolge wird der FriedensvertragSentwurs der Entente für Deutsch-Oesterreich in vier Noten be antwortet werden, welche die Gegenvorschläge enthalten. Un,arifche «rs»l,e gege» die Tscheche». Die ungarischen Rätetruppen haben nach stür mischen Kämpfen die Tschechen aus Kaschau und Umgebung zurückgetrieben. — Angeblich sollen die Ungarn von dem Präsidenten der Friedens konferenz ein drahtloses Telegramm, sofort die Feindseligkeiten gegen die Tschechen einzusleüen, erhalten haben. — Ein Bauernputsch gegen die ungarische Näteregicruug hat in Gegend Oedcm bürg stattgcsundcn. Es kam zu einer blutigen Schlacht, in der die Bauern geschlagen wurden. Ser MWtWrMtlti. Ter französische Beschlsbaber General Mangin hat an den Bürgermeister Dr. Külb zu Mainz eine Erklärung gerichtet, wonach letzten Endes das Schicksal der rbeinischcn Republik besiegelt sein wird. Danach wird die französische Armee in Sachen der rheinischen Republik gegenüber ihren Anhängern und Gegnern die absolute Neu tralität einhalten. Lediglich gegen Kundgebun gen, die die öffentliche Ruhe und Ordnung ge fährden können, wird eingeschritten werden. Damit iit in der Tat der Präsidentenherrlich- kcit des Dr. Dorten der Todesstoß verletzt wor- den. Aber gleichzeitig unterschreibt General Man gin mit dieser Erklärung seine eigene Blainage, denn ohne Mangins lebhafte Unterstützung wäre der ganze üble Zauber nicht so weit gediehen. — Die „Voss. Ztg." meldet aus Paris: Eine holländische Agentur berichtet, daß der Rat der Vier beschlossen habe, amtlich keinerlei Notiz von der Proklamierung der rheinischen Republik zu nehmen, da der Rat sich auf den Standpunkt stelle, daß dies eine innerdeutsche A n g e - legenheit sei. Inzwischen hat die preußische Regierung ge gen den famosen „Staats^-anwalt einen Haft befehl erlassen. Die französische Presse schweigt sich im allgemeinen über die neue Wendung aus. Nur in der „Oeuvre" wird gesagt, daß die fran zösischen Generale schwere Fehler begangen hät ten, indem sie sich in innerpolitische Fragen Deutschlands einmischten. Die separatistische Bc wegung im Rbeinlandc könnte nur gelingen, wenn sie ausschließlich von Deutschen geleitet würde. Die Ermutigung durch französische Be hörden scheine sic unwiederbringlich kompromit tiert zu haben. - Die amerikanischen Zeitungen schreiben u. a., daß sich die Rheinländer der neuen Republik wie ein Küken benommen bät ten, das man ins Wasser werfe. Kein Mensch im Rheinlande wünsche ernsthaft die Republik. Gi» »eutscher Kirchenstaat? Der „Seeolo" meldet aus Paris, daß die Absicht bestünde, aus Teilen des Rheinlandes und Elsatz-Loihringens einen Kirchenstaat t„Zona papale") zu bilden. Diese Bildung werde vom Klerus der drei Länder lebhaft unterstützt . . Mair darf diese Nachricht zunächst wohl rnhig mit einem Fragezeichen versehen. Der Wunsch ist wohl mehr der Vater des Gedankens. Ausweis»», a»S Höchst. Der französische Militärgouverncnr in Höchst a. M. beurlaubte den Landrat Dr. Klanser, den Oberbürgermeister Dr. Jalmte und den Abgeord neten Hoog aus unbestimmte Zeit und wies diese Herren an, Höchst innerhalb 18 Stunden zu ver lassen. Dr. Klaußr nahm indessen diesen Befehl nicht an, sondern erklärte, daß er preußischer Beamter sei und nur dem Befehl der ihm vor gesetzten preußischen Behörde Nachkomme. Er Ises; ferner den französischen' Kommandanten in kei nem Zweifel darüber, daß er nur der Gewalt weichen werde. Nundfchau. Rücktrittr-esach »er Wirtschaft-Ministers Wissest. Die Veröffentlichung der Denkschrift des Reichswirtschaftsministeriums über unsere künftige Wirtschaflspolilit hat zu einer Krise ün Kabinett geführt. Der Wirtschaftsminister Wissell hatte schon vor einige» Wochen, als Herr Dernburg über seine» Kops hinweg die Errichtung eines Kommissariats für nufere Einfuhr-Politik verkün dete, sein Abschiedsgesuch eingereicht, es damals aber auf Zureden Scheidemanns wieder zurück gezogen. Jetzt soll Herr Wissell von neuem sein Abschiedsgesuch eingereicht haben, da sich zwischen ihm lind den Herren Dernburg und Golhein ein mniberbrückbarer Gegensatz in der Auffassung über unsere Wirtschaftspolitik gezeigt hat. N-Ske zur Flucht von Bogel »nd Marleh Der Reichswehrminisler erließ eine Bekannt machung an die Freiwilligenvcrbändc, in weicher es n. a. heißt: Die NeichSregiernng hat vor einige» Tage» durch mich de» Freiwittigenver- bäirde» ihre» Dank ausgesprochen und ihre fer nere Unterstützung zusagen lassen. Sie erwartet aber als selbstverständliche Gegenleistung, daß die Freiwilligen, Offiziere und Mann'rbaften, alles unterlassen, was der Regierung diese Anerken nung erschweren muß. Immer wieder kommen Ausschreitungen vor, welche die Truppen in ihrem eigenste» und im Iittcrcsie der Gesamtheit durch Selbstdisziplin unterdrücke» müsse». Am schwer ste» zu verurteile» ist die feststehende Tatsache, daß bei zwei Kapitalverbrechen, in den Fällen Vogel und Marloh, es Angehörige der Freiwil ligen gewesen sei» müssen, die den zwei mit schwerer Schuld Belasteten die Flucht ermöglicht haben. Oberleutnant Marloh ist der angebliche Schul dige an der Erschießung von 02 Mairosen dcr bckannten VoltSmarinedivision, der seit einigen Tagen flüchtig ist. — Oberlentnant Vogel, der im Liebknecht-Prozeß eine Rolle spielte, isl be kanntlich durch falsche Papiere aus dem Gefäng niS geholt worden. V. bat sich jetzt in Haag gestellt, wird aber wohl kaum ausgelieserl. Der Zusammenschluß der thüringische« Staaten ist von der Altenburger Landesversammlung ein stimmig gmgebeißcm worden. In den lhüringi schen Voltsrat wurden 8 Sozialdemokraten, I Demokrat und i Deutschnationaler gewählt. Schwere'polnische Waffeuftillftaii»sbr«chc. Erneut baden sich die Polen durch Beschie ßung deutscher OAschafien und des deutschen Zugverkehrs mit Artillerieseuer und durch Be schießung deutscher Feldarbeiter und herausfor derndes, fortgesetztes Nebcrschreüen der Demar kationslinie in den letzten Tagen schwerster Was fenslitlslandsverletzungcn schuldig gemacht. Sonn abend griffen die Polen nackt Artillerievorberei tung Tannenhosen und Kleinwerderhausen süd lieh Bromberg mit stärkeren Kräften an. Im Gegenstoß konnte Tmmcnlwjcu wieder genommen tverden. Durch einen Gefangenen und einen aus unserem Gebiet mruckgebliebenen schwerverwun deten Polen ist bei polnische Vertragsbntch klar bewiesem — In den Kallcrschen Transporten — die durch Sprengring einer Brücke bei Lissa unterbrochen sind — treffen fortgesetzt deutsche Kriegsgefangene ein, die sich den Polen ange schlossen haben, nitt aus diese Weise wieder in die Heimat zu geümgen. Die EnglanVer i» Aegypten Die britischen Erpedilionsslreitträsle haben lcoldatcnrätc gebildet und wollen ihre Tcmobick sierung erzwingen. Aus Anfragen, die im eng Uschen Unterhaus gestellt wurden, prellt hervor, daß das Artillerickorps in Kairo in den Aus stand trat und der dortige ' MuniticmSabladeplatz in Brand gesteckt wurde, und daß ein allgemei ner Ausstand der in Aegypten dienenden Sol daten drohe. - Die Engländer beabsichtigen- als Gegenleistung sür die Estland geleistete finanzielle Hilfe die Insel Oesel besetzen zu lassen. Der StaitMichtr-of. - Die Vorlage über die Errichtung eines Staals- gerichtshofes isl vom Reichskabinett verabschiedet worden und der Nationalversammlung zugegan gen. Eilt vorläufiger Entwurf war bereits vor eittige» Monaten -bekanntgegeben worden. Die jetzt vorliegende Fassung unterscheidet sich in einigen wesentlichen Punkten von der ursprüng lichen Form. Sie bestimmt in 15 Paragraphen in ihren wichtigsten Forderungen folgendes: Die Nationalversammlung bildet ans iyrer Mitte eine» Ausschuß von 15 Mitglieder» zur llutersuchmig der Vorgänge in der politischen und militärischen Leitung des Reiches, d i c z u m Ausb r u ch, zur P e r l ä » g e r u u g o d e r z u m Perl u st d e s Kriege s b e i- getragen h a b e n. Die Reichsregierung hat dem Nusschliß die von ihm bezeichneten Urkun den und Akte» zur Verfügung zu stellen. Tie Verhandlungen des Ausschusses sind nicht öffent lich. Eine Vernehmung von Beschuldigten, Zeu gen oder Sachverständigen findet nicht statr. Kält der Ausschuß eine Person, die vermöge ihrer Stellung im öffentlichen Leben in der Lage Ivar, Einflnß auf die Politik des Reiches zu nehmen, für verdächtig, zum Ausbruch des Krieges, zur Verlängerung oder dem Perlm'I des Krieges schuldbaft beigetragen zu haben, so eröfsnet cr gegen sie das Verfahren vor dem SlaatsgerichlS- hofe. Jeder Deutsche kamt bei dem Untersuchungs ausschuß die Eröffnung des Verfahrens vor dem Staatsgerichtsbof gegen sich selbst beantragen. Der Staatsgerichtsbof wird bei dem Reichs gericht gebildet. Er besteht aus 15 Mitgliedern illit Einschluß des Vorsitzendem Vorsitzender üt der Präsident des Reichsgerichts, Beisitzer sind die Präsidenten des ReichSmilitärgerichts, des preußischen OberverwaltnngSgerichts, des bayerck fche» Oberverwalnmgsgerichts und des Obertan desgerichts Hamburg. Die füns Gcrichtspräsiden ten werden im Falle der Behinderung durch ihre amtlichen Stellvertreter crietzl. Die übrigen 10 Beisitzer nnd ihre 10 Stellvertreter werden je zur Hälfte von der Natümalversammlung und vom Staalenausschuß gewählt. Wählbar ist jeder Deutsche, der nicht Milglied einer der beiden Körperschaften ist. Die Bestimmungen des Straf gesetzbuches und des GerichisverfassungsgesetzeS sinden entsprechende Anwendung. Der Unter suchungSauSschuß der Nationalversammlung bc stimmt zur Wahrung seines Standpunktes vor dem Staatsgerichtsbof einen Beanstragten, der allen Beweisaufnahmen nnd Verbandlungeu bei wohnen kann. Die Reichsregierung ist befugt, zu allen Verbandknngen und Beweisaufnahmen einen Vertreter zu cmsenden, der auf Verlangen jederzeit zu hören ist. Der Spruch des Staals- gerichtsboses ergebt auf Grund einer öffentlichen nnd mündlichen Verhandlung. Fu der Verhand lung ist der Beschuldigte zu ladcu. Ter Be schuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens eines Verteidigers bedienen. In dem Spruch des Staatsgerichtslwses isl festmßellen, ob die zur Verantwortung gezogenen Personen ein Verschulden trinl, ob ein solcües Verschulden nicht erwiesen oder ob die Nicht schuld erwiesen iit. Stellt der Staatsgerichtsbof ein Verschulden seil, so kann er den Schuldigen dauernd unfäbig erklären, öffentliche Aemter zu bekleiden und in öffentliche Körperschaften ge wählt zn werden. Ter Staatsgerichtsbof bat seinen Spruch schriftlich niederzulegeu und mit Gründen zn verleben. Ter Entwurf enthält nicht die Bestimmungen über die Rechtsfolgen einer Verurteilung durch den Staatsgerichtshof, sondern beschränkt diesen vielmehr auf ein Feststellrmgsurteil. EinWmg der MorlMeit im Verglms Die Kohlenversorgrmg Sachsens ist trostlos und, allen Ableugnungen zum Trotz, besteht die ernsteste Gefahr fiir das ganze Land. Die Eisen bahnverwaltung bat, wie bereits mugeteilt, uni sich wenigstens etwas zu sichern, die Kohlenvor räte in L u g a u - O e l s n i h beschlagnahmt. Tas kann ihr nur über kurze Zeit hinweghelseu. Auch ist diese Maßnahme recht zweischneidig, da dadurch die Industrie in die Gefahr gerät, ihre Betriebe sehr bald schließen zu müssen, soweit es nicht schon geschehen.. Es muß mit altem Nachdruck nach Mitteilung von zuständiger Seite betont werden, daß, wen» nicht eine wesentliche Steigerung der Kohlensörderung eintrilt, in kur zer Zeit eiuc Katastrophe eintreten muß. Gas anstalten und Elektrizitätswerke haben bereits weitgehende Einschränkungen angekündigt, wenn nicht schnellstens genügend Kohlen angefahren werden. Der Meeraner Tertilinduslrie sind vom DemobilmachungSkommissar reichlich Rohstoffe zu gewiesen worden, aber sic kann nicht arbeite» we ge» Mangels an Kohle. Tie Dresdner Handels kammer erklärt, alle Vertcilungsmaßnahmen könn ten angesichts des Umfanges der Kohlennot nichts bessern, nur eine Steigerung der Förderung könne helfen. Im besetzte» Gebiet aber si»d »ach Mit teilungen, die bei den Regierungsstellen emqc- gangen sind, riesige Menge» Fertigerzeugnisse auf- gcstapctt, mit denen das Ausland uns im Augen blick des Friedensschlusses nberschwemmcu will, um dadurch unsere Industrie völlig zu ruinieren. Jetzt schon werden in Sachse» japanische Schreib maschinen zu 200 Mk. angebvten, während deut sche bekanntlich unter taufend Mark kaum zu ha ben- sind. In dem gleichen Maße, Ivie die Löhne gestiegen sind, sind die Arbeitsleistungen gesun ken, und zwar so stark, daß sie weder mit den Ernäbrimgsverbältnisseu, noch mit anderen Grün den erklärt werden können. Darum sind die zu ständigen sächsischen Stellen mit den Reichsbehör den in Verbindung getreten, um eine Regelung von Reichswege» zu erreichen. Es erscheint fast ausgeschlossen, daß ohne Einführung der Akkord arbeil mit angemessenen Sätzen eine Besserung der Kohlenförderung zu erreichen sein wird. Dic Folge dürfte allerdings ein neues Anßeigen d e r K ohle n preise sein. Lohnerhöhung im RuhrkohlenbergLav Bei den Verhandlungen zwischen den Berg arbeitern und dem Zechenverband kam es zu solgender Vereinbarung: Tie Vertreter der Berg- arbeitcrverbände verpflichten sich, entsprechend der am 8. Akai getrossenen Vereinbarung, mit allem Nachdruck dafür einzulrelen, daß die Koblenpreis- eihöbung m der schon damals sür erforderlich gebackenen Höbe in vollem Umfange genehmigt wird. Unter dieser Voraussetzung erklären sich die Vertreter des Zcchenverbaudes bereit, den VcrbandsmitgUedern zu empieblen, vom Tage des Eintritts der KoblenprUserböhung ab, IV Juni, eine Zulage von durchschnittlich 2 Mk. >c Mann und Scknckü zu gewähren. Darüber, in welcher Weise die Verteilung dieser Zulage aut die einzelnen Arbeitergruppcn erfolgen soll, wird baldmöglichst eine Verhandlung mit den beteilig ten Verbänden flatlsinden. MMWes derMimdttuas «ach Mtdeasschlatz Von unterrichteter Seile wird geschrieben: In den verscküeoensum Kreisen der Bevölkerung, un ter Studierten, Offizieren, Kaufleuten und Arbei tern, besteht vielfach die Absicht auszuwandern, nm sich im Ausland eine Lebensstellung zu er- Der Kampf um das Testament. Noma» von Carola v. Eynatten. 56 Mayerstei» hatte verstanden imd fragte fteuud- iich: „Und Du willst dienen nm sie, wie der bib- .ische Jakob um seinen Schatz, gelt?" „Nicht dienen will ich, gnädiger Herr, aber schaf fe» will ich for die Lea, damit ich später ka»» ge- hen zum alte» Ehrenreich nnd sie begehren zum Weib." „Sv sieh zn, Bursch, daß Du Deine Sache gut machst! Dann kann der heutige Lag den Grund legen zu kiinstigem Vermögen!" sagte der Künstler und klopfte ihm anfmuiiternd die Schulter. EliaS nickte und schaute siimend vor sich hin in die Weite, daS schmale, bleiche Gesicht verklärt vor stillem Hassen: Weit und breit war kein« Seele zu scheu. Nach einer Weile blieb er plötzlich vor einer scharfen Biegung des Pfades stehe» und sagte, aiif die vorspringende Ecke eines Grünhags weisend, im Flüsterton: „Hier ist der Garten, ich will ge hen auf Kundschaft." Damit verschwand er um die Ecke, kehrte aber schon nach wenigen Minuten zurück und meldete: „Die Luft ist rein, wir wollen benützen die Gele genheit?" Der Maler zog de» .Hut noch tiefer in die Stirn und beide glitten hinter einander an der Hecke entlang, bis zn einer ansgebrochenen Stelle, an der es sich bequem eintreten ließ. Der Garten war buschig, auch an Verstecken. Trotzdem fühlte sich Mayerstei» äußerst unbe haglich ans dieser Wanderung durch fremdes Ge biet. Erst als der Schuppen erreicht war nnd er sich mitten unter allerlei Schutz gewährendes Ge rümpel versetzt sah, atmete er freier. ES hatte vor einer Weile halb Zehn geschla gen, als ein Mann im Kastan, gestrickte Schuhe an den Füßen, über den Hof schlürfte und unter dem Tor Postv faßte. „Der Ehrenreich!" flüsterte Elias. Wieder verging eine Reihe von Minuten. — Plötzlich ritz Ehrenreich die Hauemühe vom Kopf und verneigte sich mehrmals hintereinander. Zwei Männer standen vor ihm, nnd nachdem sie ein paar Worte mit ihm gewechselt hatten, traten sie in den Hof und begaben sich in seiner Gesell schaft nach dem Magazin. „Was hab ich gesagt ?" trinmphierte Elias. Mayerstein nickte. Jetzt war er wieder er selbst, fühlte er sich als berufener Rächer einer Schand tat! — „Ob wir wohl unaufsällig hinter ihnen herge hen können?" fragte er den jungen Menschen. „Wenn es iS Zeit, gehen wir dicht hinterein ander, ich voraus, nnd der gnädige Herr muß ge- nan nachmachen, was er mich sieht tnn. So wird niemand werden cmfmertsam ans »ns, denn die Tür hab ich schon gehoben ans dem Schloß, da- mit es gibt keinen Lärm," antwortete EliaS. Etwa zehn Minuten warteten die beiden noch mit dem Aufbrnch, dann schlichen sie, einer hinter dein andern ans dem Schuppen nnd nach dein Seileneingaug zum Magazin, der sich in einer fen sterlosen Malier befand. Es war eine richtige Trv- delbnde, in welcher sie sich befanden; alles über und durcheinander. Mayerstein nnd Elias war diese Uebersülle je doch sehr willkommen, bot sie ihnen doch ans ihrem Schleichwege Decknng. Nachdem sie eiugetcelen, wa ren beide horchend stehen geblieben, gewarnt dnrch Stimmen, die nicht allzuweit von ihnen emsernt laut wurden. „ES geht nicht, ans Ehr und Selig keit, eS geht nicht, gnädiger Herr! Ich bin ein ar mer Mann, der hat zu ernähren Weib nnd acht Kinder, soll ich Geschäfte machen zn meinem Scha den? Fünftausend bietet der Herr Mayerstein for den Sekretär. Von Fünfzehnhundert is er gestiegen auf fünftausend! So soll ich ein Schuft sei», weil» es is »ichtwahr!" lameiitierte eine zweite Stimme. „Esisder Ehrenreich, der singt das Klagelied!" flüsterte Elias. „Das kümmert >nich nicht; ich habe den Sekre tär für vier- beziehnngswelse zwcitansend Kronen gekuusl und bestehe aus Ersülckmg des Vertrags. Weigert ihr Euch, ihn herauszugeben, so wende ich mich an« Gericht," erklärte Csallovary barsch. „Wie heißt gekauft? Wie kann der gnädige Herr vom Veilchenziveig kaufen den Sekretär, der iS mein?^' — Veilchenziveig ivollte sich nun einmi- schen, aber Csallovary fuhr ihn an- „Entschließt Euch — entweder — oder?" „Gehen Sie anfs Gericht, gnädiger Herr!" ant wortete Veilchenziveig, leisen Hohn in der Stimme. Während sich zwischen Dr. Csallovary nnd den verbündeten Hebräern diese Verhandlungen ab spannen, hatten sich die Eindringlinge immer nä her an sie herangeschlichen und waren mir mehr wenig Schritte von ihnen entfernt, geschützt vor ihren Blicken durch allerlei alte Möbel. „Bleib stehen, bis rch rnfe!" rief Mayerstein seinen Begleiter im leisesten Flüsterton an. Dann sprang er nach vorn nnd rief, den Stock drohend erhoben: „Ha, Ehrenreich, Herrn Doktor Csallovary hastDnäm Sekretär allerdings nicht ver- kaufen können, weil Dn ihn schvn an mich verkauft hattest, und zivar für 500, nicht für 5000 Kronen ! Ich werde dein Herrn Stuhlrichter Deine Ganner- stückeln erzählen! Ich werde ihm auch «men Zen gen stelle», der bereit ist, meine Angabe» zn be schwören, nnd zwar ist dieser Zeuge Dem BruderS- sohn, der junge EliaS, den Du behandelt hast wie einen Hnnd!" Während dieser Anschuldigungen, die sich wie ein Platzregen über ihn ergossen, hatte Mendel Veilchenziveig, der bei des Malers Anftnnchen ganz in sich selbst znsamme»gesunke» war, die Fassung wenigstens so weit znrückgewvnnen, daß er nene Entschuldigungen nnd Bcschuldigmigen hervorzn- stammcln vermochte, die sich gegen Elias, den Un dankbaren, richteten. Elias stand angstvoll daneben nnd suchte sich mit lebhastem Mienenspiel zn verteidigen. „Wir glnnbcn Dir mich ohne Betenernngen, Elias," versetzte Mayerstein freundlich. Mendel Veilchenziveig aber, den die in ihm to bende Wnt förmlich zur Salzsäule hatte erstarren lassen, kam jetzt allmählich wieder zu sich; schnapple «»>»1 , «!! !>s ein paarmal nach Luft und brach daun las wie«» Rasender: „Erlügt— er lügt." Hierauf ivendetec! sich zn dem Jüngling: „'S böse Fieber svllste krie gen — verdammt sollstesein - verdorren svll Dciu Stamm!" Und er hvb die Hand znm Schlage. Der Maler hielt den Ari» fest und riß ihn mit jähem Ruck zurück. „Hier bleibst Dn stehen, ohne Dich zn rühren, Hebräer, oder ich laß Dich vom Fleck iveg arretieren!" donnerte er ihm zn. Jetzt glitt Mayer Ehrenreich zwischen die bei den nnd sagte ruhig: „Meine gnädigen Herren, ich weiß nicht, was der Beilchcmzwcig Ihnen yaL zu Leide getan, weiß nicht, waä Sie Haden auszuma- chen mit ihm, aber ich bitte uutertänigst, machcu Sie es ans mit ihm an einem andern Ort. Ich kamt nicht haben so einen Spektakel in meinem Hans, denn die Leut werden denken, es gab Mord und Totschlag beim Ehrenreich!" „Trösten Sie sich, braver Ehrenreich, der Sie Ihrem Nm,,ei, alle Ehre machen; nicht mir der Spektakel, die ganze Komödie wird gleich zu Ende sein!" entgegnete ihm der Maler spöttisch. „Herr Doktor Csallovary," sagte erfvrtkahreud znm Advokaten, während er höflich grüßend de» Hnt akmahm, „Sie werde» ebenso wie wir wissen, daß dieser Sekretär Ihres verstorbenen Bruders, des Herrn Kolman Csallovary, ein Gcheimsach ent hält, nnd daß darin ein Duplikat des Testaments bewahrt sein sott, dessen Verschwinden sich recht un angenehm bemerkbar machte!" 222,17 An die strengste Selbstbeherrschung gewöhnt, gelang eS dem Advokaten, die ihn erfüllende ohn mächtige Wut in sich zu verschließen. Er erwiderte mit kalter Förmlichkeit: „Ich habe AehnlicheS ge hört und deshalb dem Sekretär narhgcfvrscht." „Wie mich ich es getan habe," sagte Mayer- stein. „Uebrigens ist es sehr erfreulich, daß diese Nachforschungen ein befriedigendes Ergebnis hat ten, imd ich schlage vor, den Sekretär an Ort nnd Stelle gerichtlich eröffnen und ans seinen Inhalt hin untersuchen zn lassen, der sür sie wie sür meine Freunde vielleicht von höchstem Interesse ist."
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