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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 31.05.1919
- Erscheinungsdatum
- 1919-05-31
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191905315
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19190531
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19190531
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1919
-
Monat
1919-05
- Tag 1919-05-31
-
Monat
1919-05
-
Jahr
1919
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 31.05.1919
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sthrist zweifeln. Tie wahre Frage lautet: Ent spricht der Frieden, den wir erzwingen, den Verpflichtungen des Waffenstillstandes? In ein- gehender schlagender Weise widerlegt dann „Oeuvre" die Behauptung, das; die t l Punkte Wilsons iiu Vertrage gewahrt seien, und schließt: Ter Apostel hat nicht die Kraft, sein Evange lium ausrechtzuerhaUeu. Tie Völker müssen es aus seinen machtlos gewordenen Händen über nehmen, es gegen alle, sogar gegen ihn selbst verteidigen und zum Triumph führen. — Ter „T e m p s" will die territorialen Forderungen, wie sie in den FriedenSbedingungeu niedergelegl sind, ohne Rücksicht auf die deutschen Gegenvor schlage erzwingen. — Tie „Patrie" schreibt: Ein Schrei übertönt heute alle anderen: Teutsch land muß bezahlen! Es hat bisher noch keinen Pfennig bezahlt. Unser Gegenvorschlag wird als letzter Rest des „PapierfetzeusvslemS" bezeichnet und lächerlich - gemacht — Ter „N e w y o r t H erat d" meint, die Verbündeten würden innerhalb einer Woche ihre Antwort fertig haben und Teutschland drei bis vier Tage Frist zur Entscheidung zugestehen. Ter Druck des defiui tiueu wertes deS Vertrages wird nochmals vier Tage beanspruchen, so das; die llnterzeichmmgs feier!ichkeileu am !>. oder 11. Juni slaitfinden können. — Wahrscheinlich auf Anregung der Re giernng bin schreiben die Blätter: Ter deutsche Gegenvorschlag mit seinen 200 Teilen sei mebr eine Manifestation, als eine Verhandlungsbasis. Sein eingehendes Studium verlange mindestens drei Monate, und darauf lassen sich die Verbim beten nicht ein. Ironisch kommentieren die bür gerlichen Blätter die Hoffnung deutscher Kreise auf den Sozialismus und die Internationale. Sie geben dielen Kreisen den Rat, sich die Be rufung auf solche Lächerlichkeiten zu sparen und lieber ins Unvermeidliche sich zu fügen. Tie Schweizer Blätter halten die Gegenvorschläge für sehr beachtlich. Die Hol ländis ch en Zeit u n g e n urteilen freund lich. Der „R i e n w e E o u r." schreibt zu den deutschen Gegenvorschlägen, sie ständen auf dem Niveau eines Volkes, das durch bittere Erfah rungen zu der lleberzeugung gekommen ist, daü Recht über Macht geht. Sie eröffneten neue Aussichten, wenn die Friedenskonferenz sie >n einem Geiste des Vertrauens in das neue Teutsch land, ohne Groll oder Has; in Erwägung ziehen wollte. — Die „Tijd" schreibt: Die deutschen Gegenvorlchlage und ihre Motivierung legten Zeugnis von großer Besonnenheit und Wohl tuender Müßigkeit ab. — „N l l g. H a ndel s bla d" schreibt zu den deutschen Gegeuvorschw gen, die Deutschen beschränkten sich nicht allein ans Kredite, sondern erkennen auch ihre Nieder läge und ibre Verpflichtung, die vom alten Re gime begangenen Fehler wieder gutzumachen Deutschland wolle schwer büßen, wolle jedoch auch als gleichberechtigtes Mitglied der Völker formell anerkannt werden. Neue deutsche Geuenuoteu Es sind zwei weitere Einzelnoten überreicht worden. Die eine bringt ganz neue Urkunden über die wirklichen Ursachen des Krieges, bei deren Beantwortung die Entente in schwere Ver legenheit versetzt werden dürfte. In der eben falls überreichten Antwort ans Clemenceans Krieasaesangenennote wird der Umfang der von französischen Gefangenen in Deutschland began genen Verbrechen und schweren Vergehen, insge kamt weil über 1000 Fälle, feßgesiellt, darunter drei Raubmorde mid !"> schwere Siulichkeim »erbrechen. — Weiter wird Okras Brockdorss Rantzau iu den nächsten Tagen eine neue Note Deutschlands überreichen, die die Au'nahme Deutschlands in den Völkerbund als Voraus setzung zur Unterzeichnung des FriedcnSvertrages begründen soll. Sine deutsche Geaeurechmvufl? P a riS , 29. Mai. ES verlautet, daß die Deutschen gegenüber der Forderung der Alliier ten eine Gegenforderung von 12 Milliarden 850 Millionen für den durch die Blockade angerich teten Schaden vorlegen werden. — Nach einer anderen Meldung sollen uns lüO 000 Soldaten anstatt 100 000 als Heer zugebilligt werden. Ite NohNiW der Verbandes. Tie Militärbehörden, welche den Nachschub für die Besatzungsarmce leiten, erhielten den Be fehl, daß im Falle einer weiteren Besetzung Deutschlands die Befatzungszone 80 Kilometer weiter auf die rechte Rheinseile ausgedehnt sei. Die englischen Truppen werden das gesamte In dustriegebiet und das Rnhrkohlenrevier besetzen. In allen Orten Rhein-Hessens wurde eine Be kanulmachung der französischen Militärbehörde angeschlagen, die besagt, daß bei Eintritt des Kriegszustandes jeder Verkehr mit dem unbesetz ten Gebiete aufhört, daß sämtliche Militärpflich tigen interniert und nach Frankreich gebracht Iver den, sobald einzelne den Versuch machen, über die Grenze zu gehen. Tie Rheinbrücken sind für Fußgänger bereits gesperrt worden. Grae«, stimme«. Die s r a uzösis ch e n Gewerk s ch a f - l e u verlangen eine Revision des miannehiü- haren Vertragsentwurfs, ebenso die englische s o z i a l i st i s ch e A r b e i t c r f ö d e r a t i o n, deren Führer Tom Mann öffentlich die Well-- revolutiou predigt. Auch die italienis ch e n Sozialist e u wollen Existenz und Freiheit für das deutsche Volk zugesichert haben. L i b e- rale englische Kreise sprechen sich offen für Einhaltung der Waffenstillstandsbedingungeu aus. Der S ch weiz e r B u n d e s r a t hat die Verschärfung der Blockade abgelehut. 9 0 amerikanische A b geordnet e (Demo krateiE haben n. a. au Wilson telegraphiert: Die Vereinigten Staaten wünschen Ihre Rückkehr, um die Herabsetzung der gestaffelten Lebensmittel preise zu bewerkstelligen, was wir sür viel wichtiger hätten als den Völker- b u n d. Rundschau. UmbUdaag der sFchstsche« Regierung? Zurzeit schweben Erwägungen darüber, die lächistche Regierung auf eine breitere Basis zu sielten. Tie Regierung bat zwar die stärkste Par tei, jedoch keine Mehrheit hinter sich, ein Zu- stand, der den wiederholten Versprechungen der Regierung, nach streng demokratischen Grund sätzen zu regieren, entgegensteht. Wie verlautet, dürfte die demokratische Fraktion für das Finanz Ministerium den Abgeordneten^ Nitzschke-Leutzsch, für das KMluSmini'terimn (das die Sozialdemo traten für jich beanspruchen) Schulrat Dr. Sey- lert und für das Wirtschaftsministerium Minijte rialdirektor Tr. Dehne präsentieren. In sozial demokratischen Kreisen 'chcint eine große Neigung vorhanden zu sein, dem jetzigen sächsischen Ge sandten in Berlin, de ab früheren Minister des Innern Tr. Koch, der in der Volkskammer der Deutschen Volkspartci angebört, ein Portefeuille zu übertragen. Die Unabhängigen verhalten sieb zum Eintritt in die Regierung nach wie vor ab lehnend. Die evang -luth LankeSsy«o»e uabm am Mittwoch u. a. folgende Entschließung an: Tie Synode begrüßt freudig die Absicht des LandeSkonsistoriums, die Heranbildung von Laien als Religionslcbrer, Iugendpfleger und Gemeindebelfer auch zum Dienst am Wort in die Wege zu leiten. Die Stznode spricht die Erwar tnng ans, daß künftig immer metzr Gemeinde glieder bewußt an den Ausgaben der Kirche mu arbeiten werden. Der Abba« der Zwangswirtschaft Auf eine Eingabe des Verbandes Deutscher Textilgeschäfte e. V. in Berlin, in der Vorschläge für de» A b b a u der Z w a n g swirt - schäft auf dem Gebiete des Ver- kehrs m i t W e b -, Wirk- und Strick w a r e n entwickelt wurden, ist vpm ReichswirE schkiftsminister folgender Bescheid ergangen: „lin ier den obwaltenden Verhältnissen ist es nnmög tich, den von Ihnen gewünschten Nebergang zur völlig freien Wirtschaft schon heute vorzunehmen. Tas Neichswütschaftsmüüsterium ist sich indessen bewußt, daß die Form, in der die Zwangs wirtschaft unter dem Druck deS Krieges geführt wordew ist, nicht fortgesetzt werden darf; insbe sondere sind auf dem Gebiet der Textilwirtschaft E r l c i ch t e r u n g en und planmäßi - g e r A bbau notwendig. Die Frage wird zur zeit, innerhalb des Ministeriums mit Beschleuni guug, aber auch mit der gebotenen Sorgfalt ge prüft; sie wird in Kürze abgeschlossen und das Ergebnis veröffentlicht werden." — Hoffen wir im Interesse unserer heimischen Industrie, daß die Angelegenheit bald eine zufriedenstellende Lö sung erfährt. V»lkSschulLber«av8-gesttz. Ter Gesetzgcbungsausschuß der sächsischen Volkskammer nahm gegen die Stimmen der Teutschnationalcn einen Antrag an, die Volks kammer »volle die Regierung ermächtigen, die vom GesetMömugsansschuß erhaltenen Richtlinien für ein VolksschulllbergangSgcsetz im Verord nungswege einzuführen. — Gegen das V e r - bot der Le b e n s m i t t e l a u s l a g e n wendet jich eine Interpellation der sächsischen De- molraten, die in Kürze die Volkskammer be schäftigen wird. Gtßeu -ex H^chve-rot im Rhel«la»h wenden sich u. a. die Reichsregiernng und die Zcntrumösratuon im preußischen Landtag. Die bereits gemeldete Ausrufung der rheinischen Re publik soll noch nicht erfolgt sein. Tie Nach richten ans Koblenz und Köln widersprechen sich. — Auch in der Pfalz haben die Loslösungs bestrebungen Fortschritte nicht gemacht. Zur L«gt i« Selsvitz i, E. wird uns folgendes mirgeteilt: Die Gerüchte, daß die Truppen auf Wunsch der Gewerkschaften bezw. der Direktoren und des BetriebspersonalS nach OelSnitz entsandt worden seien, sind nicht zn- tresiend. Tie Grubcnverwal.ungen waren von dem Erscheinen der Truppen in derselben Weste überrascht, wie die Bevölkerung. Da die Beleg schalten bis Mitiwoch forderten, alle Verhallet n frei zu lassen, ist man durch Verhandlungen da lli» überestigekvmme», mir die Arbeiterverlreler imier der Bcdingu»g aus der Haft zu entlassen, 'nenn sie sich verpflichten, keine öffentlichen Berg arbeiierversammlunge» mehr abzubalten und je de» Awrubr zu rmterdrücken. Die ausioärtiaen- K.oumi'misleii, darunter Steinert aus Ehemnitz, bleibe» jedoch weiter in Halt. Aris de» W e r ten wird wie so n sl weiter g e s v r - d e r t. Tie Älrbeiterräte baden eine Bekannt- niacknuig erlasse», in der die Arbeiter zur Rube und Besomienhcit ermalmt iverden. Tie Polizn stunde ist ivieder auf ^12 Ubr festgesetzt, Tanz oergiüignnaen könne» ebenfalls ivieder stattfmdcm Tie Rube isl nirgends gestört ivorden. Mtitslssen-BkrsMAliW i« Hvhrustel« Er»stthal (ej Eule ösfeutliche Versammlung siir die hiesigen Arbeitslosen hatte der Arbeitslose» Rat am Mittwoch abend nach dem Schützenbaus ein dernjen Erschiene» waren etwa 2ä0—M> Per soiic» tastderiei Geschlechts. Herr P loner aus Wi'slenbraiid beschäftigte jich in seinem Referat zunächst mit der Lage der Arbeitslosen im all gemeinen, verbreitete sich über die Tätigkeit der Arbestslosen Ausschüsse, wie jic in verschißenen Or e» gegründet ivorden sind, und stellte al--- wiederholte Forderung die Beschaffung von Ar Veit, im anderen Falle aber ausreichende Unter stützung. Des weiteren erläuterte er die NnU stände, die zur Gründung von Arbeitslosen-Rä- ten geführt haben. Sie beständen darin, daß den Arbeitslosen von den Behörden, Gewerk- schäften lind selbst den Arbeitskollegen kein, ge nügendes Verständnis ihrer schweren wirtschaft lichen Lage entgegengebracht werde und die Ar beitslosen gezwungen seien, aus sich selbst her- aus siir ihre wirtschaftliche Existenz zu sorgen. An Hand von Zahlenmaterial legte der Redner dam; dar, das; die Arbeitslosen nicht in der Lage wären, selbst nur die ihnen zugeteilten Le bensmittel kaufen zu können; besonders im Glau chauer Bezirk seien die Sätze ausbesserungsbediirs- tig. Er bedauerte, das; den Erwerbslosen von den Behörden so wenig soziales Verständnis ent gegengebracht werde, hofft aber, daß durch Ver handeln die wirtschaftliche Lage der Erwerbs losen doch noch gebessert werden könnte. Die Erwerbslosen sollten immer wieder die Behörden durch Darlegung der.wirtschaftlichen Verhältnisse zu einer Erhöhung der Unterstützungssätze zu bewegen suchen, außerdem aber auch dafür sor gen, daß den Erwerbslosen Sitz und Stimme im Erwerbslosen-FürsorgeauSschuß cingeräumt werde. ' . Herr Krauß, als Mitglied des Arbeits losen Rates, brachte, dann das Schreiben des Stadtrates auf die Eingabe des Arbeitslosen- Nates mn behördliche Anerkennung zur Ver lesung. Der Staduat hat, wie'von uns bereits mitgeteilt, die Anerkennung abgelehnt, mit der Begründung, daß u. a. die Masse der Arbeits lose» nicht hinter dieser Forderung stehe, wie der Besuch der Versammlung, in der der Arbeits- tolen-Rat gewählt wurde, gezeigt habe, ferner daß keine gesetzlichen- Unterlagen zur Anerken nung eines Arbeitslosen-Nates vorhanden wären und daß die Arbeitslosen in hiesiger Stadt eine hinreichende Vertretung hätten. Herr Krauß be- me.tt hierzu, daß den; Stadtrat eine neue For derung unterbreitet werden soll, die folgende 9 Puntte enthält: 1. Ter Stadtrat möge dem Arbeilölosen-Nat ein Zimmer unentgeltlich zur Verfügung stellen, in den»-der Arbeitslosen-Rat seine Tätigkeit aus- übe» kann. 2. Dem Arbeitslosen-Rat soll. Sitz und Stimme im ErwerbSlosen-Fürsorgeausschnß ein geräumt iverden. -st. Dem Arbeitslosen-Rat soll Schreibmaterial und sonstige Ausgaben aus der Erwerbsloscn- sürsorge beschafft bezw. erseht werden. -I. Den Mitgliedern des Arbeitslosen-Rate? soll eine »och zu vereinbarende Außvemdsent- schäduuma außer der Erwerbslosen-Uiiterltützrmg gewährt werde». 5. Sämtliche Arbestslosen-Fragen und -Ange legenheiten sind im Einverständnis mit dem Arbeitslosen-Rat z» erledigen. 6. Bei Abtransporten von Arbeitslosen find vorher mit dem Arbeitslosen-Rat Vcrpflegnngs-, ArbeiiS-, Wobnungs- und Lohnverhältnissc zu prüfen. 7. Kriegsinvalideu isl die Rente nicht in Ab zug zu bringen, da dies bei dem Arbeitsverdienst auch nicht geschieht. 8. Tei Stadtrak soll bei der Amtsbaupt- mamischasl um Erhöhung der Unterstützungssätze in Klasse A (höchste Unterslützungsklasse. T. B.) vorstellig werden. 9. Ter Stadtrat soll durch die hiesigen Zei tungen die Gewerbetreibenden auffordern, den 8-Stunden Tag einzuhalten, besonders auch für Lehrlinge. . Ter Referent bemerkte hierzu, daß, wenn der Achtstundentag eingehakten werde, dann auch hier und dort ein Arbeiter mehr beschäftigt und so auch die Zahl der Arbeitslosen vermindert werden könnte. Er bedauerte ferner, daß die städtische» Arbeiter (z. B. Wasserwertsarbeiter) so gering entlohnt würden. Die Abstimmung ergab einstimmige Annahme der Forderungen. In seinem Schlußwort Polemisierte der Referent besonders gegen die Grenzschutztruppen, ihre Ver pflegung und Entlohnung. MI> MM MM!» > ' Der Dampf um das Testament. Roman von Carola v. Eynatteu. 48 „Umvohl fühlst Du Dich aber nicht?" „Nicht im geringsten, und auch die Mattigkeit .st ivieder verschwunden. „So komm mit zn Kerkhelyi. Er bat, wir möch ten seine „Schlafende Diana" besichtigen, an der er heute die letzten Korrekturen beendet hat. Es winde ihn lräiiken, wenn Du ferubliebst, denn er stugte ausdrücklich, ob Du schon nach Hause ge- tommen wärst." Szarvlta erklärte sich sofort zur Begleitung be reit, und die Mädchen machten sich auf den Weg »ach dem Atelier. Als sie bei Kerkhelyi eintraten, waren Maycr- steiu und Hornbostel bereits anwesend, „Ich bitte Sie alle, auch Fräulein BaroS, um Ihr rückhaltloses Urteil," sagte der Künstler, als er.vonMayerstcin begleitet, zu den Staffeleien trat. Seite an Seite standen die Vier, keines sprach ein Wort, kein einziger jener konveutionellen Be- wmidernngSrufe und Lobsprüche fiel, die für den schöpferisch Schaffenden eher eine Beleidigung als eine Schmeichelei sind. Dafür aber stand in jedem GesichldieimügeFrendeausgeprägt, die man an des Genossen und Freundes neuestem Werkefand, das noch kein sremder Blick gestreift hatte. Aus dem von der Abendsonne gestreiften Wald boden, am Rande eines tief eingesentten blaugrün schimmelnden Gewässers schlummerte Diana, de ren Züge die Szaroltas waren, wenn auch ein klein wenig idealisiert. Sie errötete, als sie eS sah. Es war weder Ueberraschuiig noch Freude, die diese intensive Glut Hervorries; es war vielmehr die plötzlich lebendig werdende Erinnerung andie Vermutungen, die Jenö Csallovary vor Wochen über KerkhelyiS Empfinden für sie geäußert hatte. WaSihrdamatS jeder Grundlage zu entbehren schien, niehsderMnhe lohnte, darüber nachzudenken, nahm mit einem Mal greifbare Gestalt an, rückte in ein immer helleres Licht. Sie war ihm mehr, al» eine Art Schülerin, eine junge Kunstgenosstu, auf die er große Hoffnungen setzte! Diese Entdeckung, an deren Richtigkeit kaum zu zweifeln war, rief eine tiefe, schmerzliche Erschütte rung hervor, die ihr seelisches Gleichgewicht auf- zuheben drohte. Mayerstein war der erste, der den Baun ab schüttelte, der ans allen lag, auch ans dem Urheber der „Diana". Er trat aus ihn zu und sagte, ihn auf die Schulter schlagend: „Jetzt gehören Sie zu de» ganz Großen, Kerkhelyi!" „Ich bin nur ein bescheidenes Lichtlein ans dem GebietderMalerei," sagte Hornbostel, „daß Mayer» steins Anspruch zntrisst, sehe ich aber doch — Sie ganz Großer!" Gertrud Franke äußerte sich gar nicht; sie drückte dem Künstler nur stumm die Hand, und Szarvlta tat nicht einmal das — wie entgeistert starrt« sie auf das Pild. Kerkhelyi, dessen Blicke sie wiederholt gesucht hat ten, fragte endlich: „Und was sagen Sie dazu, Fräu lein Varos?" Ihn ans dnnklen, tiefen Angen anschauend, er widerte sie leise, müde: „Was soll ich sagen? — Daß es wundervoll — einzig ist? DaS sind Re densarten, die man jedem sagt." „So finden Sie das Bild gut?" „Ich habe nie Schöneres, Vollendeteres gese hen!" „Wohin soll die' „Diana"?" erkundigt« sich Mayerstein. „JnS KünstlerhauS." DaS Gespräch sprang jetzt auf technische Ei», -elheiten über, und Szarolta, so sehr sie sich sonst sür derartige Fragen interessierte, benützte diese Ge legenheit, tim sich nach einem alten Arinstuhl z». rückzuziehen, der hinter einer Wanddraperiestand. Hier hatte sie Ruh», hier wurde sie nicht ein mal gesehen. Di« Stimmen der Debattierenden dran- gen nur wie au» weiter Ferne zu ihr, st« hört«, un terschied st« ab«r nicht, so war sie verloren in di« eige nen Gedanken. — Hatte sie etwa» getan, mn in Kerkhelyi wiirmere» Interesse fll» ihr« Prrson zu erwecken? Sie suchte und suchte, faud aber nichts, was sich als eine Schuld ihrerseits deuten ließ. Gab es kein Mittel, Kerkhelyi, den sie als Künstler so hoch stellte, der ihr ein sehr lieber Freund war, von ihr zu befreien? Tiefer und tiefer versank Szarolta in diese Ge- danken, bis sie überhaupt mchtS mehr sah und hörte von dem, was um sie herum »orging, auch nicht aufmerksam wurde, als Hornbostel mit ihrem Leh rer nnd Gertrud das Atelier verließ. Sie kam erst wieder zur Wirklichkeit zurück, als Kerkhelyi die eine Hälfte der Drapperie zurttckschlng nnd dicht vor Ihr stehen blieb. Sie schaut« auf und in seine schwer mütig«« Augen. Ihr erster Gedanke war Flucht — und dennoch blieb sie sitzen, ohne einen Finger zn bewegen. Aller Wille, alle Kraft hatten sie verlas sen. „Szarolta," begann der Künstler langsam, „Sie haben gehört, daß meine „Diana" gefällt nnd ver- sprechend erscheint, Sie teilen dieses Urteil, Gynla Szalagay tut es ebenfalls, nnd ich weiß, er wird alles in seinen Kräften Stehend» anfbieten, um das Gemälde populär zu mache». Nehmen wir an, er verschaffte mir den „großen Namen", der den Künst ler erst zn dem macht, was sich di« Leute im all gemeinen unter einem solchen vorstellen — eine gefeierte Persönlichkeit — würden Sie dann ein willigen in allem und sür immer — Hand in Hand mit mir zu gehen und zu streben!" Hart, sehr hart mochten dies« Wort« d«m Maler angekommen sein, wenigstens hatten sie sich schwer fällig, gleichsam widerstrebend, seinen Lippen ent rungen, SzaroltaS Qual verlängernd, die jedes einzelne Wort wie einen Stich empfunden hatte. Schon beim ersten, als «r sich zur Anrede ihres Vornamens bedient, hatte sie gewußt, was folgen würde. Jetzt stand sie auf, schwankend, kreidebleich, erhob die entsetzt blickenden Augen zn ihm und flüsterte bebend: „Ich bin heimlich verlobt!" DeS Künstler» Hand, faßte den Wulst deS Ge webe» fester, s«in« Lippen schloffen sich hart auf einander. Endlich fragte er ebenso leise, ebenso ton los : „Mit wem — ?" „Mit meinem Vetter Tsallooary!" Und st« glitt an ihn; "vorüber au» dem Atelier 16. Kapitel. Dr.Pal Csallovary saß am Fenster deS „Aller heiligsten" am Waitzner-Ring. Auf seinem Schreib tisch in der Ecke vor ihm lagen Berge von Akten anfgestapelt — sie kümmerten ihn nicht; er hielt eine Zigarre in der Hand, ein« echt« Upman. die ans vsterreichisch-nngarischem Gebiet doppelt so teuer ist als auderSwo — sie kümmert« ihn nicht, er hatte sie anSgehen lassen; die Wartezimmer wa ren voll von ungeduldigen Klienten — sie küm merten ihn nicht, er hatte verboten, sie vorznlassen, ehe er schellen würde. Diesen Mittag war ihm im Vertrauen eröffnet worden, daß aller Wahrscheinlichkeit nach sein Prozeß mit der VaroS in erster Instanz zu seinen Ungunsten würde entschieden werden. Die briden Zeugen, ans die es ankam, der Pfarrer Körös und Kolman CsallovaryS Diener Pista Mellik, hatten alle», was sie zu Protokoll gegeben, eidlich bekräf tigt, dazn Gyula Szalugay, „deuGottverdauime» möge" mit seinem Schmid-Feuilleton in der reoo- lniionären, sittenverderbenden „Gerechtigkeit" — man konnte nicht ander» — mnßte sich zusammen- nehmen, wollte man nicht nlle möglichen Inter pellationen heranSfordern nnd sich eine ganze Meute kläffender nnd schnappender Hunde auf den Hals Hetzen. „Einen Vergleich anbahnen — nicht zn we nig bieten, da» wäre die beste Lösung!" Erwürbe unfehlbar glücken. Csallovary hatte den Besuch eines Herrn erhal te», der ihm eine Rechnung des JnwelierS Kovary in der Höhe von 16765 Kronen für Brillant-Bou- tonS, Armbänder und ähnliche Gegenständ« prä sentiert«. Seinem Jenö hatte eS beliebt, st« dort auf Borg zu entnehmen. Der Abgesandte deS Ju weliers hatte darauf Hingeiviesen, daß der beträcht liche Posten schon. Zeit sechszehn Monaten offen- stünde nnd daß alle Versuche, Herr» Jenö Csallo- vary zu einer noch so bescheidenen Teilzahlung zi, bewegen, fruchtlos verlaufen wären. Man hätte sich nur sehrschwer entschlossen, die Rechnung dein Herrn Doktor zu präsentier«» I 822, > 7
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