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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 05.04.1919
- Erscheinungsdatum
- 1919-04-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191904052
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19190405
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19190405
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1919
-
Monat
1919-04
- Tag 1919-04-05
-
Monat
1919-04
-
Jahr
1919
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 05.04.1919
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St» VMM WHSliiM In der Absicht, den staatlichen Zusammen« schluß zu fördern, i haben die beiden Freistaaten Neuß j. L. und Reich ä. L. den ersten Schritt getan. 'Beide Freistaaten sollen miteinander ve» schmolzen werden zum „Volksstaat Ostthüringen". Ter alte Name Reuß, den die beiden Staaten seit über 500 Jahren führten, soll also verschwin den. Die Hauptstadt des neuen Volksstaates wird Gera sein. Der gemeinsame Landtag, der über die.Verschmelzung jetzt zu beschlichen hat, führt voy jetzt ab die Bezeichnung Volksrat. Die Staatsgewalt geht vom Volke aus. Der Volks- rat kann beschlichen, das; ein Gefetzantrag oder ein von ihm gefaßter Beschluß hcr Volksabstim mung zu unterwerfen sei. Die Staatsleitung wird vom Staatsrat auögeübt, den der Volks rat ernennt und der höchstens aus 9 Mitglie dern bestehen darf, und zwar aus 2 Ministern und 7 Staatsräten, von denen ein Minister und d^ei Staatsräte dem ehemaligen Staatsgebiet Neuß ä. L. angehören sollen. Die beiden Mini ster führen den Vorsitz im Staatsrat, der erste Minister mit dem Sitze in Gera hat die Ge- schäftSleitung. In Neuß j. L. ist zurzeit Staals Minister der frühere, aus Preußen gekommene Negierungsrat Freiherr von Brandenstein, in Neuß ä. L. der frühere Rechtsanwalt und Land tagspräsident Oberländer. Von den 7 Staats räten sind 3 besoldete Staatsbeamte, die anderen 4 erhalten Aufwandsentschädigungen oder Tage gelder und sind nicht pensionsberechligt. Die Fi nanzverwaltung wird zentrale und..,die .Kirchens Verwaltung eine gemeinsame. Die Schule unter steht den.Gesetzen und der Aussicht des Staates. Kein Lehrer darf zum Religionsunterricht ge zwungen werden oder, zur Vornahme kirchlicher Verrichtungen, kein Schüler Wider den Willen der Eltern zum Besuche des Religionsunterrichts oder zur Teilnahme an kirchlichen Handlungen. Das Greizer - Landgericht komMt nach Gera. In Greiz bleibt eine detachierte Strafkammer, und es wird eine Kammer für Handelssachen neu eingerichtet. Die Rechtsprechung erfolgt im Na men des. Boltsstaates. Die zur vorläufigen Ge^ mcinwirtschaft erforderlichen Mittel hat Neuß j. L. einstweilen auszulegen. Die Absicht, sich mil Altenburg zusammenznschließen, scheiterte an dem Verlangen, die Stadt Altenburg rum Sitz der Regierung zu machen SWslht VMtWMr. Dresden I. April. Auf der Tagesordnung sieht als* erster Punkt die allgemeine Voroeratung über den Antrag der Fraktion der Mehrheitssozialisten: „Die - Volkskammer wolle beschließen, die Regierung zu ersuchen, alsbald eine Gesetzes- Vorlage cinzubringen, durM welche a) die Aerzte ordnung vom 15. August 1904 dabin abge ändert chird, daß vintort kein im Freistaat Sachsen tätiger Arzt gezwungen ist, einem ärzt lichen Bezirksverein anzugehören; Vs die ärzt liche Ehrengerichtsbarkeit, sonne hie Ehrenge- richtsordnung den neuzeitlichem Verhältnissen angcpaßl werden." Zur Begründung des Antrages erhält Abg. (Präs) Fräßdors (Soz.) das Wort. Eine Organisation, aus Zwang hebe in, Widerspruch zu unserer demokratischen Versassung. In keinem anderen Bundesstaate sei eine Zwangsorganisa j tion dxr Aerzte vorvandeu. Der Antrag solle > gegen Vergewaltigung derjenigen Aerzte ein - Schutz sein, die eine Zwangsorganiscuion nicht wollten. Weiter solle dadurch esu Schutz der Krankenkassen pud ein Schutz, vor Schädigung des Allgemeintvöbls erstrebt werden. Während in den deutschen Großstädten ein Uebersluß an Aeczlcn sei, mangele es auf dem Lande an sol chen. Sollte es zu einer Trennung von Staat und Kirche kommen, so könnten dann die den Pastoren gezahlten Mittel solchen Landärzten zu « gute lommen. Nach längeren Ausführungen Uber die dauernd gespannten Verhältnisse zwischen Krankenkassen und Aerzteii spricht der Redner in vorwurfsvoller Weise von de/ Betätigung der ärztlichen BezirkSvcreine und Ehrengerichtsbarkeit uni» bittet, den Antrag in sofortige Schlußbe- ratung zu nehmen. Fra» Abg. Salinger (Dem.): Es müsse ernstlich bedauert werden, daß die einzige in Aerztesachen gut orientierte Persönlichkeit krank- heitShalber nicht anwesend sein könne und daß aus diesem Grunde die Besprechung des Antra geS nicht verschoben worden sei. Tic meisten Aerzte seien mit der Zwangsorganisation ein verstanden und die wenigsten dagegen. Der Aerzie- sland werde durch Aufhebung deS Zwanges in Verfall geraten. Notwendig sei aber, über die Aufhebung der Zwangsorganiscuion einen Arzt erst selbst anzuhören und darum verlange ihre Partei die Uebcrweisrmg dcs Antrages an den Gesetzgebungsausschuß. Abg, B e u t l e r (Teustchnat. Vp): Auch in Preußen, also nicht nur in Sachsen, bestehe die Zwangsorganisation der Aerzte, allerdings nicht in der Form der Bezirksvereine, sondern der Aerzte Kammer. Auch sei die Anwalts organisa- tion etwas ganz Aehnliches. T-er Antrag wolle zu einer Spaltring der Aerzte treiben, da man glaube, zugunsten der Krankenkasse dann leichter mit ihnen fertig zu werden. Der Abänderung der ärztlichen Ehrengerichtsbarkeit stehe seine Partei unfreundlich gegenüber. Sie cAenne aber einige Mängel derselben an, die beseitigt werden .könnte». ' Abg. M cnke (Unabh.): Seine Pariei stimme dem Antrag an sich zu. Wenn aber einerseits die Aufhebung der Zwangsorganisation gefor dert werde, dürfe anderseits die ärztliche Evren- gerichtSbarkeit nicht gesetzlich festgelegt werden und dann» verlange er die völlige Anmassung derselben. Abg. Blüvcr (Dcutiche Vp.): Der Antrag mache den Eindruck, als sei er aus Interessen -er KrankeMasscu hervorgegangen. Es liege im Jmeresse des AllgemeinwovlS, einen sittlich und moralisch hochstehenden Aerztcstand zu schaffen. Dazu sei aber eine Aussicht in Form einer Ge richtsbarkeit nölig und seine Partei erkläre sieb zü einer Nachprüfung der jetzt bestehenden Be stimmungen bereit. Abg. Kirchhof (Soz.-: Er finde es uner klärlich, wie die Rechte des Hauses für cine Ztoangsorganisation der Aerzte eintr^en könne, während diese Seile sonst die Organisation an derer Berufe, namentlich der Arbeiterklasse, be kämpfe. - Abg. (Präs.) Frä ß d o r s (Soz.) veneidigt sic» gegen die iVm von dem Vorredner gemach ten Anschuldigungen rind betont u. a., daß er bei Einreichung seines Antrages ganz im In tercise der Aerzte gebandelt bade, weil sie ibn darum gebeten hätten. Der Antrag wird auf Kammerbeschluß dem Gefetzgebungsauöschuß überwiesen. Als zweiter Punkt siebt folgender Antrag der Fraktion der unabhänaigen Sozialdemokraten auf der Tagesordnung: Die Kammer wolle beschlic ßcn, daß der ß 20 des DiisidcntengesetzeS vom 20. Juni 1870 folgende Fassung erhält: Ter Austritt aus einer Religionsgesellschast ist, auch wenn er ohne gleichzeitigen Uebertrin zu einer anderen ReligionSgescllschast erfolgt, einer jeden in Sachsen wohnenden Person ge stattet. Eilt außerhalb des Freistaates Sachsen ersolater Kirchcuaustritt gilt auch in Sachsen. lieber den Austritt von ehelichen Kindern entscheidet bis zum vollendeten 14. Lebensjahre miangels einer Vereinbarung der Eltern der Vater; lebt dieser nicht mehr, die Mutter. Für außereheliche Kinder trisst eilte solche Emschei düng die Mutzer. Kinder über 11 Jahre kön men den Austritt selbständig bewirken, cine Zu stimmung des gesetzlichen Vertreters ist nicht erforderlich. Ter Austritt erfolgt durch schriftliche Mit tetlung oder durch Erklärung zu Protokoll an den Pfarrer der zuständige» Kirchengemeinde. Der P'grrsr muß dem Austretenden eine Be scheinigung über die Austrittserklärung inner halb 2 Wochen nach der Ahmeldung zustcllen. Der Austritt ist kostenlos zu bescheinigen. Nach Ablauf des Steuerjahres, in dem die AuStriltKerklärung erfolgt ist, kann der Ausge tretene glicht mehr zu persönlichen rind säch lichen Kirchenstellern herangezogen werden. Personen, die nicht getauft sind, gehören kei ner Kirche an und können dementsprechend auch nicht Zll Kirchcnanlagen herangezogen werden. Der Absatz 3 des tz 20 wird gestrichen. Die Kammer beauftragt die Negierung, die Forni der Eidesleistling für aus der Kirche ausgetretene Personen entsprechend zu andern. In der Begründung zü diesem Antrag führt Abg. M e u k e Dresden (Iluabh.) ans, das; das Dissidentengesetz nicht mebr dem jetzigen Zeitgeist entspreche und der sächsische Landtag bereits im Jabre 1911 um Abänderung dessel ben gebeten worden sei. Ministerialdirektor Dr. B ö b m e : Tas In stizministerium habe gegen die Formulierung deS Antrages Bedenken und er bitte um die Neber Weisung desselben an den Gesetzgebungsausschuß. Minister Harnis ch : Die gegenwärtigen Zustände müßten geändert und nach Erleichte rung deS Austritts au? Kirche gestrebt wer den. Dazu müßten aber erst die Maßnalnncn der Reichsregierüng abgewattel werden, zumal der Antrag mich gewme Reichsgeßme berühre, die die sächsische Regierung nicht olmc weiteres umstoßeu könne. Abg. Dr. Roth (Dem.) betont n. a. in seinen Ausführungen, daß die Abänderung des DifsldcntengcsetzeS cine ReieliSaügelegeuheil sei und beantragt die llrberweifung an den Gesetz gebungsausschuß. Abg. R e n d i v r j f tDelnschuat. Vp.): Das Dissideutengesetz sei im Interesse der Gewissens fleibeit erlassen worden. Weiter gehl er in län gerer Rede kritisierend auf die einzelnen Punkte des Antrags ein und bringt leine Ansicht gegen die formelle An des Antrages zum Ausdruck. Abg. Arzt (Soz.): Er vermisse in den bis herigen Reden eine bejahende Tendenz deS Gan zen. Bis zum heutigen Tage sei der Dissident als ein Mensch ganz untergeordneter Klasse an gesehen worden lind dieser Nebelsland müsse ab geschasst werden Sollte es zu einer Trennung von Kirche-und Staat kommen, so hätte sich die ser Antrag atme' weiteres erledigt. Abg. Dr. K a i s c r (Deutsche Vp.): Weil» der Tendenz deS Antrages nicht zngeslimml wer den tonne, so liege dies an der Emseingkeil desselben und daran, daß in ihm die Rechte der Reügionsgesellschastcn nicht gewahrt feien. Abg. Kruspe (Dein.): Es sei bedauerlich, daß in diesem Anträge die Bedeut zeit aufge hoben und das Ausuittsaltcr bereits schon nach dein voltendelen 1! Lebensjahre angenommen werde. Aus einstimmigen Beschluß der Kammer wird der Antrag dem GesctzgebunaSausfchuß über wiesen. Nächst» Sitzuna beule Freitag vornnuaas Ubr. ' " Örtliches und «äßfischeS * — Völ l igc § o n n t a gern b e. Mu dem 1. April ist die Bestimmung über dir volle Sonntagsruhe in Krall getreten. Ausnabmen können voil der höheren Verwaltungsbehörde sür Gewerbszweige gestattet werden, die zur Deckung besondeis dringlicher täglicher Bcdürsnis'e der Bevölkerung alürechl erhalten bleiben müssen. " — H c i m k c hr dcut s ch e r S co iv a r ; m e er ! rup p e n. Vom Ministerium für Mili tärwesen wird mitgewili: Die ersten Schisse mil den aus den Schwarzmeerhäseu heimkebrenden deutschen Truppen sind in Deutschland einge trösten. Weitere sind demnächst zu erwarten. ES bestand zunächst tue Absicht, dre darunter befind« lici'en sächsischen Truppen zur Demobilisierung geschlossen nach Sachsen zu leiten. Neuerdings ist jedoch ungeordnet worden, daß auch die säch sischen Hveresangehörigen bereits in den Aus- schiffungshäfen demobilisiert und von dort un mittelbar in die Heimat entlassen werden. * — Als cin Zeichen der Zeit kann folgende Anzeige angesehen werden, die sich in der Mitiwvch-Nr. der „Chemn. N. Nachr." bc'aud: „Einige Herren suchen in; Stadtinneru einen Mitlagstisch, wo selbige jeden Tag, auch S onntags, Zll Abend essen können, jedoch keine sogen. H u n g c r p o r t i o n e n, sondern solche, wovon man satt wird. Angeb. usw." * Hohenstein-Ernstthal, 4 April. Von wmmuuistischer Seite Ivar für gestern nachmittag nach dem Schützenhaus eine Arbeitslosen-Ver- sammlung einbenlseu worden, die indes nur schwach besucht war. ES waren erwa 200 Frauen und Männer anwesend. Als Redner Ivar ein Herr W egne r aus Chemnitz erschienen, der zunächst die Frage behandelte, warum es jetzt so viele Arbeitslose gäbe. Er schob die Grund uriache dem deutschen Kapitalismus und der deutscheu Industrie zu, die durch schlechte Bezah- lung der Arbeiter billige Waren nach dem Aus lande liefern konnten, dadurch die Herrschaft aus dem Weltmärkte erlangten und damit die auslän dische, besonders die englische Industrie sich zum erbittertsten Feinde schufen. Nachdem nun der Weltkrieg, der nur ein Kampf des Kapitals uni den Besitz deS Weltmarktes gewesen sei, zu un gnnslcn Deutschlands entschieden wäre, werde sich der Haß gegen das deutsche Kapital natürlich darin äußern, daß uns die Zuführ der Rohstoffe für lauge Zeit abgeschnitten bleibt. Einen AuS weg aus dieser Nol glaubte der Redner nur durch Einführung des Näreshstems zu siuüen. Alle uo-ß in Demschlnnd lauernden Rohstoffe müßten er- ''aßt werden, um ein klares Bild darüber zu gewinnen, welche Vorräte noch vorhanden feien. Die Ausnahme der Statistik müßte durch die Ar besterräie erfolgen und dann versucht werden, mit dem Ausland, soweit eö uns nicht feindlich ge sinnt ist, in Handelsbeziehungen zu treten. Red ner wies dabei aus Rußland bin, mit dem Ver bindung anzuknüpßn versucht werden müsse. Auch auf dem Gebiete des ErnährungswesenS könne nur das Rälespslem grundlegende Aenderungen 'chatten. Auch hier bieße eS: vollkommene Er fastung aller Lebensmittel und gleichmäßige Ver teilung. Alle Maßnahmen müßten aber unter Kontrolle der Arbeitcrräie durchaesührt werden Der Redner kam dann aus die eigentliche Lage der Arbeitslosen zu sprechen, wobei er über dir Verhandlungen berichtete, die der Chemnitzer Ar veil Koßn Rat mit dein dortigen Oberbiirgennet ster hatte zwecks finanzieller Besserstellung der Arbeitslosen. Er brachte dann weiter die neuen Rcichssätzc der Erwerbslosen Fürsorge zum Vor traa, deren Anwendung überall durchgeführt wer den soll. — In der Aussprache referierte Herr Shbeck über einen Kongreß der Arbeite- licken, der kürzlich in Chemnitz statlfand. Er kritisierte ferner die Löhne der Ternlarbester, die er als viel zu niedrig bezeichnete, forderte dir Arbeiter zum Zusammenschluß aut. verlangte schleunigste Sozialisierung und machte der setzt gen Regierung schwere Vorwürfe, »veil sie out dem Oiebiete des Ernährungswesens Besserungen nicht geschaffen habe, vielmehr den Wucher und den Schleichhandel in vollstem Maste' sich ent wickeln lasse. Beschlagnahme aller Lebensmittel war seine weiiere Forderung. Herr Krauß als VersammlungSleittr berichtete dann über den zu wählenden Arbüslosen-Nat, der aus 7 Mil gliedern und 6 Ersatzleuten bestellen soll. Als Mitglieder schlug er außer seiner Person die Her reu Thate. Lübeck, N c u m a u u, Ber gert und Zehl vor, mil deren Wahl sich die Versammlung einverstanden erklärte. Gleichsails bestäliat wurden die 7 Ersatzleute. Der Arbeits losen Rat soll bei Mißständen, die sich bei der Anmeldung von Arbeitslosen, sowie bei der Aus- Aer Kampf um das Testaments Roman von Carola v. Eyuatten. 8 ! Margita, die in steigender Erregung gespro chen hatte, machte eine Pause, war aber so hinge« geben an ihre Gedanken, daß ihr der Freundin tiese! Erschül-ernug fast entging. Ein paarmal Atem ho- lc-ud, fuhr sie fort: „ES versteht sich von selbst, daß ich Dir helfe, so viel ich kann, wenn wün schenswert, auch mein« Frenuds in Deinen Dienst presse. Tu tollst sehe», wir machen Csallooan- j zahm, denn so gering bei uuS die Furcht vor einem ößenilicheu Skandal ist, einem Advokaten dient er nicht einmal — in Ungarn zur Empfehlung." „Schäm Dich, «ine solche Bemerkung zu ma chen, Margita. Eine Ungarin, die Ungarn schlecht macht!" rief das jung« Mädchen aufbrausend, während^ sich ein feiner, roter Hauch über ihrc- fchmaleu Wangen legte. Seit ihrem Zusammenleben war »S da» erste Mal, daß sie für ein anderes, al8 ihre persönlichen Angelegenheiten lebhaftes Interesse äußerte, und Margita begrüßte dieses Zeichen wiedererwachen- bcr Anteiluähm« am Leben mit freudiger Ueber- mjchung. - „Ich bin eine gute Ungarin, aber ich leide richt au der Magyareumauie," entgegnete sie ru hig, und darum sehe ich »nein Vaterland, wi« eS st. Aber lassen wir das. Ich sagte eben, daß ich uuch au Leiner Stelle nicht ohne weiteres zum Verzicht auf ein Vermögen verstehen würde, au das lch moralische Ansprüche hätte und daS mir überhaupt „ur wegen Fehlens eines Testaments entging." „Ich kann aber doch nicht beweisen, daß ein Te« stameut vorhanden war." „Gleichviel. Doktor Csallovary gegenüber) würde ich mich darauf stützen, daß die gesetzliche Adoption bereits ringeleitet war, und daß Dein Vater zu Lriueu von seinem Testament gesprochen, daß Zeugen vorhanden sind, das zu beschwören; Du kannst mich auch nennen. Droh mit einem Prozeß. Hat Czallovary ein schlechte» Gewissen, so wird ihm schwül werden. Bei dieser Menschen fort? kommt ! alles darauf an, daß die Außenseite brav glänzt und gleißt, im Innern kann sich der Schmutz berg- holl; häufen, das geuicrt sie nicht, weil ihn dort niemand sieht." „Würde ich einen solchen Prvzetz gewinnen?" fragte Szarolta nachdenklich. „Ich weiß eS nicht und lege vorerst auch kein besonderes Gewicht darauf, weil ich nicht glaube, daß Ehrenmann Csallovary eS bis zur Eutschei- dnug kommen lassen würde. Er legte sich vorher wohl aufs Unterhandeln und opferte lieber «inen kleinen Teil seiner Beute, als daß «r diese Angele genheit der Oesfentlichkeit preisgäbe. Es ist frei lich traurig, sich mit hundert» oder zweihimdert- tansend begnügen zu müssen, wenn einem alles zugedacht war, immerhin aber könntest Du von einem solchen Kapitale anständig, wenn auch nicht luxuriös leben. Verschiedene meiner Studiengenoß sinnen verkehren viel in des Doktors Haus und ihrer aller Urteil lautet: Doktor Csallovary ist rin Mann deS schönen Scheins, der Mittel und Wege findet, unter Wahrung aller Merkmale eines Ehrenmanne» sein« Klienten bis aus di« letzte Fe der zu rupfen. Willst Du einen solchen Menschen schonen?" Szarvlta, deren Lebenserfahrungen sich auf den engen Kreis deS Schul- und PeuslouSlebenS beschränkten, die noch nie über eine bedeutsame Frage hatte entscheiden müssen, fühlt« sich ver wirrt und ratlos. AIS «chte Ungarin lockte sie der Gedanke eher, sich ihr Recht auf dem Wege des Prozesses zn erkämpfen, als daß er sie erschreckte, sie war sich auch klar darüber, daß sie gegen Dr. Csallovary keinerlei Verpflichtungen habe, aber war er nicht ihres Vaters Bruder? Durfte sie diesem das Messer auf die Brust setzen, wenn er unverwa»dtschaftlich, vielleicht schlecht au ihr ge handelt halte, dürft« sie Gleiches mit Gleichem vergelten? Ala sie diese Bedenken anSsprach, erwiderte Margita lachend: „Hat er Dich je als sein« Nichte anerkannt, hat er die Absicht, eS je zu tun ?" Szarolta blieb Finnin, «Swvllt« nicht klar wer- ' den in ihrem Kopf. Die Medizinerin aber fuhr, immer heftiger werdend, fort: „Er verleugnet Dich nicht mir, er hat Dich auch auf eine Sprosse der sozialen Lester hcruntergedrückt, die sich klaftertief unterhalb der befindet, auf die Dein Vater Dich stellen wollte. DaS weiß er, das muß er wissen, denn er kennt seines Bruders Absichten mit Dir au der Erziehung, die Du erhalten hast. Er weiß auch, daß Du, die Du sürkeineu Broterwerb vorge bildet bist, in die trostloseste Lage geraten mußt, wenn man Dich ohne weiteres aus dein Boden reißt, auf dem Du ausgewachsen bist, und deimoch bedurfte cS Fräulein ErcseuyeS Vermittlung, um ihn zu einem Almosen von zehntausendKroneuzu bestimmen. Ich wollte noch nichts sagen, wenn er den sechsten Teil des ererbten Vermögens auf Dich übertragen, Dich also gleichgestellt hatte mit seinen Kindern, wenn er die Vormundschaft übernom men und Dir einen Platz in seiner Familie ange wiesen hätte. So würde ein anständiger Mensch gehandelt haben; Doktor Csallovary aber hat sich als ein gesühlSroher und gewissenloser Patron er wiesen. Wahrscheinlich ist er noch Schlimmeres, denn daß Dein Vater ohne Hinterlassung eineSTesta- mentS gestorben fein soll, kann ich niemals glau ben." Mit tief niedergeschlagener Miene saß Szarolta vor der eifernden Freundin. Jetzt entgegnete sie: „ES mag ja alles fo sein, wie Du sagst, aber was kann ich dagegen tun? Ich bin minderjährig, habe keine Rechte und kein Geld, selbst mein bißchen Schmuck hat man mir weggenommen und einProzeß kostet viel, — sehr viel, daS habe ich ost gehört. Mein Vormund wird keinen für mich führen, ich kann es nicht." „Ich habe unter den Geschworenen «in paar gute Bekannte. Zuerst rede ich mit ihnen, dann mit Deinem Vormund," erklärte Margita. „O nein, laß den aus dem Spiel,ich bitte Dich, liebe, lieb« Margita. Wolltest Du mit Herrn Ju- harcz reden, so würde eS Dir nur Widerwärtigkei ten eintrageu, er ist ein sehr ungebildeter Mensch," rief da» ju^ MdcsM Maud^nd stader Krim nerung an ihre wenigen Begegnungen mit dein Vormund. Aus Margita Kisfalva machte das nicht tun leisesten Eindruck. „Ich werde fertig mit ihm, du- rüber brauchst Du Dir keine Sorge zu machen,' sagte sie lachend. WaS Szarolta auch noch eiuweudeu mochte gegen diesen Plan, «S blieb «Hue jeden Einfluß auf die Entschließungen der Kandidatin, und schließlich sagte sie: „Tu, was Du willst, aber Du wirst sehen, daß ich recht habe, daß Du nichts aus- richtest, nur Unannehmlichkeiten hast meiuetwe« wegen.- Und leichter zumute war ihr auch nicht im Hm- blick auf die neuen Wirrnisse und Aufregungen, di' ihr drohten. 8. Kapitel. ES war dir Mcmtagnwrgeu, an den» Szaroltc Büros für die nächsten drei Jahre in daS Haus der Kaufmann» Szigeth, des älter», verheirateten Thefr der Firma Szigeth und Baczo übersiedeln sollte. ES war ein Morgen, so lachend und leuzeSduß tig, wie nur der Mai ihn bringen kann, kommt ihn einmal die Laune au, sich als echter Wvnliemoum zu erweisen. Wie empfänglich sie sonst für jedeu Naturzauber war, heute sah sie weder den flim- meruden Goldglanz, der Nähe und Ferne umwob, noch fühlte sie den blüteudurchdufteleu Hauch, dec über ihre schmerzende, zuckende Stirn hiufächLlte. Für sie war alles, alles in trostloses Düster ge hüllt und weit unglücklicher noch, als au, Tage ihres Einzugs in daS Kisfalvasche Dachstübchen, faß sie jetzt an dem kleinen Fenster, glanzlosen BliüeS auf die wiedergepacktcu Koffer und sonsti gen Gepäckstücke uiederschaueild, von denen ihr mu ein Teil in ihr neues Heim folgen sollte. Noch etwa eine Stunde, daun war sie gehr« Mädchen und mußt« alle Arbeiten eines solchen verrichten, mußte den Befehlen des Personals ge horchen, sich anSzcmkeu und herumstoßen lasten von Leuten, die au Bildung uud auch wohl au Wissen tief unter ihr standen, mußte alle Deuiütr« - Salgen schweigend hinpebmett. 22S. 17
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