Volltext Seite (XML)
pv 61, 16. März 1910. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 3307 Schule Belwe (Abteilung der Akademie fitr graphische Künste und Buchgewerbe in Leipzig). Ernst Kiesling. kakmen äeul8cker kuclililel im 16. ^akr- Kundenl. HsraiiZASFsbstt von krok. Dr. V. küUA^-HarlluriA. (Xutt8tA6iv6r1i6 äsi' Ii.6ttg.i88g.li66. I. Laiiä.) 6l-. 80. 32 8. tt. 102 lakaln. 8tuttZai-t ivg.ttäniklpp6 10 Das vorliegende Werk ist einem Gebiet gewidmet, das zwar weiteren Kreisen wenig bekannt, aber den Kunstforschern und Bücherfreunden wohlvertraut ist: den Rahmen von Buchtiteln im Geschmack der Renaissance. Jeder Bücherfreund kennt wohl einzelne dieser verzierten Buchtitel, aber in dieser Sammlung von 102 Tafeln gewinnt man zum ersten Mal einen Überblick über die ungemein mannigfaltigen Ornamentrahmen, die im 16. Jahrhundert in Deutschland so beliebt waren. Die Anregung dazu war aus Italien gekommen. Dort waren seit der Mitte der 70er Jahre des 15. Jahrhunderts herrliche in Holz oder Metall ausgeführte Umrahmungen, Initialen, Leisten und Vignetten entstanden, die sich bis ins 16. Jahrhundert be- hauptet haben. Die Blüte der italienischen Buchornamentik fällt in das Ende der Frührenaissance und in den Beginn der Hoch renaissance, etwa die Jahre von 1477 bis 1518 umfassend. Von da an sank der Geschmack in der Bücherausstattung Italiens. In Frankreich und in Deutschland war aber dieser Zweig der Kunst in zwischen aufgelebt. Diese Länder huldigten noch der Gotik, waren also zunächst auf sich selber angewiesen. In Deutschland herrschte die gotische Auffassung noch derartig, daß sich vor dem 16. Jahrhundert nur vereinzelt Renaissancemotive finden. In Augsburg und Ulm druckte man hübsche gotische Initialen, während niederdeutsche Werke ganze Umrahmungen von künst lerischem Werte lieferten, wie Köln in seiner Bibel von 1480. Aber allmählich trat die Renaissance in der graphischen Aus stattung hervor, während die Baukunst noch Jahrzehnte beim überlieferten Kunststil verharrte. Im letzten Drittel des fünfzehnten Jahrhunderts ebnete der Einfluß des großen niederländischen Malers Hubert van Eyck dem Realismus in der Kunst die Pfade, zumal in den Rheinlanden und in Süddeutschland. Dazu gesellte sich der klassische Stil von Süden, der rasch mit allem Hergebrachten brach. Die zahlreichen Schriften, die Luther seit 1519 verfaßte, waren durchweg mit Renaissanceumrahmungen versehen. Da sie massenhaft verbreitet wurden, haben sie ungemein viel zur Einführung der Renaissance, zur Gewöhnung an ihre ganz andersartige Auffassung, an ihren bislang fremden Geschmack mitgewirkt. Die deutsche Buchillu stration bildet sogar häufig den einzig datierten Anhalt für den Beginn der neuen Richtung. Ihre Hauptorte waren Augsburg, Basel und Nürnberg, die unter sich und mit dem Auslande, zumal mit Italien, viele persönliche und künstlerische Beziehungen hatten. Abseits und für sich allein stand Wittenberg, das durch Luthers Schriften als Druckort bedeutend wurde. Jeder dieser vier Orte besaß eine künstlerische Kraft ersten Ranges, um die sich eine Schule oder doch ein Kreis von Mitarbeitern sammelte; es waren Burgkmair, Holbein, Dürer und Cranach. Außer diesen taten sich auf diesem Gebiete hervor Wohlgemuth, Wächtelin, Schäufelin, Hopfer und Springinklee. Die große Zeit der künstlerischen Buchausstattung wird gekennzeichnet durch unendlichen Reichtum der Erfindung und sichere Zeichnung, durch ein echtes Kunstvermögen und Kunst- behogen, durch Geschmack und Technik. Als aber die großen Meister dahinstarben, Hinterlieben sie keinen vollwertigen Ersatz, nnd so trat eine Erlahmung ein, in der man wesentlich von der Vergangenheit zehrte. Nur noch einmal erhob sich das Illustrations- Wesen zu voller Höhe. Es geschah in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts durch den Drucker und Verleger Sigmund Feyerabend in Frankfurt am Main. Dieser zog tüchtige Künstler wie Virgil Solis, Tobias Stimmer und Jost.Amman heran, durch die er namhafte Erfolge erzielte. Dann aber verfiel das Buch gewerbe mehr und mehr der bloßen Überlieferung, bis auch diese mit dem 17. Jahrhundert aufhörte und der Dreißigjährige Krieg den völligen Verfall bewirkte. Das vorliegende Werk enthält eine reichhaltige Auswahl der schönsten und charakteristischsten deutschen Renaissance-Rahmen. Sie sind natürlich von ungleichem Werte, aber auch unter den geringeren Einfassungen wird man keine finden, die nicht in der einen oder andern Hinsicht merkwürdig wäre. Unter den besseren sind viele, die geradezu zur Reproduktion verlocken. Wenn die Holzschnitte zuweilen etwas roh ausgeführt sind, so ist das dem Umstand zuzuschreiben, daß die Kunst der Holzschneider nicht immer der der Zeichner entsprach. Auch unter diesen befanden sich minder tüchtige Künstler, und die Verleger waren keineswegs stets geneigt, viel Geld für die in ihren Augen vielleicht neben sächliche Beigabe zu zahlen. Aus solchen Sparsamkeits gründen verwendeten sie deshalb auch denselben Holz stock für ganz verschiedene Bücher oder verkauften ihn an andere Drucker, so daß er zuletzt ganz abgenutzt war. Wenn demnach einzelne Tafeln einen schlechten Druck zu verraten scheinen, so ist das lediglich dem Aussehen des zur Wiedergabe gelangten Originals zuzuschreiben. Aber auch bei diesen verhältnismäßig wenigen Tafeln sind die Linien und Ornamente noch deutlich genug für den Zweck, den das Werk erfüllen soll, nämlich nicht bloß den Bücherliebhabern, Kunst freunden und Forschern eine Zusammenstellung von Renaissance- Rahmen, sondern auch den modernen Künstlern und Kunsthand werkern eine Fülle von Motiven und Anregungen zu geben Man kann diese ungemein mannigfaltigen Strich- und Pflanzen ornamente, diese figürlichen Darstellungen von Menschen und von Tieren auf den verschiedensten Gebieten des Kunstgewerbes ver werten. Nicht zuletzt kann auch der Buchtechniker sie sich dienst bar machen, sei es indem er ganze Umrahmungen benutzt, falls sie dem Charakter eines Buches entsprechen, sei es indem er nur einzelne Teile oder Motive verwertet. So bildet das Werk, das 95 ganzseitige und 7 doppelseitige Tafeln enthält, eine sehr dankenswerte Veröffentlichung, und man kann nur wünschen, daß es dem Herausgeber bald möglich sein werde, die geplanten weiteren Bände folgen zu lassen, in denen nicht nur die spätere deutsche Renaissance, sondern auch die ita lienische, französische, holländische, englische und spanische zur Dar stellung kommen sollen. Die Ausstattung des vorliegenden ersten Bandes, der auch eine gehaltvolle illustrierte Einleitung über die Geschichte des Buchdrucks und des Buchschmucks enthält, ist sehr gut, und da der Preis mäßig ist, so darf man wohl erwarten, daß das Werk den verdienten Absatz finden wird. Bredeney/Ruhr. Tony Kellen. Kleine Mitteilungen. * Verein der Buchhändler zu Leipzig. (Vgl. Nr. 60 d. Bl.) Druckfehler-Berichtigung. — In dem Verhandlungsbericht über die Hauptversammlung des Vereins der Buchhändler zu Leipzig in Nr. 60 d. Bl. bitten wir auf Seite 3243, Spalte 1, oben, Zeile 4, bei Mitteilung der Wahlergebnisse den Druckfehler Wolfgang Kühn zu berichtigen in: Wolfgang Koehler. Red. Für die Herren Antiquare! Achtung! — Gestohlen hier, von Ende Januar bis Anfang März 1910, nachfolgende Bücher: 1 Roberts, 41 Jahre in Indien, 2 Bde., geb., 1 Merian, Jllustr. Geschichte der Musik, geb., 1 Shakleton, 21 Meilen vom Südpol, 2 Bde., geb., 1 Runge, Geburtshilfe, geb., 1 Parkinson, 30 Jahre in der Südsee, geb., 1 Bellman, Fredmans Episteln, geb., 1 De Coster, Tyll Ulenspiegel, geb., 1 Steffens, Lebenserinnerungen, brosch., 1 Wille, Offenbarungen des Wachholderbaumes, Bd. I/II, geb., 1 Siegeslauf der Technik, 3 Bde. (Union, Stuttg.), geb., 1 Die Gesundheit, 2 Bde. (Union, Stuttg.), geb., 1 König, Geschichte der deutschen Literatur, 2 Bde., geb. Es wird um Nachricht ersucht, falls diese Bücher angekauft sind oder noch angeboten werden sollten. Leipzig, den 10. März 1910. Die Kriminalabteilung des Polizeiamts der Stadt Leipzig. 427*